Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«La Stampa»: Umverteilung der Impfdosen zu Gunsten Afrikas nötig

ROM: Zum Verlauf der Pandemie und zu den Impfstrategien schreibt die italienischen Tageszeitung «La Stampa» aus Turin am Montag:

«Während sich im wohlsituierten Teil der Welt junge und gesunde Leute die dritte Impfdosis abholen, haben in Afrika gerade mal elf Prozent der Bevölkerung überhaupt eine Dosis erhalten, Länder wie Mali oder Burkina Faso kommen nur auf drei und zwei Prozent. Seit langem schlagen Wissenschaftler Alarm: Wenn wir den armen Ländern keine Impfungen zur Verfügung stellen, werden wir immer den Varianten von Sars-CoV-2 hinterher laufen. Und inzwischen wissen wir, dass das Hinterherlaufen keine Lösung ist, denn das Virus ist immer schneller.

(...) Um dem Virus nicht mehr hinterher zu hinken, müssen wir vorausschauender sein und als Team spielen, zum Beispiel einen globalen Blick auf die Frage haben, wie die verfügbaren Impfungen bestmöglich eingesetzt werden: ob es wichtiger ist, zwanzigjährige Europäer mit der dritten Dosis auszustatten oder lieber weltweit für weniger Zirkulation des Virus zu sorgen. Ob man lieber die Patente aussetzt, um mehr Impfstoff zu produzieren und ohne Kompromisse den Notlagen begegnen kann. Ob man Gelder für das Militär nicht lieber in die Anschaffung der Impfstoffe für Arme statt für Waffen ausgibt.

Wenn die Politik nicht in der Lage ist, ihren Teil beizutragen, über die eigenen Grenzen hinaus zu blicken und mutige Entscheidungen zu treffen, dann ist sie ein nutzloser Spieler und könnte dafür sorgen, dass wir das Spiel verlieren.»


«Financial Times»: Impfstoff muss gerecht verteilt werden

LONDON: Zur neuen Corona-Variante Omikron meint die Londoner «Financial Times» am Montag:

«Die neue Corona-Variante lehrt uns vor allem zwei Dinge. Das eine ist der Wert der genomischen Überwachung für die Frühwarnung und die Notwendigkeit, sie auszuweiten. (...)

Zum anderen wird einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, ärmere Länder schneller mit Impfstoffen zu versorgen. Omicron hätte überall auftreten können. Aber seit langem wird befürchtet, dass Verzögerungen bei der Impfung in Entwicklungsländern - ganz abgesehen von moralischen Fragen - große Infektionsreservoirs schaffen könnten, in denen potenziell impfstoffresistente Mutationen auftreten und sich dann weltweit verbreiten könnten. Die Sicherstellung eines gerechten Zugangs zu einem Impfstoff wird immer wichtiger, wenn die Welt den Kampf gegen das Virus gewinnen will. Und der verspricht, wie jetzt klar ist, ein langer Zermürbungskrieg zu werden.»


«Dagens Nyheter»: Eine Frau wäre mit Johnson-Rede nicht durchgekommen

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Montag die skurrile Rede des britischen Premierministers Boris Johnson beim Industrieverband CBI:

«Es tut weh, wie uns Johnson an eine gewisse Kategorie von Typen erinnert, die bei der Gruppenarbeit in der Schule andere (die Mädchen) die Arbeit machen lassen und dann bei der Präsentation völlig unvorbereitet vor der Klasse stehen, feixen und eine Geschichte erzählen. Allzu häufig kommen sie damit davon. Eine Sache ist sicher: Eine Frau wäre niemals damit durchgekommen, sich wie Boris Johnson vor dem CBI zu verhalten.

Es zeigt auch ein politisches Paradox: Es wird gesagt, wir hätten unmenschliche Teflon-Politiker satt, die man nachts um drei wecken kann und die zwei Minuten später gut gekämmt vor der Kamera stehen und den gesamten Zusatzhaushalt erklären können. Vielleicht ist das hier die Alternative? Schlampige, desinteressierte, gelangweilte Entscheider, die ihren Job nicht machen können. Gebt uns dann lieber einen tristen Bürokraten, der weniger Gelächter auf sich zieht, aber der es zumindest schafft, das Memo durchzulesen.»


«Trud»: Wird die Ampel-Koalition Europa föderalisieren?

SOFIA: Die bulgarische Zeitung «Trud» schreibt am Montag zur möglichen Zukunft der EU bei einer Ampel-Koalition in Deutschland:

«Wollt ihr in ein Europa in deutscher Uniform und mit Tönen französischer Chansons leben, die manchmal von italienischen Kanzonetten und spanischem Flamenco unterbrochen werden? (...) Die neu formierte «Ampel»-Regierungskoalition in Deutschland aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen erklärte offen die Föderalisierung von Europa als ihre Priorität. Ob dieses Vorhaben die Richtung der europäischen Debatten und Entwicklung in den kommenden Jahren bestimmen wird, wird allerdings nicht unwesentlich vom Ausgang der Präsidentenwahl in Frankreich im nächsten Jahr abhängen.»


«Neatkariga Rita Avize»: Russisches Schach

RIGA: Zur Lage an den Grenzen der EU zu Belarus und zwischen Russland und der Ukraine meint die national-konservative lettische Tageszeitung «Neatkariga Rita Avize» am Montag:

«Dieser Winter könnte sich als entscheidend für die Ukraine erweisen. Der Druck Russlands ist bereits enorm und eine erneute Eskalation an der Grenze zwischen der EU und Belarus würde Russland helfen, ihn weiter zu intensivieren. Während Europa seine Zeit damit verschwendet, Kriminelle im Namen der Menschlichkeit und der Menschenrechte zu verhätscheln, verschiebt der Kreml nach Belieben die Figuren auf dem europäischen Schachbrett. Europa könnte es verpassen. Genauso wie es die Besetzung der Krim verpasste.»


«De Tijd»: Kampf gegen Corona wird zum Wettlauf mit der Zeit

BRÜSSEL: Zur Ausbreitung der neuen Corona-Variante Omikron meint die belgische Zeitung «De Tijd» am Montag:

«Durch die Omikron-Variante wird einmal mehr deutlich, wie schwierig das Virus unter Kontrolle zu bringen ist. Das liegt unter anderem daran, dass die Evolution des Virus unvorhersehbar und es daher schwierig ist, passende Maßnahmen zu ergreifen. Noch schwieriger wird eine effektive Vorbeugung durch das Auftauchen immer neuer Mutationen, die die Art der Ansteckung verändern. Impfungen sind immer noch der wichtigste Verteidigungswall. Zumindest sorgen sie für einen milderen Krankheitsverlauf. Deshalb ist es wichtig, so schnell wie möglich angepasste Impfstoffe herzustellen und zu verteilen. (...)

Welche Folgen Omikron für den weiteren Verlauf der Pandemie hat, muss sich erst noch zeigen. Wenn diese Variante ansteckender, jedoch weniger tödlich ist, kann das auch dazu führen, dass die Pandemie insgesamt weniger tödlich verläuft. Insbesondere, wenn die Deltavariante durch die neue verdrängt wird. Aber das ist vorläufig nur eine Vermutung. Eine wissenschaftliche Antwort darauf zu finden, wird in der Tat ein Wettlauf mit der Zeit.»


«L'Alsace»: Nicht alle Länder haben den gleichen Zugang zur Impfung

MULHOUSE: Zur Ausbreitung der Virusvariante Omikron schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «L'Alsace» am Montag:

«Zu den wesentlichen Fragestellungen bezüglich der Omikron-Variante zählt ihr Entstehungsort. Ist die niedrige Impfquote in den Ländern im Süden Afrikas der Grund dafür, dass das Virus mutiert ist? Während die Hälfte des Planeten noch keine erste Impfdosis erhalten hat, organisieren die reichsten Länder bereits die dritte Impfung. Eine Ungleichheit, die zeigt, wie uneins die sonst so sehr miteinander verflochtene Welt ist.»


«Pravo»: Tschechiens neuer Premier ist kein zweiter Churchill

PRAG: Zur Ernennung des neuen tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala, der aber die Regierungsgeschäfte erst nach der Vereidigung des neuen Kabinetts übernimmt, schreibt die linksgerichtete Zeitung «Pravo» aus Prag am Montag:

«Fiala kritisiert die Corona-Maßnahmen seines Vorgängers, lehnt die Schließung der Weihnachtsmärkte ab und ist gegen eine Impfpflicht. Er will zu Beginn seiner Amtszeit nicht gleich mit unangenehmen Schritten in Verbindung gebracht werden. Es fehlen Politiker, die den Mut haben zu sagen: «Ich habe nichts zu bieten außer Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß.» Doch ein zweiter Churchill oder Roosevelt steht nicht zur Verfügung. Fiala hat zwar als konservativer Intellektueller die Klassiker studiert, steht aber an der Spitze einer Partei, die den Pragmatismus in den Genen hat. Noch ist Fiala ein General ohne Soldaten. Doch sobald Präsident Milos Zeman seine Minister ernennt, wird er einsehen müssen, dass er einen großen Teil der Verantwortung für unsere Gesundheit und unsere Geldbeutel trägt.»


«de Volkskrant»: Regierung muss kreativ werden

AMSTERDAM: Die Amsterdamer Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Montag die niederländische Coronapolitik:

«Bisher war die Politik vor allem der Meinung, dass wir das Virus zunächst mit Lockdowns zerstören und ihm dann mit einem Impfstoff den Todesstoß versetzen müssen. Nun zeigt sich, dass die Pandemie wohl vorerst nicht endet und es zumindest sehr ratsam ist, sie weiter ernst zu nehmen.

Das erfordert von der Regierung eine völlig andere Einstellung. Sollte das Virus uns wirklich noch jahrelang begleiten, muss sie von nun an auf vielen Brettern gleichzeitig Schach spielen. (...) Zunächst muss die Kapazität der Intensivstation deutlich erhöht werden, um zu verhindern, dass die Niederlande jedes Mal frühzeitig in einen Lockdown gehen müssen. Die Art und Weise, wie das Gesundheitswesen hier organisiert ist, macht dies bislang unmöglich. Es sind unkonventionelle Maßnahmen erforderlich. Sie sind teuer, aber das gilt auch für Lockdowns.»


«Dziennik»: Deutschlands neue Energiepolitik hat Folgen für Polen

WARSCHAU: Die energiepolitischen Ziele der kommenden Bundesregierung kommentiert die polnische Wirtschaftszeitung «Dziennik Gazeta Prawna» am Montag:

«Statt 65 Prozent des Stromverbrauchs nun 80 Prozent aus erneuerbaren Energien, Ausstieg aus der Kohle bis Ende des Jahrzehnts, mindestens 60 Euro pro Tonne CO2 beim Handel mit CO2-Zertifikaten, Abschaffung von Verbrennern bis 2035. Dies Skizze des Programms der Regierung von Olaf Scholz zeigt, dass sich jenseits der Oder der Wille zu einem Transformationssprung ankündigt. Sicherlich werden sich nicht alle Punkte des Koalitionsvertrags umsetzen lassen. Die Ambitionen der Grünen, die in der neuen Formation die Schlüsselressorts für die Energiepolitik bekommen, könnten auch finanziell begrenzt werden. Denn die Mobilisierung von Milliarden Euro wird schwer mit dem finanzpolitisch konservativen FDP-Chef Christian Lindner, der den Haushalt in seiner Obhut haben wird.

Trotzdem wäre es naiv zu glauben, dass der Ruck an den Zügeln bei Polens wichtigstem Partner und dem größten Markt in der EU auf uns keine Auswirkungen haben wird. Der schnellere Ausstieg aus der Kohle bedeutet, dass unsere Nachbarn, nach absoluten Zahlen immer noch der größte Kohleverbraucher in Europa, für Polen kein bequemes Alibi mehr sein werden.»


«NZZ»: Kritisches Hinterfragen weiter notwendig

ZÜRICH: Bei einer Volksabstimmung über das Schweizer Covid-Zertifikat haben Corona-Maßnahmengegner eine deutliche Niederlage erlitten. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Montag:

«Das bedeutet keineswegs, dass ab Montag alles gutgeheißen werden muss, was aus Bern kommt. Kritisches Hinterfragen ist auch in Krisenzeiten notwendig. Wünschenswert wäre nur, dass die unsägliche Vermischung von Kritik, Komplottvorwürfen und latenter Gewaltbereitschaft endlich unterbleibt. Das Abstimmungsresultat zu respektieren, bedeutet auch, sich von Leuten fernzuhalten, die sich nicht an die demokratisch vereinbarten Regeln halten und Verschwörungstheorien nachhängen.

Aber auch die Befürworter des Zertifikats stehen in der Pflicht. Das Ja zum Covid-Gesetz bewahrt die Schweiz zwar vor einer unmöglichen Ausgangslage. Doch ein Unbehagen ist nach bald zwei Jahren praktisch ununterbrochenen Freiheitsbeschränkungen berechtigt. (...) Die Sieger dieses Abstimmungssonntags nehmen die Zertifikatspflicht in der jetzigen Lage als sinnvolle Restriktion wahr. Umso wichtiger ist es, dass sie ihr Sensorium für die einschneidenden Folgen von Vorschriften und Verboten nicht verlieren.»


«El Mundo»: Omikron als Rache für Selbstsucht der Selbstzufriedenen

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Montag die Gefahr durch die neue Virusvariante Omikron:

«Wenn politische Versprechen oft leer sind, waren sie noch nie so leer wie jetzt. Prognosen sind angesichts von Virusmutationen nutzlos. Nachdem Verunsicherung und Panik eine Zeit lang weniger intensiv als die Pandemie waren, flammt diese nun wieder auf. Angst, Stress und Traurigkeit kehren zurück. Es gibt keine größere Katastrophe, als das Unglück herannahen zu sehen. Als es so schien, als hätten wir das Übel gebannt, kehrt das Übel aus Afrika zurück, als Rache für die Selbstsucht der Selbstzufriedenen. Es lauert bereits in mehreren Ländern Europas und ist so ansteckend wie Hass.

Die Nachrichten über Omikron sind über Prognosen, Rhetorik und die Aktienmärkte hinweggefegt. Es geht nicht um die Angst vor einer nuklearen Katastrophe, sondern um einen Hustenanfall, der einen umbringen kann.»


«Washington Post»: Ärmel hoch und impfen lassen

WASHINGTON: Zur Coronalage in den USA und der erfolgreichen Impfkampagne im öffentlichen Dienst schreibt die «Washington Post» am Montag in ihrer Online-Ausgabe:

«Die mehr als 3,5 Millionen Beschäftigen der Bundesbehörden haben die von Präsident Biden gesetzte Frist für eine Impfung zu 92 Prozent mit mindestens einer Dosis erfüllt. Herr Bidens Vorschlag, auch die Mitarbeiter größerer Unternehmen zur Impfung zu verpflichten, hängt derzeit wegen juristischer Anfechtungen fest, aber das sollte nicht von der Tatsachen ablenken, dass Impfverpflichtungen dabei helfen, dass mehr Menschen mehr Spritzen bekommen. Wenn alle Amerikaner so impfbereit wären wie die Bundesangestellten, gäbe es viel weniger Elend. (...) Herr Bidens Anordnung für die öffentlichen Beschäftigten vom 9. September hat beeindruckende Ergebnisse hervorgebracht. (...) In vielen Fällen im Privatsektor haben die Beschäftigen Spritzen akzeptiert, wenn man es von ihnen verlangte. (...) Kurz und gut, der schnellste Weg aus der Pandemie ist für alle, ihre Ärmel hochzukrempeln.»

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