Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Brechen der vierten Welle

Warum hat Merkel in den letzten Tagen ihrer Kanzlerschaft angesichts der vierten und bisher schlimmsten Welle jetzt nur im CDU-Vorstand Klartext geredet, dessen dramatischer Inhalt («Eine Lage, die alles übertreffen wird, was wir bisher hatten.») dann auch nur häppchenweise die Öffentlichkeit erreicht? (...) Denn eine länderübergreifende Bundesnotbremse mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte und dem Runterfahren des öffentlichen Lebens wie in Österreich wird bald nicht mehr möglich sein.

Die von einer schwarz-grünen Länderallianz geforderte Einführung einer allgemeinen Impfpflicht hilft wohl erst gegen eine fünfte Welle im Frühjahr. Merkel hat recht: Jetzt müssen die Länder rasch handeln. Sonst ist Sachsen bald überall.


«Frankfurter Rundschau» zur Debatte über Corona und die Impfpflicht

Corona hat die Gesellschaft gespalten - auch deshalb, weil die Parteien und Bund und Länder es im Bundestagswahljahr nicht geschafft haben, trotz ihres Wissens um die Tücken einer Pandemie gemeinsam mutig und entschlossen voranzugehen.

Das Resultat: Auch wenn uns vieles an den Murks vor einem Jahr mit Lockdown-light im November und einem richtigen Lockdown zu Weihnachten erinnert - Deutschland erlebt mit dem zweiten Corona-Winter kein Déjà-vu. Deutschland erlebt ein noch nicht gekanntes Desaster. Am 9. Dezember kommen Bund und Länder wieder zusammen und wollen die gelockerte Corona-Politik ohne Möglichkeit zum Lockdown überprüfen. Gut möglich, dass sie das rückgängig machen und auch eine Impfpflicht erlassen müssen. Um die Krise zu überwinden, müssen zwei wichtige Herausforderungen bewältigt werden: Fehlentscheidungen korrigieren und die Mehrheit zu ihrem Recht kommen lassen. Das ist in einer Demokratie so. Es gibt eine Entscheidung und die gilt dann auch für die Minderheit.


«La Repubblica»: Putin lässt manche an Kuba-Krise denken

ROM: Zu den Spannungen zwischen der Ukraine und Russland schreibt die Tageszeitung «La Repubblica» aus Rom am Montag:

«Bricht tatsächlich ein Krieg aus im Herzen Europas? Das Fenster für eine Rettung der Ukraine ist klein, sagen die USA zu ihren europäischen Verbündeten nach den russischen Truppenübungen an der Grenzen der ehemalige sowjetischen Teilrepublik, von denen ein Spionagesatellit die Beweisbilder lieferte. (...)

Der amerikanische Rückzug aus Afghanistan und die Gas-Abhängigkeit der EU von Moskau könnten Putin dazu veranlassen, zu glauben, dass die Nato keinen Krieg riskiert, um die Ukraine vor einer Invasion zu beschützen. Unklar ist, ob er mit den Truppenbewegungen den Westen nur einschüchtern will oder die Migrantenkrise zwischen Belarus und Polen als taktisches Ablenkungsmanöver nutzt und eine Aktion vorbereitet, die manch einer mit der Kuba-Krise 1962 vergleicht.»


«Pravda»: Impfung ist einzige wirksame Waffe im Krieg gegen Corona

BRATISLAVA: Die linksliberale slowakische Tageszeitung «Pravda» warnt am Montag vor Impfskepsis:

«Wir müssen uns bewusst machen, dass wir uns quer durch ganz Europa in einem Krieg befinden. Der Aggressor setzt keine Bodentruppen ein und auch keine Bombenflieger, denn dieser Feind ist unsichtbar. Er lässt sich nur unter dem Mikroskop erkennen. Die heimtückische Wirkung von Covid-19 ist aber so stark, wie wenn eine fremde Armee Tag für Tag Tausende Europäer töten würde. (...) Die Antwort auf den Terror, den Covid-19 täglich verübt, ist die Verschärfung von Maßnahmen mit einem Lockdown als schärfster Gegenoffensive. Sobald dieser Lockdown aufgehoben wird, kommt die mordende Plage aber wieder umso verheerender zurück. (...)

Wie jeder Krieg verlangt daher auch dieser außerordentliche Schritte. Österreich hat sich für die verpflichtende Impfung entschieden, weil sich die Staatsführung eingestehen musste, dass dies der einzige Weg ist, dem Teufelskreis zu entkommen. (...) Die Verteufelung der Impfung bedeutet eine Verantwortungslosigkeit, die so viel Schaden anrichtet wie eine schreckliche Waffe. Der Krieg gegen Covid-19 lässt sich offensichtlich nicht mit wiederholten Lockdowns gewinnen - oder falls doch, dann nur mit vielen Todesopfern in der Zwischenzeit. Es gibt eine einzige Waffe, die gegen Corona die Kraft einer Atombombe hat. Und das ist die Impfung.»


«Lidove noviny»: Rücksicht auf Gesundheitspersonal nehmen

PRAG: Die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Prag fordert am Montag angesichts hoher Infektionszahlen eine weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen in Tschechien:

«Es ist unverantwortlich, wie selbstverständlich mit der Aufopferungsbereitschaft des Personals im Gesundheitswesen zu rechnen, das bereits jetzt an der Grenze der Erschöpfung arbeitet. Die Nachbarstaaten Tschechiens verschärfen radikal die Regeln für zwischenmenschliche Kontakte. Zum einen wollen sie damit die Zahl der Corona-Opfer minimieren. Zum anderen sind sie sich bewusst, dass der gute Wille des Gesundheitspersonals nicht endlos ausgenutzt werden kann - vor allem nicht im Interesse von Egoisten, die nur ihre eigene Weltsicht anerkennen und nur auf sich selbst Rücksicht nehmen. Je später wir zu radikalen Restriktionen greifen, desto schlechter wird die Bilanz am Ende ausfallen - auch was das Vertrauen in den Staat angeht.»


«Gazeta Wyborcza»: Europas Diplomatie stärker als Polens Propaganda

WARSCHAU: Zum Agieren von Polens Regierung in der Krise um die Migranten an der Grenze zu Belarus schreibt die polnische Zeitung «Gazeta Wyborcza» am Montag:

«Die (nationalkonservative) PiS-Regierung kümmert sich hauptsächlich um Eigen-PR. So muss man die Besuche von Regierungschef Mateusz Morawiecki am Sonntag in den Hauptstädten der baltischen Länder verstehen. Hier geht es nicht um den hybriden Krieg von Alexander Lukaschenko, sondern um die verwirrten Wähler der PiS. Denn die haben erfahren, dass sich die Krise an der Grenze mit Belarus erst beruhigt, seit sich die EU und die politische Führung von Deutschland und Frankreich mit der Sache befassen. Die europäische Diplomatie ist stärker als die polnische Propaganda.

Nach geschlagenen zwei Monaten erinnert sich der polnische Regierungschef daran, dass Lukaschenkos hybride Aktion eine gemeinsame europäische Antwort erfordert. Zuvor hatte er der EU noch mit dem Dritten Weltkrieg gedroht, anstatt für so eine Reaktion zu werben. Demonstrativ bat er nicht um die Unterstützung von Frontex. Vielleicht sollte jemand Morawiecki mal daran erinnern, dass es sich lohnen würde, über das, was sich an unserer Grenze ereignet, mit den Regierungen von Deutschland und Frankreich zu sprechen.»


«De Telegraaf»: Polizisten verdienen Unterstützung

AMSTERDAM: Zur Gewalt bei Corona-Demonstrationen in Rotterdam meint die niederländische Zeitung «De Telegraaf» am Montag:

«Weil uns noch strengere Corona-Beschränkungen drohen, fürchten vor allem Ungeimpfte, noch stärker ausgeschlossen zu werden. Die meisten von ihnen haben echte Sorgen und sie machen Gebrauch von ihrem Demonstrationsrecht. Doch ihr Widerstand ist gekapert worden. Durch Straßengesindel, das einzig und allein darauf aus ist, die Gesellschaft zu zersetzen, Geschäfte von hart arbeitenden Mittelständlern zu zerstören und Nothelfer mit lebensgefährlichen Feuerwerkskörpern anzugreifen. Die Gewaltorgie am Wochenende konnte nur durch das unerschrockene Auftreten von Polizisten und Helfern im Zaum gehalten werden. Sie verdienen jedwede Unterstützung.»


«Jyllands-Posten»: Wir müssen uns an Leben mit Corona gewöhnen

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) kommentiert am Montag die verschärfte Corona-Lage in Dänemark und weiten Teilen Europas:

«Wir hatten damit begonnen, über Corona als etwas Vergangenes zu sprechen - die Panik, die Angst, das Misstrauen lagen hinter uns, Umarmungen wurden wiedereingeführt. Aber der Sommer ist vorbei und Corona damit zurück. Der Balance-Akt besteht nun darin, wie man die Gesellschaft dennoch offen belässt, da niemand noch einen Lockdown gebrauchen kann, und das Virus irgendwie unter Kontrolle behält. Das Wichtigste ist jetzt, dass die Infektionslage nicht ausufert. Das soll vorerst mit milden Beschränkungen, Tests und Corona-Pass verhindert werden. Mehr sollen geimpft, das Tempo beim dritten Stich gesteigert werden. Corona verschwindet vorerst nicht. Wir müssen uns daran gewöhnen, damit zu leben.»


«The Times»: Geimpfte wollen Freiheiten genießen

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Montag die Corona-Demonstrationen in mehreren europäischen Ländern:

«Es liegt auf der Hand, dass die abwehrende Haltung der Ungeimpften die Geimpften auf lange Sicht nicht davon abbringen kann, ihre Freiheiten zu genießen. Die neuen gesundheitspolitischen Maßnahmen in Europa, von denen vor allem die Ungeimpften betroffen sind, spiegeln dies wider. (...) Die Komplikationen in Europa zeigen aber auch, dass die Spaltung zwischen Geimpften und Ungeimpften schnell tief und bitter werden kann, wenn die Pandemie in eine schwerere Phase eintritt, was in jedem Land wieder geschehen kann. Fehlinformationen schüren Misstrauen, das in Gewalt umschlagen kann. Das erinnert eindringlich an die Notwendigkeit, die Debatte über Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit ehrlich, sachlich und informiert zu führen - und weiter darauf hinzuwirken, dass Booster-Impfungen verabreicht werden.»


«De Standaard»: Sorge um Krebspatienten ist wichtiger

BRÜSSEL: Zu den Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen in Brüssel meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Montag:

«Die Organisation für Krebsbekämpfung «Kom op tegen Kanker» bekam etliche Anrufe von Patienten, die sich Sorgen um die Einhaltung ihrer Behandlungspläne machen. Im Interesse dieser Menschen appelliert sie an die gesamte Bevölkerung die Corona-Maßnahmen einzuhalten, egal ob man geimpft ist oder nicht. Viele kennen auch in ihrem persönlichen Umfeld Menschen, deren Operation verschoben wurde oder die durch die wieder aufflammende Epidemie besonders gefährdet sind.

Diese Sorgen sind weniger sichtbar als die Bilder aus Brüssel. Die Demonstration ist sicherlich ein Weckruf. Verschwörungstheorien sind ansteckend, Polarisierung ist gefährlich. Aber noch gefährlicher und ansteckender ist das Virus selbst. Deshalb darf Angst vor wütenden Impfgegnern die Politik keinesfalls beeinflussen. Die Sorge um verärgerte Krebspatienten muss sie hingegen unbedingt berücksichtigen.»


«El País»: Lula, der Sozialdemokrat Lateinamerikas

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Montag die Bewerbung des früheren brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr:

«Bei der Wahl wird wahrscheinlich der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro gegen den wiederauferstandenen Luiz Inácio Lula da Silva antreten. In Brüssel hob Lula die Gemeinsamkeiten mit den Sozialdemokraten hervor. Er scheint der einzige zu sein, der Bolsonaro besiegen könnte, einen Präsidenten, der in der Pandemie die Wissenschaft missachtet hat, was dem Land eine der höchsten Todesraten der Welt eingebracht hat. Bolsonaro arbeitet nicht nur an der Zerstörung des Amazonas, sondern missachtet auch die Demokratie.

Seit Bolsonaro Präsident wurde, folgt er dem Handbuch des autoritären Populismus. Er hat die Verfassung beschädigt, spaltete die Gesellschaft und fördert Verschwörungstheorien. Die Wahl 2022 wird von existenzieller Bedeutung sein: Die Zukunft der brasilianischen Demokratie steht auf dem Spiel. Lula hat in Europa die Botschaft hinterlassen, dass Brasilien nicht Bolsonaro ist, und dass eine demokratische Linke, die realistisch und bereit ist, gegen Ungleichheit zu kämpfen, möglich ist.»


«Nesawissimaja»: Der Frust über Corona-Beschränkungen

MOSKAU: Zu den Protesten gegen Corona-Beschränkungen schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Montag:

«In Wien gingen bis zu 40.000 Menschen auf die Straße, um gegen die Entscheidung der Behörden zu demonstrieren, ab Montag eine dreiwöchige Ausgangssperre und ab Februar Zwangsimpfungen zu verhängen. In den Niederlanden löste die Nachricht von restriktiven Maßnahmen Unruhen aus. Auch in anderen europäischen Ländern kam es zu Protesten. Die Behörden stehen vor einem Dilemma: Wie können sie die Freiheiten maßvoll beschränken, ohne dass dabei ihre Umfragewerte sinken - und gleichzeitig die Sicherheit der Menschen gewährleistet und die Impfraten erhöht werden? Wenn wir nicht handeln, drohen Hunderttausende neuer Todesfälle.»

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Leserkommentare

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