Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Handelsblatt» zu Ampel-Koalition / Finanzministerium

Ohne das Finanzministerium ist es für die Liberalen schwierig, in eine Regierung einzutreten.

Erstens haben sie schon mal - in der schwarz-gelben Koalition - den Verzicht auf das Ressort bitter bereut. Den Fehler wird Lindner nicht wiederholen wollen. Und zweitens zählt die Finanzpolitik zum Markenkern der FDP, war Hauptthema ihrer Wahlkampagne. Das ist ein Unterschied zu den Grünen. Sie haben die Bundestagswahl zur Klimawahl deklariert. Insofern können sie nun schlecht das Finanzressort einem möglichen Klimaschutzministerium vorziehen. Das ist auch der Grund, warum sich Lindner nun für die Schaffung eines solchen Ressorts starkmacht. Ein grüner Klimaschutzminister würde höchstwahrscheinlich bedeuten, dass im nächsten Kabinett ein FDP-Finanzminister sitzt.


«Frankfurter Rundschau» zu fehlende EU-Migrationspolitik

Aber wie kann es eigentlich sein, dass die EU auch sechs Jahre später noch nicht einmal ansatzweise über eine Strategie zur Problemlösung verfügt? Dass Lukaschenko sein sadistisches Spiel mit Menschenleben überhaupt treiben kann, ist ja nicht zuletzt eine Folge des kollektiven Versagens der EU in der Migrations- und Flüchtlingspolitik.

Gäbe es dieses Scheitern nicht, gäbe es auch keinen Hebelpunkt für Erpresser. Offensichtlich ist, dass sich in der EU vor allem zwei Lager wechselseitig blockieren. Alle Parteien zusammenzubringen, ist nicht leicht. Allerdings haben die EU-Staaten doch schon in so vielen Krisen ihre Kompromissfähigkeit bewiesen, dass es schwer erklärlich bleibt, warum ausgerechnet in der Migrationspolitik eine solche Sprachlosigkeit herrscht. Am Ende kann man vielleicht nur hoffen, dass es ausgerechnet Lukaschenkos Sadismus ist, der die EU zu neuen Lösungen zwingt.


«De Tijd»: Europa brauchte neue Realpolitik

BRÜSSEL: Zu Berichten über einen chinesischen Test einer nuklear-fähigen Hyperschallrakete meint die belgische Zeitung «De Tijd» am Montag:

«Auch die USA und Russland arbeiten an ähnlichen Waffen. Doch wenn der US-Geheimdienst nun durch eine solche Waffe in China überrascht wurde und wenn das Land damit sogar noch vor den USA liegt, dann ist das ein schlechtes Zeichen. China lässt sich von den USA nicht abschrecken. (...)

Die Geopolitik hat sich in raschem Tempo verändert. Und Europa ist dabei an die Peripherie gerückt. Darum muss Europa seine geopolitische Ausrichtung ändern. Alte Allianzen verlieren rasch an Bedeutung. Es wird Zeit für mehr Realpolitik und die simple Frage danach, was für uns erreichbar ist und was das kostet. Afghanistan hat gezeigt, das Treue nicht belohnt wird - im Gegenteil.

Eine neue Realpolitik entspricht vielleicht nicht Europas Idealen, hätte aber den Vorteil, dass sie Klarheit schafft. Das würde Europa in die Lage versetzen, seine eigene Kraft zu entwickeln. Die heutige Unentschlossenheit führt zu nichts. Wir müssen deshalb nicht gleich eine Hyperschallrakete haben. Aber wir müssen sehr wohl darauf achten, dass unsere Unabhängigkeit nicht zwischen zwei Supermächten verspielt wird.»


«De Telegraaf»: Drogenpolitik der Niederlande war naiv

AMSTERDAM: Zum Umgang mit der Drogenkriminalität in den Niederlanden meint die Amsterdamer Zeitung «De Telegraaf» am Montag:

«Die Niederlande sind mal wieder vom Ausland mit der Nase auf die hier bestehende schwere organisierte Drogenkriminalität gestoßen worden. Auf der Titelseite des deutschen Wochenmagazins «Der Spiegel» prangt das Käsemädchen «Frau Antje» mit einem Joint im Mund, einer Kalaschnikow in der Hand und einem mit Kokain gefüllten und von Einschusslöchern durchbohrten Käse.

Dem Magazin zufolge sind die Niederlande der Drogensupermarkt Europas und sie werden als Folge einer jahrelangen naiven Drogenpolitik als wahres Mafia-Paradies dargestellt. Ein trauriges, aber meist zutreffendes Bild. Die Zunahme des organisierten Verbrechens wurde zu lange unterschätzt, so dass die Niederlande nun mit wachsender extremer Gewalt konfrontiert sind. Um Angst zu verbreiten, bedienen sie sich sogar der Taktiken von Narkoterroristen.

Andererseits gelingt es Polizei und Justiz, Rädelsführer hinter Gitter zu bringen. Der Transport von fluchtgefährdeten Gangstern in die Gerichtssäle birgt jedoch Sicherheitsrisiken. Um eine gewaltsame Flucht zu verhindern, sollte beim Hochsicherheitsgefängnis in Vught auch ein Hochsicherheitsgericht entstehen, wie der dortige Bürgermeister zu Recht fordert. Die Tatsache, dass es so ein Gericht noch nicht gibt, sagt genug über die jahrelange Naivität bei der Verbrechensbekämpfung.»


«La Repubblica»: Pekings Hyperschallrakete überrascht Washington

ROM: Zum Flug einer chinesischen Hyperschallrakete schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Montag:

«Eine atomwaffenfähige Hyperschallrakete, die im Geheimen gestartet wurde. Eine Runde um die Erde, auf der Reise in niedriger Umlaufbahn des Planeten, die, obwohl das endgültige Ziel um etwa dreißig Kilometer verfehlt wurde, auf der anderen Seite der Welt, in Washington, mehr als nur ein paar Haare zu Berge stehen lässt. Es zeigte, dass Peking auf diesem Gebiet weiter ist, als sich amerikanische Funktionäre vorstellen konnten. (...) Das neue Rennen bei den Hyperschallwaffen Chinas, der USA und Russlands - eingeschlossen der Hyperschallraketen, die mit fünffacher Schallgeschwindigkeit unterwegs und wendig, also damit schwerer zu verfolgen sind - scheint durch Peking einen neuen Sprung nach vorne zu verzeichnen.»


«The Guardian»: Frankreichs Rechtsextreme haben einen neuen Star

LONDON: Der Londoner «Guardian» kommentiert am Montag den französischen Vorwahlkampf zur Präsidentschaftswahl im April:

«Die fremdenfeindliche Rechte hat in Éric Zemmour - einem Autor und Fernsehkommentator, der sich beim französischen Pendant von Fox News einen Namen gemacht hat - einen neuen Star gefunden. Zemmour hat seine Kandidatur noch nicht offiziell erklärt, aber in diesem Monat hat er Marine Le Pen (von der der rechtsextremen Partei Rassemblement National) in den Umfragen zum ersten Mal überholt. (...)

Neben anderen Provokationen hat Zemmour vorgeschlagen, ein Gesetz wieder einzuführen, das besagt, dass alle in Frankreich geborenen Kinder - einschließlich derer aus muslimischen Familien - traditionelle christliche Namen erhalten sollten. Mit Hilfe eines aggressiv geführten Kulturkampfes konnte er in den Umfragen höhere Werte erzielen als die Kandidatin der Parti Socialiste, Anne Hidalgo, und der Kandidat der Grünen, Yannick Jadot, zusammen.

Emmanuel Macron bleibt zwar der wahrscheinliche Gewinner der Präsidentenwahl im nächsten Frühjahr (obwohl ein starker Mitte-Rechts-Gegner in der Stichwahl diese Berechnung ändern könnte). Betrachtet man jedoch einen längeren Zeitraum als diesen speziellen Wahlkampf, kommt man kaum umhin festzustellen, dass die politische Kultur in Frankreich in eine alarmierend illiberale Richtung driftet.»


«Nesawissimaja»: Deutschland setzt auf Kontinuität der Merkel-Ära

MOSKAU: Zu den Gesprächen über eine neue Bundesregierung schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Montag:

«Unabhängig davon, wie die künftige Koalition aussieht, ist die Meinung weit verbreitet, dass das Land die Kontinuität der Merkel-Ära bewahren wird. Bekanntlich steckt der Teufel im Detail. Zweifellos wird die Beteiligung kleiner Parteien an einer Regierungskoalition neue Akzente in der deutschen Politik setzen. Die Grünen pochen stärker auf Umweltfragen, Klimawandel und Steuererhöhungen, die FDP auf Wirtschaftsliberalismus und Menschenrechte. (...)

Wenn man über die Kontinuität der zukünftigen Regierung im Zusammenhang mit der Merkel-Ära spricht, muss man verstehen, was eigentlich die Besonderheiten ihres Kurses waren. Zwei Worte - Verlässlichkeit und Stabilität - umschreiben nach Meinung vieler Experten das Wesen der Führung von (Angela) Merkel perfekt.»


«WSJ»: Abgeordneten-Attentat darf Demokratie nicht einschränken

NEW YORK: Zum tödlichen Attentat auf den Tory-Abgeordneten David Amess in Großbritannien schreibt das «Wall Street Journal»:

«Die Ermordung des Parlamentsabgeordneten David Amess am Freitag, als er sich mit Menschen aus seinem Wahlkreis traf, hat Großbritannien schockiert und sollte auch andere westliche Demokratien beunruhigen. Es ist das erste Attentat auf einen britischen Politiker durch einen mutmaßlichen Islamisten, an das wir uns erinnern können, und es wirft beunruhigende Fragen über Integration und demokratische Normen auf. (...)

Britische Politiker waren am Wochenende geteilter Meinung darüber, welche Art von Schutz den Abgeordneten in Zukunft zur Verfügung gestellt werden soll. Mindestens ein Tory-Mitglied empfahl, die persönlichen, als «surgeries» bekannten Sprechstunden mit Bürgern auszusetzen. Andere, darunter Innenministerin Priti Patel, sagten, solche Terrortaten dürften nicht zum Ende der Zugänglichkeit und Offenheit führen, die für die britische Demokratie kennzeichnend sind. Unser Instinkt folgt eher der Ansicht von Frau Patel, aber dann müssen die Sicherheitsbehörden und die politische Kultur des Landes beim Vorgehen gegen die Ausbreitung des islamischen Radikalismus bessere Arbeit leisten.»


«NZZ»: Merkels Türkei-Politik hat ausgedient

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» beschäftigt sich am Montag mit einer Neuausrichtung der Türkei-Politik Deutschlands:

«Dass Merkel sich noch kurz vor ihrem Abschied die Zeit für einen Besuch bei Erdogan nimmt, zeigt die hohe Bedeutung, welche die Türkei seit der Flüchtlingskrise 2015 für sie hat. Damals hat die Kanzlerin erkannt, wie wichtig die Migrationspolitik für ihr politisches Überleben war - und welche Bedeutung die Türkei zur Kontrolle der Migration nach Europa spielt. Allein 2015 und 2016 war sie fünf Mal bei Erdogan, um seine Kooperation zu gewinnen. Das Ergebnis war der umstrittene EU-Flüchtlingspakt. Dafür war Merkel auch bereit, über die zunehmende Untergrabung von Meinungsfreiheit, Rechtsstaat und Demokratie in der Türkei hinwegzusehen. (...)

Die neue Regierung in Berlin sollte Erdogan klarmachen, dass sie zwar Interesse an einer Kooperation in der Migrationspolitik hat, es eine Fortsetzung der engen Wirtschaftsbeziehungen aber nur geben kann, wenn er Erpressung und Provokationen unterlässt. Auch die Freigabe neuer Rüstungsgeschäfte sollte sie davon abhängig machen, dass Erdogan im Kurden-Konflikt wie im Erdgasstreit mit Griechenland auf Gewalt verzichtet. Und mit einem Antrittsbesuch in Ankara kann sich der künftige Kanzler ruhig etwas Zeit lassen.»

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