Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Rundschau» zu Merkels Politik des Dauerdialogs ist gescheitert

Lobeshymnen sind Merkel bei einer ihrer letzten Dienstreisen gewiss.

Doch die Bilanz ihrer Westbalkan-Politik fällt bescheiden aus. Der Prozess der EU-Erweiterung ist völlig ins Stocken geraten. Peking, Moskau und Ankara haben das durch das erlahmte EU-Interesse an der Region entstandene Machtvakuum genutzt. Statt sich der EU anzunähern, scheint sich der Westbalkan immer weiter von ihr zu entfernen. Das Merkel-Prinzip einer auf Zeit spielenden Politik des Dauerdialogs ist in der Region an seine Grenze gestoßen. Doch das ist nicht alles: Berlin hat zwar stets den ehrlichen Makler einer EU-Erweiterung gemimt, doch es in entscheidenden Momenten an der nötigen Konsequenz vermissen lassen. Angesichts des Dauergepolters der eigenen Führung haben viele Menschen auf dem Westbalkan zwar die sachlich-ruhige Art von Merkel geschätzt. Doch in Sachen Erweiterung hat sie wenig erreicht.


«La Repubblica»: Kräfte in Afghanistan bündeln für Schadensbegrenzung

ROM: Zur Zukunft in Afghanistan schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Montag:

«Aus internationalen Krisen wird meist ein Nullsummenspiel. Das ist in Afghanistan nicht anders. Es gibt genug Gründe für die internationale Gemeinschaft, sich geschlossen zu zeigen, etwa die dschihadistische Gefahr oder die Flüchtlingsströme. Die Kräfte zu bündeln ist vielleicht die einzige Möglichkeit, den Schaden zu begrenzen. Aber allein die Tatsache, dass sich Italien als Vorsitzender der G20 so schwer tut, ein zusätzliches Treffen zu organisieren, zeigt, dass sich die Agendas unterscheiden und dass sich niemand in die Karten schauen lassen will. (...)

Für China allein ist der Happen vielleicht zu groß, auch Russland stößt an Grenzen, also könnte der Westen neuen Schwung aufnehmen für eine gemeinsame Sache. Das sind die Punkte, die aus einem Nullsummenspiel ein brauchbares Ergebnis machen könnten. Weil Amerika derzeit anderswo seinen Fokus hat, müsste Europa die Initiative übernehmen.»


«Wall Street Journal»: Amerikas «Verrat» an den Zurückgelassenen

NEW YORK: Dutzende Ausländer haben mit den ersten Passagierflügen aus Kabul seit Ende der chaotisch verlaufenen militärischen Evakuierungsflüge Afghanistan verlassen können. Dazu schreibt das «Wall Street Journal» am Montag:

«Das US-Außenministerium rechnet mit weiteren Ausreisen, aber die Biden-Regierung unternimmt noch immer nicht genug, um Tausende Afghanen zu retten, die das Recht haben, in die USA auszuwandern. Amerikaner, in den USA ansässige Personen und gefährdete Afghanen sind immer noch über das ganze Land verstreut. (...)

Das Programm «Special Immigrant Visa» (SIV) bietet Afghanen, die während des Krieges mindestens ein Jahr lang mit der amerikanischen Regierung gearbeitet haben, einen Weg zur US-Staatsbürgerschaft. (...) Ein Beamter des Außenministeriums räumte ein, dass «die Mehrheit» der SIV-Antragsteller nach dem Abzug der US-Streitkräfte (in Afghanistan) geblieben ist. Dies ist einer der schlimmsten Fälle von Verrat in Zeiten von Krieg in der US-Geschichte. (...)

Die Biden-Regierung will nichts mehr, als ihre Hände in Unschuld waschen, was das Debakel in Afghanistan angeht (...). Aber die Welt sollte nicht vergessen, dass Tausende von potenziellen Amerikanern - Männer, Frauen und Kinder - wegen der Eile des Weißen Hauses beim Abzug aus Afghanistan mit Haft, Folter oder Tod rechnen müssen.»


«Wedomosti»: Russland und Belarus durch gemeinsame Probleme vereint

MOSKAU: Über einen möglichen gemeinsamen Unionsstaat von Russland und Belarus schreibt die Moskauer Tageszeitung «Wedomosti» am Montag:

«Die Einigung von Russlands Präsident Wladimir Putin mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko auf 28 Unionsprogramme wurde bereits als «Wiedergeburt des Unionsstaats», als «Durchbruch», als «Integration auf einem neuen Level» und als ein «wahrhaft historisches Ereignis» bezeichnet. (...)

Bei all ihrer Verschiedenheit kämpfen unsere beiden politischen Systeme mit denselben komplexen Problemen: westlichen Sanktionen sowie der Notwendigkeit, die Wirtschaft zu modernisieren, die Arbeit des Staatsapparats effektiver zu machen und soziale Bereiche auszubauen. (...)

Nachdem die russisch-belarussischen Beziehungen zwischenzeitlich etwas abgekühlt waren, ist die Rückkehr zu einem Fahrplan für einen Unionsstaat ein folgerichtiges und für beide Seiten vorteilhaftes Ergebnis dieser ganzen Geschichte.»


«Magyar Nemzet»: Christliches Ungarn und Rom sind im Kampf vereint

BUDAPEST: Zum Besuch von Papst Franziskus in der ungarischen Hauptstadt schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Montag:

«In Westeuropa hätte sich kein eucharistischer Weltkongress organisieren lassen. (...) Dort liegt das nämlich nicht im Trend. (...) Ungarn jedoch hat Gott gegeben, was Gott gehört. Wie stets im Laufe der Geschichte, so auch jetzt. In dieser Situation gewinnt das christliche Ungarn eine außergewöhnliche Bedeutung, daraus leitet sich ab, dass es sich an den Papst mit einer Bitte (das christliche Ungarn nicht untergehen zu lassen) wenden muss. Es ist unser gemeinsamer Kampf, Rom und Budapest stehen auf derselben Seite. (...) Alles andere, was einen Keil zwischen Ungarn und Jesus Christus, zwischen unsere Heimat und dem Heiligen Stuhl zu treiben versucht, ist bloße Propaganda, Manipulation, vorsätzliches Schüren von Hass.»


«El Mundo»: Das Vermächtnis von Guzmán lebt in Perus Regierung weiter

MADRID: Zum Tod des ehemaligen Anführers der peruanischen Guerilla-Organisation «Sendero Luminoso» (Leuchtender Pfad), Abimael Guzmán, schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Montag:

«Das Vermächtnis von Abimael Guzmán lebt in Perus Regierung weiter. Sein Tod könnte als das Ende der dunkelsten Periode der jüngeren Geschichte von Peru betrachtet werden. Er fällt allerdings mit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Pedro Castillo zusammen, dem Chef der Partei Peru Libre (Freies Peru), der fast 250 Aktivisten angehören, die mit der Bewegung für Amnestie und Grundrechte (Movadef) verbunden sind. Movadef gilt als politischer Arm des «Leuchtenden Pfades». Gegen Castillos Kabinettschef Guido Bellido sind Ermittlungen wegen Verherrlichung des Terrorismus eingeleitet worden. Er soll dem «Leuchtenden Pfad» nahegestanden haben (...)

Es ist alarmierend, dass trotz des Vermächtnisses von Terror und Tod, das der Kommunismus hinterlassen hat, es immer noch Nationen gibt, die auf ein System setzen, das auf der physischen Eliminierung des Gegners, auf der Kontrolle des Privatlebens der Menschen und der sozialen Beziehungen sowie auf der Konzentration der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen in den Händen des Staates beruht.»


«Aftenposten»: Islamistische Terrorgefahr ist nicht vorbei

OSLO: Die konservative norwegische Tageszeitung «Aftenposten» (Oslo) wirft am Montag einen Blick auf den begonnenen Terrorprozess um die Anschlagsserie vom November 2015 in Frankreich:

«Frankreich hat endlich mit seiner große Terrorabrechnung begonnen. Das Land hat 2015 und 2016 große Terrorangriffe erlebt. Viele andere Länder in Europa wurden ebenfalls von brutalem Terror durch Islamisten mit Verbindungen zum IS erschüttert, es gab große Angriffe unter anderem in Belgien, Deutschland und Großbritannien. In den vergangenen Jahren hat man keine solch großen Vorfälle gesehen. Aber der islamistische Terror geht weiter. Die Angriffe kommen in einem stetigen Strom, sowohl in Frankreich als auch andernorts. Auch wenn der Krieg in Afghanistan jetzt vorbei ist und das IS-Kalifat nicht länger existiert, lebt die hasserfüllte Botschaft der Terroristen weiter. Der Gerichtsprozess in Paris ist eine wichtige Abrechnung mit einem Gedankengut, das gefährlich und zerstörerisch ist.»


«Gazeta Wyborcza»: Die PiS wird sich noch nach Merkel zurücksehnen

WARSCHAU: Beim Besuch von Angela Merkel in Warschau hatte Polens Präsident Andrzej Duda keine Zeit für ein Treffen mit ihr. Das kommentiert die polnische Tageszeitung «Gazeta Wyborcza» am Montag:

«Die demonstrative Absage an Merkel war wohl der spektakulärste außenpolitische Schritt von (Präsident) Andrzej Duda. Und auch der destruktivste. In Deutschland steht ein Wandel bevor. Nach der Bundestagswahl wird Merkel in Rente gehen. Und ihre potenziellen Nachfolger - der CDU-Politiker Armin Laschet oder der in den Umfragen führende Olaf Scholz von der SPD - werden Polen gegenüber nicht so wohlgesonnen sein wie sie.

Es ist schwer, sich die kommende Bundesregierung ohne die Grünen vorzustellen, die nicht schweigen werden, wenn Polen in Richtung Autoritarismus abdriftet. Noch weniger wird es einen Sondertarif für das Lager der (nationalkonservativen Regierungspartei) PiS geben, wenn der Sozialdemokrat Scholz Kanzler wird. Präsident Duda, der so demonstrativ sein Treffen mit Merkel absagte, schickte damit ein Zeichen an die Welt, dass ihm das alles egal ist. Sicher ist aber, dass die PiS-Politiker sich noch nach Merkel zurücksehnen werden.»


«Lidove noviny»: Impfpflicht schwierig durchzusetzen

PRAG: Zur Impfpflicht gegen das Coronavirus für das Gesundheitspersonal in Frankreich, die am Mittwoch in Kraft tritt, schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Montag:

«Was die Durchimpfungsrate der Bevölkerung und der Risikogruppen angeht, sind wir in Tschechien sogar noch schlechter dran als Frankreich oder Italien. Im Gesundheitswesen und vor allem im Bereich der Pflege arbeiten viele Ungeimpfte. Dennoch denkt bei uns niemand laut über eine Impfpflicht nach. Wer als Manager im Gesundheits- und Sozialwesen arbeitet, muss befürchten, dass sich viele Mitarbeiter nach einer anderen Arbeit umsehen, wenn die Impfung verpflichtend wird. Zudem steht Tschechien vor einer Parlamentswahl: Die Regierung will das sensible Thema nicht anfassen - und die Opposition will nicht die Rolle desjenigen spielen, der Verschärfungen und Restriktionen einfordert. Stattdessen heißt die Devise: Abwarten.»


«NZZ»: Scholz als Merkel-Doppelgänger

ZÜRICH: Zum Wahlkampf von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Montag:

«Je mehr Scholz in die Rolle von Merkel schlüpft, je präziser und penetranter er sie kopiert, desto besser scheinen seine Umfragewerte zu werden. (...) In wenigen Wochen könnte er Kanzler anstelle der Kanzlerin sein. Es gibt nur noch zwei kleine Probleme. Erstens: Die deutschen Journalisten sind in jüngster Zeit nicht berühmt geworden mit treffsicheren Prognosen. Ihre journalistische Analyse gleicht oft eher einem Wunschzettel. Man denke nur an den Hype um Martin Schulz, der als selbsterklärter «einfacher Mann» immer nur die Journalisten, aber nie das Land begeistert hat.

Zweitens: Die mögliche Ungenauigkeit der Umfragen. Am Ende könnte Laschet, der nun gern als Hanswurst dargestellt wird, doch gewinnen. Umso mehr, als es nicht um eine Kanzlerwahl, sondern um eine Bundestagswahl geht - das Volk wählt das Parlament und nicht die Regierung.

Die Frage bleibt spannend: Finden die Deutschen Scholz als Merkel-Doppelgänger wirklich überzeugend, oder machen sie sich vielleicht schon über ihn lustig, ohne dass er es merkt? Ohne dass es die Demoskopen merken?»


«Rzeczpospolita»: Merkels wichtige Botschaft in Warschau

WARSCHAU: Zum Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Warschau schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Montag:

«Die deutsche Kanzlerin kam mit einer wichtigen Botschaft: Im Konflikt um die Rechtsstaatlichkeit braucht es den Dialog, nicht die Konfrontation. Aus den Gesten und Worten Merkels geht eines hervor: Sie hält das Risiko für groß, dass der Streit zwischen Brüssel und Warschau außer Kontrolle gerät. Und ein «Polexit» wäre nicht nur eine geopolitische Katastrophe für Polen, sondern würde auch deutsche Wirtschaftsinteressen treffen. Daher braucht es jetzt Deeskalation. Und die Kanzlerin hat sich deshalb verpflichtet, sich in einen Versuch der Verständigung einzuschalten. Der Vorschlag Merkels ist insofern ein Durchbruch, als bislang der Standpunkt der Bundesregierung war, dass der Streit auf der Linie Brüssel-Warschau entschieden werden muss.»


«Neatkariga Rita Avize»: Terroristen haben Ziel erreicht

RIGA: Zum 20. Jahrestag des 11. September 2001 schreibt die lettische national-konservative Tageszeitung «Neatkariga Rita Avize» am Montag:

«Wenn die heute zu beantwortende Frage lautet, ob die Terroristen vom 11. September ihr Ziel erreicht haben, dann ist die kurze Antwort: eher ja als nein. Die Position der USA in der Welt ist heute deutlich schwächer als noch vor 20 Jahren. Die Ereignisse am 15. August in Kabul sind der deutlichste Beweis dafür. Ehrlicherweise muss man aber festhalten, dass die Anhänger von Osama bin Laden dieses Ziel nicht durch eine richtige und zielgerichtete langfristige Strategie erreicht haben, sondern vielmehr durch eine durchweg falsche Strategie der USA.»

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