Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zur Corona-Krise in Indien

Es wird interessant sein zu beobachten, welchen Spin die BJP dem Umstand geben wird, dass Indien nun auf Hilfe angewiesen ist.

Immerhin ist es für die Menschen nicht verständlich, wieso das Land nicht auf die zweite Welle vorbereitet war und in den vergangenen Monaten laut India Today mehr als 60 Millionen Impfdosen exportiert hat und nur 50 Millionen im Land verteilt worden sind. Modi wollte zu Xi Jinping und Wladimir Putin aufrücken, die ihr Coronavac und Sputnik V in andere Länder verteilen, auch um ihren geopolitischen Einfluss auszubauen. Die Menschen, die nun vor den Krankenhäusern campieren und hoffen, ihre Liebsten darin lebend wiederzusehen, haben von diesen Muskelspielen nichts. Sie werden sich freuen über jede Hilfe, die angeboten wird. Indien ist der größte Vakzin-Hersteller der Welt, dient aber nun als Versuchslabor dafür, was passiert, wenn Politik in einer Krise weiter nach Umfragewerten und nicht nach wissenschaftlicher Realität gemacht wird.


«Die Welt» zum Debattenklima in Deutschland

Die bürgerliche Welt von Freiheit und Eigenverantwortung hat den Kulturkampf verloren. Auch, weil sie ihn nie angenommen hat. Die öffentlich-rechtlichen Medien, der vorpolitische Raum, die steuerfinanzierten Institute und NGOs, die Universitäten und die subventionierten Kulturbetriebe haben sich in den vergangenen Jahren zu einer perfekt geölten Maschinerie entwickelt. Neu ist die Rolle der Linken. Sie ist zur Verklärerin staatlichen Handelns geworden und fordert eine CDU-Kanzlerin zum Durchregieren auf. Aktuell geht es um die Ausrottung des Virus. Danach lauern andere Konflikte, die sie ähnlich radikal und autoritär «gelöst» sehen wollen: Klimasünden, politisch Unkorrektes, die falsche Sprache, das, was sie für Rassismus halten.

Den vollständigen Kommentar lesen Sie unter: welt.de/meinung


«Handelsblatt» zu den Grünen / Annalena Baerbock

Annalena Baerbock hatte wie (der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat) Martin Schulz einen gelungenen Start.

Für den Umzugswagen ins Kanzleramt ist es aber zu früh. In der Politik kann ein Tag eine Ewigkeit sein, und die Menschen entscheiden sich immer später, wem sie ihre Stimmen geben. Will Baerbock Kanzlerin werden, muss sie inhaltlich liefern und dabei in die Mitte rücken. Dort werden in Deutschland die Wahlen gewonnen.


«Pravda»: EU braucht eigene Haltung zu Russland und USA

BRATISLAVA: Angesichts aktueller Spannungen des Westens mit Russland empfiehlt die linksliberale slowakische Tageszeitung «Pravda» der Europäischen Union eine eigene Langzeitstrategie:

«Wir berufen uns gerne auf die gemeinsame Außenpolitik der EU, aber was ist eigentlich deren langfristige Haltung zu Russland? (...) Wladimir Putin und seine politische Führungselite werden irgendwann weg sein. Was geschieht dann? In der Vergangenheit gab es Überlegungen für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum. Oder soll es eine andere Form von Zusammenarbeit geben? Darauf fehlt uns noch eine Antwort. (...)

Die EU ist zwar eine wirtschaftliche Großmacht, aber militärisch ist sie gegenüber Russland schwach. Dass sie deshalb Hilfe braucht, macht sie wiederum abhängig von den USA, die aber für uns zugleich auch wirtschaftliche Rivalen sind. Nicht selten stecken gerade wirtschaftliche Interessen dahinter, wenn Spannungen zunehmen, so wie jetzt gerade. Vereinfacht geht es zum Beispiel um die Frage: Von welcher Seite wird die EU künftig ihr Gas kaufen? Es liegt jedoch an uns, ob wir klar unsere eigenen Interessen definieren und notfalls auch gegenüber Verbündeten durchsetzen können, wenn deren Interessen nicht mit unseren übereinstimmen.»


«Nesawissimaja»: Endlich wieder politisches Museumsprojekt in Moskau

MOSKAU: Über die kürzlich in Moskau eröffnete deutsch-russische Romantik-Ausstellung «Träume von Freiheit» schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Montag:

«Wie es in der Tretjakow-Galerie heißt, ist es sowohl der erste Versuch, den künstlerischen Stil in beiden Ländern zu vergleichen, als auch eines der größten internationalen Projekte in der Geschichte des Museums. (...)

Leider sind die Ausstellungen, über die man nach dem Verlassen des Museums noch lange nachdenken möchte, in Russland mittlerweile selten geworden. Ich kam, sah und fotografierte - dieses fast sprintartige Format ist die Öffentlichkeit gewohnt und es ist zwingend für die Museen, bei denen das Kulturministerium darauf abzielt, die Besucherzahlen und die unabhängigen Einnahmen zu steigern.

Wie selten sind Ausstellungen, die dialogisch sind und in der Lage sind, Fragen zu stellen. «In unfreien Zeiten wird von Freiheit geträumt. Dies geschieht sowohl in Deutschland als auch in Russland» - Mit diesen Worten eröffnete die Direktorin des Albertinums, Hilke Wagner, die Ausstellung und sprach über ihren politischen Aspekt.»


«Nepszava»: Anerkennung des Armenier-Genozids ist mehr als eine Geste

BUDAPEST: Die linke Budapester Tageszeitung «Nepszava» kommentiert am Montag den Umstand, dass US-Präsident Joe Biden die systematische Verfolgung der Armenier im Osmanischen Reich als Völkermord anerkannt hat:

«Biden hat, seinem Wahlversprechen folgend, den Armeniern nicht nur einfach eine Geste erwiesen, insofern man im Zusammenhang mit einem Völkermord überhaupt von einer Geste sprechen kann. Die «Geste» war an die Geschichte und an die Welt gerichtet: Sie signalisiert die Absicht, wohin Amerika in der Zeit nach Donald Trump zu steuern gedenkt. Nur die Absicht, wohlgemerkt, denn geben wir uns keinen Illusionen hin: Der Trumpismus ist mit dem Scheitern Trumps nicht aus der Welt verschwunden. Seine Herrschaft zeigte nämlich, wie zerbrechlich nicht nur die europäische, sondern auch die amerikanische Demokratie ist, wenn sie mit dem populistischen Nationalismus konfrontiert ist.»


«Washington Post»: Supreme-Court-Urteil stoppt Fortschritt

WASHINGTON: Das Oberste Gericht in den USA hat entschieden, dass Richter bei jugendlichen Straftätern nicht erst deren «dauerhafte Unverbesserlichkeit» feststellen müssen, bevor sie eine lebenslange Haftstrafe verhängen. Dazu schreibt die «Washington Post»:

«Es ist eine tragische Tatsache, dass Kinder manchmal einen Mord begehen. Was diese Tragödie noch verschlimmert, ist, dass es bis vor Kurzem noch möglich war, dass Bundesstaaten solche Kinder zum Tode verurteilten oder ihnen lebenslange Haft ohne die Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung verordneten. In den letzten 15 Jahren hat das Oberste Gericht diese Gesetze als verfassungswidrige «grausame und ungewöhnliche Bestrafung» gekippt, die sie waren. (...)

Am Donnerstag hörte das Gericht jedoch auf, auf diesem moderaten und humanen Weg weiter zu voranzuschreiten. Mit sechs zu drei Stimmen entschieden die Richter, dass die Staaten nicht verpflichtet sind, eine rechtliche Feststellung zu treffen, dass ein jugendlicher Angeklagter «dauerhaft unverbesserlich» ist, bevor sie lebenslänglich ohne Bewährung verhängen - auch wenn der gesunde Menschenverstand und einige frühere Worte des Gerichts darauf hindeuten, dass dies bedeutet, ein Kind für immer wegzusperren. (...)

Kein Mensch sollte im Alter von 15 Jahren für unverbesserlich erklärt werden.»


«Bergens Tidende»: Floyd-Urteil gibt Hoffnung auf Systemänderung

BERGEN: Die liberale norwegische Tageszeitung «Bergens Tidende» (Bergen) kommentiert am Montag den Schuldspruch im Prozess um die Tötung des Afroamerikaners George Floyd:

«Das Floyd-Urteil ist ein aufmunternder Verstoß gegen die Tradition, dass Polizisten in den USA nicht für den Mord an Schwarzen zur Rechenschaft gezogen werden. Der Schuldspruch nach dem Mord an George Floyd zeigt, dass die Polizei in den USA tatsächlich für Gewalt bestraft wird. Das gibt ein wenig Hoffnung, dass sich ein verzerrtes System verbessert. [...] Die Spirale der Gewalt und der tiefe institutionelle Rassismus in der Polizei lassen sich nicht sofort reparieren. Der Fall George Floyd führte zumindest zu einer wichtigen rechtlichen Auseinandersetzung und einer notwendigen politischen Debatte darüber, was getan werden kann. Das ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.»


«La Repubblica»: Putin besteht auf Akzeptanz Russlands

ROM: Zur Politik Russlands und Position von Kreml-Chef Wladimir Putin schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Montag:

«(...) Putin besteht auf den unausgesprochenen Teil seiner Botschaft, nämlich dass die Welt Russland so akzeptiert wie es ist: also die Annexion der Krim, die mit Waffen erweiterte Souveränität, der kultivierte Nationalismus, die Unterdrückung jeglicher innerer Opposition, die Vergiftung von Nawalny, seinen Regime-Prozess und die Behandlung, die er im Gefängnis erhält.

Wahrscheinlich können die Spionageoperationen in einem möglichen Russland-USA-Gipfel reguliert werden, und der Cyberkrieg kann begrenzt und eingedämmt werden: Das sind verhandelbare Angelegenheiten. Aber die neue Rolle Russlands kann nicht zur Diskussion gestellt werden, und die vom Kreml angewandten Methoden, um sie innerhalb und außerhalb des Landes zu festigen, sind nicht verhandelbar. So wird uns bewusst, dass die allgemein gültige Richtschnur der Konfliktregulierung übersprungen wurde, weil es kein allgemein anerkanntes Kriterium für die Bewertung von Ereignissen mehr gibt, das in der Lage ist, sich auf das Konzept von Gut und Böse zu einigen.»


«The Independent»: Indiens Corona-Krise ist eine Gefahr für die Welt

LONDON: Zur Corona-Krise in Indien meint der Londoner «Independent» am Montag:

«Wenn die oft publizierte Warnung von Gesundheitsbehörden, wonach «niemand sicher ist, bevor alle sicher sind», auch nur im Entferntesten zutrifft, bedeutet die sich rapide verschlechternde Situation in Indien, dass die Pandemie noch längst nicht vorbei ist und eine verheerende globale dritte Corona-Welle eine reale Möglichkeit ist. Wenn eine Nation mit 1,4 Milliarden Menschen zu einem großen globalen Ausgangspunkt für Corona-Infektionen, -Ausbreitung und -Mutationen wird, ist das eine Gefahr nicht nur für den Subkontinent, sondern für die ganze Welt. (...)

Indien, ein wichtiger Hersteller von Impfstoffen und deren Vorstufen, muss die Möglichkeit haben, mehr davon für seinen dringenden Inlandsbedarf zu behalten, der größer ist als alles im Westen. Ungeachtet der Geopolitik könnten China, Amerika und Russland mehr tun, um ebenfalls Impfstoffe zu schicken. Das würde einem aufgeklärten Eigeninteresse entsprechen und könnte tatsächlich Wohlwollen fördern sowie längerfristigen nationalen Interessen dienen.»


«De Tijd»: Solidarität mit Indien ist im eigenen Interesse

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Tijd» kommentiert am Montag die Corona-Krise in Indien:

«Große westliche Länder haben der indischen Regierung nun Hilfe versprochen. Es handelt sich um Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich. Das sind auch die Länder, die nach einem schwierigen Kampf mit dem Virus allmählich die Oberhand über die Pandemie gewinnen.

Aber was heißt die Oberhand gewinnen? Wir wissen jetzt, dass das Virus extrem schwer zu bändigen ist. Und es bleibt abzuwarten, ob die vorhandenen Impfstoffe auch gegen alle Mutationen wirken. Die angebotene Hilfe ist Solidarität, die auf wohlverstandenem Eigeninteresse basiert. Solange das Virus weltweit nicht ausreichend zurückgedrängt wird, bleibt auch im Westen ein erneuter Ausbruch der Pandemie möglich. (...)

Nun, da die Impfkampagnen hier endlich in Schwung kommen und damit auch das Virus zunehmend zurückgedrängt wird, muss Indien das warnende Beispiel dafür sein, dass eine geimpfte Welt noch sehr weit entfernt ist. Impfungen sind gut, aber bis nicht mindestens 70 Prozent der Weltbevölkerung sie bekommen haben, bleibt die Gefahr eines Ausbruchs und neuer tödlicher Mutationen real.»


«Hospodarske noviny»: Zeman spielt auf Seite des Kremls

PRAG: Die Regierung in Tschechien wirft Russland vor, für Explosionen in einem Munitionslager vor mehr als sechs Jahren verantwortlich zu sein. Präsident Milos Zeman warnte indes am Sonntag vor Hysterie und voreiligen Schlüssen. Dazu schreibt die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Prag am Montag:

«Präsident Zeman hat sich außerordentlich viel Mühe gegeben, die Arbeit der Geheimdienste seines eigenen Landes anzuzweifeln. Es geht um dieselben Geheimdienste, die Tschechien vor fremder Aggression schützen sollen. Das hat es so noch nicht gegeben. Zeman verhielt sich genau nach dem Lehrbuch des Hybridkriegs. Demnach muss man alles in einen Nebel hüllen und in Zweifel ziehen, damit niemand mehr weiß, was die Wahrheit ist. Zemans Rede war kein ausgewogener Standpunkt, der - frei von Hysterie - mit kühlem Kopf vorgetragen wurde, wie er es selbst angekündigt hatte. Das war ein klares und bewusstes Spiel auf der Seite des Kremls. Das Regime von (Präsident Wladimir) Putin wird seinem heimischen Publikum nun zeigen können, dass der Westen nicht einheitlich auftritt. In Moskau wird der Champagner entkorkt.»


«NZZ»: Auftreten Erdogans wird zur Belastung

ZÜRICH: US-Präsident Joe Biden hat die systematische Verfolgung der Armenier im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet. Dazu schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Montag:

«Aus Rücksicht auf die Empfindlichkeit der türkischen Regierung machten viele Staats- und Regierungschefs in der Vergangenheit eindrückliche Verrenkungen, wenn sie sich zum Schicksal der Armenier äußerten. Dies hat sich aber mit dem zunehmend autoritären und aggressiven Auftreten der Türkei unter der Herrschaft des heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geändert. Der Damm ist gebrochen, und mittlerweile haben unzählige Regierungen und Parlamente den Genozid an den Armeniern als Tatsache anerkannt. (...)

«Meinungsverschiedenheiten» ist eine Untertreibung für den Zustand des Verhältnisses zwischen Washington und Ankara. Belastet wird es durch ein zunehmend selbstherrliches Auftreten Erdogans, der in westlichen Augen nicht nur die Menschenrechte systematisch verletzt, sondern gegenüber Europa auch skrupellose Machtpolitik auf dem Buckel des Flüchtlingselends betreibt. Zudem flirtet er zuweilen unverhohlen mit Moskau, was den Russen im Hinblick einer Schwächung des Nordatlantikpakts und der Europäischen Union natürlich hochwillkommen ist.»


«Dziennik»: Bidens Klimaziele sind nicht so ehrgeizig

WARSCHAU: Zur Klimapolitik von US-Präsident Joe Biden schreibt die polnische Wirtschaftszeitung «Dziennik Gazeta Prawna» am Montag:

«Nach vier Jahren der klimapolitischen Gleichgültigkeit in Gestalt von Donald Trump will der neue Bewohner des Weißen Hauses aus seinem Land den weltweiten Anführer im Ringen mit dem Klimawandel machen. Auf dem von ihm organisierten Klima-Gipfel hat er daher verkündet, dass die USA im Jahre 2030 ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2005 halbieren wollen. Das klingt ehrgeizig, ist es aber nicht. Denn es heißt in der Praxis, dass Amerika im kommenden Jahrzehnt aufschließt zum Niveau von - Polen.

Noch schwächer erscheint Bidens Ankündigung, wenn man sich vor Augen führt, dass sich die polnischen Treibhausgasemissionen pro Einwohner seit 15 Jahren nicht vom Fleck bewegen. Mit anderen Worten: Der US-Präsident möchte, dass sich sein Land in zehn Jahren dort befindet, wo wir bereits seit anderthalb Jahrzehnten sind. Das Problem: Es ist nicht besonders realistisch, dass Amerika das erreicht, was er verspricht. Dafür müsste sich in den USA zuviel ändern.»

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