Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

«Berliner Morgenpost» zu Clankriminalität

Der große Schlag mag nicht dabei gewesen sein, aber die Bilanz des Kampfes gegen Clankriminalität in Berlin nimmt deutlich Formen an.

Nachdem die Behörden Jahre, wohl sogar Jahrzehnte zugeschaut haben, wie sich in der Stadt eine Parallelgesellschaft der Organisierten Kriminalität mit Familienstrukturen entwickelt hat, geht es nun deutlich voran. Es ist das Konzept der permanenten Nadelstiche, das die Clans in der Stadt spüren lässt, dass es ihnen mit ihrem Treiben nicht mehr leicht gemacht wird. Noch gibt es zwar keine Anzeichen dafür, dass deren Strukturen sichtbar zerstört werden konnten, aber die Szene ist nervös und genervt.


«Latvijas Avize»: Corona-Pandemie hat vieles offengelegt

RIGA: Zur Corona-Pandemie meint die national-konservative lettische Zeitung «Latvijas Avize» am Montag:

«Ein kleiner Erreger, der nicht einmal mit bloßem Auge gesehen werden kann, hat das scheinbar Unmögliche getan: Er hat mehr über uns und die Welt enthüllt, in der wir leben, als viele verstehen können. Zum Beispiel die Tatsache, dass eines der Hauptprobleme der Menschheit der Unwillen ist, tiefer zu gehen, die Ordnung der Dinge und die kausalen Zusammenhänge zu erkennen. (...) Die Welt wird nie wieder dieselbe sein. Und wir werden uns auch verändert haben. Die Zeit, in der lieben bedeutet, Abstand zu halten, hat uns gelehrt zu verstehen, wie verbunden wir alle sind.»


«Sme»: Rasche Corona-Lockerungen sind unvermeidlich

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» schreibt am Montag zu den Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen:

«Die klischeehafteste aller Beurteilungen der Corona-Folgen ist wohl die, dass sich die Welt durch diese Krise grundlegend geändert habe und nie mehr so sein werde wie zuvor. Diese These wird gerade ordentlich geohrfeigt. Wie wenig die Menschheit ihre Gewohnheiten und Abhängigkeiten aufgeben will, bezeugt gerade die weltweite Welle an Quarantäne-Aufhebungen ohne Rücksicht auf das jeweilige epidemiologische Stadium der verschiedenen Gesellschaften. (...)

Natürlich, die primäre Motivation der Regierungen, die überall das Tempo diktiert, ist die Angst vor einem Zusammenbrechen der Wirtschaft. Das im März noch gepredigte «Gesundheit geht vor Wirtschaft» wird durch die Vorahnung ersetzt, dass jedes unnötig für Covid-19 geopferte Prozent des Bruttoinlandsprodukts den nächsten Wahlerfolg kosten kann. Und gewiss legt man überall Obergrenzen für Neuinfektionen fest, ab denen die Lockerungen wieder eingebremst würden. Aber ein Ein- und Ausschalten von Quarantänemaßnahmen je nach Infektionsentwicklung ist höchstens in China vorstellbar.

Im westlichen Kulturkreis sprechen Proteste wie in deutschen Städten gegen zu langsame Lockerungen für sich. Zu Hause eingesperrt sein, lässt sich ein paar Wochen ertragen, aber in einer freien Gesellschaft hört der Gehorsam irgendwann auch ohne das Damoklesschwert einer wirtschaftlichen Zerstörung des Einzelnen auf.»


«Le Parisien»: Corona stürzt die Menschen in wirtschaftliche Krise

PARIS: Die Lage der Geringverdiener in der Corona-Krise kommentiert die französische Tageszeitung «Le Parisien» am Montag:

«Es sind die kleinen Nichtigkeiten des Alltags, aber man muss sie identifizieren können, um sich darüber zu entrüsten, denn sie sagen mehr als Statistiken und Zahlen aus, die zu kalt und unpersönlich sind. Diese kleinen, [aber dennoch] sichtbaren Dinge (...) sind Einkaufswagen, die etwas leerer sind als normalerweise, bescheidenere Mahlzeiten, weniger frische Produkte, kaum noch Fleisch.

Und dann sind da seit einigen Tagen die sehr viel längeren Warteschlangen vor den Tafeln. (...) Handwerker, Studenten, alleinerziehende Mütter (und) Selbstständige, die sich dagegen wehren, nicht zu schnell von der Prekarität in die Armut abzurutschen. Sie alle wissen, dass die Krise nicht erst in den nächsten Wochen kommen wird, sondern bereits seit mehreren Tagen über sie hereingebrochen ist.»


«Nesawissimaja Gaseta»: Keine politische Show für Netanjahu

MOSKAU: Zum Korruptionsprozess gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Montag:

«Zum ersten Mal in der Geschichte Israels steht ein amtierender Regierungschef vor Gericht. Netanjahu hat aber gute Chancen, eine Gefängnisstrafe zu umgehen. (...) Er hatte noch versucht, dem ersten Verhandlungstag fernzubleiben, weil der stets verfahrenstechnischer Natur ist. Netanjahu hielt Sonntag auch die erste Sitzung der neuen Regierung ab. Doch das Gericht duldete keinen Aufschub.

Abgelehnt wurde auch eine Forderung seiner Anwälte, den Prozess im Fernsehen zu übertragen. Doch das Gericht hielt eine solche politische Show für völlig unangemessen. Netanjahu musste nur die Anklageschrift bestätigen - mehr nicht.»


«Pravo»: Noch viele Zweifel an Merkel-Macron-Plan

PRAG: Die linksgerichtete Zeitung «Pravo» aus Tschechien schreibt am Montag zum von Deutschland und Frankreich vorgeschlagenen Corona-Hilfspaket über 500 Milliarden Euro:

«Die Gelder sollen in Form von Zuschüssen denjenigen Ländern und Regionen geschenkt werden, von denen man meint, dass sie am härtesten von der Pandemie getroffen wurden. Es wird nicht geprüft werden, ob manche von ihnen das nicht selbst verschuldet haben, weil sie nicht rechtzeitig strikte Maßnahmen ergriffen haben. In diesem Fall wären die Gelder aus Brüssel eine Art von Belohnung für Untätigkeit. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Mittel voraussichtlich bevorzugt an Mitgliedstaaten gehen, die sich schon lange vor der Corona-Krise rekordhoch verschuldet hatten. Das Rettungspaket könnte daher auch als Belohnung für schlechtes Wirtschaften wahrgenommen werden. (...) Es scheint, dass man den Hasen im Sack kauft und die Sache noch nicht ganz durchdacht ist.»


«De Tijd»: Europa hat geopolitisch kaum Einfluss

BRÜSSEL: Zur Lage Europas nach der Corona-Krise meint die belgische Zeitung «De Tijd» am Montag:

«Für Europa ist es wichtig, nicht zum Schlachtfeld der USA und Chinas zu werden. (...) Angesichts des Gerassels der beiden Großmächte befindet sich Europa in einer sehr schlechten Lage. Der vielleicht wirtschaftlich reichste Markt der Welt hat geopolitisch kaum Einfluss. Und der Wohlstand Europas beruht in großem Maße auf Freihandel und fairem Wettbewerb. Begriffe, die schon vor der Corona-Krise unter Druck standen und nun zu verschwinden scheinen.

Es gibt keine europäischen Pläne für die Zeit nach Corona. Hier sind wir noch am Grübeln, wie wir den wirtschaftlichen Schlag verkraften, und darüber besteht sicher keine Einigkeit. Für den Wiederbelebungsfonds, den der französische Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgestellt haben, kann man nicht mit allgemeiner Unterstützung rechnen. Das eröffnet den USA und China Möglichkeiten, um ihren Einfluss in Europa zu vergrößern.»


«El Mundo»: Tourismus-Ankündigung von Madrid kommt zu spät

MADRID: Zu Plänen Spaniens, im Juli die Grenzen für Touristen zu öffnen, schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Montag:

«Nachdem mehrere Länder, die mit Spanien als Urlaubsziel konkurrieren, viel früher gehandelt hatten, hat der Regierungschef (Pedro Sánchez) jetzt dem Sektor endlich ein bisschen Gewissheit gegeben. Recht wenig allerdings, um die Wahrheit zu sagen. Er hat mitgeteilt, dass es eine Sommersaison geben und dass diese «sicher» sein wird. Aber er hat keine Maßnahmen bekanntgegeben. Darüber haben Ministerpräsidenten der Regionen sich gestern beklagt. Und dabei sind es nur noch wenige Tage bis Juni. Die Worte von Sánchez kommen zu spät. Während andere europäische Regierungen schon seit Wochen über Maßnahmen wie die Errichtung von sicheren Tourismuskorridoren nachdenken, hat unsere Regierung sich darauf beschränkt, sogar eine Abschreckungsmaßnahme zu beschließen: eine Quarantäne für alle, die aus dem Ausland einreisen. Der Tourist braucht physische und juristische Sicherheit. Aber auch Vertrauen.»


«La Repubblica»: Hongkong wird zu Krim Chinas

ROM: Zum Konflikt um das neue chinesische Sicherheitsgesetz für Hongkong und die Eskalation in den Beziehungen zwischen China und den USA schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Montag:

«Die Annexion und Gleichmachung Hongkongs wird die Krim des Xi Jinping sein. Das Weiße Haus und das US-Außenministerium sind davon überzeugt, dass China den Westen vor vollendete Tatsachen stellen wird, weil das Land weiß, dass es dies kann. Genau wie Wladimir Putin auf der Krim. Gleichzeitig führt das für Peking zu einer unumkehrbaren Verschlechterung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten (wie es Russland passiert ist, das von geltenden Sanktionen betroffen ist). «Annexion» ist im Fall Hongkongs ein hartes Wort, denn diese Inselregion gehört zur Volksrepublik. Die Einhaltung des Vertrags von 1997 ist für die USA jedoch von grundlegender Bedeutung: Als Großbritannien Hongkong an China übergab, ging China (damals unter der Führung von Deng Xiaoping) eine feierliche Verpflichtung gegenüber der internationalen Gemeinschaft ein. Hongkong würde einen autonomen Status behalten, insbesondere in Bezug auf Regeln der Rechtsstaatlichkeit wie Demonstrationsfreiheit, Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Justiz, die sich stark von den chinesischen Gesetzen unterscheiden. (...)

Das Anderssein Hongkongs hat enorme Folgen für die besondere Behandlung gehabt, die die USA der Metropole zukommen lassen: Dies droht sich nun zu ändern. Wenn das Privileg fällt, kann sich Hongkong von seiner Rolle als Finanzzentrum, in dem multinationale Unternehmen ansässig sind, verabschieden. Das ist der Hintergrund der US-Reaktionen in den letzten 48 Stunden: Reaktionen, die im Gegensatz zum Schweigen der EU stehen.»


«de Volkskrant»: Ein Stich in den Rücken

AMSTERDAM: Zur Affäre um angebliche Lockdown-Verstöße des Beraters des britischen Premierministers Boris Johnson schreibt die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Montag:

«Dominic Cummings war der Architekt des Brexits und des Wahlsiegs von Boris Johnson. Er ist niemand, den der Premierminister gern loswerden würde. Das zeigt sich nun, wo Cummings wegen der Umgehung von Lockdown-Regeln unter Beschuss liegt. Johnsons Chefberater hat die Regeln gebrochen, aber er darf im Amt bleiben. (...)

Kritiker stellten Vergleiche mit George Orwells «Animal Farm» an. Darin bemerken Tiere eines Bauernhofs eines Morgens, dass die Schweine kurzerhand die Regeln geändert haben. Nur um dann zu hören zu bekommen, die Regeln seien schon immer so gewesen. Für Briten, die während des Lockdowns selbst Opfer gebracht haben, ohne dass sie dazu gezwungen gewesen wären wie etwa in Frankreich, fühlt sich Cummings' Handeln an wie ein Stich in den Rücken.»


«The Times»: Rufe nach Rücktritt von Cummings sind politisch motiviert

LONDON: Zur Affäre um die angeblichen Lockdown-Verstöße des britischen Regierungsberaters Dominic Cummings meint die Londoner «Times» am Montag:

«Cummings muss zu Vorwürfen Stellung nehmen, wonach er von der Regierung erlassene Regeln für den Lockdown in der Corona-Krise wiederholt gebrochen hat. Nach den bislang bekannt gewordenen Beweisen zu urteilen, ist sein Verhalten jedoch noch kein Grund für einen Rücktritt. Die Rufe nach seinem Abgang sind nicht frei von politischen Interessen, sondern kommen von langjährigen Kritikern Boris Johnsons in den Oppositionsparteien und der Presse sowie von einigen Abgeordneten der Konservativen, die Cummings von Herzen hassen und ihm die Schlüsselrolle missgönnen, die er in der Regierung spielt. Es wäre falsch, wenn Johnson dem ohne weiteres nachgeben würde.»


«Tages-Anzeiger»: Angriffe haben Netanjahu nichts genützt

ZÜRICH: Zum Prozessbeginn gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Montag:

«Israelis sind stolz auf ihre Demokratie. Aber ausgerechnet der Regierungschef, der Parlamentspräsident und mehrere Minister beschädigen den Rechtsstaat. Weil Benjamin Netanjahu mit seinen vielfältigen Versuchen in der Regierung, im Parlament und auf juristischem Wege gescheitert ist, den Korruptionsprozess gegen ihn zu verhindern, starteten er und seine Mitstreiter aus seiner Likud-Partei eine beispiellose Kampagne. Ihr Ziel ist es, die Glaubwürdigkeit der Justiz und ihrer Vertreter zu untergraben. (...)

Aber all seine Angriffe haben ihm nichts genützt. Netanjahu steht als erster amtierender Ministerpräsident vor Gericht und sieht sich mit schwerwiegenden Vorwürfen der Bestechlichkeit, der Untreue und des Betrugs konfrontiert. Dass nach vielen Verzögerungsversuchen nun endlich der Prozess begonnen hat und Netanjahu auch persönlich erscheinen musste, zeigt: Auch ein Ministerpräsident ist in Israel nicht sakrosankt, jeder ist vor dem Gesetz gleich.»

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.