Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zur Impfstrategie

Dass der Brüsseler Apparat im Zulassungsverfahren schwerfälliger agiert als ein Staat allein, hat jeder live mitbekommen.

Dies kann man bemängeln. Der Drang der Kanzlerin, nationale Alleingänge zu vermeiden, ist jedoch nach wie vor unterstützenswert. Man stelle sich nur mal vor, Berlin hätte im Windhundrennen mit Israel oder den USA ebenso teuer eingekauft und könnte seine Bürger deutlich schneller schützen - derweil in Süd- oder Osteuropa mangels Impfstoff die Todeszahlen rascher und weiter steigen. Ein solcher nationaler Egoismus hätte einen enorm hohen politischen Preis und würde auch ökonomisch nicht weiterführen. Die Pandemie ist der ultimative Solidaritätstest, sie kann nur EU-weit oder - noch besser - global bezwungen werden.


«Hospodarske noviny»: Welt muss Krise gemeinsam lösen

PRAG: Die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien zieht am Montag nach einem Jahr Corona Bilanz:

«Bei allen wirtschaftlichen Nöten des verstrichenen Jahres 2020 sollten wir nicht vergessen, dass es sich eigentlich um ein Jahr des Todes gehandelt hat. Der Tod, das Tabuthema unserer Zeit, etwas, das wir aus unserem Leben zu verdrängen suchen, ist zum Hauptthema dieses Umbruchsjahres geworden. (...) Wir haben eine der größten Pandemien der Menschheitsgeschichte erlebt, bei der bisher 1,8 Millionen Menschen gestorben sind. Und nur Gott weiß, wie viele es gewesen wären, wenn das soziale Leben in allen Ländern der Welt nicht auf ein Minimum reduziert worden wäre. Trotz aller anfänglichen Schuldzuweisungen haben wir schnell begriffen, dass wir an einem Strang ziehen müssen. Wir schaffen das - nicht alleine als Tschechen, als Deutsche, als Europäer, als Chinesen oder US-Amerikaner, sondern nur gemeinsam als Weltgemeinschaft.»


«El País»: Abkommen EU-China ein weiterer Erfolg von Merkel

MADRID: Zum Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und China schreibt die spanische Zeitung «El País» am Montag:

«Die EU und China haben ein wichtiges Investitionsabkommen vereinbart, das den Eintritt, die Tätigkeit und die Expansion europäischer Unternehmen im Territorium des asiatischen Riesen erleichtern wird. Der seit sieben Jahren ohne Unterbrechung verfolgte Pakt hat unter der deutschen Präsidentschaft den letzten Schubs bekommen. Damit errang Bundeskanzlerin Angela Merkel einen weiteren wichtigen Erfolg in der von ihr priorisierten Agenda (...) Die Vorbehalte von Teilen des Europäischen Parlaments wegen der Verletzung von Grundrechten durch China sind berechtigt. Aber es stimmt auch, dass das Abkommen Fortschritte hinsichtlich der Arbeitsrechte und der Umweltpolitik beinhaltet.»


«The Guardian»: Trump hofft auf Chance für autokratische Machtergreifung

LONDON: Der Londoner «Guardian» warnt am Montag vor Versuchen Donald Trumps, den Amtsantritt des gewählten Präsidenten Joe Biden zu verhindern:

«US-Gerichte haben wiederholt die von Trump ohne jegliche Beweise vorgebrachten Klagen abgewiesen. Das hat die Komplizen des Präsidenten im Kongress nicht gestoppt. Mit Unterstützung von Trumps Vizepräsidenten wollen sie am Mittwoch Bidens Sieg in Frage stellen, um eine Debatte und Abstimmungen im Kongress zu erzwingen. Manche Experten verweisen auf einen historischen Präzedenzfall als Möglichkeit einer schmalen, vielleicht verschwindend geringen Chance, dass der Alptraum weitergehen könnte. (...) Im Interesse Amerikas muss er (Trump) scheitern. Die Alternative ist letztendlich ein Zusammenbruch politischer Normen samt innerer Unruhen. (...) Es gibt eine durchaus begründete Angst vor Protesten, teils gar bewaffneten. Trump könnte die Nationalgarde aktivieren oder Bundesbeamte einsetzen, um mit den Demonstrationen fertig zu werden. Dieses Chaos, so hofft er zweifellos, wird den Weg für eine autokratische Machtergreifung ebnen.»


«de Volkskrant»: EU kann mit Zuversicht ins neue Jahr blicken

AMSTERDAM: Die EU sei gestärkt aus dem Krisenjahr 2020 hervorgegangen, meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Montag:

«Das alte Jahr endete mit drei wichtigen Vereinbarungen. Die 27 Mitgliedstaaten einigten sich auf einen neuen Haushalt und ein Konjunkturpaket, das ihre Solidarität mit den schwer von der Corona-Pandemie betroffenen Ländern Südeuropas demonstriert. Darüber hinaus einigten sie sich auf strengere Klimaziele. Und kurz vor Weihnachten schlossen die Europäische Union und das Vereinigte Königreich ein hart erkämpftes Brexit-Handelsabkommen. Bei den Verhandlungen wahrten die EU-Mitgliedsstaaten in vorbildlicher Weise Einigkeit.

Durch diese Vereinbarungen kann die Europäische Union mit einiger Zuversicht auf das Jahr 2021 blicken. Aber sie sind nicht mehr als ein Fundament: Das tatsächliche Gebäude muss in den kommenden Jahren Gestalt annehmen. Die Gräben in der Union müssen geschlossen oder wenigstens weniger tief gemacht werden.»


«Sme»: Ein schottisches Unabhängigkeitsreferendum ist unrealistisch

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» schreibt am Montag zur Möglichkeit eines neuerlichen Unabhängigkeitsreferendums in Schottland:

«Die Schotten, die mehrheitlich gegen den Brexit stimmten und nun von der nach dem 1. Januar entstandenen Situation gar nicht begeistert sind, kann man verstehen und mit ihnen geradezu mitfühlen. Dennoch gilt, dass ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum, mit dem die Chefin der Nationalpartei droht, höchstens als Wahlkampfstoff vor der (schottischen) Parlamentswahl im Mai taugt. (...) So ein Plebiszit auszurufen ist nämlich nicht ohne Zustimmung Londons möglich. Und (der britische Premier Boris) Johnson (...) ist grundsätzlich dagegen. (...) Grundsätzlich dagegen ist aber nicht nur Johnson, sondern auch (der französische Präsident Emmanuel) Macron. Die Position von Paris, dass ohne tiefgreifende Reform der Europäischen Union keine neue Erweiterung möglich sei, ist zwar nicht offiziell, aber ausreichend bekannt, um die schottischen Träume aufzuschieben. (...) Denn dass sich alle 27 EU-Mitglieder auf eine Reform einigen, ist derzeit ähnlich weit entfernt wie eine Zustimmung Londons zu einem neuen Unabhängigkeitsreferendum in Schottland.»


«Diena»: Das Corona-Dilemma der Regierungen

RIGA: Zum Umgang mit der Corona-Pandemie schreibt die lettische liberale Tageszeitung «Diena» am Montag:

«Lettlands Regierung war im vergangenen Jahr die Geisel desselben Dilemmas, dem Regierungen auf der ganzen Welt ausgesetzt sind - sie musste zwischen Beschränkungen wählen, die einigen unweigerlich zu streng und anderen als zahnlos erscheinen würden. Vor allem aber musste diese Entscheidung in einer Situation getroffen werden, in der nach Ansicht von pragmatischen Infektologen, auch wenn diese diplomatisch zum Schweigen gebracht wurden, die Ausbreitung des Virus nicht gestoppt, sondern nur mehr oder weniger erfolgreich verlangsamt werden kann. Solange bis mindestens zwei Drittel der Bevölkerung sich mit dem Virus infiziert hat, eine Herdenimmunität erreicht wurde oder Massenimpfungen möglich werden. Niemand war aber mutig genug, einfach gar nichts zu tun, und auch niemand war mutig genug, um genau dies der Regierung zu empfehlen.»


«Tages-Anzeiger»: Greta Thunberg nimmt uns beim Wort

ZÜRICH: Zum 18. Geburtstag der Umweltaktivistin Greta Thunberg schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Montag:

«Thunberg war stets auch eine Nervensäge, eine Zumutung, die einem das Menschenrecht auf Verdrängung und Selbstbetrug nicht gönnt. Eigentlich, wiederholt sie immer wieder, wolle sie vor allem eines: dass wir unsere schon gegebenen Versprechen halten. Die vom Pariser Klimaabkommen, das 196 Staaten unterschreiben haben, um dessen Umsetzung sich aber fast alle drücken. Uns daran wieder und wieder zu erinnern, das verzeihen ihr nicht alle. Sie bringt uns aus der Fassung dadurch, dass sie uns beim Wort nimmt. (...)

Greta Thunberg wurde gestern 18 Jahre alt. Kein Kind, kein Mädchen mehr. Eine Frau. Das wird den Blick auf sie ändern. Anzunehmen, dass sie froh darüber ist, wenn sie weniger Sensation, weniger Zirkuskind zu sein hat. Im Gegenzug hätten wir ihr dafür allerdings ein Geburtstagsgeschenk zu machen: Wir müssten endlich das Nötige tun. Wir müssten endlich zu Erwachsenen werden.»


«La Stampa»: Unterrichtsweise nicht alle zwei Wochen ändern

ROM: Nach Monaten des Digitalunterrichts wegen der Corona-Pandemie in Italien für Schüler der höheren Jahrgangsstufen schreibt die italienische Zeitung «La Stampa» aus Turin am Montag im Vorfeld der geplanten Wiedereröffnung der Schulen:

«Schulaktivitäten können nicht vom einen Tag auf den nächsten geplant werden, so dass Lehrer, Schulleiter und Schüler in ständiger Unsicherheit gelassen werden. Und man kann nicht herumspielen, um Lösungen zu finden, die im Prinzip undenkbar und umständlich sind (...). Zum Beispiel sind doppelte Dienstpläne unmöglich beziehungsweise mit der gegenwärtigen Anzahl an Lehrern viel schwieriger umzusetzen, weil sich diese um mehrere Klassen drehen, wie Schulleiter stets wiederholen. (...)

Auch das Verschieben der Zeiten von Unterrichtsbeginn und -ende ist unpraktisch, nicht nur für die Verteilung der Lehrer, sondern auch, weil die Schulstunden schon sehr lang sind und es verspätete Anfangs- und Schlusszeiten den Schülern erschweren, einen Rhythmus für Erholung und Lernen zu finden. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Schulen nicht für den Mensaservice ausgestattet sind. Angesichts der anhaltenden Pandemie ist es besser, einen Weg des gemischten Unterrichts (...) zu wählen, ohne ihn alle zwei Wochen zu ändern.


«NZZ»: Betrug bei US-Wahlen ist eine Fata Morgana

ZÜRICH: Republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses und Senatoren haben ankündigt, am Mittwoch die offizielle Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden durch den Kongress abzulehnen. Dazu schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Montag:

«Das wird nichts am Resultat ändern: Der Kongress wird Joe Bidens Wahl zum nächsten Präsidenten bestätigen, weil genügend Republikaner die Tatsache anerkennen, dass der angeblich massive Wahlbetrug in mindestens vier Gliedstaaten eine Fata Morgana ist, die Dutzende Richter als solche benannt haben. Bei der Störaktion geht es nicht darum, irgendwelche Beweise vorzulegen, die bisher unterdrückt worden wären. (...)

Nein, am Mittwoch geht es vielmehr darum, demonstrativ dem Chef im Weißen Haus und seiner aktivistischen Anhängerschaft zu huldigen. Das ist umso billiger, als die Aktion keine direkten Folgen haben wird. Die normalerweise trockene Pflichtübung wird statt 2 halt vielleicht gegen 24 Stunden dauern, weil über jede Einsprache in beiden Kammern debattiert und abgestimmt werden muss. Und sie wird die unglückliche Spirale weiterdrehen, die Trump und seine Kampfgenossen in Schwung gesetzt haben: erst Betrugsvorwürfe in die Welt setzen und dann geltend machen, das Volk sei besorgt, weshalb man den Vorwürfen nachgehen müsse.»


«L'Alsace»: Zu viele Soldaten sterben in der Sahelzone

MÜLHAUSEN: Zum Tod zweier französischer Soldaten am Samstag bei einer Explosion in Mali schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «l'Alsace» am Montag:

«Wachtmeisterin Huynh war junge Familienmutter und wurde 33 Jahre alt. Brigadier Risser kam aus Saint-Louis und wurde 24 Jahre alt. Der Kampf gegen den Terrorismus ist ein Krieg. Unsere Soldaten wissen das und akzeptieren das Risiko. Die Zahl der französischen Militärs, die seit 2013 in der Sahelzone getötet wurden, übersteigt die 50. Allein die Hälfte davon kam in den vergangenen zwei Jahren um. Ist das nicht eine zu hohe Zahl an Opfern? (...)

Mal des Neokolonialismus, mal der Machtlosigkeit angeklagt, sitzt Frankreich in der Falle. Das Land hat alles zu verlieren, wenn es zu lange in der Sahelzone bleibt. Aus Mangel an internationaler Unterstützung, die über den regionalen Rahmen hinaus geht, ist Frankreichs jüngste Mission, den betroffenen afrikanischen Staaten zu ermöglichen, ihre Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen.»


«Dagens Nyheter»: Wir werden uns bei Corona-Maßnahmen nie einig sein

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Montag das Ringen um die richtigen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus:

«Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Experten uneins über die Pandemie sind. Unsere Ansichten über die Strategien gegen das Coronavirus handeln oft nicht von Fakten, sondern von der persönlichen Neigung, Risiken zu akzeptieren, der Risikoaversion. Wann ist es gerechtfertigt, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen? Wie stark sollten Begrenzungen, sogenannte Lockdowns, des öffentlichen Lebens sein? Selbst wenn wir exakt wüssten, welche gesundheitlichen Gewinne diese Maßnahmen haben, würden Menschen mit unterschiedlicher Risikoaversion zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Und keiner davon hätte mehr Recht als jemand anderes. Die Aussichten darauf, dass wir uns einig werden, sind sehr gering. All dies spricht natürlich dafür, dass die Corona-Debatte eher von Demut und Respekt als von Selbstsicherheit und Inkompetenzerklärungen für den Widersacher geprägt sein sollte. Wir sind noch nicht richtig da.»


«Der Standard»: Bitcoin als Pokern gegen das Klima

WIEN: Zum großen Kursanstieg bei der Digitalwährung Bitcoin schreibt «Der Standard» am Montag in Wien:

«Die Augen von Bitcoin-Beobachtern sollten aber nicht nur an den wilden Kurssprüngen hängen, sondern auch an den wachsenden Umweltauswirkungen des Bitcoin-Systems. Dieses wird von den sogenannten Minern am Leben erhalten, die sich ihre Rechenleistung mit Bitcoins belohnen lassen. Nach Bitcoins geschürft wird in der Regel dort, wo Strom billig und selten sauber ist. Inzwischen verbraucht das Bitcoin-Netzwerk mehr Strom als die meisten Nationen, eine einzelne Transaktion verursacht so viel CO2 wie ein Kurzstreckenflug.

Das Bitcoin-System an sich können Staaten und Zentralbanken nicht regulieren - darin liegt der Erfolg der Währung. Sehr wohl aber kann man Bitcoin-Schürfern wie jeder anderen Industrie Umweltgesetze auferlegen und sie dazu drängen, sich für einen nachhaltigeren Mining-Algorithmus einzusetzen. Dass es auch klimafreundlicher geht, zeigen einige der hunderten Bitcoin-Nachahmer. Denn sollte die Blase platzen, ist das Geld zwar weg, der Schmutz aber bleibt.»

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