Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

«NZZ»: Johnsons Popularität auf dem Prüfstand

ZÜRICH: Zum Umgang des britischen Premierministers Boris Johnson mit der Corona-Krise schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Montag:

«Der begnadete Kommunikator und Performer Johnson wirkte in der Corona-Krise von Anfang an wie ein Hauptdarsteller im falschen Film. Die Marke Boris steht für lockere Sprüche, für politisches Draufgängertum und unerschütterlichen Optimismus. Die Rolle des ernsthaften Krisenmanagers und Landesvaters hingegen ist ihm nicht auf den Leib geschrieben. Anders als beim Brexit, dessen Konsequenzen sich erst in der Zukunft zeigen, manifestieren sich die Folgen der Pandemie kurzfristig, weshalb sie sich auch nicht mit einer schönfärberischen Rhetorik aus der Welt schaffen lassen. (...)

Die Zufriedenheit mit der Regierung aber beginnt nachzulassen und für Johnsons Popularität wird entscheidend sein, wie gut er das Land aus der Rezession führen kann.»


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu europäischen Corona-Hilfen

Vielleicht stimmt es, wenn Merkel sagt, dass die Außergewöhnlichkeit der Krise außergewöhnliche Wege erfordere.

Vielleicht ist es nur ehrlich, Staaten wie Italien oder Spanien Zuschüsse zu zahlen, weil sie Kredite ohnehin nicht zurückzahlen könnten. Vielleicht ist es im eigenen Interesse Deutschlands, den politischen wie wirtschaftlichen Zusammenhalt der EU mit allen denkbaren Mitteln zu stützen. Zu schnell sollte die EU ihre Regeln und Prinzipien aber nicht über Bord werfen. Darauf zu achten bleibt nun den Nordeuropäern um die Niederlande überlassen - damit die EU nicht nur einen außergewöhnlichen, sondern den richtigen Weg beschreitet. Ohne deutsch-französische Einigung geht es nicht. Eine deutsch-französische Einigung allein aber reicht auch nicht - zum Glück, vielleicht.


«Münchner Merkur» zu Corona/Europa

Endlich! Es war höchste Zeit, dass Angela Merkel und Emmanuel Macron wieder die gemeinsame Führung Europas in der Bewältigung der Coronakrise übernehmen.

Und mindestens ebenso dringlich war es, dass sich die EU-Staaten gemeinsam an Pläne machen, wie man im vereinten Europa wieder eine gewisse Reisefreiheit herstellt. Italien, Spanien, Griechenland - überall hat das Bild der EU, aber auch das Bild Deutschland gelitten. Man erwartet Solidarität. Nicht nur mit konkreten Hilfen, sondern auch mit etwas Symbolik, die gesundheitliche und wirtschaftliche Krise gemeinsam zu meistern. Als vereintes Europa. Von Ursula von der Leyen, sonst Meisterin der Inszenierung, ist da wenig zu hören.


«Süddeutsche Zeitung» zu Corona-Wiederaufbaupaket

Wenn nun Deutschland und Frankreich das zweite Corona-Wiederaufbaupaket in Höhe von 500 Milliarden Euro anstoßen, auszuzahlen in Zuschüssen, nicht in Darlehen, und zu finanzieren über die Haushalte der Mitgliedsstaaten, dann gebührt den beiden Führungsnationen Anerkennung für Pragmatismus und Entschlossenheit.

Der Vorschlag aus Berlin und Paris signalisiert: Genug gefeilscht, es muss gehandelt werden. Die Lagerbildung in Nord und Süd, in Freizügige und Sparsame - sie hat Europa gelähmt. Emmanuel Macron und Angela Merkel konnten sich nicht länger hinter ihren Stellvertretern aus Rom oder Den Haag verstecken. Nun haben sie die Verhältnisse gedreht: Die mächtige Allianz in der Mitte der EU setzt die übrigen Mitglieder unter Zugzwang. Wer sich ihrer Krisenpolitik widersetzt, hat gewichtige Gegner. Deutschland hat dafür Vorbehalte gegen den reinen Zuschuss-Charakter der Hilfe aufgegeben, Frankreich die hochtrabenden Pläne für eine eigene Agentur zu Umsetzung.


«Latvijas Avize»: Mini-Schengen im Baltikum?

RIGA: Zum Wiedereröffnung der wegen der Corona-Pandamie geschlossenen Grenzen zwischen Estland, Lettland und Litauen meint die national-konservative lettische Zeitung «Latvijas Avize» am Montag:

«Es ist erfreulich, dass sich die baltischen Staaten auf einen solchen Schritt einigen können, und dieses Abkommen hat in Europa schnell die Runde gemacht. Mit der Unterzeichnung des Memorandums werden der internationale Personenverkehr im Baltikum und Reisen zu Lande, in der Luft und auf See wieder aufgenommen. Die Erklärung von Staatspräsident Egils Levits, dass «wir so etwas wie ein kleines Schengen werden», wird in der Praxis aber nicht bestätigt. Von den rund 25 Straßengrenzübergängen mit Litauen wurden nur drei eröffnet. Und auch nach Estland kann man über nur ein Drittel der Schengen-Straßen einreisen.»


«De Tijd»: Probleme aus der Zeit vor Corona sind nicht verschwunden

BRÜSSEL: Die Corona-Krise lässt alte Probleme nicht verschwinden, meint die belgische Zeitung «De Tijd» am Montag:

«Eines der interessantesten Denkspiele besteht darin, sich vorzustellen, worum es auf den Titelseiten der Zeitungen und in den Titelgeschichten der Journale wohl gehen würde, wenn sich das Coronavirus tatsächlich bloß als eine eher harmlose Grippe erwiesen hätte. Als die größten politischen Themen hätten dann heute wohl die schwierig verlaufenden Gespräche über ein neues Handelsabkommen mit Großbritannien oder die weitere Arbeit an der Klimapolitik (...) gegolten.

Die Corona-Krise fordert zwar zu Recht unsere Aufmerksamkeit, aber sie hat die Sorgen, die es im Februar gab, nicht verschwinden lassen. Sie hat lediglich einen Schleier über die Wirklichkeit mit all ihren Schwierigkeiten gelegt, so dass uns die Welt in unserer persönlichen Perspektive wie ein Ort mit einem einzigen großen Problem erscheint: das Virus. Doch Stück für Stück drohen die Konturen der alten Welt zurückzukehren.»


«Kommersant»: Trump braucht ein Corona-Feindbild für seinen Wahlkampf

MOSKAU: Die russische Tageszeitung «Kommersant» schreibt am Montag zu den angespannten Beziehungen zwischen China und den USA in der Corona-Krise:

«Jetzt geht also der Krieg der Worte um die Corona-Pandemie in die zweite Runde: US-Präsident Donald Trump droht China mit schlechteren Beziehungen, und China macht Ähnliches. Zeitungen in Peking erinnern schon an das starke nukleare Potenzial des Landes und fordern sogar, es noch auszubauen. Gleichzeitig scheint aber die chinesische Führung endlich zu erkennen, dass ihre Strategie zur Bekämpfung des Coronavirus bei weitem nicht ideal war. Aber anstatt das einzugestehen, schiebt sie die Schuld einfach den lokalen Behörden in Wuhan zu. (...)

Deshalb scheint Trumps Hauptaufgabe dieser Tage zu sein, die Verantwortung für die katastrophale Lage nach China zu verlagern, ein Feindbild aufzubauen und irgendwie die Amerikaner davon zu überzeugen. So will er die Präsidentenwahl im November gewinnen.»


«Corriere della Sera»: Trumps Gegner ist Obama

ROM: Zum Streit zwischen Ex-US-Präsident Barack Obama und seinem Nachfolger im Weißen Haus, Donald Trump, schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Montag:

«Zu den ungeschriebenen Regeln des amerikanischen Systems gehört eine, die den ehemaligen Präsidenten verpflichtet, sich aus der öffentlichen Debatte herauszuhalten und nicht in den neuen Kurs der Regierung einzugreifen. Zugleich sollte sich der neue Präsident Kritik an seinem Vorgänger ersparen. (...) Nun ist aber der Streit zwischen Trump und Obama ausgebrochen, bitter geworden. Politisch und persönlich. (...) Obama ist besorgt über die Schwäche der Kandidatur Joe Bidens zum US-Präsidenten. (...) Er hat deshalb seine Stimme gegen Trump erhoben und Kritik an der Art und Weise geübt, wie er dem nationalen Notstand begegnet. All dies ist dem Weißen Haus natürlich nicht entgangen. Der wahre Gegner, der furchterregendste, der geschickteste ist nach wie vor Obama.»


«Lidove noviny»: Grenzöffnung Italiens kommt verfrüht

PRAG: Die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien schreibt am Montag zur angekündigten Grenzöffnung Italiens zum 3. Juni:

«Die Grenzen Europas werden genauso ungestüm geöffnet, wie sie geschlossen worden waren. Italien begrüßt ab Anfang Juni alle mit offenen Armen - und will noch nicht einmal einen negativen Coronavirus-Test sehen. (...) Das Land, das massiv vom Virus betroffen ist, lebt mit dem Gefühl - vielleicht teilweise auch zu Recht - dass es nichts zu verlieren hat und seine Bevölkerung bereits «durchseucht» ist. Das Schicksal der Anreisenden liegt ihm nicht so sehr am Herzen. (...) Ohne gesamteuropäische Koordination werden sich die EU-Mitgliedstaaten (bei den Lockerungen) nur gegenseitig überbieten wollen. Das kann für niemanden gut sein.»


«de Volkskrant»: Steuerzahler beginnen zu zweifeln

AMSTERDAM: Zu den Corona-Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung für die Wirtschaft schreibt die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Montag:

«Kein anderes Land der Welt, so zeigt ein Vergleich des Internationalen Währungsfonds, hat seine Wirtschaft in der Corona-Krise so fest im Griff wie Deutschland. Zu Beginn wurde gelobt, dass die Bundesregierung ihre jahrelange Sparpolitik ohne Murren aufgab, dass schnelles und unbürokratisches Handeln plötzlich möglich war und dass hilfsbedürftige Unternehmer ihren Antrag online erledigen konnten. All das war ein absolutes Novum in Berlin. (...)

Inzwischen halten auch die Autobauer ihre Hand auf und wollen Kaufprämien, um die Verbraucher zur Ablegung ihrer Krisensparsamkeit zu bewegen. Und es steht mehr oder weniger fest, dass sich der Staat mit 25 Prozent an der Lufthansa beteiligen und für weitere Kredite bürgen wird. Derweil fragen sich immer mehr deutsche Steuerzahler, ob sich der reiche Onkel in Berlin nicht etwas zu großmütig auf der Nase herumtanzen lässt.»


«El País»: Bahn frei für Netanjahus gefährliche Flucht nach vorne

MADRID: Zur Regierungsbildung in Israel nach anderthalb Jahren politischer Lähmung schreibt die spanische Zeitung «El País» am Montag:

«Die Regierungsbildung ist ein neuer Beweis für die politische Überlebensfähigkeit des rechten Regierungschefs. Er hat gleichzeitig mit drei Problemen fertig werden müssen: Mit der Covid-19-Krise, mit der politischen Lähmung - bei der es unter anderem in nur einem Jahr drei Wahlen gab - sowie mit einem Prozess wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit (...) . Netanjahu kann nun seine Strategie zur Annexion besetzter Palästinensergebiete vorantreiben, die er im Wahlkampf versprochen hat und die von (US-Präsident Donald) Trump unterstützt wird. Das soll unter dem Deckmantel eines Friedensplans geschehen, der von den Palästinensern zurückgewiesen wird. Das ist eine verführerische Flucht nach vorne, die eine regionale und internationale Unruhe auslösen würde, die vor allem die Probleme des Likud-Parteichefs mit der Justiz überschatten würde. Die Warnung von Jordaniens (König) Abdullah macht die gefährlichen Risiken einer solchen Strategie deutlich. Der Monarch sagte, man ziehe als Antwort auf eine Annexion «sämtliche Optionen» in Betracht. Er warnte vor einem «ungeheuerlichen Konflikt».»


«The Times»: Abkommen mit der EU trotz Corona-Krise erreichbar

LONDON: Die Londoner «Times» beschäftigt sich am Montag mit dem Brexit in Zeiten der Corona-Krise:

«Am 31. Januar hat Großbritannien die EU offiziell verlassen, nachdem Boris Johnson bei den Wahlen im Dezember 2019 für seine Austrittsbedingungen ein Mandat bekommen hatte. Es war ein entscheidender Moment im heftigsten Streit der britischen Politik seit einer Generation. Niemand hätte seinerzeit geglaubt, dass die Gespräche über Großbritanniens Beziehungen zur EU fünf Monate später weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden sein würden. (...)

Solange die europäischen Regierungschefs ihre Aufmerksamkeit nicht von der Pandemie abwenden und dem Brexit widmen können, werden diese in der Phase diplomatischer Effekthascherei verharren. Drohungen, sie platzen zu lassen, gehören zur üblichen Verhandlungstaktik. Obwohl die Zeit stets knapp war und durch Covid-19 noch knapper geworden ist, kann ein Abkommen jedoch immer noch erreicht werden.»


«Le Parisien» : Gemeinsam gegen Corona und den Klimawandel

PARIS: Dass während der Coronavirus-Krise auch andere politische Diskussionen nicht vergessen werden sollten, kommentiert die französische Tageszeitung «Le Parisien» am Montag:

«Ohne in Schwarzmalerei zu verfallen und ohne unnötig Ängste (zu schüren), darf uns die Corona-Krise, die weltweit bereits 300.000 Menschen das Leben gekostet hat, nicht die latente Bedrohung durch die Klimaerwärmung vergessen lassen. Es wäre selbstzerstörerisch, die Wirtschaft ohne diesen Kompass wieder anzukurbeln. (...) Im Gegensatz zum Virus werden wir vom Temperaturanstieg nicht überrascht. Jeden Tag nehmen wir die Konsequenzen davon wahr. Lasst uns uns (...) zusammentun, um die Konsequenzen der Klimaerwärmung zu verringern. Genauso wie wir es gemeinsam geschafft haben, die Kurve der Epidemie zu verringern.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.