Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Die Presse»: Kein Meisterstück in Risikomanagement

WIEN: Zur Schieflage der amerikanischen Silicon Valley Bank schreibt die österreichische Zeitung «Die Presse»:

«Wer ist nun schuld an der Misere? Zunächst wohl die Geldhäuser selbst: Was die Silicon Valley Bank abgeliefert hat, war nicht gerade ein Meisterstück an Risikomanagement. Doch sind auch die Notenbanken nicht unschuldig: Sie haben jahrelang eine extreme Niedrigzinspolitik gefahren und die Marktteilnehmer in Sicherheit gewiegt: Welche Krise auch immer eintreten würde, die Notenbanken würden schon wieder den Geldhahn aufdrehen, dachten sie.

Offenbar glauben sie das jetzt erneut: US-Futures starteten im Plus in die Woche, Krypto-Assets erholten sich auf breiter Front, Bitcoin schoss in die Höhe, der Goldpreis stieg. Das ist aber wohl eher die Hoffnung auf eine baldige Lockerung der Geldpolitik - und weniger das große Vertrauen in Politik und Bankensystem.»


«Stuttgarter Zeitung» zu geplanten Bildungsgipfel in Berlin

Dem Bildungssystem ist es wie der Bundeswehr ergangen: Über viele Jahre hat die Politik, gemessen am Wohlstand des Landes, zu wenig investiert.

Deshalb ist klar: Deutschland braucht ein Sondervermögen für die Bildung. Da ein Sondervermögen gleichbedeutend mit Sonderschulden ist, sollte die Finanzierungsfrage sofort geklärt werden. Nach Jahren von staatlichen Milliardenausgaben zur Bewältigung von Krisen ist es überfällig, dass Vermögende und Einkommensstarke einen größeren Beitrag leisten. Es kann kein schöneres Ziel für die Verwendung von Steuern geben, als gute Schulen und die Zukunft unserer Kinder. Das sehen viele Reiche vermutlich sogar selbst so.


«Frankfurter Rundschau» zu Wahlrechtsreform

Eine Reform des Bundestagswahlrechts ist ein richtiger Schritt.

Doch alle Lösungswege haben eine Schlagseite. Jede Partei kann berechnen, wer von ihren Leuten rausgeflogen wäre, wenn das neue Recht bei der vorigen Bundestagswahl gegolten hätte. Mit dem neuen Vorschlag sind SPD, Grüne und FDP der Union entgegengekommen, insbesondere der CSU. Die mit Abstand größte Verliererin wäre die Linkspartei. Sie würde nur über vier, nicht über 39 Abgeordnete verfügen. Das ist nicht fair. Schon für ihren ersten Entwurf hatten SPD, Grüne und FDP berechtigte Kritik geerntet. Seinerzeit strebten sie an, die Zahl der Abgeordneten auf 598 zu deckeln. Das hätte zur Folge gehabt, dass Wahlkreise ohne Abgeordnete bleiben. Betroffen gewesen wären jene Politikerinnen und Politiker, die kämpfen müssen, um ihren Wahlkreis für sich zu entscheiden. Das wäre ein Schlag ins Kontor gewesen. Mit dem neuen Plan, der 630 Abgeordnete vorsieht, ist die Wahrscheinlichkeit geringer geworden, dass es so kommt. Gut so.


«Münchner Merkur» zu Ampelkoalition/Haushaltsstreit

Führende Grünenpolitiker haben am Wochenende nochmal klargemacht, wofür sie viele weitere Milliarden fordern: für Habecks Ölheizungsverbot, für die Kindergrundsicherung, für «humanitäre Hilfe», sprich Flüchtlinge.

Und wer sie mitbezahlen sollen: die Pendler. Das ist der perfekte Plan zur Spaltung der Gesellschaft: Wer ausgerechnet den Menschen auf dem Land, die jeden Tag frühmorgens mit dem Auto oder dem Zug zur Arbeit fahren, ihre kleine Pendlerpauschale streichen will, um damit ein für viele Bürger unbezahlbares Ölheizungsverbot und eine total entgleiste Asylpolitik zu finanzieren, muss der Lebensrealität der normalen Leute schon sehr weit entrückt sein. Nicht zu vergessen: Die üppig ausgestaltete Kindergrundsicherung der grünen Familienministerin wird weitere massive Migrationsanreize setzen, mit fatalen Folgen für den völlig überhitzten Wohnungsmarkt.


«Rzeczpospolita»: Polen haben Recht auf Wahrheit über den Papst

WARSCHAU: Zu den Vorwürfen gegen den früheren Papst Johannes Paul II., der schon als Erzbischof von Krakau von Missbrauchsfällen gewusst haben soll, schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Montag:

«Papst Johannes Paul II. ist und bleibt für eine überwältigende Mehrheit der Polen ein Bezugspunkt der nationalen Geschichte und eine große Autorität. Aber alle Polen, nicht nur Kritiker und Feinde der Kirche, haben das Recht, jede noch so schwierige Wahrheit über seine pastorale Tätigkeit zu erfahren. Um seine Haltung gegenüber pädophilen Priestern endgültig beurteilen zu können, bedarf es weiterer Jahre der Arbeit, des Zugangs zu kirchlichen Archiven und der Fähigkeit, das zur Verfügung stehende Wissen in den richtigen Kontext zu stellen.

Fehler und Versäumnisse des Krakauer Erzbischofs können nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Erinnert man sich jedoch an die Zeit des Kommunismus, so muss man feststellen, wie wichtig es für die polnische Kirchenführung war, die Kirche vor den Geheimdiensten zu schützen, die die Priester überwachten und bekämpften. Und welche Angst sie hatten vor Manipulationen und Erpressungen. Dies war eines der Hauptmotive für die von Karol Wojtyla ergriffenen Maßnahmen, und das hat ihm möglicherweise den Blick auf andere Dinge verstellt.»


«Dagens Nyheter»: Historische Wende bei EU-Verteidigungspolitik

STOCKHOLM: Die schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» kommentiert am Montag die Verteidigungspolitik der EU:

«Russlands Aggression hat die EU dazu gebracht, die gemeinsame Verteidigungspolitik zu schärfen und zu vertiefen. Die EU ist weiterhin kein Verteidigungsbündnis, aber nach 70 Jahren der Diskussionen werden die bislang recht diffusen Bemühungen um eine gemeinsamere Verteidigung verschärft. Der Weg dorthin ist weiterhin lang, aber was im vergangenen Jahr passiert ist, bedeutet trotzdem eine historische Wende.

Die EU ist keine Nato und hat nicht das Vermögen, um große Militäreinsätze zu koordinieren und zu führen. Aber Russlands Krieg erschüttert Europa weiter. Schweden und Finnland sind auf dem Weg in die Nato, aber es wäre dumm, die Bedeutung der EU für unsere Verteidigung zu unterschätzen.»


«Financial Times»: USA und China sollten Gefahren abwenden

LONDON: Die britische Tageszeitung «Financial Times» kommentiert am Montag die Spannungen zwischen China und den USA:

«Die Interessen der USA und Chinas kollidieren auf vielen Gebieten, darunter Taiwan, Russlands Überfall auf die Ukraine und das Ringen um die globale technologische Vorherrschaft. Es besteht die Gefahr, dass die gegenseitigen Anfeindungen und das Misstrauen einen Eskalationskreislauf in Gang setzen. Die USA sind zu Recht besorgt über Chinas Aufstieg zum strategischen Rivalen, müssen aber auch berücksichtigen, dass ihre Maßnahmen zur Eindämmung Chinas - wie etwa Beschränkungen für Hunderte chinesischer Unternehmen auf der sogenannten «Entity List» - das Misstrauen in Peking nur noch verstärken.

Die USA und China sollten gemeinsam mit ihren Partnern erkennen, welche Gefahren drohen. Die Prophezeiung von Konflikten, die Vorbereitung auf Auseinandersetzungen und die Benennung potenzieller Feinde ist eine Rutschbahn in Richtung unvorstellbarer Feindseligkeiten. Peking und Washington sollten innehalten, nachdenken und echte Anstrengungen unternehmen, um die Leitplanken zum Schutz vor künftigen Katastrophen wiederherzustellen.»


«NZZ»: Lockere Geldpolitik trug zum Kollaps der SVB bei

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» aus der Schweiz kommentiert am Montag die Vorgänge um die US-amerikanische Silicon Valley Bank (SVB):

«Zwei Lehren lassen sich aus dem Debakel ziehen. Erstens ist selbst ein solides Eigenkapitalpolster rasch aufgebraucht, wenn es zu einem Run kommt. Die Erhöhung der Eigenmittelvorschriften nach der Finanzkrise war eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür, dass Banken einem Sturm trotzen können. Zweitens ist somit auch zentral, dass eine Bank eine breitgefächerte Kundschaft hat, nicht nur Silicon-Valley-Geeks, die alle gleichzeitig Reißaus nehmen. Das hätte auch der Bankenaufsicht auffallen müssen.

Das Versagen der SVB fällt letztlich in die Verantwortung des Managements. Aber der Elefant im Raum ist die extrem lockere Geldpolitik des Fed. Weshalb sind die Aktienkurse der Technologiefirmen über Jahre in immer höhere Sphären gestiegen? Weshalb floss stets mehr Geld in die Startups? Ohne die extreme Niedrigzinspolitik des Fed wäre das kaum möglich gewesen.

Es ist möglich, dass es noch andere Banken erwischt. Umso wichtiger ist es, dass die amerikanische Politik nun nicht einknickt und wie in der Finanzkrise große Rettungspakete schnürt. Sonst würde man nach dem ersten Fehler - einer zu lange zu laxen Geldpolitik - einen kapitalen zweiten begehen: Die Nonchalance gegenüber Risiken würde dann in den USA zum Prinzip.»


«Wall Street Journal»: Wieder Rettungsaktion für Bankensystem

NEW YORK: Wegen der Schieflage der Silicon Valley Bank (SVB) hat die US-Regierung eine Absicherung aller Einlagen bei dem Geldhaus angekündigt. Dazu schreibt das «Wall Street Journal» am Montag:

«Dies ist de facto eine Rettungsaktion für das Bankensystem, auch wenn uns die Regulierungsbehörden und Vertreter der Biden-Regierung erzählen, dass die Wirtschaft gut läuft und es keinen Grund zur Sorge gibt. Die unangenehme Wahrheit - die Washington nie zugeben wird - ist, dass das Scheitern der SVB die Rechnung für jahrelange monetäre und regulatorische Fehler ist.

Die Führungskräfte der SVB haben Fehler gemacht und werden dafür bezahlen, aber sie wurden durch leichtes Geld und fehlgeleitete Regulierung ermutigt. Als die US-Notenbank die Welt mit Dollar-Liquidität überflutete, floss das Geld in Start-up-Unternehmen, die der Kundenstamm der SVB waren. Die Einlagen der Bank stiegen in die Höhe - weit über das hinaus, was sie sicher verleihen konnte.»

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Leserkommentare

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