Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zu den Grünen nach Lützerath

Der Kompromiss, dem Lützerath geopfert wird, bleibt für die Grünen eine schwere Hypothek.

Ungeachtet der Stichhaltigkeit ihrer Argumente und einer gerichtsfesten Rechtslage verprellen sie damit potenziellen Nachwuchs und verunsichern selbst altgediente Anhänger. Das ist der Preis, der für die Teilhabe an der Macht zu zahlen ist. Greta Thunberg meint, «dass Parteipolitik die Klimakrise nicht lösen wird». Wenn dem so wäre, dann wäre sie überhaupt nicht zu bewältigen. Ohne demokratische Mehrheiten lässt sich keine Klimawende herbeizwingen.


Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

«Handelsblatt» zum Rücktritt von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht

Bei Lambrecht war vor allem eines ausschlaggebend für ihren Rücktritt: Sie hatte vom Militär keine Ahnung und fand nie einen Zugang zu den Soldatinnen und Soldaten.

Im Ukrainekrieg mit all seinen Verwerfungen wirkte sie wie eine Getriebene. Der Rücktritt war überfällig. Auch wenn Lambrecht geht - die Probleme bleiben. Sie oder er muss die von Kanzler Scholz ausgerufene «Zeitenwende» mit Leben füllen, die Bundeswehr reformieren und vor allem: das Vertrauen wieder aufbauen. Was braucht es dafür? Wer auch immer an die Spitze der Bundeswehr tritt, sollte sich zuerst einmal eine eigene Meinung zutrauen. «Owd - Olaf will das», mit diesem Kürzel regierte Scholz einst als Bürgermeister in Hamburg und wohl auch im Kanzleramt. Absprachen zwischen Verteidigungsressort und Kanzleramt müssen sein. Doch das Kürzel «Owd» sollte der Vergangenheit angehören.


«Frankfurter Rundschau» zum Treffen in Davos

Es ist auch nicht sonderlich schwer, tiefe Verachtung zu empfinden für dieses seltsame Treffen in dem Luxus-Skiort zwischen Privatjets und Protz.

Die absurden Übernachtungspreise, die Verdrängung der Einwohner, die Schäden für Umwelt und Klima - an Davos lassen sich viele Fehlentwicklungen des Kapitalismus geradezu mustergültig studieren. Trotzdem ist das Treffen enorm wichtig - gerade in einer Zeit multipler Krisen. Denn wie wenn nicht durch den Austausch der wirtschaftlichen und politischen Spitzenkräfte sollen sich jene lösen lassen? Fragen, an denen die Zukunft von Milliarden Menschen hängt, warten auf eine Antwort. Was wird aus der Globalisierung? Was aus dem Kapitalismus? Wie lässt sich Sicherheit in Europa gegen Russland organisieren? Über all diese Fragen und einige mehr muss geredet werden - nicht nur, aber auch in Davos.


Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Rücktritt von Verteidigungsministerin Lambrecht

Die beste Entscheidung traf Christine Lambrecht am Schluss.

Nach etwas mehr als einem Jahr an der Spitze des Verteidigungsministeriums hat auch sie selbst eingesehen, was vielen ihrer Untergebenen, und nicht nur diesen, längst klar war: dass sie die Falsche für dieses Amt ist und das Amt das falsche für sie. (...) Insbesondere wenn stimmt, dass Lambrecht schon länger an Rücktritt dachte, ist schwer zu verstehen, warum der Kanzler und seine Partei seit dem ersten Pfeifen der Berliner Spatzen Tage brauchen, um die Nachfolge zu regeln. (...) Eher schien es schwierig zu sein, eine Person zu finden, die all die Kriterien des Kanzlers erfüllt, darunter offenbar weiter die Geschlechterparität im Kabinett. Auch Scholz selbst steht unter Druck: Einen zweiten Missgriff kann er sich nicht leisten.


«Pravda»: Wahlbeteiligung ist erster Sieg für Tschechien

BRATISLAVA: Zur Präsidentschaftswahl im Nachbarland Tschechien schreibt die linksliberale slowakische Tageszeitung «Pravda» am Montag:

«Die größte Überraschung ist der hohe Stimmengewinn der beiden in die Stichwahl aufsteigenden Kandidaten. Keine einzige Umfrage ließ erwarten, dass Ex-General (Petr) Pavel oder der ehemalige Regierungschef (Andrej) Babis mehr als ein Drittel der Wähler für sich gewinnen könnte. Tatsächlich erreichten beide die Schwelle von 35 Prozent der abgegebenen Stimmen. (...)

Zu den Überraschungen zählt auch, was wir schon länger wissen: Die breite Regierungskoalition schaffte es nicht, einen eigenen Präsidentschaftskandidaten zu nominieren, obwohl sie so eine große Mehrheit im Abgeordnetenhaus hat. (...)

Eine angenehme Feststellung ist, dass sich im Wahlkampf niemand von den drei Favoriten zu Angriffen unter der Gürtellinie herabließ. (...) Und zu guter Letzt ist die Wahlbeteiligung zu nennen.»


«Denik»: Zwei frühere Karriere-Kommunisten kämpfen um die Prager Burg

PRAG: In Tschechien ziehen der populistische Ex-Regierungschef und Milliardär Andrej Babis sowie der Ex-General Petr Pavel in die Stichwahl um das Präsidentenamt ein. Dazu schreibt die tschechische Zeitung «Denik» am Montag:

«Ein Liberaler, der in Prag in einem Kaffeehaus sitzt, könnte anmerken: Vaclav Havel muss sich im Grab umdrehen. Denn 33 Jahre nach der Samtenen Revolution kämpfen zwei ehemalige Karriere-Kommunisten um das Präsidentenamt in Tschechien. Warum haben diejenigen, die Andrej Babis nicht ausstehen können, im ersten Wahlgang mit Petr Pavel einen Mann gewählt, der vor der Wende von 1989 ebenfalls Mitglied in dieser «Verbrecherorganisation» war? Als Antwort bietet sich an, dass wir im höchsten Staatsamt gerne einen resoluten Kerl sehen, der Zähne zeigen kann. Dann ist die Vergangenheit gleichgültig.»


«Hospodarske noviny»: Schmutzige Kampagne vor Stichwahl in Tschechien

PRAG: In Tschechien ziehen der populistische Ex-Regierungschef und Milliardär Andrej Babis sowie der Ex-General Petr Pavel in die Stichwahl um das Präsidentenamt ein. Dazu schreibt die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Prag am Montag:

«Die Strategie ist klar. Andrej Babis wird versuchen, die Wähler des liberalen Lagers davon abzuhalten, ihre Stimme für Petr Pavel abzugeben. Wie wird er das tun? Sicherlich mit sehr persönlichen Angriffen auf das Privatleben des Ex-Generals. Und indem er betont, dass Pavel ein Soldat sei und in Tschechien eine Militärjunta die Macht übernehmen könnte. Wird es Babis gelingen, die öffentliche Meinung auf seine Seite zu ziehen? Wahrscheinlich nicht, denn das, was er behauptet, ist einfach Unsinn. Doch in der postfaktischen Welt lässt sich nichts mehr ausschließen. Über Geld und Fähigkeiten zur Manipulation verfügt das Babis-Team in ausreichender Menge. Petr Pavel bleibt damit zwar der große Favorit für die Stichwahl um die Präsidentschaft, aber, wie wir wissen, besteht in der tschechischen Politik nie ein Mangel an Überraschungen.»


«Jyllands-Posten»: Lützerath zeigt Klima-Dilemma extradeutlich

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) kommentiert am Montag die Räumung des Braunkohleortes Lützerath:

«Ja, wir müssen alles tun, um die Klimakrise und die grüne Umstellung zu bewältigen. Aber nein, wir wollen nicht frieren, und die hochmoderne Gesellschaft muss dafür die notwendige Energieversorgung sichern. Nirgendwo wird dieses grundlegende Dilemma deutlicher zur Schau gestellt als in diesen Tagen in Lützerath. Das verlassene Dorf westlich von Köln ist zum großen Symbol dafür geworden, was Aktivisten als Heuchelei im Klimakampf betrachten. Dass das Dilemma in Deutschland besonders groß ist, ist jedem klar - es ist besonders abhängig von russischer Energie gewesen. Die Misere wird dadurch nicht kleiner, dass es die Grünen sind, die den Spagat zwischen Vision und Wirklichkeit schaffen müssen. Doch das Dilemma zwischen Klimakampf und Wärme im Heizkörper ist ein gemeinsames europäisches.»


«De Tijd»: Diskussion um Leopard-Lieferung ist brisant

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Tijd» kommentiert am Montag Forderungen nach Leopard-Panzern für die Ukraine:

«In Deutschland ist die Diskussion über die Lieferung von Leopard-Panzern politisch brisant. Deutschland sollte andere Länder nicht daran hindern, die Ukraine zu unterstützen, erklärt der grüne Vizekanzler Robert Habeck. Auch der liberale Koalitionspartner ist dafür, dass Drittstaaten deutsche Waffen liefern können.

Doch der größte Koalitionspartner, die Sozialdemokraten von Bundeskanzler Olaf Scholz, tritt auf die Bremse. Scholz befürchtet, dass die Lieferung von Panzern den Konflikt eskalieren und Westeuropa direkt in den Krieg zwischen Russland und der Ukraine hineinziehen wird. Und das will er um jeden Preis vermeiden. (...)

Das ukrainische Militär will 300 westliche Panzer, um in diesem Konflikt im Vorteil zu bleiben. Doch die sind nicht ohne Weiteres verfügbar, ganz zu schweigen von ukrainischem Militärpersonal, das über Nacht in der Lage sein müsste, damit umzugehen. Der Kampf geht also unweigerlich in ein zweites Jahr. Ein Ende des Krieges ist derzeit nicht in Sicht, ebenso wenig wie das Ende der Eskalation.»


«El Mundo»: Riesenfehler von Biden verleiht Populisten Flügel

MADRID: Zur Entdeckung geheimer Regierungsdokumente in privaten Räumen von US-Präsident Joe Biden schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Montag:

«Die Biden-Papiere sind ein riesiger Fehler des US-Präsidenten und ein Geschenk an den ultrarechten Flügel, der jetzt die Macht in der Republikanischen Partei hat. (...) Der Skandal kommt für Biden auch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Er hatte sich gerade in den Umfragen erholt, nachdem er die monatelang explodierende Inflation aufgehalten und sich in den Zwischenwahlen behauptet hatte. (...) Der Präsident schien Rückenwind zu haben, um seine Kandidatur für 2024 zu starten, trotz seiner 80 Jahre, seiner vielen Fehltritte und der unerschütterlichen Unterstützung für Kiew in einem Ukraine-Krieg, der sich für den amerikanischen Steuerzahler zu lange hinzieht. (...)

Der Skandal ist Munition für den Trumpismus, der von Heuchelei und Doppelmoral der Demokraten spricht. Wenig geholfen hat auch, dass der Präsident zunächst versucht hatte, die Angelegenheit mit einem unglücklichen Scherz herunterzuspielen. Biden muss nun mit größtmöglicher Transparenz handeln, um seine moralische und politische Autorität wiederherzustellen, indem er mit den Ermittlern kooperiert und sich der Öffentlichkeit gegenüber erklärt.»


«The Times»: Scholz' Vorsicht in der Panzerfrage ist unangebracht

LONDON: Die britische Zeitung «The Times» kommentiert am Montag die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz zu Forderungen nach der Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine:

«Scholz' Zögern scheint den traditionellen Pazifismus seiner sozialdemokratischen Partei widerzuspiegeln sowie einen Unwillen, die Geister der Vergangenheit zu wecken. Dies ist vielleicht verständlich. Bei den letzten Panzerschlachten in Osteuropa starben Millionen von sowjetischen Soldaten und Bürgern. Viele Deutsche sind besorgt wegen der Symbolik eines erneuten Einsatzes deutscher Panzer gegen die Russen, was Präsident Putin als eine Eskalation empfinden dürfte. Die öffentliche Meinung ist in der Frage geteilt, ob die Entsendung von Leopard-Panzern in die Ukraine genehmigt werden soll oder nicht.

Dennoch ist die Vorsicht von Scholz unangebracht. Schließlich waren viele der im Zweiten Weltkrieg getöteten Sowjetbürger Ukrainer, Litauer, Weißrussen und Bürger anderer heute unabhängiger Republiken, von denen nun viele Deutschland um die Entsendung der Panzer bitten. Sie befürchten, dass sie im Falle eines Sieges Russlands in der Ukraine das nächste Ziel von Putin sein könnten.»


«NZZ»: Lützerath entzweit die Grünen

ZÜRICH: Zur Haltung der Grünen im Streit um den Abbau der Braunkohle unter Lützerath schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Montag:

«Die Grünen als Verräter und verlängerter Arm der Energieindustrie? Sollte sich dieser Eindruck verfestigen, könnte sich die Räumung von Lützerath als Wendepunkt in der Geschichte der Partei entpuppen. Dann hätten die Grünen möglicherweise ihren eigenen Hartz-IV-Moment. Die nach dem früheren Manager Peter Hartz benannten Arbeitsmarktreformen der Regierung Gerhard Schröders hätten die SPD fast zerrissen. (...)

Das Stück vom Leiden am politischen Kompromiss haben die deutschen Grünen schon häufig aufgeführt. In keiner Partei ist die Fallhöhe von den Gipfeln der Gesinnung auf den harten Boden der Regierungsverantwortung so groß wie in der Umwelt- und Klimaschutzpartei. Das liegt an einem oftmals apokalyptischen, keinen Verzug duldenden Ton, den die Partei anstimmt und sich so selbst unter Druck setzt. Und es liegt an einer besonders dogmatischen und kompromisslosen Basis.»


«Tages-Anzeiger»: Lambrecht fehlte es an Tempo und Energie

ZÜRICH: Zum angekündigten Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) heißt es am Montag im Schweizer «Tages-Anzeiger»:

«Niemand wirft Lambrecht vor, sie verantworte den heutigen Zustand der deutschen Streitkräfte allein. Vernachlässigt und kaputtgespart wurden diese nach Ende des Kalten Kriegs von einer ganzen Reihe vornehmlich christdemokratischer Minister. Doch Lambrecht gelang es nicht, das Ruder nun in einer Weise herumzureißen, die der versprochenen «Zeitenwende» gerecht geworden wäre. Überall fehlte es ihr an Tempo und Energie, die Kommunikation war durchgehend schlecht.

Bei der vitalen Frage, wie stark Deutschland die Ukraine mit Waffen beliefern sollte, schadete ihr zudem die Zögerlichkeit der Kanzlers, der darüber letztlich entscheidet. Zuletzt hatte Lambrecht in der Truppe und in der Öffentlichkeit jedes Vertrauen verloren. Sie sah ein, dass sich ihre Lage nur noch verschlimmern würde, hielte sie am Amt fest.»


«Washington Post»: Viel zu viele geheime Dokumente

WASHINGTON: Nach dem jüngsten Fund geheimer Regierungsdokumente in privaten Räumen von US-Präsident Joe Biden fordert die «Washington Post» Reformen des Systems der Geheimhaltung:

«Es wird Sache von zwei Sonderermittlern sein, den Umgang mit geheimen Dokumenten durch Präsident Biden und den früheren Präsidenten Donald Trump zu untersuchen und zu gewichten. Aber die laufenden Fragen sollten nicht ein gewaltiges Problem verdecken, das seit Jahrzehnten gärt und die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Rechenschaftspflicht bedroht: das Klassifizierungssystem für den Umgang mit Geheimnissen ist überfordert und bedarf dringend der Reparatur.

Zu viele Informationen zur nationalen Sicherheit werden als geheim eingestuft und zu wenig wird freigegeben. Jahrelang haben Beamte Dokumente in einem System des kleinsten gemeinsamen Nenners als «geheim» eingestuft, das ein Übermaß an Klassifizierung nicht ahndete und eine Freigabe schwer und zeitaufwendig machte (...) Überklassifizierung ist kontraproduktiv, erschwert es Behörden zu funktionieren, frisst Haushaltsmittel und untergräbt das öffentliche Vertrauen. (...) Das gesamte System muss in Ordnung gebracht, und seine Störung sollte nicht ein weiteres Jahrzehnt ignoriert werden.»

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