Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zu Parlamentswahl in Frankreich

Nun liegt vor Macron die Herausforderung, für seine europäische Vision auch innenpolitisch wieder zu kämpfen.

Er hat diesen Kampf zu lange nur als schwarz-weiße Angstpolitik geführt. Dabei stimmt es nicht, dass Macron in Frankreich der letzte Freund Brüssels und Berlins wäre. Die Anti-EU-Rhetorik ist in Frankreich rechts wie links im Vergleich zu 2017 deutlich leiser geworden. Diese Parlamentswahl war keine Anti-Berlin- oder Anti-EU-Abstimmung - sondern eine Protestwahl gegen Macron.


«Frankfurter Rundschau» zu Stimmungslage in Deutschland

Corona, Krieg, Inflation - das zehrt! Die Krisen, die sich überlagern, ohne dass nur eine davon bereits ausgestanden wäre, haben die Widerstandskraft der Menschen Stück für Stück abgetragen, die Resilienz des Gemeinwesens ausgehöhlt.

Pessimismus bestimmt die Sicht auf kommende Zeiten. Dabei gilt: Je weniger im Portemonnaie, desto größer die Sorgen und das Misstrauen gegenüber der künftigen Entwicklung - wobei die Ängste bis tief in die Mittelschicht hineinreichen und auch Menschen befallen, die zwar ihr Auskommen haben, aber um den sozialen Frieden im Land fürchten. Denn wer kein Vertrauen mehr in die Zukunft hat, weil er sich fallen gelassen fühlt, traut auch keiner Regierung und keiner demokratischen Institution mehr.


«Rzeczpospolita»: Krise beim Getreideexport könnte zu Revolten führen

WARSCHAU: Die polnische Tageszeitung «Rzeczpospolita» kommentiert am Montag die vom Krieg in der Ukraine ausgelöste Krise beim Getreideexport:

«Die Sturheit des russischen Staatschefs hat zur Folge, dass die durch seinen Angriff auf die Ukraine ausgelöste Krise über Europa hinaus auf andere Kontinente übergreifen könnte. Dazu dient die konsequente Blockade der ukrainischen Getreideexporte. Die Verdrängung eines der weltweit größten Lieferanten vom Markt wird zu einer Nahrungsmittelkrise führen, die mit der der Jahre 2007 und 2008 vergleichbar ist. Sie wird die ärmsten Länder, die von Getreide aus dem Ausland abhängig sind, genauso treffen wie vor 15 Jahren, als die Nahrungsmittelknappheit in fast 40 Ländern der Welt Aufstände und Revolten auslöste.

Gleichzeitig wäre Wladimir Putin nicht er selbst, wenn er nicht andere Folgen seines Handelns vorausgesehen hätte. Die Blockade der ukrainischen Exporte, bei gleichzeitig dort erwarteter Rekordernte, hat in der Ukraine selbst zu einem Preisverfall bei Lebensmitteln geführt. Dies wird die gesamte Landwirtschaft bedrohen, die unter Kriegsbedingungen einer der Hauptzweige der ukrainischen Industrie ist, wenn nicht sogar der Hauptzweig.»


«Sydsvenskan»: Johnson stochert in der Brexit-Wunde herum

MALMÖ: Die liberale schwedische Tageszeitung «Sydsvenskan» (Malmö) kommentiert am Montag den Gesetzentwurf der britischen Regierung, der die Regelungen des im Brexit-Vertrag vereinbarten Nordirland-Protokolls einseitig ändern soll:

«Der Brexit schlägt weiter Wellen. «Keine große Sache», meinte der britische Premierminister Boris Johnson in einem Interview mit der BBC, als er erklärte, warum seine Regierung komplett eigenhändig versucht, Regelungen im Handel zwischen der EU und dem britischen Landesteil Nordirland zu ändern - und damit das Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien. Dieses Verhältnis befindet sich also wieder auf dem absteigenden Ast. Jetzt auch in der heiklen sicherheitspolitischen Lage, in der man sich darauf konzentrieren muss, eine geeinte Front gegenüber Russlands Aggressionen zu zeigen. Boris Johnson sollte den Vorschlag natürlich zurückziehen. Sein Hang zum Populismus spricht leider für das Gegenteil, trotz der Tatsache, dass es Großbritanniens Stabilität ist, die bedroht ist.»


«De Tijd»: Frankreich ist ein politisches Dreistromland

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Tijd» kommentiert am Montag das Ergebnis der Parlamentswahlen in Frankreich:

«Aus den Reihen des Präsidenten verlautete, dass er und der Premierminister nach einer tragfähigen Mehrheit im Parlament suchen wollen, notfalls Dossier für Dossier, und dass Frankreich nicht unregierbar ist. Doch hinter den Kulissen war eine düstere Botschaft zu vernehmen. Die Angst vor einer «totalen Lähmung» des Parlaments, die zu einer institutionellen Krise führen könnte, sitzt tief. (...)

In der Entourage des Präsidenten wird bereits eine drastische Option erwogen: die Auflösung der neu gewählten Nationalversammlung. Dieses Szenario ist jedoch frühestens in einem Jahr denkbar. Die Verfassung verbietet die schnellere Ausrufung von Neuwahlen. Zudem ist fraglich, ob eine solche neue Parlamentswahl die Machtverhältnisse grundlegend verändern würde. Schließlich hat der Wahlkampf 2022 einmal mehr bewiesen, dass sich Frankreich fünf Jahre nach Macrons Machtübernahme in ein politisches Dreistromland verwandelt hat. Das politische Zentrum des Präsidenten liegt in der Mitte zwischen der extremen Rechten und der radikalen Linken. Die politische Ungewissheit in Frankreich könnte kaum zu einem schlechteren Zeitpunkt kommen. Auf dem europäischen Kontinent tobt immer noch ein bewaffneter Konflikt.»


«DNA»: Frankreich nach Parlamentswahlen unregierbar

STRAßBURG: Zum Ergebnis der Parlamentswahl in Frankreich ohne absolute Mehrheit für Präsident Emmanuel Macron schreibt die französische Tageszeitung «Les Dernières Nouvelles d'Alsace» am Montag:

«Seit heute früh ist unser Land unregierbar, und niemand sollte die Frechheit besitzen, sich damit zufrieden zu geben. (...) Wenn die Politik in Frankreich immer noch ein Kampfsport ist, bei dem Zerstören wichtiger ist als Aufbauen, werden die nächsten fünf Jahre, die Jahre eines totalen und toxischen Stillstands sein. Es werden keine Reformen durchgeführt werden können, die Regierung wird in Krisensituationen hilflos sein und die traurige Komödie wird in einer nationalen Tragödie enden.

(...) Wenn sich Macrons Mitte-Bündnis, das Links-Bündnis sowie die extrem Rechte gemeinsam für die Allgemeinheit nützlich machen wollen, müssen sie lernen, einander zuzuhören. Sie müssen lernen, ihr Ego in den Hintergrund zu drängen und einige alte ideologische Denkweisen über Bord zu werfen. Der Deutsche Bundestag oder das Europäische Parlament haben bewiesen, dass dies möglich ist. Doch wenn man gestern Abend Jean-Luc Mélenchon, Marine Le Pen oder einigen anderen Regierungsmitgliedern zugehört hat, ist es noch ein weiter Weg.»


«Magyar Nemzet»: Ungarn heizt, Deutschland friert

BUDAPEST: Über die deutschen Energiespar-Debatte wegen der Drosselung der russischen Gaslieferungen schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Montag:

«Der Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, ein dunkelgrüner Politiker, schlug dieser Tage vor, dass man die gesetzlich vorgeschriebene Temperatur in den Mietwohnungen ruhig um sechs Grad senken könnte. (...) Leider ist nicht jeder von der Idee begeistert: Bauministerin Klara Geywitz nannte sie beispielsweise ein «gesetzlich verordnetes Frieren». (...) Inzwischen teilte (der ungarische) Außenminister Peter Szijjarto mit, dass er mit dem Gazprom-Generaldirektor und dem zuständigen stellvertretenden Ministerpräsidenten telefonierte und die Zusicherung erhielt, dass Russland alle vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Ungarn erfüllen wird. Es ist eine gute Nachricht, dass wir im Winter weiterhin mit billigem russischen Gas heizen werden. Unsere westlichen «Freunde» können sich dann (...) an ihrer Moral-Hysterie wärmen.»


«Boston Globe»: Trump muss vor Gericht gestellt werden

BOSTON: Zur Debatte, ob der frühere US-Präsident Donald Trump angesichts des Angriffs auf das Kapitol am 6. Januar 2021 angeklagt werden sollte, schreibt die US-Zeitung «Boston Globe»:

«Sollte er sich dazu entscheiden, das Richtige zu tun, wäre Merrick Garland der erste Justizminister, unter dem Anklage gegen einen ehemaligen Präsidenten erhoben wird. Das wäre keine leichte Aufgabe, und es gibt viele Gründe, Vorbehalte dagegen zu haben, mit 200 Jahren Tradition zu brechen. (...)

Aber die Realität ist, dass Untätigkeit auf lange Sicht schlimmere Folgen haben würde. So gefährlich die Präsidentschaft Trumps auch war, sie hätte sicherlich viel schlimmer sein können. Dass dies nicht der Fall war, liegt zum Teil daran, dass es - wenn auch selten - Fälle gab, in denen Regierungsvertreter in seinem Umfeld Zurückhaltung zeigten und seinen schlimmsten Impulsen trotzten. Die Angst vor rechtlichen Folgen nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt könnte einige dazu veranlasst haben, einigen von Trumps ungeheuerlichsten Anweisungen eine Abfuhr zu erteilen. Wenn die Biden-Regierung diese rechtlichen Folgen nicht auferlegen sollte, würde sie eine künftige Regierung nur dazu ermutigen, noch rücksichtsloser gegen Gesetze zu verstoßen, weil sie damit zeigen würde, dass es keine Konsequenzen hat, wenn man das Gesetz bricht, solange man in den Korridoren der Macht arbeitet.»


«NZZ»: Russlands Wirtschaft wird nicht einfach kollabieren

ZÜRICH: Zu den Folgen der westlichen Sanktionen gegen Russland heißt es am Montag in der «Neuen Zürcher Zeitung»:

«Eine abgeschottete Kriegs- und Staatswirtschaft dürfte allmählich die Oberhand gewinnen, die an iranische Zustände gemahnt. Wohlstand und wirtschaftlichen Fortschritt wird Putin der breiten Bevölkerung nicht mehr bieten können. Das aber macht sein repressives Regime erst recht gefährlich.

Russlands Wirtschaft wird schwächer werden, aber sie wird nicht einfach kollabieren. Dafür ist das Land zu eigenständig. Es scheint auch wenig wahrscheinlich, dass sich die Bevölkerung aus wirtschaftlichem Verdruss gegen das herrschende Regime erheben wird. Dafür ist sie zu stoisch leidensfähig und für nationalistisch-neoimperiale Großmachtträume zu empfänglich. Und die Repression zu umfassend.

Eine echte Änderung müsste vermutlich aus der Elite kommen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten der Bevölkerung dürften kaum Veränderungen auslösen. Ein Umdenken wird wohl erst beginnen, falls Russland auf dem ukrainischen Schlachtfeld eindeutiger in die Schranken gewiesen wird. Leider sieht es danach gerade nicht aus.»


«The Times»: Ein Rückschlag für Macron

LONDON: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bei der Parlamentswahl mit seinem Mitte-Lager die absolute Mehrheit verfehlt. Dazu schreibt die Londoner «Times» am Montag:

«Macrons Regierung räumte ein, was Finanzminister Bruno Le Maire als «demokratischen Schock» bezeichnete, und versprach, die in seinem Manifest vom April angekündigten Reformen «härter und schneller» voranzutreiben.

Allerdings kündigten sowohl die Führer der radikalen Linken als auch der radikalen Rechten an, der Regierung das Leben so schwer wie möglich zu machen. Diese muss nun Verbündete im Mitte-Rechts-Lager der Konservativen suchen, um Gesetze durchzubringen, da Macrons Parteienbündnis Ensemble nur noch über eine relative Mehrheit verfügt. (...)

Für den 44-jährigen Präsidenten ist das Ergebnis ein Rückschlag, besonders nachdem er letzte Woche die Lage stark dramatisiert hatte. Seine Gegner hatte er als gefährliche Extremisten bezeichnet und das Land aufgefordert, ihm zu Beginn seiner zweiten Amtszeit eine «solide Mehrheit» zu geben, denn «nichts wäre schlimmer, als eine französische Unordnung zur globalen Unordnung hinzuzufügen».»

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Juergen Bongard 21.06.22 18:40
Hier wird wieder einmal mit Polemik und Unverstand
kommentiert. In Wirklichkeit treffen die Restriktionen Russland sehr hart- wirtschaftlich und vor allem im Selbstbewustsein. Niemals hätte Putin geglaubt, das fast weltweit die Überflugrechte gesperrt werden könnten. Lawrow soll vor Wut fast geplatzt sein, das er seinen Flug deswegen stornieren musste. Auch H. Wirth stimmt es nicht, das die Benzin- und Dieselreduzierungen von der Oelindustrie einkassiert wurden. Da wurde das Gegenteil nun bewiesen und der Dieselpreis wäre auch wieder da, wo er vorher war - Bei 1,30 € statt bei 2.00€ . Im Übrigen halte ich es H. Habeck sehr zu Gute, das er als Grüner trotzdem bereit ist, über seinen Schatten zu springen und in der Notlage auf Kohle zurückgreifen will. Das nenne ich Chuzpe!!
Derk Mielig 21.06.22 16:10
@Martin
Ganz sicher wollte Habeck als Oppositionspolitiker die Kohlekraftwerke abschalten, aber nie von heut auf gleich. Und schon gar nicht, bevor Alternativen am Start sind. Wenn Du zum Thema "Maul aufreissen in der Opposition" im Bezug auf Kohlekraftwerke eine Quelle hast, dann lese ich gerne mal nach. Nicht umsonst ist Habeck Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und nicht für Umwelt.

Wenn die Grünen den Habeck zum Kanzlerkandidaten gemacht hätten, anstatt auf ihre Frauenquote zu bestehen, dann wäre er jetzt auch der Kanzler, und ein besserer als Scholz allemal.