Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Handelsblatt» zu Corona-Maßnahmen /Robert-Koch-Institut

Was sagt es eigentlich über die Pandemiebekämpfung aus, wenn das oberste Experteninstitut einen völlig anderen Kurs für nötig hält, als ihn nun Bund und Länder beschlossen haben? Und welchen Kurs hält es wohl für nötig, wenn es nun noch ein paar Wochen mit den beschlossenen milden Maßnahmen weitergeht? Das Signal, das bei der Bevölkerung ankommt, ist fatal.

Die Politik schlägt Alarm und lässt einen mit dem unguten Gefühl zurück, nicht ausreichend zu handeln. Dies verstärkt sich noch dadurch, da einzelne Bundesländer ebenfalls einen deutlich härteren Kurs für nötig halten. (.) Die Ampel allerdings hält das derzeit nicht für nötig. All das klingt nicht nach Einigkeit - und verheißt nichts Gutes für die kommenden Wochen.


«Frankfurter Rundschau» zum Konflikt zwischen Nato und Russland

Der Konflikt zwischen Russland und den Nato-Staaten sowie der Ukraine spitzt sich nahezu täglich zu und entfernt sich leider immer weiter von einer friedlichen Lösung.

Statt aufeinander zu zugehen eskalieren beide Seiten den Streit. Bedauerlicherweise hat die Regierung Putin interessante Angebote wie die Abrüstung von Atomwaffen in Europa verknüpft mit Maximalforderungen, die für die westlichen Staaten unerfüllbar sind. Damit ist Moskau weit entfernt von einem konstruktiven Gesprächsangebot, das die Sicherheitsinteressen der Ukraine genauso berücksichtigt wie die der mittel- und osteuropäischen Staaten. Die Nato-Staaten sollten dennoch weiter zweigleisig vorgehen. Einerseits müssen sie glaubhaft der aggressiven russischen Politik entgegentreten. Gleichzeitig könnten sie einen Gegenvorschlag entwickeln, der die Sicherheitsinteressen Russlands genauso berücksichtigt wie die der anderen beteiligten Staaten. Sie sollten zumindest Versuchen, einen Ausweg aus der Konfliktspirale zu finden.


«Neatkariga Rita Avize»: Jahr der Ausgrenzung

RIGA: Zum Corona-Jahr 2021 und den Beschränkungen für Nicht-Geimpfte schreibt die national-konservative lettische Tageszeitung «Neatkariga Rita Avize» am Mittwoch:

«Was 2021 der Welt gebracht hat, ist zweifellos ein äußerst klarer Beleg dafür, wie dünn die Schicht von Demokratie und Humanismus im kollektiven Bewusstsein der Menschheit wirklich ist. Dass ein Teil der Gesellschaft der Segregation und offenen Diskriminierung ausgesetzt ist, erscheint für einen anderen Teil der Gesellschaft nicht nur akzeptabel, sondern sogar willkommen zu sein. Viele vermeintlich Gebildete, die gestern noch Toleranz und Vielfalt predigten, sind heute fest davon überzeugt, dass es einer noch strengeren Ausgrenzung der «Falschen» aus der Gesellschaft und noch härteren Strafen für ihr falsches Verhalten und ihren Glauben bedarf.»


«Dennik N»: Putins Selbstverliebtheit kann sogar Krieg bewirken

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Dennik N» schreibt am Mittwoch zu den Spannungen Russlands gegenüber der Ukraine und dem Westen:

«Die Selbstverliebtheit (des russischen Präsidenten) Wladimir Putins nach zwanzig Jahren an der Macht ist in einem solchen Ausmaß gewachsen, dass schon 2015 die deutsche Kanzlerin Angela Merkel über ihn sagte, er lebe in einer anderen Welt. In anderen Worten, außerhalb der Realität. Die russische Armee hingegen existiert sehr real, und gerade jetzt lagern hunderttausend ihrer Soldaten an der ukrainischen Grenze, und viele Russland-Kenner schließen nicht aus, dass Putin die Ukraine wirklich angreift. So ein Risiko eines großen Krieges (womöglich gar eines Weltkrieges) gab es hier schon seit Jahrzehnten nicht mehr.

Was hat das mit Putins Selbstverliebtheit zu tun? Der Hauptgrund ist Putins Überzeugung, der Westen habe gegenüber ihm, dem Nachfolger der russischen Zaren, nicht genug Respekt und verhalte sich erniedrigend. Außerdem ist er überzeugt, dass Russland von Feinden umringt sei. Ein Angriff auf die Ukraine ist für ihn daher ein Akt der Selbstverteidigung. (...) Er sieht die Ukraine nicht als Staat, der aus Furcht vor Russland alles zu seiner Verteidigung unternimmt, sondern er sieht sie nur als Marionette in den Händen der Amerikaner.

Das bedeutet, wenn die Amerikaner den Ukrainern Hunderte Anti-Panzer-Geschütze lieferten und ihnen dieses Jahr Rüstungsgüter für 125 Millionen Dollar versprachen, ist das für Putin ein klares Signal für die Vorbereitung eines amerikanischen Angriffs auf Russland.»


«Aftenposten»: Gespräche mit Russland versuchen

OSLO: Die konservative norwegische Tageszeitung «Aftenposten» (Oslo) kommentiert am Mittwoch das angespannte Verhältnis zwischen Russland und dem Westen:

«Die EU und die Nato haben eine gemeinsame Politik der Unterstützung für die Ukraine und Sanktionen gegen Russland verfolgt. Das ist imponierend, da die Mitgliedstaaten so unterschiedlich sind. Es überrascht nicht, dass ab und an Zweifel und Uneinigkeit zum Vorschein treten. Auf einem EU-Außenministertreffen im Dezember forderten Litauen und Lettland, dass die Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten bleiben. Andere wie Irland und Luxemburg brachten zum Ausdruck, es sei an der Zeit, Dialog und Verhandlungen zu suchen. Die Geografie ist hier wichtig: Litauen und Lettland grenzen an Russland, Luxemburg und Irland liegen in sicherer Entfernung.

Auf lange Sicht betrachtet brauchen EU und Nato Dialog mit Russland. Die heutige Eisfront zerstört zu viel potenziell wichtige politische Zusammenarbeit. Zugleich braucht Russland ein besseres Verhältnis zum Westen, nicht zuletzt mit Blick auf die Wirtschaft. Es gibt keine einfachen Antworten, aber es kann kaum schaden, mit den Russen zu sprechen.»


«Financial Times»: Äthiopiens Scheitern ist eine Tragödie

LONDON: Die «Financial Times» kommentiert am Mittwoch den bewaffneten Konflikt zwischen der äthiopischen Regierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF):

«Äthiopien war eines der wenigen afrikanischen Länder mit einer kohärenten Wirtschaftsstrategie. Einst assoziiert mit Hungersnot, hatte es die Chance, den Status eines Landes mit mittlerem Einkommen zu erreichen. Heute ist Äthiopien von ethnischem Hass und uralten Fehden zerrissen. (...)

Die Aufrufe der internationalen Gemeinschaft zu Verhandlungen sind bisher auf taube Ohren gestoßen. Beide Seiten halten ihre Sache für gerecht. Bis vor kurzem schienen beide zu glauben, sie könnten gewinnen. Wenn die Kämpfe schließlich enden, könnte es schwierig sein, Äthiopien wieder zusammenzubringen. Selbst wenn Ministerpräsident Abiy Ahmed den vollständigen Sieg erringt, den er für möglich hält, werden die Bewohner von Tigray wohl kaum akzeptieren, Teil einer föderalen Union zu sein. Dass das äthiopische Projekt so dramatisch gescheitert ist, ist nicht nur eine Tragödie für Äthiopien, sondern auch für einen Kontinent, der darin ein plausibles Entwicklungsmodell sah. Wer auf der Suche nach einer afrikanischen Erfolgsgeschichte ist, wird sich anderswo umsehen müssen.»


«de Volkskrant»: Bidens Image hat Schaden genommen

AMSTERDAM: Zur Regierungsführung von US-Präsident Joe Biden schreibt die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Mittwoch:

«Seit dem Sommer ist Biden immer wieder mit schlechten Nachrichten konfrontiert worden. Die Hauptursache für die Unzufriedenheit der Amerikaner sind die ständig steigenden Preise. Die Inflation ist inzwischen auf 6,8 Prozent gestiegen, die höchste Rate seit 1982. Nach Ansicht von Kritikern hat Biden die Inflation angeheizt, indem er zu viel Geld in die Wirtschaft gepumpt hat.

Bidens Image als erfahrene und kompetente Führungspersönlichkeit, ein Gegenpol zum erratischen Donald Trump, wurde durch den chaotischen Abzug aus Afghanistan ernsthaft beschädigt. Auch unter Biden hält die Coronapandemie an, was zum Teil auf die niedrige Impfrate in jenen Staaten zurückzuführen ist, in denen Trump die meisten Anhänger hat. Und das ständige Gerangel zwischen linken und rechten Demokraten um das «Build Back Better» genannte billionenschwere Paket für Klimaschutz und Soziales zeugt nicht gerade von Durchsetzungsvermögen.»


«Corriere della Sera»: In Libyen kehrt das Chaos zurück

ROM: Zur Lage in Libyen schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Mittwoch:

«Gestern schien sich für einen Moment in der Region Tripolis die Stimme des Krieges gegen die Diplomatie durchzusetzen. Die Rückkehr der Spannungen überschneidet sich mit der unausweichlichen Verschiebung der Wahlen. Der erste Präsidentschaftswahlgang war für Freitag, den 24. Dezember vorgesehen. Aber man konnte sich auf gar nichts einigen: Nicht auf das Wahlgesetz, nicht auf die Wählbarkeit einiger Kandidaten - darunter Saif al-Islam al-Gaddafi, der Sohn von Muammar al-Gaddafi, und der amtierende Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba - und noch weniger über die Schritte, die man für eine Stichwahl und damit für die Parlamentarier hätte befolgen müssen. Niemand wollte die Verantwortung für die Ankündigung der Verschiebung übernehmen. Das Schweigen der Politik hat so Platz für das anarchistische Chaos der Milizen gelassen.


«ABC»: Nicht so schlecht wie früher

MADRID: Die spanische Zeitung «ABC» kommentiert am Mittwoch die steigenden Corona-Zahlen in einer überwiegend geimpften Bevölkerung:

«Es ist eine Plage, ja. Jeder kann in seinem Bekanntenkreis beobachten, wie sich mehr denn je anstecken. Als schon alles unter Kontrolle zu sein schien, gehen die Infektionszahlen wieder in die Höhe: 30 Abgeordnete, Nadal, der Bürgermeister... Aber das ist nicht mehr die Pandemie, mit der wir es vor eineinhalb Jahren zu tun hatten mit 1000 Toten pro Tag und dem sozialen Terror in einer stillgelegten Welt.

Heute infizieren wir uns oft, aber die Kontakte werden getestet und gehen nach Hause und warten ab. Die meisten gehen durch diese Zeit nicht nur wissend, dass sie nicht sterben, sondern dass sie auch keine ernsthaften Konsequenzen haben werden und nicht einmal ins Krankenhaus müssen. Katastrophenstimmung ist unangebracht.

Wir müssen einfach lernen, mit den Widrigkeiten zu leben, die Realität zu akzeptieren und unsere Aktivitäten auf das Nötigste zu beschränken, bei fehlender sozialer Distanz eine Maske zu tragen und sich impfen zu lassen, seien es Kinder oder die dritte Dosis für Erwachsene. Die Impfstoffe sind alles andere als perfekt, aber heute sind sie der zuverlässigste und sicherste Ausweg. Um zu überleben.»


«NZZ»: Schwenk nach links in den Niederlanden

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch die Bildung der vierten Regierungskoalition mit Mark Rutte als Ministerpräsident:

«Der Preis des Regierens ist ein Schwenk nach links. «Rutte IV» will ein Kabinett sein, das den Mindestlohn um 7,5 Prozent anhebt, 100.000 neue Wohnungen pro Jahr baut, den Studenten ein günstiges Studium und den Familien eine fast kostenlose Kinderbetreuung ermöglicht. Auch in den Klimaschutz soll viel Geld fließen. Die linksliberale D66-Partei und die christlich-soziale CU, die eigentlich nicht mehr mit Rutte regieren wollten, haben viele ihrer Forderungen durchgesetzt und im Gegenzug einen Wiedereinstieg in die Kernenergie akzeptiert. Europapolitisch steht ebenfalls ein Wechsel an, denn Rutte und Sigrid Kaag, die Frontfrau von D66, wollen einer Aufweichung der EU-Haushaltsregeln nicht mehr im Weg stehen. Das klang früher, als Den Haag die Ländergruppe der «Sparsamen Vier» anführte und auf eine strikte Ausgabendisziplin in der EU pochte, noch ganz anders. Macron und Draghi dürften entzückt sein.»


«Wall Street Journal»: Dudas Veto gegen Polens Rundfunkgesetz wichtig

NEW YORK: Zu dem kürzlich verabschiedeten Rundfunkgesetz in Polen, das die Vergabe von Rundfunklizenzen für Ausländer einschränkt und Kritikern zufolge auf den im Land präsenten privaten US-Nachrichtensender TVN abzielt, schreibt das «Wall Street Journal»:

«Das Land hat immer noch eine freie Presse, und es ist nicht ein dummes Gesetz davon entfernt, Belarus zu werden. Souveräne Staaten haben zudem das Recht, zu entscheiden, wer in ihrem Land investiert. Und (die Regierungspartei) Recht und Gerechtigkeit sagt, dass es vergleichbare Gesetze anderswo in der Europäischen Union gebe. Jedoch ist das Argument, das Gesetz diene dazu, den Einfluss feindlicher Staaten wie Russland und China zu begrenzen, nicht stichhaltig.

Eine US-amerikanische Investition ins Visier zu nehmen, ist eine doppelte Beleidigung. Die USA sind durch die Nato vertraglich verpflichtet, Amerikaner zu entsenden, die für die Sicherheit Polens kämpfen und sterben. Washington wird seine Verurteilung scharf formulieren müssen, ohne die Beziehungen zu seinem wichtigsten Verbündeten an der Ostflanke der Nato zu gefährden.

Ohne die Unterschrift des polnischen Präsidenten Andrzej Duda kann das Gesetz nicht in Kraft treten. (...) Sein Veto wäre eine wichtige Botschaft angesichts der jüngsten Drohungen Putins gegen Mittel- und Osteuropa.»


«Iswestija»: Russland fühlt sich von US-Raketensystemen bedroht

MOSKAU: Russlands Staatschef Wladimir Putin hat dem Westen im Ukraine-Konflikt mit Konsequenzen gedroht. Dazu schreibt die russische Tageszeitung «Iswestija» am Mittwoch:

«Die Stationierung von Raketensystemen der USA und der Nato in der Nähe der russischen Grenzen ist eine ernsthafte Herausforderung für unser Land. Und es gibt einfach keine Möglichkeit, sich irgendwohin zurückzuziehen. Dies sagte Präsident Wladimir Putin bei einer Sitzung des Verteidigungsministeriums. Wenn US-amerikanische Raketensysteme in der Ukraine stationiert würden, könnten diese Ziele etwa in Moskau in sieben bis zehn Minuten erreichen. Verteidigungsminister Sergej Schoigu warnte vor möglichen Provokationen aus dem Nachbarland heraus auch mit chemischen Waffen. (...) Russland hat bereits damit begonnen, Antworten auf eine mögliche Stationierung von US-Hyperschallwaffen in Europa und der Ukraine zu entwickeln, heißt es aus dem Verteidigungsministerium in Moskau.»

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