Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Tarifverträge für Pflegekräfte

Kurz- und mittelfristig stellen die in der Republik einzigartigen "Entlastungstarifverträge" an Berlins landeseigenen Krankenhäusern eine enorme Herausforderung dar.

Um die Stationen so zu besetzten wie vereinbart, sind mehr als 2200 zusätzliche Fachkräfte nötig, die es derzeit auf dem Arbeitsmarkt nicht gibt. Politik, Gesundheitswirtschaft und Krankenkassen müssen dafür sorgen, dass sich sehr schnell sehr viel mehr Menschen für eine Ausbildung in der Pflege entscheiden. Andere Krankenhausträger werden es sich nicht leisten können, ihre Leute auf Dauer schlechter zu behandeln als die beiden Berliner Großkonzerne. Es wird eine wesentliche Aufgabe einer neuen Bundesregierung sein, die Krankenhausfinanzierung so zu verändern, dass die in Berlin erstrittenen Verbesserungen überall umgesetzt werden können.


«Wall Street Journal»: Bidens Impfpflicht-Wahnsinn

NEW YORK: Zum erhöhten Druck von US-Präsident Joe Biden auf ungeimpfte Bürger und seiner Befürwortung weitgehender Corona-Impfpflichten für Arbeitnehmer schreibt das «Wall Street Journal»:

«Bidens Anordnung hat die politische Opposition gegen Impfungen verschärft und sie zu einem weiteren Beschleuniger der Polarisierung gemacht. Wir sind der Meinung, dass es privaten Arbeitgebern erlaubt sein sollte, ihre eigenen Impfvorschriften aufzuerlegen. (...) Wenn Arbeitgeber Impfungen verlangen, werden einige Arbeitnehmer wahrscheinlich kündigen oder entlassen werden, und sie (die Unternehmen) könnten Schwierigkeiten haben, diese zu ersetzen. Wenn Unternehmen sich nicht daran (an Impfpflichten) halten, könnten sie von der Regierung eine Mahnung erhalten. (...)

Viele Amerikaner haben dank pandemiebedingter Überbrückungszahlungen ein finanzielles Polster und müssen daher nicht arbeiten. (...) Es gibt viele Berichte von Lehrern, Busfahrern und Beschäftigten im Gesundheitswesen, die wegen der (Impf-)Pflichten kündigen. (...) Das Virus ebbt zum Glück wieder ab und Auffrischungsimpfungen sollten die Zahl der Infektionen und Todesopfer reduzieren. Aber der von Biden angerichtete Schaden an US-Wirtschaft und Freiheit des Einzelnen könnte sich als hartnäckiger erweisen.»


«Corriere della Sera»: G20-Sondergipfel war ein Erfolg

ROM: Nach dem G20-Videogipfel zu Afghanistan schreibt die italienische Tageszeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Mittwoch:

«Die verlorenen Kriege werden normalerweise so schnell wie möglich unter den Teppich gekehrt, so war das auch in Kabul und drumherum. Die viel zu unterschiedlichen, einzelnen Nöte der Länder haben überwogen, die internationale Gemeinschaft war zu zersplittert und nicht in der Lage, auf koordinierte Art und Weise vorzugehen, entmutigt durch entweder dekadente Anführer oder andere, die viel zu übergriffig sind.

Genau deshalb aber war der von Italien einberufene G20-Sondergipfel zu Afghanistan ein Erfolg, unabhängig von den Teilnehmern und den Abwesenden. Denn in einer abgelenkten Welt, die sich inzwischen eigentlich nur noch um die drohenden Flüchtlingsströme aus Kabul sorgt, hat Mario Draghi dafür gesorgt, dass man sich erinnert, dass man nicht den Vorhang verschließt vor einer Tragödie, die Millionen von Afghanen betrifft und das Potenzial hat, Zentralasien zu destabilisieren. Auch wenn der Gipfel kurz und virtuell war, ist es ihm am Ende gelungen, Afghanistan auf der Agenda zu behalten.

Das war das einzige, realistische Ziel der Zusammenkunft, auch wenn ursprünglich noch ein viel ambitionierteres angekündigt war: Russland und China in die globalen Maßnahmen mit einzubeziehen.»


«Diena»: Noch eine Krise mehr für die EU

RIGA: Die liberale lettische Tageszeitung «Diena» kommentiert am Mittwoch den Streit zwischen der EU und Polen über das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, das nationalem Recht den Vorrang vor EU-Recht gegeben hat:

«Nicht nur in Polen, sondern auch in einer Reihe anderer Länder in Mittel- und Osteuropa stehen die Vorstellungen davon, wie ein vereintes Europa aussehen sollte, immer weniger im Einklang mit den Ideen und Werten, die aus dem sogenannten alten Europa stammen. Unter anderem wird die Frage immer wichtiger, was die EU ist - eine Union von Nationalstaaten mit dem Recht, selbst zu entscheiden, was richtig oder falsch ist, eine Föderation oder eine vereinte und radikal liberale europäische Großmacht. Versuche, die letztgenannte Option durchzusetzen, stoßen unterdessen auf zunehmenden Widerstand. Und in diesem konkreten Fall sogar auf offenem Ungehorsam, der den vielen Problemen eines vereinten Europas eine weitere Krise in den inneren Beziehungen hinzufügt.»


«Nesawissimaja»: Putin hält vor neuer Duma Monolog aus der Ferne

MOSKAU: Nach der Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin zu den neu gewählten Parlamentsabgeordneten schreibt die Moskauer Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Mittwoch:

«Im Georgssaal des Großen Kremlpalasts trat Präsident Wladimir Putin vor die neu gewählten Abgeordneten der Staatsduma. Wie die «Nesawissimaja Gaseta» herausfand, war das Treffen rein protokollarischer Natur, es gab keinen Raum für Überraschungen. Die Abgeordneten selbst durften nicht sprechen oder Fragen stellen. (...)

Die Volksvertreter waren direkt nach der ersten Dumasitzung mit Bussen in den Kreml gebracht worden. Trotz negativer PCR-Tests mussten die Abgeordneten Masken tragen und der Staatschef sprach aus 50 Metern Entfernung zu ihnen.»


«Lavtvjas Avize»: Stimmung von Migranten in Belarus ändert sich

RIGA: An Polens Grenze zu Belarus haben nach Angaben des polnischen Grenzschutzes zwei große Migrantengruppen versucht, mit Gewalt in das EU-Land zu gelangen. Dazu schreibt die lettische national-konservative Tageszeitung «Lavtvjas Avize» am Mittwoch:

«Die Migranten werden ungeduldig, der Druck an der Grenze zu Belarus steigt (...) Zuvor wurde nicht beobachtet, dass Migranten versuchten, die polnische, litauische oder lettische Grenze mit «Stoßgewalt» zu überschreiten. Diese Veränderung zeigen, dass sich offenbar auch die Stimmung unter den Migranten ändert, die unter anderem durch die einsetzende Kälte beeinflusst wird. Die Informationen darüber, was passiert ist, sind spärlich.»


«Dernières Nouvelles d'Alsace»: Ein «New Deal» für Frankreich

STRAßBURG: Zum 30 Milliarden Euro schweren Investitionsplan «Frankreich 2030» von Präsident Emmanuel Macron schreibt die Regionalzeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» am Mittwoch:

«Nach fast zwei Jahren (...) der Krise braucht das Land (...) einen Neustart, besser noch, einen neuen Horizont. Einen «New Deal» 2.0. Emmanuel Macron (...) setzt auf nationale Reindustrialisierung, auf die Reduzierung von CO2-Emissionen in den Industriesektoren und auf die Wiedererlangung von (...) wirtschaftlicher Souveränität. Die Pandemie hat gezeigt, wie sehr die Abwehrkräfte der Staaten beschädigt sind, wie schwach und abhängig sie sind. Jetzt geht es darum, neu durchzustarten, einen Wettbewerbsschock zu induzieren, indem man Geld investiert, viel Geld. Das ist das Ende von jeder Art der vorsichtigen Haushaltspolitik und der Sieg von «koste es, was es wolle». Diese Philosophie ermöglicht es, zumindest virtuell, Milliarden springen zu lassen.»


«De Standaard»: Grüne Investitionen auf dem Vormarsch

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» beschäftigt sich am Mittwoch mit dem erstmaligen Verkauf sogenannter grüner Anleihen der EU, mit denen Klimaprojekte als Teil des Corona-Hilfspakets finanziert werden sollen:

«Es ist nicht überraschend, dass so viele Finanzinstitute ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. Nachhaltige Investitionen sind auf dem Vormarsch, so dass eine Menge Geld zur Verfügung steht, das ein grünes Ziel sucht.

Die Europäische Kommission hat viel Mühe darauf verwendet, den grünen Gehalt der Anleihen zu garantieren. Die Anleger wollen sicher sein, dass das Geld wirklich für klimafreundliche Investitionen ausgegeben wird. Die EU als Schuldnerin hat jedoch keine vollständige Kontrolle darüber, da es die Mitgliedstaaten sind, die das Geld ausgeben werden.

Sie sind verpflichtet, mehr als ein Drittel der verfügbaren Mittel für klimafreundliche Investitionen zu verwenden. Belgien will noch weiter gehen und strebt 50 Prozent an. Die Regierungen müssen daher der Kommission ihre Ausgaben genau melden, die ihrerseits die Informationen an die Besitzer der Anleihen weiterleitet.»


«Trouw»: USA und China müssen Zurückhaltung üben

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «Trouw» kommentiert am Mittwoch die Spannungen zwischen China und den USA:

«Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping hat im eigenen Land die Zügel angezogen, sieht sich aber auch mit wirtschaftlichen Schwachstellen konfrontiert, unter anderem wegen der Schuldenberge im Bausektor. Er wäre nicht der erste Staatschef, der militärische Abenteuer wagt, um von inneren Unruhen abzulenken. Außerdem hat Xi entgegen früherer Absprachen bereits massiv in Hongkong interveniert, und eine Einverleibung Taiwans wäre die Krönung dieses Trends. Dies provoziert eine Gegenreaktion, insbesondere seitens der Vereinigten Staaten. (...)

In den letzten Jahren unter US-Präsident Trump und auch unter seinem Nachfolger Biden ist es zu einem dominierenden Mantra in Washington geworden, China Einhalt zu gebieten. Dies mag wirtschaftlich sinnvoll sein, ist aber geopolitisch gesehen voller Risiken. Sowohl Peking als auch Washington werden viel mehr Zurückhaltung üben und ihre Konsultationen intensivieren müssen, um Katastrophenszenarien zu vermeiden.»


«El País»: Piñeras Vermögen ist seine Achillesferse

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Mittwoch die Ermittlungen gegen Chiles Präsidenten Sebastián Piñera wegen Erkenntnissen aus den «Pandora Papers»:

«Sebastián Piñera steht erneut wegen des Verhältnisses zwischen seinen persönlichen Geschäften und seinen Verpflichtungen als Präsident Chiles unter Druck. Die von internationalen Medien veröffentlichten «Pandora Papers» haben neue Erkenntnisse zu dieser umstrittenen Beziehung geliefert. Parallel zu einem möglichen Strafverfahren gegen Piñera will die Opposition einen politischen Prozess einleiten, der das Ende der Amtszeit des Präsidenten herbeiführen könnte. Die Achillesferse des Präsidenten ist sein Vermögen, das viertgrößte des Landes, das in weiten Teilen in staatlich regulierten Unternehmen entstanden ist.

Die Informationen aus den «Pandora Papers» werfen alte, nie ganz vergessene Fragen zur Grenze zwischen Politik und Wirtschaft wieder auf. Das Land steht in sechs Wochen vor einer Präsidentenwahl, bei der die Linke mit der Rechten und der extremen Rechten um die Leitung der Nation kämpft. Soziale Spannungen belasten eine Gesellschaft, deren Wirtschaft an Dampf verliert. Piñera aber bleibt der chilenischen Gesellschaft die geforderte Transparenz schuldig.»


«The Telegraph»: In der Gas-Krise diktiert Putin die Bedingungen

LONDON: Zum Anstieg der Energiepreise und der Rolle Russlands als bedeutendem Gasexporteur meint die britische Tageszeitung «The Telegraph» am Mittwoch:

«Während die Energiepreise weltweit Rekordhöhen erreichen, wächst das Bewusstsein dafür, dass der russische Präsident Wladimir Putin aktiv Preiserhöhungen fördert, um die europäische Zustimmung für die Nord Stream 2-Pipeline zu erhalten, deren Bau im vergangenen Monat abgeschlossen wurde. (...) Die aktuelle Krise sollte ein Weckruf für die europäischen Staats- und Regierungschefs sein, die die Warnungen mehrerer amerikanischer Regierungen ignoriert haben, dass das Projekt Nord Stream 2 ein kalkulierter Schachzug Putins ist, um Europas zukünftigen Energiebedarf zu kontrollieren. (...)

Jetzt ist der Rest Europas der Gnade Putins ausgeliefert. Das ist eine Situation, die nicht hätte entstehen müssen, wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs den Motiven Moskaus beim Bau von Nord Stream 2, womit Gas direkt von Russland nach Deutschland transportiert werden soll, mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Angela Merkel und Emmanuel Macron, die sich um eine Lösung der Krise durch Gespräche mit Russland bemühen, werden feststellen, dass jede Vereinbarung mit dem Kreml zu Putins Bedingungen getroffen wird, nicht zu ihren.»


«NZZ»: Irak braucht einen echten Wandel

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch die Parlamentswahlen im Irak:

«Zwar verlief der Wahltag selbst gewaltfrei. Doch im Vorfeld wurden Dutzende von Aktivisten ermordet, die sich für ein Ende von Korruption und Klientelismus eingesetzt hatten. Ihre Mörder blieben zumeist unbekannt. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass radikale schiitische Milizen dahintersteckten. Auch das Blut der 600 Demonstranten, die bei der Niederschlagung der Proteste von Oktober 2019 getötet wurden, klebt an den Händen dieser proiranischen Gruppen. (...)

Doch sich frustriert von der Politik abzuwenden, ist nicht die Lösung. Im Gegenteil. Denn die Wahlen zeigen, dass im Kleinen Veränderungen möglich sind. So macht es Hoffnung, dass die Parteien der proiranischen Milizen eine Niederlage erlitten, während zehn Unabhängige ins Parlament gelangt sind. Für ein Ende von Korruption, Klientelismus und Konfessionalismus wird es einen echten Politik- und Kulturwandel brauchen. Doch das geht nicht mit weniger, sondern nur mit mehr Partizipation.»

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