Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Rundschau» zum Hartz-IV-Regelsatz

Die SPD, derzeit noch gefesselt in der selbstverschuldeten Gefangenschaft der schwarz-roten Koalition, ist dafür mit verantwortlich.

Aber was geschieht, wenn wir nach der Bundestagswahl eine neue Regierung haben? SPD, Grüne und Linke fordern eine Grundsicherung, die diesen Namen verdient. Sollten sie gemeinsam regieren, wird es sicher Streitigkeiten geben, etwa über ein Ende der Sanktionen. Aber Hartz IV wird, sollte sich Rot-Grün-Rot an die eigenen Versprechungen halten, Geschichte sein. Sollten aber SPD und/oder Grüne mit CDU/CSU und/oder FDP regieren, werden sie selbst um kleine Verbesserungen ringen müssen. Und am Ende wird das System von Druck und Zwang eben nicht überwunden sein. Wir haben also die Wahl, wenn uns die Arbeitslosen nicht egal sind.


«Los Angeles Times»: Austausch Newsoms wäre Irrsinn gewesen

LOS ANGELES: Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom hat Prognosen zufolge ein Abwahlverfahren erfolgreich abgewehrt. Dies kommentiert die Zeitung «Los Angeles Times»:

«Die Wähler durchschauten offenkundig, dass die Recall-Befürworter Newsom für alles Schlimme verantwortlich gemacht haben, das in den letzten Jahren in (dem US-Bundesstaat) Kalifornien passiert ist: Waldbrände, Covid-19, Obdachlosigkeit, Kriminalität (...) und so weiter und so fort. Die Entscheidung (der Wähler), den Recall abzulehnen, ist das beste Ergebnis für Kalifornien. (...) Zudem war Newsom in einer der schwierigsten Zeiten in der jüngeren Geschichte Kaliforniens eine starke Führungspersönlichkeit.

Es wäre Irrsinn gewesen, ihn gegen irgendjemanden einzutauschen, geschweige denn gegen jemanden ohne einschlägige Erfahrung. Newsom kann die Arbeit wieder aufnehmen, aber er sollte sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen - er hat in weniger als 14 Monaten eine weitere Wahl. Der Recall schlug fehl, aber Millionen von Menschen stimmten dennoch dafür, ihn (aus dem Amt) zu verdrängen.»


«De Telegraaf»: EU-Klimapläne belasten Verbraucher

AMSTERDAM: Zum Anstieg der Energiepreise schreibt die niederländische Zeitung «De Telegraaf» am Mittwoch:

«Ein wichtiger Pfeiler von Frans Timmermans' europäischen Klimaplänen droht den Verbraucher genau dort zu treffen, wo es weh tut. Der «europäische Klimapapst» will, dass die Anbieter von Kraftstoffen für Verkehr und Heizung für CO2-Emissionsrechte zahlen müssen. Die Unternehmen geben diese Kosten oft mühelos an den Verbraucher weiter. Die Angst der Verbraucher ist nicht unberechtigt. Die Stromversorger sind bereits am europäischen CO2-Handelssystem beteiligt. Im letzten Frühjahr gab es Rekordpreise. (...)

Zugleich wies Timmermans auf die stabilen Tarife für erneuerbare Energien hin. «Anstatt sich von Preissteigerungen lähmen zu lassen oder Dinge zu verzögern, müssen wir den Übergang jetzt beschleunigen.» Die Mitgliedstaaten sollten bis dahin die negativen Auswirkungen seiner Pläne kompensieren, indem sie zum Beispiel die Mehrwertsteuer senken, so der EU-Kommissar. Der Sozialdemokrat will außerdem einen Klimafonds einrichten, um Menschen mit kleinem Geldbeutel zu helfen. In der Praxis werden die Niederländer jedoch hauptsächlich für die Einwohner anderer Mitgliedstaaten zahlen. So heizt beispielsweise jeder dritte Pole seine Wohnung noch immer mit Steinkohle.»


«Lidove noviny»: Papst steht im Gegensatz zu eigener Kirche

PRAG: Zum Besuch von Papst Franziskus in Ungarn und der Slowakei schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Mittwoch:

«Der argentinische Jesuit Jorge Mario Bergoglio ist aus ganz anderem Holz geschnitzt als die kirchlichen Würdenträger in Ungarn, der Slowakei oder Tschechien. Er spricht von Offenheit gegenüber der Welt, von Solidarität und miteinander teilen. Dies sind zweifellos Anspielungen auf die Flüchtlingskrise von 2015 und die damalige Abwehrhaltung der Mitteleuropäer. Doch die Form des Katholizismus, die viele Geistliche Mittel- und Osteuropas vertreten, steht für die Verteidigung traditioneller Werte und ist das Gegenteil von Offenheit. Es ist daher gut, dass Papst Franziskus auf seiner Reise das berüchtigte Roma-Ghetto Lunik IX in Kosice besucht hat. Damit hat er unsere eigene Unfähigkeit, anderen zu helfen, aufgezeigt - nicht nur Neuankömmlingen, sondern auch den eigenen Bürgern.»


«El País»: Die Briten kennen nun die Folgen des Brexit

MADRID: Zur Versorgungs- und Personalkrise in Großbritannien nach dem Brexit schreibt die spanische Zeitung «El País» am Mittwoch:

«Der Populismus fordert am Ende immer einen hohen Tribut von den Gesellschaften, die sich ihm hingeben: manchmal später, aber fast immer sehr früh. Die Folgen des Brexit in Großbritannien bieten ein bemerkenswertes Repertoire an Versionen. Die Briten erleben derzeit Situationen, die beim EU-Austrittsreferendum 2016 als unbegründete Panikmache abgetan wurden. Die Befürchtungen wurden auch von dem seit Juli 2019 amtierenden Premierminister, dem Konservativen Boris Johnson, während der gesamten Verhandlungen mit Brüssel kleingeredet und als bloße Hypothesen dargestellt, die nie zustande kommen würden. Innerhalb weniger Wochen wurden die Briten nun von Versorgungsengpässen bei vielen Produkten, von Personalmangel und von einer Migrantenkrise heimgesucht. Die patriotische Rhetorik von Johnson erweist sich jetzt als unwirksam (...)

Johnson hält derweil weiter an seinen kurzfristigen Strategien fest. Er verschiebt immer wieder die Zoll- und Sanitärkontrollen für Lebensmittelimporte aus der EU und zieht sich damit den Zorn jener Sektoren zu, die ihm seine Versprechen abgekauft haben. Johnson gibt Covid die Schuld - eine Krankheit, die er anfangs übrigens auch heruntergespielt hatte. Es ist natürlich eine Ausrede. Den britischen Wählern wurden die negativen Folgen (des Brexit) verheimlicht. Inzwischen kennen sie sie.»


«De Standaard»: Osteuropa profitiert von EU

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» kommentiert am Mittwoch die wirtschaftliche Entwicklung der osteuropäischen EU-Staaten:

«Vor allem Polen hat in kurzer Zeit enorme Fortschritte gemacht. In den rund 30 Jahren seit dem Fall der Mauer hat das Land das Erbe des Kommunismus weitgehend abgeschüttelt. Polen verfügt heute über eine pulsierende, rasch wachsende und selbstbewusste Volkswirtschaft, die den eigenen Bürgern viel zu bieten hat.

Das ist nicht allein ein Verdienst der Polen, sondern auch der Europäischen Union. Die Anhebung des Wohlstands in zurückgebliebenen Mitgliedstaaten ist eines der wichtigsten Ziele der EU. Anfangs konnten vor allem Länder wie Portugal und Irland die Vorteile ihrer Mitgliedschaft im gemeinsamen Markt nutzen, nun sind es Staaten wie Polen, Tschechien und Ungarn, die davon profitieren. (...)

Das gerade Polen und Ungarn sich nun als Rebellen innerhalb der EU erweisen, die sich weigern, Regeln des Clubs einzuhalten, ist eine bedauerliche Feststellung. Doch das Verdienst der Union als positive wirtschaftliche Kraft wird durch diesen Umstand nicht geschmälert.»


«Nesawissimaja»: Der Kreml ist Assads letzte Hoffnung

MOSKAU: Zum Treffen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad mit Präsident Wladimir Putin im Kreml in Moskau schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Mittwoch:

«Die Gespräche der Präsidenten Russlands und Syriens, Wladimir Putin und Baschar al-Assad, im Kreml waren für die Beobachter eine Überraschung. Informiert worden war darüber vorab nicht, der Anführer der arabischen Republik war zuletzt 2015 in Moskau gewesen. Der Kreml ist für Assad die letzte Hoffnung. Das Gespräch der beiden Staatschefs drehte sich vor allem um den Wiederaufbau in dem Land im Nahen Osten, wenn der Konflikt dort beendet ist.

Und es ging um die Probleme der ausländischen Präsenz. Assad beschwerte sich bei Putin über den Druck aus dem Ausland auf sein Land. Die Experten erklären das Treffen vor allem mit dem Wunsch beider Seiten, die Last der westlichen Sanktionen abzuschwächen. Syriens Nachbarn schauen inzwischen pragmatisch auf eine Zusammenarbeit mit Assads Regierung.»


«Diena»: Unionsprogramme als Bindung von Minsk an Moskau

RIGA: Zur Einigung der beiden Nachbarstaaten Russland und Belarus auf 28 Unionsprogramme schreibt die liberale lettische Tageszeitung «Diena» am Mittwoch:

«Moskaus Vorteile werden hauptsächlich geopolitischer Natur sein, sollten die Integrationsprogramme tatsächlich umgesetzt werden. Geringere Ausgaben für die «Nachbarschaftspflege» sowie ein langfristig garantierter Markt von neun Millionen Menschen sind wichtige Faktoren. Doch sind sie nicht so wichtig wie die unumkehrbare Bindung von Belarus an Russland. Dementsprechend wird - egal, wer nach Lukaschenko an die Macht kommt - keine Wahl haben: entweder Loyalität gegenüber Moskau oder wirtschaftliche Katastrophe.»


«Corriere della Sera»: Støre-Sieg lässt Linke in Europa hoffen

ROM: Zum Wahlsieg des Sozialdemokraten Jonas Gahr Støre in Norwegen und dem Signal für Europa schreibt die italienische Tageszeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Mittwoch:

«Die Art des Sieges von Støre hat die Hoffnungen der ganzen europäischen Linken wiederbelebt, die seit Jahren den Grund ihrer eigenen Existenz verloren zu haben schien. Es ist kurios, dass der Traum wiederbelebt wird durch Leute, die für Recht und Ordnung sind und sogar in Regierungen arbeiten, ganz anders als jene radikalen Anführer wie (der ehemalige britische Labour-Chef Jeremy) Corbyn.

Irgendwann wird zu analysieren sein - vor allem wenn sich auch die Vorhersagen für (Olaf) Scholz bestätigen - wie dieser fundamentale Wandel und die noch nicht überwundene Covid-Zeit zusammenhängen.»


«Dagens Industri»: Die Deutschen wählen Europas Kaiser

STOCKHOLM: Die schwedische Wirtschaftszeitung «Dagens Industri» (Stockholm) meint am Mittwoch zur Bundestagswahl:

«Die deutsche Wahl am 26. September ist mehr ein Abschluss als der Beginn von etwas eindeutig Neuem. Die Ära Merkel als Kanzlerin ist nach 16 Jahren vorbei. Deutschland ist heute die einzige verbliebene Großmacht in der EU. Großbritanniens Abgang und Frankreichs ökonomischer Krebsgang macht Deutschlands Stellung historisch einzigartig. Das Land liegt eingebettet in sichere Staaten, die sich ausnahmsweise einmal nicht damit beschäftigen, die deutsche Macht zu bekämpfen. Deutsches Kapital und deutsche Politik bestimmen via EU die Hauptrichtung für uns alle. Wer deutscher Kanzler wird, bedeutet viel dafür, wie die Krisen der 20er Jahre gehandhabt werden. Merkels etwas zaghafte Führung hat zur Schwächung der Rolle der EU in der Welt beigetragen. Ein neuer Kanzler in Berlin wird das ändern.»


«Dziennik»: Viel Ungewissheit vor dieser Bundestagswahl

WARSCHAU: Zur möglichen politischen Konstellation nach der Bundestagswahl schreibt die polnische Wirtschaftszeitung «Dziennik Gazeta Prawna» am Mittwoch:

«Angela Merkel könnte ihr Amt noch bis Ende des Jahres ausführen. Alles hängt davon ab, wie schnell nach der für den 26. September geplanten Bundestagswahl eine Koalition zustande kommt. Jeder der potenziellen Nachfolger setzt auf die Fortführung von Merkels Kurs. In Deutschland führen in Umfragen seit Wochen die Sozialdemokraten, die auf 25 bis 26 Prozent kommen. Mehrere Prozentpunkte weniger hat die CDU/CSU. Am wahrscheinlichsten ist es nach heutigem Stand, dass SPD-Chef Olaf Scholz Kanzler wird, aber die Chancen von CDU-Chef Armin Laschet sollte man nicht abschreiben.

Soviel Ungewissheit vor der Wahl gab es jenseits der Oder lange nicht mehr - die Zahl der möglichen Koalitionen lässt einen schwindelig werden. Sicher ist nur, dass die Rechtspopulisten von der AfD einer Koalition nicht angehören werden. Von den übrigen fünf Parteien hat die geringsten Chancen auf eine Regierungsbeteiligung die postkommunistische Linke, die die Nato stark kritisiert und lediglich ein Bündnis mit SPD und Grünen bilden könnte.»


«Le Parisien»: Impf-Widerständler riskieren Sanktionen

PARIS: Zur Impfpflicht für Beschäftigte im französischen Gesundheitswesen, die am Mittwoch in Kraft tritt, schreibt die französische Tageszeitung «Le Parisien»:

«Es waren wirklich nicht sehr viele Pflegekräfte, die gestern vor dem Gesundheitsministerium gegen die Impfpflicht demonstriert haben. (...) Nicht mehr als 60 Personen. Wahrscheinlich war es die kleinste Demonstration des Jahres. Eigentlich wird die Impfung von dieser Bevölkerungsgruppe gut angenommen. (...) Jene Pflegekräfte, die gegen die Impfung sind, berufen sich auf (...) ihren politischen Widerstand gegen (den französischen Präsidenten) Emmanuel Macron und/oder auf die mangelnde Anerkennung, auf das Unwohlsein einen Beruf auszuüben, der immer schwieriger wird, und für den immer weniger Mittel zur Verfügung stehen. (...) Die letzten Widerständler riskieren, sanktioniert zu werden und sich noch ein bisschen mehr auszuschließen.»


«Irish Times»: Schwierige Koalitionsbildung in Norwegen

DUBLIN: Zum Erfolg der sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei den Parlamentswahlen in Norwegen meint die in Dublin erscheinende «Irish Times» am Mittwoch:

«Parteichef Jonas Gahr Støres bevorzugte Partner dürften die von den Landwirten unterstützte Zentrumspartei und die Sozialistische Linke sein - eine Konstellation, die der Regierung eine komfortable Mehrheit verschaffen würde. Allerdings könnte sich die Bildung einer solchen Koalition angesichts erheblicher politischer Differenzen zwischen Mitte und Links als schwierig erweisen. Die Sozialisten würden ein breiteres, radikaleres Bündnis bevorzugen, das auch die Grünen und die linksextreme Rote Partei einschließt. Dies wäre jedoch ein Gräuel für das Zentrum und hat auch wenig Anziehungskraft für die Arbeiterpartei.

Bei den Wahlen ging es vor allem um zwei Themen: Erdölförderung und soziale Gleichheit. (...) Die Grünen machten im Wahlkampf einen sofortigen Stopp der weiteren Erschließung von Öl- und Gasvorkommen zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung. Die Partei blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück und verfügt derzeit über wenig politischen Einfluss.»


«NZZ»: Kostenlose Energiewende gibt es nicht

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch den Anstieg der Erdgaspreise:

«Die Nachfrage nach Gas hat in den vergangenen Monaten auch zugelegt, weil in der EU der Preis für Emissionszertifikate abhob. Wenn die Berechtigung zum Ausstoss von CO2 mehr kostet, wechseln manche Produzenten bei der Verstromung von Kohle auf Gas, was die Nachfrage nach Erdgas anheizt. (...) Bereits gibt es Anzeichen, dass wegen des hohen Preises Erdgas bei der Stromproduktion von Kohle verdrängt wird, was den CO2-Ausstoss tendenziell erhöht. Das ist der energiepolitische Super-GAU: hohe Kosten und hohe Emissionen. Wenn gestiegene Preise aber, wie im Fall fossiler Brennstoffe, nicht zu mehr Angebot führen sollen, bedarf es anderer Quellen. Die offensichtliche Antwort mancher Politiker wie des EU-Kommissions-Vizepräsidenten Frans Timmermans ist es, einen schnelleren Übergang zu erneuerbaren Energien zu propagieren. (...) Aktivistische Politik ersetzt aber nicht Umsicht, sondern vergrößert vielmehr die Zielkonflikte. Ein breiter Energiemix und Reservekapazitäten sind die bewährten Mittel, um zwischen diesen Forderungen einen Ausgleich zu schaffen. Dabei gilt es, reinen Wein einzuschenken: Die Energiewende ist nicht kostenlos. Auch nicht für Politiker.»

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