Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Washington Post»: Ohne internationale Hilfe wächst Haitis Leid

WASHINGTON: Zur sich zuspitzenden humanitären Lage in Haiti schreibt die US-Zeitung «Washington Post»:

«Angesichts des politischen Chaos und der ungezügelten Bandengewalt, die der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse in der vergangenen Woche vorausgingen, und der zunehmenden Unruhen seither steht Haiti nun vor einem noch schlimmeren humanitären Zusammenbruch. (...) Sofern die internationale Gemeinschaft nicht eingreift, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich das derzeitige Leiden Haitis - akute und sich verschlimmernde Nahrungsmittelknappheit sowie Covid-19 - noch verstärken wird. Niemandem gefällt die Aussicht auf eine Intervention in einem Land, in dem solche Bemühungen in der Vergangenheit, gelinde gesagt, problematisch waren. Aber ohne starke internationale Präsenz wird die Qual Haitis und vieler seiner elf Millionen Einwohner nur noch zunehmen. (...) Jede aktuelle Analyse der sich verschlechternden sozioökonomischen, Ernährungs- und Gesundheitssituation in Haiti zeigt zwei dringende Notwendigkeiten: erstens, die politische Lähmung zu durchbrechen. Zweitens, die Gewalt der Banden in den Griff zu bekommen, die die Lieferung von Lebensmitteln, medizinischer Ausrüstung und anderer Unterstützung behindert. (...)»


«Rzeczpospolita»: Das Recht auf den Tod ist kein attraktives Privileg

WARSCHAU: Die neuen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, die der französische Staatspräsident Emmanuel Macron angekündigt hat,kommentiert die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Mittwoch:

«Die Impfungen gegen Covid-19 sind (in Polen) freiwillig. Jeder kann entscheiden, ob er die Krankheit durch eine Impfung vermeiden will oder die Immunität über eine Erkrankung erreicht. Wobei der zweite Weg mit hohen Kosten verbunden ist - nicht nur für den Kranken, sondern für die ganze Gesellschaft. Ein hohes Infektionsgeschehen bedeutet ein größeres Risiko, dass Varianten entstehen, vor denen die jetzigen Impfungen nicht schützen. Und es bedeutet auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass es wieder einen Lockdown gibt.

Die meisten Menschen, die sich für die Impfung entschieden, haben das getan, um wieder so wie vor der Pandemie leben zu können. Sie wollen nicht mehr abgeschlossen zuhause sitzen, um diejenigen zu schützen, die sich nicht impfen ließen, obwohl sie diese Möglichkeit hatten. Das Recht auf den Tod, den Lockdown und Fernunterricht sind keine besonders attraktiven Privilegien. Daher der wachsende Druck, dass eventuelle neue Restriktionen nicht diejenigen betreffen, die ihren Arm für die Spritze schon hingehalten haben. Und man kann damit rechnen, dass solche Einschränkungen im Herbst kommen werden.»


«La Repubblica»: Repression in Kuba löst Unbehagen nicht

ROM: Zur Lage in Kuba schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Mittwoch:

«Überrascht von einem Straßenprotest, wie es ihn seit einem halben Jahrhundert nicht mehr gab, wählt das kubanische Regime den Weg der Repression. Sie verhaftet Hunderte Demonstranten, wirft den USA vor, «konterrevolutionäre Provokationen organisiert zu haben», zieht die Regime-Treuen ein und betraut erneut einen Castro mit der Lösung der Krise. (...) Die Aussage der «Granma», dem offiziellen Organ des Regimes, ist mager, zeigt aber den Ernst einer Situation, dass Kuba gerade zwischen Sorge, Ungläubigkeit und Angst lebt. (...)

Repression ist der einfachste Weg, sie kann sofort erfolgreich sein, aber sie radiert sicherlich nicht die Symptome eines tiefen Unbehagens aus, das mit der Wirtschafts- und Gesundheitskrise und dem Wunsch nach Freiheit den Anfang vom Ende des revolutionären Modells markieren kann, das Fidel Castro und sein Bruder über 61 Jahre lang angelegt hatten, zwischen zweifelsfreien Erfolgen und großen Dramen, zwischen sorgfältig genährten Mythen und gnadenloser eiserner Faust.»


«The Guardian»: Großbritannien wirkt unberechenbar und unehrlich

LONDON: Der Londoner «Guardian» kommentiert am Mittwoch die vom Parlament abgesegnete Kürzung der britischen Entwicklungshilfe:

«Es ist kaum zu glauben, dass die Regierung die Ausgaben für die globale Gesundheit - einschließlich der Covid-Forschung und der sanitären Grundversorgung - gerade jetzt kürzen will, wo das Coronavirus gezeigt hat, dass unser Wohlergehen untrennbar mit dem der übrigen Welt verbunden ist. Hilfsgelder fördern auch Stabilität, Sicherheit und Soft Power. Sowohl Freunde als auch Rivalen werden die Kürzungen zur Kenntnis nehmen. Im vermeintlichen Jahr der britischen Führung hat sich dieses Land nicht nur als geizig, sondern auch als kurzsichtig erwiesen.

Alok Sharma, der Präsident der UN-Klimakonferenz 2021, hat Berichten zufolge gewarnt, dass dies unsere Fähigkeit, ein Abkommen zu erreichen, beeinträchtigen wird, wenn Großbritannien im November diese wichtige Gipfelkonferenz ausrichtet. Großbritannien fordert die Entwicklungsländer auf, ihre Klimazusagen einzuhalten, während es selbst behauptet, seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können. Es erwartet von anderen Nationen, dass sie uns vertrauen, während es sich als unberechenbarer und unehrlicher Partner aufführt.»


«Wedomosti»: Russland hat Ex-Sowjetrepublik Moldau verloren

MOSKAU: Nach dem klaren Wahlsieg proeuropäischer Kräfte in der ehemaligen Sowjetrepublik Moldau am Wochenende schreibt die russische Tageszeitung «Wedomosti» am Mittwoch:

«Das Ergebnis (der Wahl) war überwältigend: Zum ersten Mal in der Geschichte des unabhängigen Moldau hat eine prowestliche Partei die absolute Mehrheit im Parlament bekommen und kann nun alleine eine Regierung bilden. (...)

Moskau hat Moldau schon lange verloren. (...) Es gibt keinen postsowjetischen Raum mehr. Es gibt Gebiete, die von den ein oder anderen Kräften dominiert werden. Der erneute Verlust des Einflusses in Moldau ist eine Folge des fehlenden Verständnisses der Region und der Aufgaben dort.»


«De Standaard»: Klimapläne der EU müssen auch umgesetzt werden

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» beschäftigt sich am Mittwoch mit dem Gesetzespaket der EU-Kommission zu den Klimazielen:

«Pläne zu machen ist der leichteste Teil der Übung. Aber sie müssen auch umgesetzt werden. Schon die Einmütigkeit, überhaupt an den bisherigen Selbstverständlichkeiten unserer Welt rütteln zu wollen, ist ein Sieg. Der Weg zu einem greifbaren Ergebnis wird lang und schwer. Der Einsatz ist jedoch hoch genug, um alle verfügbaren Energien zu mobilisieren. (...)

Grundlegende Veränderungen herbeizuführen, erfordert Freiwilligkeit. Ohne Willen gibt es keinen Weg. Politisch ist dieser Wille nun da. Das ist wichtig. Außerdem wird deutlich, dass sich durch den Klimawandel enorme Investitionsmöglichkeiten ergeben. Innovation und Technologie nehmen dabei Schlüsselrollen ein. Die große Herausforderung wird darin bestehen, die öffentliche und private Dynamik in Einklang zu bringen. Sonst versandet die Kampagne in Verwaltung und regulatorischem Unsinn. Für den Neustart nach der Pandemie sind ausreichend Mittel freigegeben worden. Diese Mittel sinnvoll einzusetzen, wird entscheidend sein. Für Europa ist das eine Traumchance, aber auch eine erdrückende Verantwortung.»


«Aftonbladet»: Erde wirft nicht genug Gewinn für Milliardäre ab

STOCKHOLM: Die sozialdemokratische schwedische Tageszeitung «Aftonbladet» (Stockholm) kommentiert am Mittwoch den Weltraumflug des britischen Milliardärs Richard Branson:

«Das internationale Wettrennen ins All zwischen 1957 und 1975 war ein großteils konstruktiver Ausläufer des Kalten Krieges zwischen den Großmächten. Neil Armstrong als der erste Mensch, der einen Fuß auf einen anderen Himmelskörper setzte, schrieb den Fortschritt der gesamten Menschheit zu. Heute wird ein neues Wettrennen ins All zwischen Milliardären bestritten. Es geht diesmal nicht um wissenschaftliche Fortschritte. Stattdessen wollen sie den kommerziellen Wert des Weltraums erschließen. Das moderne Wettrennen findet nicht zwischen Ländern statt, sondern zwischen Milliardären wie Jeff Bezos, Richard Branson und Elon Musk. Es ist eine oberste Elite der Superreichen, die Weltraumtouristen spielen.»


«Le Parisien»: Delta-Variante hat Frankreich umgestimmt

PARIS: Die neuen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, die der französische Staatspräsident Emmanuel Macron angekündigt hat, kommentiert die französische Tageszeitung «Le Parisien» am Mittwoch:

«Die entschlossene Rede von Emmanuel Macron hat bereits knapp zwei Millionen Personen dazu veranlasst, einen (Impf-)Termin zu vereinbaren. Ihnen ist bewusst geworden, dass ihr Alltag ohne eine Impfung unmöglich wird. Denn der Gesundheitspass wird zur unerlässlichen Eintrittskarte, um zur Arbeit zu gehen, sich zu vergnügen oder zu reisen. Die Bedrohung durch die Delta-Variante hat die Franzosen umgestimmt. Das trifft auch auf den Präsidenten zu, der Zwangsmaßnahmen wie die Impflicht in der Vergangenheit ebenfalls abgelehnt hatte. (...)

Nachdem die Franzosen zu denen gehörten, die mit am meisten Vorbehalte gegen eine Impfung hatten, ist Emmanuel Macron ohne Zweifel der Staatschef, der mit seinen Zwängen am weitesten geht, um die vierte Welle niederzuschlagen. Not kennt kein Gebot.»


«NZZ»: Noch wankt das Regime in Kuba nicht

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch die Proteste in Kuba:

«Die Rufe nach dem Rücktritt des Präsidenten und nach demokratischen Wahlen waren die logische Folge der Unfähigkeit der Regierung, die Grundbedürfnisse der Bürger zu decken. Laut Beobachtern kamen die Demonstranten in Havanna überwiegend aus den ärmeren Quartieren, die von der Krise besonders hart getroffen werden - also genau die Menschen, deren Interessen die kommunistische Diktatur zu verteidigen vorgibt. (...)

Dennoch wankt das Regime noch nicht in seinen Grundfesten. Den Demonstranten fehlt es an Organisation. Sie sind noch keine tödliche Bedrohung. Steht das Überleben der kommunistischen Herrschaft einmal wirklich auf dem Spiel, hat (der kubanische Präsident) Díaz-Canel mit Polizei, Geheimdienst und Armee starke Waffen gegen einen Aufstand der Unzufriedenen. Der Fall der Diktatur ist noch nicht absehbar, aber mit vermehrter Unruhe in Kuba ist zu rechnen.»


«El Mundo»: Kuba ist die Berliner Mauer des 21. Jahrhunderts

MADRID: Zu den größten Anti-Regierungsprotesten seit Jahrzehnten in Kuba schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Mittwoch:

«Kuba ist die Berliner Mauer des 21. Jahrhunderts. Der eiserne Vorhang in Lateinamerika. Der Castrismo exportiert totalitäre Ideologie in den Rest des Kontinents. Er bildet Spione und Regierungsmilizen aus, die Venezolaner und Nicaraguaner überwachen und unterdrücken. Er ist die treibende intellektuelle Kraft hinter der Bolivarischen Achse, die auf dem ganzen Kontinent die Demokratie attackiert und untergräbt. Die demokratische internationale Gemeinschaft darf nicht wegschauen. Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union müssen den Schrei des kubanischen Volkes nach Freiheit klar und wirksam unterstützen.»

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