Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«La Repubblica»: Angriffe aus Gaza sind womöglich nur der Anfang

ROM: Zur Verschärfung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Mittwoch:

«Vom Gazastreifen aus wurde ein beispielloser Raketenregen auf Jerusalem und Tel Aviv abgefeuert: In der Geschichte des langen israelisch-palästinensischen Konflikts hat es noch keine solche Offensive gegeben, gemessen an der Anzahl der Raketen, Hunderte pro Tag, an der Reichweite bis zu 100 Kilometer vom Gazastreifen aus und an der Schlagkraft. Die Machtprobe mit der Hamas, die das Duell mit Mahmud Abbas abgelöst hat, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, mit dessen Zustimmung sie wahrscheinlich begonnen hat, macht sie zu einer frontalen Herausforderung zwischen den islamischen Fundamentalisten des Gazastreifens und Israel. Der neue Schlag, der den Nahen Osten erschüttert, könnte somit zum Beginn einer weiteren großen Revolte werden: der «Großen», die 20 Jahre lang vorhergesagt und gefürchtet wurde (...).»


«Lidove noviny»: Corona-Impfung wird zum Motivationsproblem

PRAG: Die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien schreibt am Mittwoch zur Frage der Impfmotivation gegen Corona:

«Die Corona-Impfung wird für immer jüngere Jahrgänge verfügbar - und damit zu einem Thema für Motivationsexperten. Eine Rolle spielen dabei die eigene Informiertheit und die eigenen Befürchtungen vor einer Ansteckung, vor Hospitalisierung und Tod. Doch was ist mit den 40-Jährigen? Werden sie überhaupt zur Impfung gehen? Das ist ein Problem für jeden Staat. Die Regierungen setzen nicht auf Drohungen, sondern auf Anreize. Warum gewährt Deutschland Geimpften und Genesenen Vorteile, nicht aber Getesteten? Offiziell handelt es sich nicht um Diskriminierung, aber das Wort liegt jedem auf der Zunge. Das Versprechen der Regierenden lautet: Wer sich impfen lässt, dem wird es besser gehen, der wird sich freier fühlen und nicht diskriminiert werden. Doch wer kauft ihnen das ab?»


«Dagens Nyheter»: Alte Anführer in Nahost stehen Lösungen im Weg

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Mittwoch den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern:

«Noch eine gefährliche Zuspitzung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern, noch eine Niederlage für die Stimmen der Vernunft. Die alten Anführer stehen neuen Lösungen im Weg. Die Palästinenser in Ostjerusalem sollten nicht auf die Straße gesetzt werden. Netanjahu sollte nicht Ministerpräsident auf Lebenszeit bleiben. Abbas und die Hamas sollten nicht alle demokratischen Träume im Westjordanland und in Gaza abwürgen. Leider gibt es allzu viele «sollte». Extremisten gibt es auf beiden Seiten des israelisch-palästinensischen Konflikts, sie sind immer bereit, die kleinsten Anzeichen der Friedensbemühungen zu sabotieren. Die alten Anführer blockieren alle neuen Ideen und Initiativen. Und im Warten auf den notwendigen Machtwechsel wird den Gewalttätern erlaubt, zu regieren.»


«Kommersant»: Niemand konnte den Angriff auf Schule verhindern

MOSKAU: Nach dem bewaffneten Angriff auf eine Schule in Russland mit vielen Toten und Verletzten schreibt die russische Tageszeitung «Kommersant» am Mittwoch:

«Sieben Kinder und zwei Erwachsene sind bei einem Angriff auf das Gymnasium Nummer 175 in Kasan von einem früheren Absolventen getötet worden. Weitere 20 Menschen wurden mit Verletzungen und Frakturen unterschiedlicher Schwere in Krankenhäuser gebracht. Der 19-Jährige (Tatverdächtige), der sich einbildete, «Gott» zu sein, und in sozialen Netzwerken die Tat ankündigte, hatte niemanden, der ihn aufhielt: Geheimdienste funktionierten diesmal nicht, und das Gymnasium selbst wird schon seit zwei Jahren nicht mehr professionell bewacht. In Tatarstan wurde Trauer ausgerufen. Und die föderalen Behörden haben auf Anweisung von Präsident Wladimir Putin beschlossen, Regelungen für den zivilen Waffenbesitz zu verschärfen.»


«DNA»: Internationale Gemeinschaft schaut tatenlos auf Israel

STRAßBURG: Zu den Gewaltausbrüchen in Israel und den besetzten Gebieten schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» am Mittwoch:

«Seit mehr als einer Woche färbt sich Jerusalem jeden Abend glutrot. Jeden Abend wächst der Brand und breitet sich aus. Was beschönigend als «wachsende Spannung» bezeichnet wird, ist lediglich das Weiterführen einer schlimmen Strategie, die durch Provokation und dem Versuch, durch Gewalt ein neues Machtverhältnis zu erzwingen, geprägt ist. Von einem Gleichgewicht kann schon lange nicht mehr die Rede sein. (...)

Die Welt bleibt auf Abstand. (Der ehemalige US-Präsident) Donald Trump hat ohne jede Form von Respekt vor dem internationalen Völkerrecht, die Souveränität des jüdischen Staates über illegal annektierte Gebiete bestätigt. Nun haben es die Vereinigten Staaten und ihr neuer Präsident überhaupt nicht mehr eilig, sich einzubringen. Die Europäische Union hat nicht mehr viel zu sagen und besitzt keine Möglichkeiten zu handeln. In Wahrheit hat sich bei der machtlosen internationalen Gemeinschaft, die vor allem versucht, keine Schläge abzubekommen, eine Müdigkeit eingestellt. Als wäre dies alles ein unabwendbares Schicksal.»


«de Volkskrant»: Hamas warf sich auf als Beschützerin Jerusalems

AMSTERDAM: Zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern heißt es am Mittwoch in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Israel hat die Verstärkung seiner Truppen an der Grenze zum Gazastreifen und die Mobilisierung von 5000 Reservisten verkündet. Daher wird befürchtet, dass dies ein länger andauernder Konflikt wird. Seit dem Gazakrieg von 2014 ist das nicht mehr geschehen. Zwar wurden durchaus weiterhin Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert, woraufhin die israelische Antwort folgte. Aber die Gewalt dauerte nicht länger als ein paar Tage. Dann verstand es die internationale Gemeinschaft mit Ägypten, Katar und den USA an der Spitze, die Streitparteien wieder zu einer Waffenruhe zu bewegen. (...)

Was ist nun in die Hamas gefahren, ein so riskantes Spiel zu spielen? Die Organisation sah, wie ihre palästinensische Rivalin - die Fatah, die das Westjordanland regiert - in den vergangenen Tagen nicht mehr als wütende Verurteilungen der Gewalt in Jerusalem zustande brachte. Die Hamas sah die Chance, sich zu profilieren: sie warf sich auf als die Beschützerin Jerusalems und der Al-Aksa-Moschee.»


«Guardian»: Deeskalation muss oberste Priorität haben

LONDON: Zur Eskalation des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern meint der Londoner «Guardian» am Mittwoch:

«Deeskalation muss die oberste Priorität haben, um das Leben von Zivilisten zu schützen, die sowohl von der israelischen Regierung als auch von den militanten Palästinensern mit so rücksichtsloser und tödlicher Missachtung behandelt werden. Die internationale Gemeinschaft muss ihr Gewicht in die Waagschale werfen.

Donald Trump hatte Benjamin Netanjahu ständig aufgestachelt. Jetzt gibt es eine Regierung in Washington, die diese Probleme ernsthaft angehen kann. Sie hat die militanten Angriffe zu Recht verurteilt. Aber sie muss den israelischen Behörden gegenüber ähnlich deutlich sein, nicht nur wegen deren militärischer Reaktion, sondern auch wegen der Maßnahmen, die vorhersehbar zu diesem jüngsten Ausbruch von Gewalt geführt haben.»


«Washington Post»: Israelis und Palästinenser brauchen Umbruch

WASHINGTON: Zur Zuspitzung der Lage zwischen Israelis und Palästinensern schreibt die «Washington Post»:

«Die Regierung (von US-Präsident Joe) Biden sollte ihr Bestes tun, um Kairos Vermittlungsbemühungen zu unterstützen. Aber es wäre ratsam, den unvermeidlichen Rufen zu widerstehen, die Vereinigten Staaten sollten sich wieder in den seit Langem zum Scheitern verurteilten israelisch-palästinensischen «Friedensprozess» einbringen. Wie die Regierung (des früheren US-Präsidenten Barack) Obama feststellte, gibt es keine Aussicht auf einen Durchbruch, solange die Palästinenser zwischen der Hamas und der säkularen Fatah-Bewegung von (Palästinenserpräsident Mahmud) Abbas gespalten sind und die israelische Politik von (Ministerpräsident Benjamin) Netanjahu dominiert wird. Bevor es einen israelisch-palästinensischen Durchbruch geben kann, müssen beide Seiten eine politische Erneuerung vollziehen. Leider könnte der neue Ausbruch der Gefechte diesen dringend benötigten Umbruch weniger wahrscheinlich machen.»


«NZZ»: Konflikt muss politisch gelöst werden

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch die Zuspitzung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern:

«Eine dritte Intifada und ein neuer Gaza-Krieg sind plötzlich nicht mehr nur leere Drohungen von Extremisten aus beiden Lagern, sondern erschreckend realistische Optionen. Die arabischen Nachbarn, die neue Regierung in Washington und andere internationale Akteure werden hinter den Kulissen nun alles daransetzen, das Feuer zu löschen. Auch die israelische Regierung und die Palästinensische Autonomiebehörde haben eigentlich kein Interesse an einer weiteren Eskalation. Doch beide sind geschwächt, das macht die Situation unberechenbar und gefährlich. (...)

Die Gewalteskalation führt aber einmal mehr auch vor Augen, dass sich die Palästinenser nicht damit abfinden werden, als Bürger zweiter Klasse unter israelischer Kontrolle zu leben, und eine politische Lösung des Konflikts nötig ist.»


«Die Presse»: Hamas schadet der Sache der Palästinenser

WIEN: Zu der Gewalteskalation in Israel und den besetzten Gebieten schreibt die Wiener Tageszeitung «Die Presse» am Mittwoch:

«Die radikalen Islamisten nahmen die israelischen Vergeltungsschläge in Kauf. Sie wollten die Eskalation, um sich vor der palästinensischen Bevölkerung als Helden, Rächer und Märtyrer in Szene zu setzen. Niemand kann ernsthaft erwarten, dass Israel auf sein Selbstverteidigungsrecht verzichtet. Soll es vielleicht noch sein Abwehrsystem ausschalten und Raketen auf seine Bürger herabregnen lassen? Um Feinde von weiteren Attacken abzuschrecken, muss Israel antworten, und zwar hart. Das ist die militärische Logik in diesem Konflikt, sie ist kein Geheimnis.

Mit ihren Angriffen will die Hamas die seit Wochen schwelenden Unruhen in Jerusalem kapern und sich an die Spitze der Protestbewegung setzen. Doch so schaden die Extremisten der Sache ihres Volkes nur. Mit ihrem dummen und kontraproduktiven Raketenfeuerwerk setzen sie die Palästinenser ins Unrecht. »

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