Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zu 100 Tage Biden

Die Fähigkeit zur Problemlösung hat Biden bewiesen, indem er dafür sorgte, dass seine Landsleute schneller gegen das Coronavirus geimpft werden, als man es noch im Januar für möglich hielt.

Darauf kann er aufbauen. Eine klare Mehrheit der Amerikaner, etliche Trump-Wähler eingeschlossen, bescheinigt seiner Regierung, stringent gehandelt zu haben. Die Frage ist, was passiert, wenn das Land aus dem Krisenmodus zurückkehrt in die Normalität.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu deutsch-chinesischen Konsultationen

(...) wirft der Aufstieg Chinas zur Großmacht, (...), nun auch klassische Fragen der Realpolitik auf.

(...) Solche Fragen lassen sich nicht mit Regierungskonsultationen beantworten, schon gar nicht von einer scheidenden Kanzlerin. Es fällt allerdings auf, dass Berlin vor allem nach gemeinsamen Interessen sucht, wie das auch im Verhältnis zu anderen Ländern oft der Fall ist: Wirtschaft, Klimaschutz, Gesundheit (Stichwort Corona). Chinas Bedingungen für Zusammenarbeit sind Nichteinmischung und Berücksichtigung seiner «Kerninteressen». Die reichen von Hongkong über Taiwan bis ins Südchinesische Meer und bestehen aus Kontroll- und Besitzansprüchen. Das ist ein hoher Preis für Kooperation und einer, den man in Washington nicht bereit ist zu zahlen. Deutschlands neue Asien-Politik wird kein Spaziergang.


«Wall Street Journal»: Biden hat leichten Teil hinter sich

NEW YORK: US-Präsident Joe Biden wird am Mittwochabend (Ortszeit) vor beiden Kammern des Kongresses in Washington eine Bilanz über seine ersten 100 Tagen im Amt ziehen. Dazu schreibt das «Wall Street Journal»:

«Wenn Präsident Biden am Mittwochabend (Ortszeit) vor dem Kongress spricht, wird er seinem Vorgänger nicht Tribut zollen, aber er sollte es. Donald Trumps lärmende Präsidentschaft hat es dem Demokraten ermöglicht, eine radikale Agenda in den beruhigenden Tönen einer Rückkehr zur Normalität zu verkaufen, während das als Operation Warp Speed bekannte Impfprogramm den Weg für das Ende der Pandemie und einen wirtschaftlichen Aufschwung bereitet hat. (...)

Mit so viel Wind im Rücken könnte Herr Biden sein Wahlkampfversprechen erfüllen, das Land zu vereinen und parteiübergreifend zu regieren (...) Doch die auffällige Tatsache seiner ersten drei Monate ist, dass er das Gegenteil getan hat. Er hat versucht, von links zu regieren und die progressivste innenpolitische Agenda seit Jahrzehnten mit der knappsten demokratischen Mehrheit im Kongress durchzusetzen. Er regiert wie Bernie Sanders (...)

Die Demokraten haben den leichten Teil ihres Programms hinter sich gebracht - Geld und Slogans über Gerechtigkeit verteilen. Jetzt kommt der Preis in Form von höheren Steuern und kulturellen Diktaten.»


«Lidove noviny»: Beweise gegen Russland veröffentlichen

PRAG: Die tschechische Regierung hat Russland beschuldigt, an Explosionen in einem Munitionslager im Jahr 2014 beteiligt gewesen zu sein. Zu den Vorwürfen, die Moskau vehement bestreitet, schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Prag am Mittwoch:

«Soll man dem tschechischen Inlandsgeheimdienst BIS Glauben schenken? Oder dem Kreml? Über Geheimdienste sagt man, dass sie im Allgemeinen lieber schweigen. Es gibt gute Gründe, warum sie oft mit James-Bond-Methoden arbeiten. Doch wenn ihre Berichte politische Folgen haben, zur Ausweisung von Diplomaten führen und die Beziehungen zu Russland massiv verschlechtern, ist das nicht der Moment, an dem Geheimhaltung mehr Schaden als Nutzen bringt? Die Beweise des Inlandsgeheimdienstes BIS jetzt zu veröffentlichten, würde allen nützen, die sich nicht auf bloßen Glauben, sondern auf rationale Grundlagen verlassen wollen. Wir glauben dem BIS, sagen viele Politiker und Medien in Tschechien. Doch das erinnert ein wenig an das Mittelalter mit seinem grenzenlosen Vertrauen in die Herrscher von Gottes Gnaden.»


«La Repubblica»: Afrika ist eine Brutstätte des Terrors

ROM: Zu den Gefahren des Terrors in Afrika und einem Überfall in Burkina Faso mit toten europäischen Journalisten schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Mittwoch:

«Anfang dieses Jahres verlängerte die EU ihre Eucap-Mission (...) bis 2023, in die auch das in Mali stationierte italienische Kontingent eingebaut ist. Deutschland erwägt gerade die Möglichkeit, seine militärische Präsenz zu stärken. Aber die Sahelzone hört hier nicht auf. Sie erstreckt sich über den Sudan nach Eritrea. Tausende und Abertausende Kilometer eines Mega-Gebiets, das zu den ärmsten und gefährlichsten in Afrika und auf dem gesamten Planeten gehört. Von der Pandemie über die Hungersnot bis zur Wasserfrage. Die starken Spannungen zwischen Ägypten und Äthiopien im Zusammenhang mit der Fertigstellung des Staudamms am «Blauen Nil». (...) Vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus von Al-Kaida und dem Islamischem Staat. Vom Niger nach Burkina Faso, von der Region Fessan (in Libyen) nach Tschad, über Zentralafrika, Nigeria, Mosambik. Man kann weiter und weiter gehen. Von keinem Land kann wirklich gesagt werden, dass es von dieser schrecklichen Bedrohung befreit ist. Die verschiedenen Geheimdienste sind sich in einem Punkt einig, und vielleicht nur in diesem Punkt: Afrika ist heute die wichtigste Brutstätte des weltweiten Dschihadismus (...).»


«El País»: Raue politische Klima in Spanien ist besorgniserregend

MADRID: Zum rauen politischen Klima in Spanien vor den Regionalwahlen in Madrid schreibt die spanische Zeitung «El País» am Mittwoch:

«Nach enormer technischer Arbeit, übermäßigem Lärm, intensiven Vorverhandlungen mit Brüssel und einem geringen politischen Konsens, der durch den Austausch mit wirtschaftlichen und sozialen Akteuren kaum kompensiert wurde, hat die Regierung den Plan für Erholung, Transformation und Widerstandsfähigkeit verabschiedet (...) Der Fall Italiens, bei dem fast das gesamte parlamentarische Spektrum (bei der Billigung des Corona-Aufbauplans) hinter Mario Draghis Regierung stand, zeigt, dass ein anderes politisches Klima möglich ist. Aber Spanien befindet sich in einer schädlichen Dynamik von permanenten politischen Konflikten. Der Wahlkampf in Madrid hat die Polarisierung und vor allem das Abdriften des populistischen, rassistischen und radikalen Extremismus weiter verschärft, was besorgniserregend ist. Um dem entgegenzuwirken ist eine unerschütterliche demokratische Entschlossenheit erforderlich. Aber dieses große Problem sollte kein hemmender Faktor bei der Suche nach einem größeren Konsens zwischen den großen Parteien bei den wichtigsten politischen Fragen sein.»


«Jyllands-Posten»: Deutsche Sprache darf nicht verschwinden

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) wirft am Mittwoch einen Blick auf die Lehre der deutschen Sprache in Dänemark:

«Die deutsche Sprache und Kultur hat es schwer in Dänemark. Der Anteil der Gymnasiasten mit Deutsch auf höherem Niveau hat sich in den vergangenen zehn Jahren halbiert. Die Zahl der Deutsch-Studenten ist um 30 Prozent gefallen. Deutschland ist unser großer Nachbar. Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte, wir ähneln einander mehr, als viele vielleicht mögen, und die deutsche Kultur ist in ihrem Reichtum überwältigend - und natürlich ist es auch ein riesengroßer Markt, auf dem es bestimmt gut ist, Deutsch zu können, etwas über Deutschland zu wissen und sich einfach ein wenig für das Land, die Kultur und die Menschen zu interessieren. Das Fach Deutsch muss gestärkt werden. Wenn die Grundschullehrer von heute - die Hüter unserer gemeinsamen Bildung - ernsthaft vorschlagen können, Deutsch abzuschaffen, dann hängt das auch mit der englisch-amerikanischen Sprachmonopolisierung des Internets zusammen. Ein Bildungsideal müsste aber sein, andere Sprachen bestmöglich zu beschützen und die Vielfalt zu erhalten.»


«Nesawissimaja»: Treffen von Putin und Biden könnte Wendepunkt werden

MOSKAU: Zu den angespannten russisch-amerikanischen Beziehungen schreibt die Moskauer Zeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Mittwoch:

«Moskau und Washington haben die Kommunikation nicht abgebrochen. Wladimir Putin sprach neulich auf Einladung von Joe Biden auf dem Weltklimagipfel. Und die vom amerikanischen Staatschef vorgeschlagene Idee eines persönlichen Treffens der beiden Präsidenten in einem Drittland wird zurzeit ausgearbeitet. (...) Der Gipfel könnte, wenn er abgehalten wird, zu einem Wendepunkt in der langfristigen Eskalation der russisch-amerikanischen Beziehungen werden, die unter dem Vorhang der Regierung von Präsident Barack Obama begann und unter Donald Trump fortgesetzt wurde. (...)

Und die Zeit für Kontakte auf höchstem Niveau ist eindeutig reif - auf beiden Seiten haben sich zu viele Fragen an einander angesammelt. Ohne eine Zusammenarbeit zwischen Russland und den Vereinigten Staaten gibt es für viele internationale Probleme einfach keine Lösung.»


«De Standaard»: mehr Druck für Patent-Aussetzung bei Covid-Impfstoff

BRÜSSEL: Zu Forderungen nach einer zeitweiligen Aufhebung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe heißt es am Mittwoch in der belgischen Zeitung «De Standaard»:

«Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai hat die Chefs von Pharmaunternehmen, die Impfstoffe gegen Covid-19 entwickeln und herstellen, wissen lassen, dass für die US-Regierung nicht allein die Überwindung der Corona-Pandemie in den USA, sondern in der ganzen Welt, höchste Priorität hat. (...) Befürworter und Gegner einer Aufhebung (des Patentschutzes für Covid-Impfstoffe) haben sich bislang nicht wirklich zugehört. Die Europäische Union und auch die USA befinden sich dabei im Lager der Gegner. Aber es wächst der Druck, eine Aussetzung zu unterstützen.

Schon vor einigen Wochen haben rund 60 frühere Staats- und Regierungschefs und 100 Nobelpreisträger US-Präsident Joe Biden aufgerufen, sich für eine zeitweilige Aufhebung des Patentschutzes einzusetzen. Man darf gespannt sein auf die Beratung der Mitglieder der Welthandelsorganisation am kommenden Freitag. Die Gretchenfrage ist, ob die USA bei dieser Zusammenkunft ein erstes Signal geben, dass sie zu Verhandlungen über eine Patentaussetzung bereit sind.»


«DNA»: Joe Biden ist der überraschendste Präsident der Neuzeit

STRAßBURG: Am Donnerstag feiert US-Präsident Joe Biden den 100. Tag seiner Amtszeit. Dazu schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» am Mittwoch:

«Im Gegensatz zu seinem Vorgänger flüstert (Joe Biden) mehr, als dass er brüllt, aber er handelt an allen Fronten. Kaum gewählt, widersetzt er sich (dem russischen Präsidenten) Wladimir Putin und China, kündigt das Ende der US-Präsenz in Afghanistan an, belebt den Multilateralismus wieder und bringt die Vereinigten Staaten zurück an den Tisch des Pariser Klimaabkommens.

In drei Monaten hat er den Entwurf einer neuen Geopolitik, vielleicht sogar einer Doktrin geschaffen und der diplomatischen Tätigkeit seines Landes wieder einen Sinn gegeben. (...) Mit 78 Jahren ist er der überraschendste Präsident der Neuzeit geworden.»


«Magyar Nemzet»: Außenpolitik unter Biden ohne Ergebnisse

BUDAPEST: Über die ersten 100 Tagen der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Mittwoch:

«Bei der Bekämpfung der (Corona-)Pandemie befindet sich die US-Administration auf einem guten Weg. Doch die Gespaltenheit des Landes hat sich weiter vertieft, die Straßengewalt bleibt weiterhin ein Bestandteil des Alltags. Auf dem Gebiet der Außenpolitik hat Biden nur außerordentlich bescheidene Ergebnisse vorzuweisen. Das ohnehin schon abgekühlte Verhältnis sowohl zu Russland als auch zu China hat sich weiter verschlechtert. Am Ende wird die Geschichte das Urteil über die gesamte vierjährige Amtszeit sprechen, doch so viel lässt sich schon jetzt sagen, dass die ersten 100 Tage nicht viel Gutes verheißen.»


«The Times»: Vorwürfe sind peinlich für Johnson

LONDON: Premierminister Boris Johnson ist mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe seine Dienstwohnung mithilfe anrüchiger Spenden luxuriös renovieren lassen. Dazu meint die Londoner «Times» am Mittwoch:

«Wenn es eine einfache Erklärung dafür gäbe, wer die Renovierung von Boris Johnsons Wohnung in der Downing Street bezahlt hat, hätten wir sie zweifellos schon erfahren. Die Regierung sagt, der Premier habe nun die noch ausstehende Rechnung von 60.000 Pfund aus eigener Tasche bezahlt. Aber das lässt natürlich die Frage offen, wer das Geld erhalten hat. Wurde die Rechnung ursprünglich von einem Parteispender beglichen, als Geschenk oder als Darlehen? Und wenn ja, warum wurde das damals nicht deklariert, und warum wird es auch jetzt nicht offenbart?

Das Problem ist klar: Wenn - wie es scheint - jemand anderes die Rechnung bezahlt hat, dann hat Johnson nicht nur gegen den Amtskodex, sondern möglicherweise auch gegen das Wahlgesetz verstoßen. Für einen Premierminister, der die Normen des politischen Leben hochhalten soll und dessen Regierung bereits mit Vorwürfen der Vetternwirtschaft und Korruption konfrontiert ist, ist das peinlich.»


«Tages-Anzeiger»: Indien macht Politik nach Umfragewerten

ZÜRICH: Zur Corona-Krise in Indien schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Mittwoch:

«Narendra Modi, der indische Premierminister, bezeichnete die zweite Covid-19-Welle, die sein Land überrollt, in einer Radioansprache als «Sturm, der die Nation erschüttert». Ein harter Wechsel ist das nach dem Gestus, in dem sich Modi und seine regierende Bharatiya Janata Party (BJP) noch Ende Januar präsentierten. Damals schien die Covid-19-Krise quasi überwunden zu sein, eine große Impfkampagne wurde gestartet, vom «Krieg» gegen das Virus gesprochen, und gleichzeitig wurden ärmere und freundlich gesinnte Nachbarländer mit Vakzin versorgt. Indien, der Retter. Modi inszenierte sich als Staatenlenker, so wie viele Populisten, die mehr auf ihre Beliebtheitswerte als auf die langen Linien achten. (...)

Es wird interessant sein, zu beobachten, welchen Spin die BJP dem Umstand geben wird, dass Indien nun auf Hilfe angewiesen ist. Die Menschen, die nun vor den Krankenhäusern campieren und hoffen, ihre Liebsten darin lebend wiederzusehen, werden sich freuen über jede Hilfe. Indien ist der größte Vakzinhersteller der Welt, muss aber gleichzeitig als Versuchslabor dafür dienen, was passiert, wenn Politik in einer Krise weiter nach Umfragewerten und nicht nach wissenschaftlicher Realität gemacht wird.»


«NZZ»: Laschets größtes Wahlkampf-Hindernis heißt Söder

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch den gemeinsamen Wahlkampf von CDU und CSU:

«Als geübter Karnevalist hat sich Markus Söder seinen Humor bewahrt. Auf die Frage einer Fernsehmoderatorin, ob er nach der Niederlage im Kanzlerkandidaten-Duell gegen Armin Laschet ein schlechter Verlierer sei, antwortete der bayrische Ministerpräsident: «Nein, im Gegenteil.» Folglich bestehen die Qualitäten eines guten Verlierers darin, gegen den Sieger nachzutreten, ihn als gestrig zu brandmarken und ihm ständig schwache Umfrageergebnisse und die Stärke der eigenen Truppen unter die Nase zu reiben. Armin Laschets größtes Hindernis auf dem Weg zur Kanzlerschaft heißt nicht Annalena Baerbock, sondern Markus Söder. (...)

Auch 24 Stunden später, nachdem der Bundesvorstand der CDU für Laschet votiert hatte, bekräftigte er, ihn «ohne Groll» und «mit voller Kraft und Geschlossenheit» zu unterstützen. Davon ist keine Rede mehr. Söder hat eine andere Rolle für sich entdeckt: Er will der reitende Schatten hinter Laschet sein, die drohende Mahnung, dass die Union es auch anders und besser hätte haben können, mit ihm nämlich an der Spitze, dem vermeintlichen «Kandidaten der Herzen».»

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