Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Kleingärten

Ein halbes Jahr vor den Berlin-Wahlen verhakt sich die rot-rot-grüne Regierungskoalition in einem kuriosen Streit.

Obwohl sich alle drei zu Beginn dieser Legislatur in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, die Kleingärten dauerhaft zu sichern, zerstreiten sie sich kurz vor der Zielgeraden über den richtigen Weg. SPD und Linke wollen die Parzellen durch ein Landesgesetz, die Grünen durch einen «Kleingartenentwicklungsplan» schützen. Das Problem: Da die Streitparteien sich weigern, den Entwurf der jeweils anderen mitzutragen, drohen beide Vorhaben in dieser Legislatur steckenzubleiben. Damit ist nun genau.


«Frankfurter Rundschau» zu Klage der EU-Kommission gegen Polen

Es ist richtig, wenn die EU-Kommission Polen wegen der so genannten Justizreform verklagt, mit der die in Warschau regierende nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Unabhängigkeit der Justiz untergräbt.

Damit verschärft Brüssel zwar zu Recht den Druck auf Polen. Doch dürfte dies nicht reichen, um die PiS-Regierung umzustimmen. Schließlich hat sie seit 2015 nicht nur die Justiz eingeschränkt, sondern auch staatliche Medien zu Kanälen für Propaganda umgebaut und Rechte von Minderheiten beschnitten. Sie hat zudem ausgenutzt, dass die EU kaum überzeugende Instrumente hatte, um die Rechtsstaatlichkeit zu schützen. Diese Lücke sollte die Rechtsstaatsklausel im EU-Haushalt füllen. Leider ist sie zu schwach ausgefallen. Zusätzlich klagt Polen dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof. Offensichtlich wird Brüssel den Machtkampf mit Polen nur für sich und die Rechtsstaatlichkeit entscheiden, wenn sie EU Hilfen und Subventionen beschneidet. Doch das wird noch dauern.


«Münchner Merkur» zu Astrazeneca

Natürlich muss geklärt werden, wo möglicherweise die Gefahren einer Impfung liegen.

Die Überprüfung ist auch diesmal wieder richtig, und hätte im Idealfall sogar mehr Vertrauen schaffen können. Doch dieser Zug scheint abgefahren. Zu schwer wiegt der Schaden, der von Anfang an bei der Kommunikation angerichtet wurde. Zeigt sich nun tatsächlich, dass viele Impftermine mit Astrazeneca kurzfristig abgesagt werden, muss die Politik reagieren. Wo es medizinisch verantwortbar ist, sollte verschmähter Impfstoff dann für die freigegeben werden, die ihn wollen, aber noch nicht dran sind. Denn davon dürfte es noch immer nicht zu wenige geben.


«Rzeczpospolita»: Merkel gegen die Ministerpräsidenten

WARSCHAU: Zum Hin und Her um den deutschen Kurs zur Bekämpfung der Corona-Pandemie schreibt die konservative polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Mittwoch:

«Ohne einen Corona-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist, darf man ab Mittwoch in Berlin praktisch nur noch in Lebensmittelläden einkaufen. Wer einen Test besitzt, darf in den Baumarkt. Diese Einschränkungen gelten aber nicht in Potsdam, welches man als Vorort von Berlin bezeichnen könnte, gehörte es nicht zu Brandenburg. Dieses Land bereitet sich auf die Einführung einer Ausgangssperre über Ostern vor - davon will man in Berlin nichts hören.

Kanzlerin Merkel richtet nun scharfe Worte an die Ministerpräsidenten. Sie meint, dass es leichter wäre, die Krise nach einer Änderung der entsprechenden Gesetze zu managen als unter Beteiligung der 16 Länderchefs. Sofort bekam sie Unterstützung von Bayerns Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder. Anderer Meinung ist Armin Laschet, Regierungschef in Nordrhein-Westfalen. Er sieht in der Öffnung des Einzelhandels einen Anreiz für die Bürger, sich testen zu lassen. Beide Herren sind Konkurrenten im Kampf um die Kanzlerkandidatur von CDU/CSU. Ihr Kandidat gilt praktisch als sicherer Nachfolger von Merkel. Sofern das innere Chaos nicht dazu führt, dass nicht die CDU/CSU die Wahl gewinnt, sondern die Grünen.»


«La Repubblica»: Große weltweite Risiken werden oft unterschätzt

ROM: Nach dem Ende der Blockade im Suezkanal als Folge der Havarie des Containerschiffs «Ever Given» schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Mittwoch:

«Die Häfen, dabei besonders auch Genua, werden durch das gleichzeitige Eintreffen großer Mengen von Ladung überlastet sein, und es wird einige Wochen dauern, bis sich die Situation normalisiert. Aus dem Vorfall, der von den internationalen Medien in Echtzeit verfolgt wurde, lassen sich viele Lektionen ziehen, über die das Nachdenken lohnt. Die erste Lektion ist unsere Unfähigkeit, Ereignisse vorherzusagen, oder schlimmer noch, unsere Tendenz, sich immer über die «falschen» Risiken Gedanken zu machen. Was im Fall der Pandemie in sehr großem Maßstab passiert ist, geschah auch hier, wenn auch auf viel kleinerem Niveau, dass nämlich niemand gedacht hätte, dass - nach 50 Jahren unfallfreier Bewirtschaftung des Suezkanals - ein einziges Containerschiff alleine eine der wichtigsten Adern des Welthandels blockieren könnte, durch die 13 Prozent des Seehandels und 11 Prozent des internationalen Öltransports laufen. (...) Kann es sein, dass es an einem der wichtigsten und sensibelsten Punkte der Welt kein wirksameres System der Überwachung und des Risikomanagements gab?»


«Guardian»: Gleichgültigkeit gegenüber Verbrechen darf es nicht geben

LONDON: Zum brutalen Vorgehen der Militärjunta in Myanmar meint die britische Zeitung «The Guardian» am Mittwoch:

«Als eine UN-Untersuchungsmission 2019 die internationale Gemeinschaft aufforderte, die Verbindungen mit dem Militär und den von ihm kontrollierten Unternehmen zu kappen, und davor warnte, dass die Einnahmen die Armee noch stärker in die Lage versetzen, schreckliche Übergriffe gegen Gruppen wie die Rohingya zu begehen, hörte niemand zu.

Eine raschere Reaktion auf den Militärputsch hätte vielleicht dazu beigetragen, die Blutrünstigkeit der Streitkräfte zu zügeln. Aber spät ist besser als nie. Die USA haben nun den gesamten Handel bis zur Rückkehr einer demokratisch gewählten Regierung ausgesetzt. (...) Es wird zwar keine K.o.-Schläge gegen Myanmars Militärs geben. Aber es darf auch keine Gleichgültigkeit angesichts ihrer Verbrechen geben.»


«de Volkskrant»: Militärisches Eingreifen allein genügt nicht

AMSTERDAM: Zu den Angriffen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf die Küstenstadt Palma in Mosambik meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Mittwoch:

«Der Ruf nach einem internationalen Eingreifen wird immer lauter. Portugal hat bereits angekündigt, dass es Kommandos zur Ausbildung mosambikanischer Soldaten entsenden wird. Die amerikanischen «Grünen Barette» haben schon Anfang des Monats damit begonnen. Auch der südafrikanische Präsident erwägt, mehr militärische Unterstützung zu leisten.

Aber ein militärisches Eingreifen allein genügt nicht. Das sehen wir in anderen Ländern, wie z.B. in Mali, wo IS-nahe Gruppen trotz der Präsenz internationaler Truppen weiterhin das Leben lahmlegen. In fast all diesen Regionen liegt viel Geld unter der Erde, in Form von Öl, Gas, Coltan oder Edelsteinen, und die Bevölkerung ist arm und frustriert. Solange ihnen keine besseren Perspektiven geboten werden, sind sie leicht für Dschihadisten zu rekrutieren.»


«Pravo»: Ostern in Corona-Zeiten pietätvoll begehen

PRAG: Zu Ostern während der Corona-Pandemie schreibt die linksgerichtete Zeitung «Pravo» aus Tschechien am Mittwoch:

«Der Frühling hat begonnen. In Prag und vielen anderen Städten füllen sich die Parks und Grünanlagen mit Menschen. Selbst auf der Straße gehen manche göttergleich ohne FFP2-Maske umher - die übrigen Passanten nehmen dann lieber Abstand. Wir sind zwar immer noch vorsichtig, aber die ungeheure Furcht vor dem Coronavirus, die im letzten Jahr umging, ist dahin. Das mag eine ausgezeichnete Nachricht für unser aller Seelenbefinden sein, muss aber nicht unbedingt eine gute Nachricht für den Körper sein. Denn das Killer-Virus ist immer noch unter uns. Fast jeder von uns kennt ein Opfer der Erkrankung. Wir sollen daher den bevorstehenden Osterfeiertagen einen pietätvollen Anstrich verleihen. Es wäre gut, wenn wir uns einige Zeit zurückhalten könnten, statt auf die Anordnungen der Regierung zu pfeifen.»


«Financial Times»: Die Bafin gleicht einem gealterten Zwergspitz

LONDON: Zu den Skandalen um Wirecard und Greensill meint die Londoner «Financial Times» am Mittwoch:

«Deutschlands Finanzaufsichtsbehörde gleicht eher einem gealterten Zwergspitz als einem dynamischen Rottweiler. Der riesige Wirecard-Betrug hat die Bafin als zahnlosen Schoßhund entlarvt. Ihre Inkompetenz hallt über Deutschlands Grenzen hinaus nach. Nicht viel besser erging es ihr im Skandal um Greensill Capital und deren Bremer Bank. Zu den Aktivitäten von Greensill wurden zu wenige Fragen zu spät gestellt.

Das Finanzministerium hat einen Plan, um die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu stärken. Das kommt nicht zu früh: Wenn Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde im Verdacht stehen, als Insider mit Wirecard-Aktien gehandelt zu haben, liegt einiges im Argen. (...)

Doch ohne eine umfassende Reform der Grundsätze deutscher Unternehmensführung droht auch eine aufgerüstete Bafin zu scheitern. Die Politik nimmt Wirtschaftsprüfer und die Abschlussprüferaufsichtsstelle unter die Lupe, die durch die Wirecard- und Greensill-Episoden ebenfalls als unzureichend entlarvt wurden. Die Aufsichtsbehörde sollte Firmen, die sie für mangelhaft hält, künftig an den Pranger stellen, denn derzeit hat die Öffentlichkeit keine Möglichkeit, das herauszufinden.»


«Le Monde»: Regierung von Mosambik muss nach Angriffen handeln

PARIS: Zu den islamistischen Terrorangriffen in Mosambik schreibt die französische Tageszeitung «Le Monde» am Mittwoch:

«Nach dem Horn von Afrika und dem Sahelgebiet wird eine dritte Region des afrikanischen Kontinents von einem islamistischen Aufstand erschüttert. Die Stadt Palma im Nordosten Mosambiks (...) erlebte mehrere Tage lang einen gewalttätigen Angriff. Für die Region, die bis vor kurzem noch verschont wurde, ist die Ausbreitung des Dschihads eine beunruhigende Entwicklung. (...)

Im Gegensatz zur Sahelzone ist (die Region) Cabo Delgado eine potenziell reiche Gegend, deren Türen zum Indischen Ozean das Land zur Welt hin öffnen. Die Regierung von Mosambik muss eine Politik umsetzen, die auf die Unzufriedenheit in gewissen Regionen reagiert, die die Sicherheit der Menschen gewährleistet und die das Versprechen von Wohlstand durch die künftige Gasförderung hält. Und es liegt an der internationalen Gemeinschaft, die Entwicklung Mosambiks zu unterstützen, ohne dabei eine Glut zu entfachen.»


«Tages-Anzeiger»: Westen ist in Afghanistan gescheitert

ZÜRICH: Zur politischen Lage in Afghanistan schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Mittwoch:

«Die USA bleiben wahrscheinlich ein paar Monate länger mit ihren Truppen in Afghanistan als geplant. Aber am Fazit für diesen Einsatz ändert das nichts: Es geht nur noch um Schadensbegrenzung. Der westliche Einsatz ist endlich, er orientiert sich schon lange nicht mehr an den Gegebenheiten in Afghanistan. Die Taliban werden zurück an die Regierung verhandelt, sie sollen sich mit einem Teil der Macht begnügen. Aber warum sollten sie das tun, wenn die Schutzmächte der afghanischen Regierung deutlich machen, dass sie noch zu einer allerletzten Kraftanstrengung bereit sind, aber nicht dazu, den Einsatz an die afghanische Realität anzupassen? (...)

Die Taliban haben 20 Jahre lang - mithilfe der Nachbarstaaten - einer technologisch deutlich besser ausgestatteten Allianz ein militärisches Patt abgetrotzt. Nun nutzen sie dies diplomatisch. Dass sie wieder die Geschicke des Landes mitgestalten sollen, belegt das Scheitern des Westens in diesem Krieg.»


«NZZ»: Menschenrechtsverletzungen sind keine innere Angelegenheit

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» beschäftigt sich am Mittwoch mit der Verletzung von Menschenrechten in China und anderen Ländern:

«China ist weniger stark als Russland in das internationale Normengefüge eingebunden; es hat beispielsweise als einzige Großmacht den Uno-Pakt über die politischen Rechte nicht ratifiziert. Aber auch Peking kann nicht legitimerweise die Massenrepression zur inneren Angelegenheit erklären. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie sie in Xinjiang allem Anschein nach stattfinden, sind automatisch von internationaler Tragweite. Auch die Repression in Hongkong geht das Ausland sehr wohl etwas an, denn Peking verletzt damit das den Briten einst zugesicherte Prinzip «Ein Land, zwei Systeme».

Mit dem Verweis auf innere Angelegenheiten geht es Diktaturen nicht um die Einhaltung des Völkerrechts, sondern schlicht darum, Regierungen freiheitlicher Länder den Mund zu verbieten. (...) Der Westen sollte sich durch solche Pressionen nicht einschüchtern lassen. Das überstrapazierte Argument der «inneren Angelegenheiten» kann im Fall von schwersten Menschenrechtsverletzungen keinerlei Gültigkeit beanspruchen; es gehört schon lange auf den Abfallhaufen der Geschichte.»


«El País»: Video von Floyds Tod wird entscheidend sein

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Mittwoch den Prozess in den USA gegen einen weißen Polizisten wegen des Todes des Afroamerikaners George Floyd:

«Der Prozess gegen Derek Chauvin kann dazu beitragen, die in den USA immer noch offene Wunde des Rassismus etwas zu schließen. Chauvin ist des Mordes an dem Schwarzen George Floyd angeklagt, der nach acht Minuten starb, während der Polizist sein Knie auf seinen Hals drückte. Dieses Verbrechen hat die USA geschockt und eine Welle von Protesten ausgelöst. Zum Auftakt der Verhandlung wurde das Video gezeigt, in dem Floyd 27 Mal fleht, er könne nicht atmen. Es wird entscheidend bei der Feststellung der Schuld sein.

Donald Trump, Präsident zum Zeitpunkt des Verbrechens, versuchte die Proteste auf einen Gegensatz zwischen Recht und Ordnung - vertreten durch ihn - und Chaos und Vandalismus zu reduzieren. Diese Masche ist bei der Präsidentenwahl gescheitert und heute gibt es einen anderen Präsidenten, der sich mehr gegen den Rassismus einsetzt. Floyd wird als Opfer, aber auch als Symbol für die notwendige Veränderung in Erinnerung bleiben, damit die Worte seiner sechsjährigen Tochter nach seinem Tod wahr werden: «Dad hat die Welt verändert.»»

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