Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Pravo»: Psychische Folgen der Corona-Krise stärker berücksichtigen

PRAG: Die linksgerichtete Zeitung «Pravo» aus Tschechien plädiert am Mittwoch dafür, sich stärker mit den psychischen Folgen der Corona-Pandemie und des Lockdowns zu befassen:

«Wir haben uns bisher auf alle denkbaren Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Infektion konzentriert. Wir haben dem Virus Steine in den Weg gelegt - vom Mund-Nasen-Schutz über Regeln zum Abstandhalten bis hin zur Händedesinfektion. Nun warten die meisten von uns auf die Impfung. Die gleiche Aufmerksamkeit sollte man auch der Auseinandersetzung mit den psychischen Folgen der Pandemie widmen - vielleicht ist dafür keine Zeit geblieben oder wir haben es schlicht vergessen. Dabei verbreitete sich im Windschatten des Virus zunächst Panik, dann Ignoranz und später, um es mit (dem früheren tschechischen Präsidenten und Dramatiker) Vaclav Havel zu sagen, eine blöde Stimmung aus. Die existenziellen Ängste wiegen immer stärker. Vielen Menschen fällt es zunehmend schwer, die Gesundheit an erste Stelle zu stellen. (...) Doch wir sollten an der bisherigen Strategie festhalten: erst die Impfung, dann das Vergnügen.»


«The Times»: Social-Media-Firmen sollten wie Verlage behandelt werden

LONDON: Zur Debatte um den Ausschluss Donald Trumps von sozialen Medien wie Twitter und Facebook meint die Londoner «Times» am Mittwoch:

«Angela Merkel betrachtet Social-Media-Firmen eher als Versorgungsunternehmen und weniger als Verlagshäuser. Ihre Regulierung, so meint sie, sollte durch Gesetze erfolgen anstatt durch unternehmerische Launen.

Diese Zeitung ist der Ansicht, dass soziale Medien ebenso eingestuft werden sollten wie Verlage, samt aller Risiken und Verantwortlichkeiten, die das mit sich bringt. Allerdings hat das Internet - ähnlich wie eine Zwiebel - viele Schichten. Merkels Vorstellung von Versorgungsunternehmen würde vermutlich besser zu Hosting-Firmen wie (dem Cloud-Anbieter) Amazon Web Services passen, bei denen eine enorme Macht auf einige wenige Firmen konzentriert ist, während ihre Tätigkeit kaum gesetzlicher Kontrolle unterliegt.»


«De Telegraaf»: Bidens Annäherung an den Iran soll erschwert werden

AMSTERDAM: Der scheidende US-Außenministers Mike Pompeo hat den Iran beschuldigt, Zufluchtsort der Terrororganisation Al-Kaida zu sein. Dazu meint die Amsterdamer Zeitung «de Telegraaf» am Mittwoch:

«Es ist auffällig, dass Pompeo, der auch ehemaliger Direktor der CIA ist, bis zu den letzten Tagen seiner Amtszeit wartet, um solche Anschuldigungen zu erheben, für die er im Übrigen keine Beweise liefert. Es scheint vor allem der Versuch zu sein, Joe Biden bei der Annäherung an den Iran zu behindern, wenn er in einer Woche ins Weiße Haus einzieht.

Biden will das Atomabkommen mit dem Iran retten und hat mehrere Beamte in hohe Positionen berufen, die am Zustandekommen dieses Abkommens vor fünf Jahren beteiligt waren. Indem der Iran, der sich derzeit über das Atomabkommen hinwegsetzt, weiter als Buhmann dargestellt wird, erschwert man die Arbeit des neuen Präsidenten.»


«Göteborgs-Posten»: Wer Deutschland führt, führt Europa

GÖTEBORG: Die liberale schwedische Tageszeitung «Göteborgs-Posten» (Göteborg) meint am Mittwoch vor dem CDU-Parteitag an diesem Wochenende:

«Die deutsche Politik bietet nicht so viel Dramatik wie die amerikanische. Im September schreitet das Land aber zur Wahl - und es hat entscheidende Bedeutung, wer Europas mächtigstes Land führt, nicht zuletzt nachdem Großbritannien die EU verlassen hat. Deutschland ist nicht nur Europas Wirtschaftsmotor, sondern bestimmt zusammen mit Frankreich in hohem Grad auch die politische Agenda der Union. Jetzt entscheidet die dominierende Regierungspartei CDU, wer neuer Parteichef wird. Die Wahl handelt diesmal nicht bloß darum, wer die CDU führt, sondern womöglich auch, wer nächster Kanzler wird. Ob Deutschland auf lange Sicht der Polarisierung ausweichen kann, bleibt abzuwarten. Aber bislang herrscht dort in der öffentlichen Debatte in vielerlei Hinsicht ein seriöserer und facettenreicherer Ton, bei dem die Sachpolitik mehr Platz eingeräumt wird. Leider ist das wohl eine Teilerklärung für das geringe Interesse an deutscher Politik hier bei uns.»


«Magyar Nemzet»: Digitaler Imperialismus der Technologie-Giganten

BUDAPEST: Zum Ausschluss Donald Trumps von verschiedenen Internet-Plattformen schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Mittwoch:

«Die Eigentümer der im Privateigentum befindlichen Technologie-Giganten des Silicon Valley bestimmen den tatsächlichen Spielraum der Meinungsäußerungen in dem von ihnen beherrschten (digitalen) Raum. Nun bewiesen sie, dass sie dazu in der Lage sind, selbst den demokratisch gewählten - und noch im Amt befindlichen - Präsidenten der führenden Weltmacht zum Schweigen zu bringen, wenn ihnen das ihre Interessen diktieren. Dieser Fall trat jetzt ein, denn die Bosse der Technologie-Giganten sind - ähnlich wie die in der öffentlichen Meinungsbildung gleichfalls eine bedeutende Rolle spielenden Hollywood-Stars - gleichsam allesamt Günstlinge der Demokratischen Partei. Ihre diesbezügliche Treue haben sie schon vielfach bewiesen. (...) Die Führer des digitalen Imperialismus haben jetzt klargestellt, dass sie bestimmen, was demokratisch ist und was nicht.»


«Le Parisien»: Das Schwierigste der Coronakrise liegt noch vor uns

PARIS: Zu den weltweiten Herausforderungen im Umgang mit der Corona-Pandemie schreibt die französische Tageszeitung «Le Parisien» am Mittwoch:

«Seit dem Auftreten vor einem Jahr hat Corona weltweit ungefähr zwei Millionen Menschen getötet. Laut Bekenntnissen von Ärzten scheint der Ausbruch der britischen Variante im Dezember «eine Epidemie innerhalb einer Epidemie» zu sein. Wir hatten angefangen uns über die Ankunft der Impfung zu freuen. Einige begannen, unvorsichtigerweise weniger wachsam zu sein. Heute müssen wir wieder zurückrudern. Das schwierigste liegt noch vor uns, wie es die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte. Die Virusmutation, die zu 50 Prozent ansteckender ist, erfordert eine allgemeine Remobilisierung. Ihre Ankunft in Frankreich war unvermeidbar.»


«NZZ»: Schlag gegen den Iran trifft Jemeniten

ZÜRICH: US-Außenminister Mike Pompeo hat angekündigt, die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen zur Terrororganisation zu erklären. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch:

«Die Trump-Regierung macht damit in letzter Minute wahr, wovor internationale Hilfsorganisationen seit Monaten warnen. Sie befürchten, dass der Schritt die Lieferung von Medikamenten, Lebensmitteln und Treibstoff in die von den Huthi beherrschten Gebiete massiv erschweren wird. Denn wenn Hilfsorganisationen nicht ins Visier der USA geraten wollen, werden sie ihre Kontakte zu den Huthi abbrechen müssen. Für ein Land, in dem 80 Prozent der Bevölkerung auf Hilfe angewiesen sind, ist das fatal. (...)

Die Einstufung der Huthi-Bewegung als Terrororganisation ist ein finaler Schlag Trumps gegen Iran und ein letztes Geschenk an Saudi-Arabien, das die proiranische Miliz seit 2015 erbittert bekämpft. Der Schritt zeigt wieder einmal die geradezu pathologische Obsession der Trump-Regierung mit Iran. Der Kampf gegen das Regime in Teheran hat für Pompeo solche Bedeutung, dass er ihm alles unterordnet - auch das Leben von Millionen unschuldiger Jemeniten.»


«Washington Post»: Republikaner sollten faire Wahl Bidens anerkennen

WASHINGTON: Rund eine Woche nach der Erstürmung des US-Kapitols durch seine Anhänger steuert der abgewählte Präsident Donald Trump auf sein zweites Amtsenthebungsverfahren zu. Zur Position seiner republikanischen Parteikollegen schreibt die «Washington Post» am Mittwoch:

«Eine Woche nach dem schockierenden Sturm auf das Kapitol am 6. Januar durch eine wütende Menge rufen Republikaner plötzlich zur Einheit auf. (...) Was all diesen republikanischen Parteiführern - und vielen weiteren, die zur Versöhnung aufrufen - gemein ist, ist, dass sie gegen die Zählung der Stimmen des Wahlkollegiums für den gewählten Präsidenten Joe Biden votiert haben, auch nachdem ein Mob im Namen von Präsident Trump den Regierungssitz des Landes gestürmt hatte. (...) Biden verbrachte einen Großteil seiner Präsidentschaftswahlkampagne damit, auf Republikaner zuzugehen und musste dafür viel Kritik vom linken (Flügel seiner Partei) einstecken. Die Republikaner reagierten mit dem Versuch, eine von ihm gewonnene Wahl zu diskreditieren - mit tragischen Folgen. Der Heilungsprozess beginnt damit, die Fakten anzuerkennen und diese Worte zu sagen: Mr. Biden hat anständig und ehrlich gewonnen.»


«Kommersant»: Karabach-Treffen in Moskau unterschiedlich bewertet

MOSKAU: Nach dem Treffen in Moskau von Kremlchef Wladimir Putin mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev und dem armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan zur Lage in der Konfliktregion Berg-Karabach schreibt die russische Tageszeitung «Kommersant» am Mittwoch:

«In Baku und Eriwan wurden die Ergebnisse der Gespräche völlig entgegengesetzt bewertet. In Aserbaidschan ist das Treffen als produktiv angesehen worden, weil eine Vereinbarung zur Freigabe der Wirtschafts- und Verkehrsverbindungen in der Region getroffen wurde. Dagegen warf die Opposition in Armenien Ministerpräsident Nikol Paschinjan Schwäche und eine weitere Kapitulation eigener Positionen vor: Die armenische Gesellschaft hielt die Rückkehr der Gefangenen für ein wichtiges Thema. Doch stattdessen stand bei den Gesprächen hauptsächlich die Wirtschaft auf der Agenda. Darauf hatte Aserbaidschan bestanden. (...) Da sich Paschinjan nicht anderer Erfolge rühmen konnte, konzentrierte man sich lieber auf die Aussichten für die Entwicklung wirtschaftlicher Beziehungen.»


«La Vanguardia»: Die sozialen Netzwerke müssen reguliert werden

MADRID: Zur Sperrung der Konten des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump auf Twitter und anderen sozialen Netzwerken schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Mittwoch:

«Das Thema ist zweifellos heikel. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Ausschluss von Trump als problematisch bezeichnet. Die freie Meinungsäußerung ist ein Grundrecht, aber die sozialen Netzwerke können keine unkontrollierten Autobahnen sein, auf denen Aufrufe zu Aufruhr, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder Gewalt kursieren. Die Macht, darüber zu entscheiden, wer eine Meinung äußern darf und wer nicht, darf nicht in den Händen der Betreiber liegen. Ein privates Unternehmen soll und darf keine richterliche Funktion ausüben (...)

Aus diesem Grund ist es notwendig, den gesetzlichen Rahmen zu schaffen, in dem die Betreiber ihre internen Richtlinien zur Regulierung von Inhalten festlegen und anwenden können, ohne dass dies die Justizbehörden daran hindert, bei illegalen Inhalten tätig zu werden. Wir brauchen mehr Regulierung, weniger Marktdominanz und die Eröffnung einer pluralistischen Debatte.»

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Leserkommentare

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