Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

«Hospodarske noviny»: Menschen sind der Katastrophe müde

PRAG: Die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Prag schreibt am Mittwoch zur für Mitte Juni geplanten Grenzöffnung zwischen Tschechien und Österreich sowie möglichen weiteren Staaten:

«Alles geht schneller als gedacht. Noch vor einem Monat hatte der tschechische Epidemiologe (und stellvertretende Gesundheitsminister) Roman Prymula gesagt, dass die Grenzen bis zu zwei Jahre geschlossen bleiben werden - und nun öffnen sie sich bereits überall in Europa wieder, Tschechien nicht ausgenommen. Auch wurde gesagt, man könne den Sommerurlaub im Ausland in diesem Jahr vergessen. Und jetzt sind die ersten Touristen in Kroatien eingetroffen. Die Leute legen zudem haufenweise ihren Mundschutz ab. Was steckt dahinter? Hat sich die epidemiologische Situation auf wunderbare Weise verbessert? Wohl kaum. Des Pudels Kern liegt in einer Erscheinung, die nach knapp drei Monaten nicht nur in Tschechien aufgetreten ist. Man könnte es Katastrophen-Müdigkeit nennen.»


«Diena»: Finanzkrise wirkt auch in der Corona-Krise nach

RIGA: Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Krise meint die lettische liberale Tageszeitung «Diena» am Mittwoch:

«Der mit Covid-19 verbundene wirtschaftliche Schaden dürfte schwerwiegender sein als die Krise, die in den Jahren 2007-2009 durch übermäßige Kreditvergabe und Konsum verursacht wurde. Noch ist es aber zu früh, um zu beurteilen. Eines kann jedoch mit einiger Sicherheit gesagt werden: Die wirtschaftlichen Probleme, die wir gegenwärtig mit der Ausbreitung des Virus erleben, werden durch die verbliebenen negativen Auswirkungen der vorherigen Krise noch verschärft. Dies wird insbesondere in Europa der Fall sein, wo die Wirtschaft sehr fragil ist.»


«Politiken»: Dänemark muss bei Merkels Wiederaufbauplan mitziehen

KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» (Kopenhagen) kommentiert am Mittwoch den Vorstoß von Merkel und Macron zum milliardenschweren Wiederaufbauplan in der EU:

«Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliches Handeln. Das gilt während der Corona-Krise auf nationaler, aber auch auf internationaler Ebene. Frankreich und Deutschland haben das eingesehen. Deutschland verdient Lob dafür, bereit zu sein, bei dem Plan mitzumachen. Es ist in hohem Maße die extrem hohe deutsche Kreditwürdigkeit, die der Garant für die EU ist und den man nun gewillt ist, für die Gemeinschaft aufs Spiel zu setzen.

Wie Macron unterstrich, wird aus dem Plan nur etwas, wenn der Rest der EU mitzieht. Südeuropa wird sich natürlich nicht dagegen wehren, Unterstützung zu erhalten. Die Herausforderung ist, skeptische Länder wie Dänemark zu überzeugen. Dänemark hat sich bisher gegen gemeinsame EU-Schulden widersetzt und für Kredite statt für direkte Hilfen argumentiert. Das ist kurzsichtig und unklug. Erfahrungen aus der Finanzkrise schrecken ab: Da hat die EU Länder wie Griechenland viel, viel zu sehr unter Druck gesetzt. Das Ergebnis war eine Rezession, aus der sie gerade herausgekommen sind.

Diesen Fehler dürfen wir nicht erneut begehen. Dänemark hat national klug mit massiven Hilfspaketen reagiert. Wir sollten zu demselben in der EU beitragen - sowohl für den Zusammenhalt als auch für uns selbst. Als Exportnation haben wir ein enormes Interesse daran, dass auch der Rest der EU schnell wieder auf die Beine kommt.»


«Latvijas Avize»: Test für die geistige Reife des Menschen

RIGA: Zur Umgang der Menschen mit der Corona-Pandemie meint die national-konservative lettische Zeitung «Latvijas Avize» am Mittwoch:

«Dies ist ein Test für die geistige Reife des modernen Menschen. Nicht umsonst war in letzter Zeit so oft die Mahnung zu hören, diese Zeit zu nutzen, um mit sich selbst zu arbeiten - um die bisher gesetzten Lebensziele, die Mittel, mit denen sie erreicht werden, und den Sinn der eigenen Tätigkeit im Allgemeinen zu bewerten. Einige Leute verstehen das, was passiert ist, wirklich als Warnsignal oder wie eine Stimme von Dritten. Andere wiederum, als ob Sie nicht wüssten, woher auf einmal dieses Hindernis kommt, das ihr so gut geplantes Leben stört. Nach jedermanns Verständnis wird es auch eine Rückkehr zum sogenannten normalen Leben geben. Die meisten werden dabei Trägheit und Routine nachgeben und, soweit es die allgemeine Situation zulässt, weiterleben wie bisher.»


«Corriere della Sera»: Revolutionärer Schritt der Kanzlerin

ROM: Zu den Vorschlägen von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für ein EU-Wiederaufbauprogramm im Kampf gegen die Schäden der Corona-Krise in Höhe von 500 Milliarden Euro schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Mittwoch:

«Auch ohne auf den Ausgang der Debatte zu warten, um zu verstehen, wie weit Österreich, Dänemark, Holland und Schweden ihren Widerstand treiben wollen, sind die Signale insgesamt positiv. Wieder einmal zeigt sich Merkel, die vor kaum einem Monat noch gegen die Idee einer gemeinsamen Verschuldung war, als taktische Meisterin, wenn sie den Moment nutzt und die entscheidenden Weichen stellt. (...) In Wirklichkeit befand sich die Absprache zwischen Macron und Merkel, wie es der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen, offenbarte, bereits in einer fortgeschrittenen Diskussionsphase, bevor das Urteil der Richter aus Karlsruhe kam, die den massiven Kauf von Staatsanleihen durch die EZB für teilweise verfassungswidrig erklärten. Dies jedoch wirkte sich beschleunigend aus. Das deutsche Verfassungsgericht kritisierte die Ausweitung der Geldpolitik der Frankfurter Banker und half so paradoxerweise den Befürwortern der Integration in der Eurozone. Die Kanzlerin begriff, dass sich damit eine politische Lücke auftat, und beschloss, einen revolutionären Schritt zu tun.»


«Nesawissimaja Gaseta»: Noch kein Frieden in Ostukraine

MOSKAU: Vor einem Jahr hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Amtsgeschäfte in Kiew übernommen. Dazu schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Mittwoch:

«Eine der wichtigsten Fragen, die die Wähler dem Präsidenten stellen, dreht sich um den Frieden (in der Ostukraine). Es hat sich gezeigt, dass es nicht so einfach ist, dieses Wahlversprechen umzusetzen. Selbst unter den Einwohnern des von Kiew kontrollierten Teils im Donbass gibt es völlig unterschiedliche Vorstellungen darüber, unter welchen Bedingungen der Krieg beendet werden kann. (...) Doch die Angst vor einer Ausweitung des Krieges und der Wunsch nach Frieden eint die Menschen in der Region. (...) Ein Jahr nach der Amtsübernahme hat sich nicht so viel zum Besseren verändert, aber die Menschen verlassen sich weiterhin auf Wolodymyr Selenskyj.»


«De Telegraaf»: Gegner von «Gratisgeld» sollten nicht nachgeben

AMSTERDAM: Zum französisch-deutschen EU-Hilfspaket meint der niederländische «Telegraaf» am Mittwoch:

«Während sich die Niederlande gemeinsam mit Österreich, Schweden und Dänemark dem Verschenken von Geld an südliche Staaten widersetzen, wählt Deutschland einen anderen Weg. Deutsche Medien sprechen von einer Wende um 180 Grad. (...) Die gemeinsamen Schulden sollen von der EU kollektiv zurückgezahlt werden, wobei Mitgliedstaaten dafür je nach ihrer Finanzkraft aufkommen sollen. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz ließ bereits wissen, dass er damit nicht einverstanden ist. Deutschland und Frankreich sind nicht die einzigen Staaten, die in der EU entscheiden, was zu geschehen hat. Die Niederlande und andere Länder, die ebenfalls gegen «Gratisgeld» sind, sollten daher nicht nachgeben.»


«De Tijd»: Merkel macht gewaltige politische Kehrtwende

BRÜSSEL: Zur deutsch-französischen Initiative für ein 500-Milliarden-Euro-Programm zur wirtschaftlichen Erholung in der EU meint die belgische Zeitung «De Tijd» am Mittwoch:

«Die Arbeitslosenquote in Deutschland wird nach Prognosen der Europäischen Kommission im nächsten Jahr auf vier Prozent steigen, die in Italien auf zwölf. Der Schock trifft asymmetrisch, und auch die Erholung wird so erfolgen. Vor diesem Hintergrund hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eine gewaltige politische Kehrtwende vollzogen. Sie scheint nun bereit zu sein, zu akzeptieren, dass die Europäische Union selbst Geld leihen und es dort ausgeben kann, wo es die meisten Coronatoten gab.

Damit wird ein deutsches Tabu gebrochen: Es kann mehr Geld von Nord nach Süd fließen. Empfänger nennen das Solidarität. Wer zu zahlen hat, nennt es einen Transfer. (...) Das Mantra der EU-Staats- und Regierungschefs in dieser Krise lautet, dass wir den anderen helfen müssen, um uns selbst zu retten. Bis zu einem gewissen Grad ist das wahr. Denn wie kann Deutschland florieren, wenn Südeuropa zu einem Wirtschaftsfriedhof wird, der nicht einmal mehr Touristen aufnehmen kann?»


«El Mundo»: Sánchez missbraucht in Spanien den Corona-Notstand

MADRID: Zur Absicht der Regierung in Spanien, den Notstand zur Eindämmung der Corona-Pandemie bereits zum fünften Mal zu verlängern, schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Mittwoch:

«Es ist inakzeptabel, dass (Ministerpräsident Pedro) Sánchez diese Ausnahmesituation in unserem Land auf ewig aufrechterhalten möchte. Es gibt in der gewöhnlichen Gesetzgebung genug Instrumente, um die epidemiologischen Kontrollen beizubehalten, ohne die aktuelle Lage verlängern zu müssen. Das würde erfordern, dass die Regierung die Deeskalation ohne die Sondervollmachten plant, mit denen Sánchez vom Alarmzustand ausgestattet wird. Der Regierungschef missbraucht den Notstand, um der Kontrolle durch die Opposition zu entgehen. Aber Spanien darf sich nicht an eine Ausnahmesituation gewöhnen, die die Rechte einschränkt und die Wirtschaft zerstört.»


«Financial Times»: Durchbruch für Streben nach Solidarität

LONDON: Die Londoner «Financial Times» lobt am Mittwoch das von Deutschland und Frankreich vorgeschlagene Corona-Hilfspaket:

«Der französisch-deutsche Vorschlag für einen 500 Milliarden Euro umfassenden Wiederbelebungsfonds zur Behebung wirtschaftlicher Schäden durch die Corona-Pandemie ist ein bedeutender Durchbruch im Streben nach Solidarität zwischen den EU-Staaten. Lange Zeit hat Berlin sich französischen Ambitionen für eine größere fiskalische Lastenteilung widersetzt. Das Argument, dass sonst die Stabilität der Eurozone gefährdet sei, drang einfach nicht durch.

Die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel für umfangreiche Geldtransfers an Stelle von Krediten in stark betroffene Regionen, die durch eine gemeinsame Schuldenaufnahme der EU finanziert werden, ist ein bedeutendes Zugeständnis. Es entspricht der Schwere dieser Krise und der Notwendigkeit einer mutigen Antwort. (...)

Jene Handvoll Regierungen - namentlich von Österreich, Dänemark, den Niederlande und Schweden -, die misstrauisch sind hinsichtlich der Ausgestaltung dieses Plans und der Folgen für die Schulden- und Ausgabenpolitik der EU, würden gut daran tun, ihn nicht zu blockieren oder seine Kerneigenschaften nicht zu verwässern.»


«DNA» : Deutsch-französischer Hilfsfonds-Vorschlag bricht Tabus

STRAßBURG: Den von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel geplante europäische Hilfsfonds kommentiert die französische Tageszeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» am Mittwoch:

«(...) Aktuell beharren Österreich, Schweden, die Niederlande und Dänemark noch auf ihrer Position. Da heißt es «nej», «neen», «ingen», kurz gesagt: «nein». Für diese Länder steht es außer Frage, ein europäisches Anleihen in Höhe von 500 Milliarden Euro zu vergemeinschaften. Dieses Geld würde jenen Staaten helfen, die am schwersten vom Virus getroffen wurden - um es schematisch darzustellen: die Südstaaten. Die Anleihen müssten gemeinsam zurückgezahlt werden. Unweigerlich auch von den nördlichen Staaten. (...) Nichts deutet natürlich darauf hin, dass die anderen 25 Staaten der Europäischen Union den deutsch-französischen Vorschlag akzeptieren ohne diesen anzufechten.(...) Dass diese Initiative aber endlich Gestalt annimmt und auf höchster politischer Ebene diskutiert wird, ist bereits ein großer Durchbruch. Es ist das Symbol dafür, dass ein Tabu gebrochen wurde. Dass Solidarität nicht mehr nur ein leeres Konzept darstellt und dass man gemeinsam darüber am Tisch sprechen kann, selbst zu siebenundzwanzigst.»


«Tages-Anzeiger»: Trump verspielt Führungsrolle der USA

ZÜRICH: Der Zürcher «Tages-Anzeiger» kommentiert am Mittwoch die Auseinandersetzung zwischen den USA und China:

«Trump macht die WHO zum Austragungsort der geopolitischen Auseinandersetzung mit China. Er instrumentalisiert die Krise für Wahlkampfzwecke. Das ist für die weltweiten Anstrengungen zur Eindämmung der Pandemie so förderlich wie das Trinken von Desinfektionsmitteln, über das er neulich faselte.

Der Präsident verspielt so den Rest der internationalen Führungsrolle, die sein Außenministerium Tag für Tag reklamiert - und macht es China unnötig leicht, dieses Vakuum zu füllen, jenem nominell kommunistischen System also, das zu konfrontieren er ja vorgibt. Während Trump versucht, den USA privilegierten Zugriff auf einen möglichen Impfstoff zu sichern, seift sein Widersacher, Chinas Präsident Xi Jinping, die Welt mit großen Versprechen ein: zwei Milliarden Dollar gebe es für die Entwicklungsländer; und einen Impfstoff werde Peking mit allen teilen.»


«NZZ»: Noch viel Überzeugungsarbeit notwendig

ZÜRICH: Zum deutsch-französischen Rettungspaket meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch:

«Wie immer man zu dem Vorhaben steht, die deutsch-französische Initiative bringt neuen Schwung in die Debatte über den Ausweg aus der Krise. Zuletzt hatten sich die Finanzminister aus Nord und Süd an endlosen Videokonferenzen gezankt, ohne sich näherzukommen. Aber auch die wohlinszenierten Ankündigungen der Kommissionspräsidentin von der Leyen von großen Rettungspaketen wirkten mehr surreal als beruhigend, weil dahinter keine handfeste politische Macht stand.

Dank Merkel und Macron ist das jetzt anders. Doch der Weg wird jetzt erst recht mühselig. Der Fonds kann nur geschaffen werden, wenn alle 27 Staaten und ihre Parlamente Ja sagen. Die Arbeitsteilung zwischen Berlin und Paris besteht zunächst darin, dass die Franzosen die Länder im Süden und die Deutschen jene im Norden von dem Vorhaben zu überzeugen versuchen. Das wird vor allem für Merkel schwierig. Niederländer, Dänen und Schweden bilden zurzeit eine geschlossene Ablehnungsfront gegen Gemeinschaftsschulden.»

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