Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Münchner Merkur» zu Moria

Die rauchenden Trümmer von Moria zeigen drastisch das Versagen der europäischen Migrationspolitik.

Zwei Extreme beherrschen seit Monaten die Flüchtlingsdebatte. Einerseits die leeren Lockrufe am lautesten von Linken, Grünen, Liberalen, wie viele Menschen gleich jeder Herkunft doch bei uns wunderbar Platz hätten. In der Realität andererseits werden die Migranten in überfüllten, dreckstrotzenden Notunterkünften auf Lesbos kaserniert, eines stolzen, reichen Kontinents unwürdig. Der richtige Mittelweg wäre eine harte Linie an der Außengrenze, aber menschenwürdige Unterkünfte und zügige Verfahren spätestens dort -- doch das haben Europa und das von allen allein gelassene Griechenland versäumt, nein: wissentlich vertrödelt.


«Frankfurter Rundschau» zum Brand im Flüchtlingslager Moria

Moria liegt in Trümmern - und damit auch Europas sogenannte Asylpolitik.

Dabei hätte bereits vor Ort wenig viel bewirkt: Zelte, mobile Toiletten, Trinkwasseraufbereitungsanlagen und Essenspakete hätten mühelos bereitgestellt werden können. Angesichts des minimalen erforderlichen Aufwands, um halbwegs erträgliche Bedingungen für die Geflüchteten zu schaffen, liegt der Schluss nahe, dass Europas Regierungen nicht helfen wollten. Dass Bilder vom Elend gewollt sind, um Geflüchtete von Europa fernzuhalten. Moria ist zur Chiffre geworden für eine EU, die ihre Werte verrät. Die Verantwortlichen müssen damit rechnen, der Doppelmoral bezichtigt oder verlacht zu werden, wenn sie gegenüber Dritten auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards pochen. Die Folgen davon sind noch nicht zu ermessen. Fürs Erste geht es um Schadensbegrenzung. Deutschland und die EU müssen Helfer und Material nach Lesbos schicken.


«Stuttgarter Zeitung» zu Moria/EU-Flüchtlingspolitik

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Lage in Moria auf die ein oder andere Weise eskalieren würde.

Nun ist es das Feuer, das Europas größtes Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos zerstört hat. Der Schein der Flammen hat ein grelles Licht auf den wohl dunkelsten Flecken der Europäischen Union geworfen. Europa blickt auf die qualmenden Reste des Camps und wird mit dem eigenen Versagen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik konfrontiert.


«Der Spiegel» zum Feuer im Flüchtlingscamp Moria

Die Flüchtlinge müssen in Europa umgesiedelt werden, so, wie es Expertinnen und Experten seit Monaten fordern.

Und dann müssen sich die Europäer, endlich, endlich, auf ein gemeinsames Asylsystem einigen, dass die Schutzsuchende fair über den gesamten Kontinent verteilt. Trotzdem ist fraglich, ob es dazu kommen wird. Nach der Verantwortung Deutschlands für die Menschen in Moria gefragt, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nur: «Wenn sich in Europa herumspricht, dass alle Flüchtlinge, die jetzt zur Debatte stehen, von Deutschland aufgenommen werden, werden wir nie eine europäische Lösung bekommen.» Es war ein Statement von erschreckender Kälte. Die EU nimmt für sich in Anspruch, nicht nur eine wirtschaftliche und politische, sondern auch eine moralische Macht zu sein. Auf Lesbos hat sie jede moralische Autorität eingebüßt.


«de Volkskrant»: Aufstand in Belarus wird von Frauen getragen

AMSTERDAM: Zur Rolle von Frauen bei der Protestbewegung in Belarus (Weißrussland) heißt es am Mittwoch in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Schon bevor die Oppositionelle Maria Kolesnikowa an der belarussisch-ukrainischen Grenze ihren Pass zerriss, um ihre Deportation zu verhindern, war klar, dass der Volksaufstand gegen Diktator Alexander Lukaschenko von Frauen getragen wird. Während des Wahlkampfs waren es drei Frauen, die im ganzen Land Hunderttausende mobilisierten. Es war eine Frau, die bei der Abstimmung gegen Lukaschenko antrat und den Demonstranten nun als Wahlsiegerin gilt. Und es sind mutige Frauen, die auch nach einem Monat der Polizeigewalt der Bevölkerung weiter Hoffnung geben mit Frauenmärschen und mit ihrer Vorreiterrolle. Genau deshalb hat das Lukaschenko-Regime eine Spezialoperation unternommen, um Kolesnikowa aus dem Land zu vertreiben.


«De Standaard»: Rennen um Corona-Impfstoff noch nicht gewonnen

BRÜSSEL: Zur Suche nach einem Corona-Impfstoff heißt es am Mittwoch in der belgischen Zeitung «De Standaard»:

«Unter normalen Umständen drängen Pharmaunternehmen mit aller Macht, und die Behörden sorgen für die Befolgung strikter Regeln. Aber nun sind die Regierungen die Bittsteller. Sie unterstützen die Pharmaunternehmen mit Milliarden. Sie sind hilfreich bei der drastischen Verkürzung der Forschungsphasen. Sie finanzieren die Produktion von Impfstoffen vor, die eigentlich noch getestet werden müssen. Sie tragen einen Teil des Risikos. Und verteilen schon Hunderte Millionen Impfdosen, die erst noch produziert werden müssen. Aber das Rennen ist nicht am dem Tag gewonnen, an dem der erste Impfstoff zur Verfügung steht. Sondern erst an dem Tag, an dem 80 Prozent der Bevölkerung mit einem gut wirkenden Impfstoff immunisiert sind, der keine schweren Nebenwirkungen aufweist.


«Diena»: Keine guten Aussichten vor US-Wahl

RIGA: Die lettische Tageszeitung «Diena» kommentiert am Mittwoch den US-Wahlkampf:

«Angesichts der gegenwärtigen innenpolitischen Spannungen mangelt es selbst den USA nicht an Experten, die einen möglichen Bürgerkrieg sehen, durch den es zur Aufteilung der Vereinigten Staaten in Bundesstaaten kommt, von denen die einen Donald Trump unterstützen und die anderen dessen Rivalen Joe Biden. Und von denen dann jeder den einen oder den anderen als «echten» Präsidenten betrachten wird. Dies ist das schlimmste aller Szenarien. Wahrscheinlicher ist, dass auf die Wahl ein langwieriger Prozess folgt, in dem beide Seiten ihren Gegner verschiedener Unregelmäßigkeiten während der Wahl beschuldigen. Dadurch wird sich die Amtseinführung verzögern.»


«Gazeta Wyborcza»: Kolesnikowa hat Lukaschenkos Plan durchkreuzt

WARSCHAU: Die Festnahme der Oppositionellen Maria Kolesnikowa in Belarus kommentiert die linksliberale polnische Zeitung «Gazeta Wyborcza» kommentiert am Mittwoch:

«In den 26 Jahre der Herrschaft von Alexander Lukaschenko war das Schicksal seiner Gegner oft dramatisch. Die Geschichte kennt Entführungen durch Unbekannte, heimtückische Morde, lange Haftstrafen, Folter im Gefängnis, Erpressung mit dem Wohl der Angehörigen und das Verbot, auf legale Weise für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Eine Flucht ins Ausland hat Lukaschenko immer gerne erlaubt. Das soll die Schwäche seiner Gegner zeigen.

Indem er erst die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und dann die Mitglieder des Kooperationsrates zur Ausreise zwang, wollte Lukaschenko ihren politischen Einfluss beschränken. Bis Montag war Maria Kolesnikowa die einzig bekannte Figur aus diesem Rat, die noch in Freiheit war. Bislang trafen die Betroffenen ihre Entscheidung zur Flucht selbst, das Regime machte nur Druck. Im Fall Kolesnikowas wurde versucht, sie mit Gewalt aus Belarus rauszuwerfen. Das zeigt, wie wichtig es für Lukaschenkos Regime ist, sie loszuwerden. Dank Kolesnikowas Entschlossenheit ist der Plan nicht aufgegangen. Indem sie im Land geblieben ist, hat sie bewirkt, dass der Kooperationsrat immer noch eine einflussreiche Repräsentantin dort hat.»


«El País»: Neue Lage in Venezuela

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» sieht in einem Kommentar am Mittwoch Licht am Ende des Tunnels im innenpolitischen Dauerstreit Venezuelas:

«Die institutionelle Krise Venezuelas ist in ein völlig neues Stadium eingetreten. Die Ankündigung des Regimes von Nicolás Maduro, 100 politische Häftlinge und Verfolgte freizulassen und die für den 6. Dezember geplante Parlamentswahl von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union überwachen zu lassen, könnte die gefährliche Lähmung des Landes beenden. Die Ankündigung eines wichtigen Teils der Opposition unter Führung von Henrique Capriles, an diesen Wahlen teilzunehmen, öffnet trotz Bedenken hinsichtlich der Bedingungen der Wahl und ihres Termins den Weg für eine friedliche und demokratische Lösung eines Konflikts, der den Karibikstaat sozial und wirtschaftlich in eine katastrophale Lage manövriert hat. (...)

Es hängt nun von der gesamten demokratischen Opposition ab, dass dieser Prozess in eine zufriedenstellende Lösung mündet, die nichts anderes als die Rückkehr zur Demokratie in Venezuela sein kann. Die vorläufige Weigerung des von Interimspräsident Juan Guaidó angeführten Teils der Opposition, an der Wahl teilzunehmen, sollte nicht zu einer Klippe werden, an der dieser Prozess der Öffnung scheitert. Die internationale Gemeinschaft muss nun alles unternehmen, damit die Wahl frei und transparent wird.»


«Corriere della Sera»: Lukaschenkos durchsichtiges Spiel

MAILAND: Zur Lage in Belarus und der Festnahme der Oppositionellen Maria Kolesnikowa meint die Mailänder Tageszeitung «Corriere della Sera» am Mittwoch:

«Es war der Versuch, auch Maria Kolesnikowa loszuwerden, die letzte verbliebene Anführerin der Oppositionellen in Belarus. Aber auch wenn es sich immer noch KGB nennt, der Sicherheitsdienst des Landes ist nur ein blasses Imitat des tödlichen Apparats der Sowjetunion. Und so ist der Versuch, eine Flucht der Frau in die Ukraine zu inszenieren, auf Alexander Lukaschenko zurückgefallen, den herrschsüchtigen Vater, der die Ex-Sowjetrepublik seit 26 Jahren fest in seinem Griff hält. (...) Das Spiel von Lukaschenko ist durchsichtig und bislang hat er damit Erfolg gehabt. Weil er mit der brutalen Unterdrückung nicht weiterkam, hat er sich entschieden, darauf zu setzen, die Oppositionsbewegung zu enthaupten. Aber, das hat man in diesen Stunden gesehen, wenn ein Kopf weg ist, taucht ein anderer auf, weil die Menschen den letzten Diktator in Europa nicht mehr aushalten.»


«Nepszava»: Diktatoren verstehen nur ihre eigene Sprache

BUDAPEST: Zur deutschen Diskussion um einen Stopp für die Gaspipeline Nord Stream 2 wegen des Falls Nawalny meint die ungarische Tageszeitung «Nepszava» am Mittwoch:

«Natürlich wäre es verfrüht, jetzt schon für bare Münze zu nehmen, dass Berlin auf dieses Mittel zurückgreift. Es sind nämlich Dutzende (deutsche) Firmen mit ihren wirtschaftlichen Interessen an Nord Stream 2 gebunden. Doch allein indem diese Option erwogen wird, signalisiert man, dass man im Westen langsam erkennt, dass Diktatoren nur ihre eigene Sprache verstehen. Sie geben nur nach, wenn man sie bedroht. Selbst wenn dies nur um den Preis möglich ist, dass damit auch das Land schlecht fährt, das Sanktionen einführt.»


«Dagsavisen»: Auslieferung von Julian Assange stoppen

OSLO: Die norwegische Tageszeitung «Dagsavisen» (Oslo) kommentiert am Mittwoch die US-Bemühungen um eine Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange:

«Assange kommt aus Australien. Wir sind also in der Situation, dass ein Ausländer in den USA wegen Spionage angeklagt wird, weil er publizistisch tätig war. Das ist ein dramatischer Angriff auf die Pressefreiheit. Alle Journalisten, Publizisten und Verfechter der Meinungsfreiheit sollten die Proteste gegen die Auslieferung von Julian Assange an die USA unterstützen. Wenn nicht, riskieren wir, dass auch anderer aufdeckender, machtkritischer Journalismus strafrechtlich verfolgt wird. Um es ganz klar auszudrücken: Stoppt die Auslieferung von Julian Assange an die USA. Und lasst den Mann frei.»


«Times»: Verhandlungen mit EU vielleicht schon vergiftet

LONDON: Die britische Regierung strebt per Gesetz Änderungen am Brexit-Abkommen mit der EU an. Dazu meint die Londoner «Times» am Mittwoch:

«Allein schon mit der Drohung, diesen Weg einzuschlagen, läuft die Regierung Gefahr, Großbritanniens internationalem Ansehen schweren Schaden zuzufügen. Das größere Risiko besteht darin, dass Boris Johnson es tatsächlich ernst meint. Er wettet vielleicht darauf, dass viele Tory-Abgeordnete, die die Bedenken von (Ex-Premierministerin) Theresa May teilen, wenig tun könnten, um die Regierung aufzuhalten, wenn sie sich für einen «No-Deal Brexit» entscheidet und aus dem EU-Austrittsabkommen aussteigt. Es bedürfte einer massiven Rebellion, um sie zu zwingen, ein entsprechendes Gesetz zu überdenken.

Doch der Schaden könnte bereits angerichtet worden sein. Johnson könnte durch die Drohung, bestehende Verpflichtungen zu brechen, die Verhandlungen so vergiftet haben, dass die Gespräche scheitern. Wenn das so kommt, könnte Großbritannien sich auf gefährliches Neuland begeben.»


«NZZ»: Allianz der Giftmischer und Menschenräuber

ZÜRICH: Zum Umgang des Westens mit der Krise in Belarus (Weißrussland) heißt es am Mittwoch in der «Neuen Zürcher Zeitung»:

«Sanktionen gegen das Lukaschenko-Regime sind eine stumpfe Waffe. Für eine Führungsclique, die um ihr politisches Überleben kämpft, stellt die Androhung von Einreiseverboten eine geringe Sorge dar. Aber die Tatsache, dass die EU nun bereits seit einem Monat über Sanktionen berät und eine entsprechende Namenliste vermutlich erst in zwei Wochen formell beschliessen wird, deutet auch auf eine generelle Unlust hin, sich mit dem schwierigen Thema zu befassen. Der Westen wirkt führungslos, obwohl es zentrale Werte der demokratischen Welt sind, die in den Straßen von Minsk, Grodno und Brest auf dem Spiel stehen. (...)

Es ist eine Allianz der Giftmischer und Menschenräuber, die sich da gefunden hat. In Putins Reich müssen Opponenten befürchten, mit Chemiewaffen umgebracht zu werden, während Lukaschenko sich damit hervortut, seine Gegner zu kidnappen und aus dem Land zu spedieren. Ohne Putins politischen Rückhalt wären ihm vermutlich längst die Felle davongeschwommen. Das jedoch gilt es zu bedenken, wenn über Hilfe für das bedrängte weißrussische Volk nachgedacht wird. Druck auf Lukaschenko beginnt damit, Druck auf seinen Komplizen im Kreml auszuüben.»


«Los Angeles Times»: Müssen reparieren, was wir kaputt gemacht haben

LOS ANGELES: Zu den seit Wochen anhaltenden Waldbränden im US-Bundesstaat Kalifornien schreibt die US-Zeitung «Los Angeles Times» am Mittwoch:

«Wir müssen diese Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden, wenn wir noch die geringste Hoffnung haben wollen, den Schaden zu begrenzen, den wir der Umwelt weltweit und uns selbst bereits zugefügt haben. Wir müssen aufhören, Gemeinden an Orten aufzubauen, von denen wir wissen, dass es dort brennen wird.

Wir müssen mit dummen Dingen aufhören wie dem Zünden von Feuerwerkskörpern in Waldgebieten. Wir müssen uns darauf einrichten, wie sich der Anstieg des Meeresspiegels nicht nur auf die Siedlungen an der Küste, sondern auch auf die Küstengrundwasserleiter auswirken wird, die dem Eindringen von salzigem Meerwasser ausgesetzt sind. Wir müssen besser und nachdrücklicher die Verantwortung dafür übernehmen, zu reparieren, was wir kaputt gemacht haben. Wir müssen so viel tun, dass es überwältigend und entmutigend sein kann. Aber wir dürfen nicht nachgeben. Wildfeuer scheren sich nicht darum.»

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