Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Strafmündigkeit von Kindern

Bringt ein Mensch einen anderen um, reagiert der Rechtsstaat.

(.) Ist er jünger als 14 Jahre, sieht das Gesetz aber keine Strafe vor. (.) Dafür gibt es gute Gründe: (.) Sie muss wirken können - teils als Sühne, teils als Abschreckung. Dass ein Täter Recht und Unrecht unterscheiden kann, ist für beides Voraussetzung. Ein Kind kann das nicht. (.) Eine Debatte über Altersgrenzen ist an anderer Stelle angezeigt: Werden Volljährige vor ihrem 21. Geburtstag straffällig, verurteilen sie die Gerichte oftmals nach dem Jugendstrafrecht. (.) Gleichzeitig ist die Teilnahme an der Bundestagswahl für alle ab 18 Jahren möglich. Die Ampelkoalition strebt gar das Wählen mit 16 an. Wem der Staat aber zutraut, diese staatsbürgerliche Verantwortung zu tragen, den sollte auch der Strafrichter nicht wie einen Jugendlichen behandeln.


«Handelsblatt» zur Credit Suisse

Körner sagte auch, dass sich der Fall Credit Suisse nicht mit dem Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank vergleichen lasse, der seit einer Woche die Märkte rund um den Globus erschüttert.

Damit hat Körner recht, nur leider nutzt das nichts. Die Krise der Credit Suisse ist hausgemacht und auch in der europäischen Bankenlandschaft ein Einzelfall. Geschuldet sind die Turbulenzen einer toxischen Mischung aus chronischen Kontrollschwächen, schlampigem Risikomanagement und falscher Strategie. Das macht den Fall aber nicht weniger gefährlich. Denn die Schweizer gehören eindeutig zu jenen Banken, die in die Kategorie "too big to fail" fallen. Diese Institute sind so groß und vor allem so eng mit dem Rest der Finanzwelt vernetzt, dass sie einfach nicht scheitern dürfen.


«Berliner Morgenpost» zu Netanjahu

Das demokratische Deutschland bekennt sich aufgrund seiner historischen Verantwortung ohne Wenn und Aber zum Existenzrecht des jüdischen Staates.

Das ist der Rahmen, wenn der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in diesen Tagen zu Besuch in Deutschland ist. Heikel sind Besuche israelischer Spitzenpolitiker in Deutschland immer. Doch auf diese Visite Netanjahus trifft das ganz besonders zu: Er und seine sehr rechte Regierungskoalition sind gerade dabei, mit einer umstrittenen Reform die Unabhängigkeit der israelischen Justiz zu schwächen. Nach Auffassung zahlreicher Kritiker ist die Gewaltenteilung und damit die Demokratie insgesamt in Gefahr. Die Vorgänge können keinen Demokraten und keinen Freund Israels kaltlassen. Es wäre allerdings vermessen, vom Kanzler oder Bundespräsidenten zu erwarten, dass sie Netanjahu öffentlich die Leviten lesen. Wenn überhaupt, lässt sich hinter den Kulissen Kritik üben. Es gehört sich nicht, sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen. Im Falle Israels ist Deutschland erst recht nicht in der Position, dies zu tun.


«New York Times»: Weitere Bankenrettung muss vermieden werden

NEW YORK: Zur Rettung der US-amerikanischen Silicon Valley Bank und der Versäumnisse von Politik und Aufsichtsbehörden schreibt die «New York Times»:

«Da haben wir es wieder. Die US-Regierung rettet den Bankensektor, und das amerikanische Volk, das diese Show schon viel zu oft gesehen hat, hat allen Grund, wütend zu sein.(...) Doch die Einzelheiten des Aufstiegs und Falls der Silicon Valley Bank sind deprimierend vertraut. Die Bank ging große Risiken ein, um schnell zu wachsen, indem sie Geld sammelte und in eine Vielzahl von Technologie-Start-ups investierte; ihre Aktionäre jubelten, Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsbehörden mischten sich nicht ein. (...)

Entscheidungsträger - im US-Kongress, im Finanzministerium und in der (US-Notenbank) Federal Reserve - haben die Pflicht, der amerikanischen Öffentlichkeit zu erklären, wie die Dinge so weit außer Kontrolle geraten konnten. (...) Diese Rettungsaktion ist notwendig, weil die Regierung nicht genügend aufgepasst hat. Die Entscheidungsträger sollten ehrlich zu diesen Fehlern stehen und klar sagen, welche Schritte sie unternehmen werden, um eine Wiederholung zu vermeiden.»


«La Repubblica»: Der befürchtete Zwischenfall ist eingetreten

ROM: Zu dem Absturz einer US-Aufklärungsdrohne über dem Schwarzen Meer schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Mittwoch:

«Im Karussell der Flugzeuge, die am Himmel über Europa miteinander konkurrieren, ist der von vielen befürchtete Zwischenfall eingetreten: ein Absturz, der die Spannungen auf die höchste Stufe bringt und unvorhersehbare Auswirkungen auf die durch die Invasion der Ukraine ausgelöste Konfrontation zwischen der Nato und Russland haben könnte. (...) Keine Entschuldigung (von russischer Seite), sondern die Behauptung einer legitimen Aktion. Dies verdeutlicht die Unduldsamkeit des Kremls gegenüber den täglichen Missionen der atlantischen Spionageflugzeuge, die strategische Informationen für den ukrainischen Widerstand sammeln.

Nun bleibt abzuwarten, ob die USA Kampfjets zum Schutz ihrer Flüge entsenden und damit das Risiko einer «unfreiwilligen Eskalation» erhöhen, von der das Pentagon am Abend sprach. Eine brandgefährliche Situation, in der die von Wladimir Putin einige Stunden nach dem Abschuss der Drohne ausgesprochenen Worte schwer wiegen: «Wir kämpfen für das Überleben des russischen Staates».»


«DNA»: Wiederaufnahme der Beziehungen in Nahost folgenreich

STRAßBURG: Zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Les Dernières Nouvelles d'Alsace» (DNA) am Mittwoch:

«Die in Peking verkündete Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran ist wie ein Erdbeben. Es ist ein Ereignis, dessen Nachbeben die Landschaft weit über den Nahen und Mittleren Osten hinaus verändern werden. Bis hin zu den USA, die die Saudis sich unaufhaltsam aus ihrem Einflussbereich entfernen sehen; bis hin zum Israel von (Ministerpräsident Benjamin) Netanjahu, für den ein Teil seiner Strategie zusammenbricht; bis hin zu China selbst, das seine Fäden zieht und sich auf dem globalen Schachfeld eine neue Rolle maßschneidert, indem es Allianzen vermehrt und sich als Vermittler inszeniert. (...)

Für Saudi-Arabien ist das Abkommen eindeutig die Bestätigung eines neuen Status. (...) Für den Iran durchbricht das Abkommen die Isolation zu einem Zeitpunkt, da die Islamische Republik zwischen dem Hammer internationalen Sanktionen und dem Amboss einer Volksrevolte eingezwängt ist. Für den Frieden in der Region, vor allem im Jemen, ist es zweifelsohne eine gute Nachricht, weil die Spannungen abnehmen werden. Für die Regimegegner ist es jedoch eine Katastrophe, da sie ihren Traum von Freiheit in weite Ferne rücken sehen, und für den Westen eine Ohrfeige. Mit der Unterstützung aus Riad, wenn auch nur als Lippenbekenntnis, ist die Macht in Teheran plötzlich viel weniger verwundbar.»


«Dagens Nyheter»: Und Deutschland will ein Klimavorbild sein

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) meint am Mittwoch zur deutschen Blockade des geplanten Aus für neue Autos mit Verbrennermotor in der EU ab 2035:

«Alle dachten, dass alles klar ist für das EU-Verbot fossiler Autos ab 2035. Dann änderte Deutschland seine Meinung. Das Problem mit der deutschen Haltung ist, dass sich Pkw leicht elektrifizieren lassen. Die Umstellung der Automobilindustrie durch E-Fuels zu verzögern, wäre wirtschaftlicher Wahnsinn und würde riskieren, bestimmte Arten gefährlicher Emissionen stark zu erhöhen. Deutschland möchte gerne ein Klimavorreiter sein, in der EU und in der Welt. Es investiert stark in erneuerbare Energien, will das Heizen mit Gas verbieten und bemüht sich sehr um Energieeffizienz. Aber wenn es um das Nationalsymbol Auto geht, dann hört es auf.»


«El Mundo»: Das Gespenst von 2008 schwebt noch über den USA

MADRID: Zum Kollaps der Silicon Valley Bank in den USA schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Mittwoch:

«Präsident (Joe Biden) hat in seiner Rede völlig richtig reagiert: Er hat die Einlagen von Privatpersonen und Unternehmen garantiert, ohne dies auf Kosten der Steuerzahler zu tun. Und er versicherte außerdem, dass der Staat Aktionäre und Anleiheinvestoren nicht entschädigen werde. Und dennoch schwebt das Gespenst der Finanzkrise von 2008 weiterhin über den Köpfen der Bürger der USA. Und es wird so schnell nicht verschwinden. Die Kosten der aktuellen Krise lassen sich unterdessen noch nicht berechnen, weil sie noch nicht vorbei ist.

Die Lage ist ungünstig, auch wenn die erwarteten Zinserhöhungen jetzt vielleicht ausgesetzt werden. Neben der Inflation und einer zögerlichen Geldpolitik der Zentralbanken kommt der Steuer-Populismus von Regierungen wie der spanischen hinzu, die die Banken, die unter Finanzstürmen wie dem aktuellen leiden, verteufeln.»


«NZZ»: Schließung von Kaufhäusern hat eine lange Vorgeschichte

ZÜRICH: Zur Schließung von Galeria-Warenhäusern meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch:

«In der «Geiz ist geil»-Nation Deutschland hat die mangelnde Profitabilität vieler Kaufhäuser eine lange Vorgeschichte. Schon in den 1980er und 1990er Jahren gewannen Einkaufszentren an den Rändern der Städte an Beliebtheit. Mit ähnlich vielfältigen Angeboten wie Innenstadt-Kaufhäuser und großflächigen Parkmöglichkeiten ersparten sie der Landbevölkerung die Fahrt in die City, in der Stadtverwaltungen schon damals den Autofahrern den Kampf angesagt hatten. (...)

Für wohl fast jedes Produkt gibt es im World Wide Web einen spezialisierten Anbieter wie Zalando oder einen Vollsortimenter wie Amazon. Und wem die in Deutschland verfügbaren Waren nicht reichen, der kann problemlos bei Amazon in Großbritannien oder dem chinesischen Pendant Alibaba bestellen. Die Lieferung erfolgt jeweils bequem bis in die Wohnung, das spart Zeit und oft auch Geld. Dazu fordern die heutigen Besitzer der Liegenschaften in den Herzen der Innenstädte womöglich unrealistisch hohe Mieten. Das Ergebnis dieser Entwicklungen ist die Schließung von Hunderten Kaufhäusern.»


«Irish Times»: Deutsche Katholiken werden nicht schweigen

DUBLIN: Die «Irish Times» kommentiert am Mittwoch den Reformprozess Synodaler Weg der deutschen Katholiken:

«Während die Kirche weltweit das zehnjährige Jubiläum von Papst Franziskus an der Spitze einer ideologisch gespaltenen Kirche feiert, drängt seine linke Flanke in Deutschland darauf, dass die Kirche die Art von Segnungen offiziell macht, die bereits von vielen Diözesen inoffiziell gewährt werden - unter Verletzung dessen, was ein hochrangiger Vatikankardinal als «die aktuelle Doktrin der Kirche» bezeichnete. Darüber hinaus hat die Synodalversammlung von 230 deutschen Bischöfen und Laien die Bischöfe des Landes beauftragt, sich in Rom für eine Aufhebung der Pflicht zum priesterlichen Zölibat einzusetzen und die Weihe von Frauen zu unterstützen.

Die Konsultation der Laien ist eine Sache, aber der Vatikan wird glauben, dass er es nicht zulassen kann, dass einfache Mitglieder die Autorität erhalten, Bischöfen Weisungen zu erteilen. Dies ist keine Demokratie. Die deutsche Kirche, die von sexuellen Skandalen zutiefst erschüttert wurde und seit dem Jahr 2000 ein Fünftel ihrer Mitglieder verloren hat, glaubt jedoch, dass ihr Überleben davon abhängt, den Laien mehr Mitspracherecht zu geben. Sie wird sich nicht zum Schweigen bringen lassen.»


«De Telegraaf»: Zentralbanken müssen Inflation bekämpfen

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «De Telegraaf» plädiert am Mittwoch für weitere Zinserhöhungen zur Bekämpfung der Inflation:

«Die galoppierende Inflation zwingt die Zentralbanken, die Zinssätze in hohem Tempo zu erhöhen. Jahrelang haben sie die Wirtschaft mit kostenlosem Geld in die Abhängigkeit getrieben. Extrem niedrige Zinssätze ließen die Aktienmärkte in die Höhe schießen. Auch die Immobilienpreise gingen nach oben. Viel zu leicht konnten sich Regierungen Geld leihen.

Nun gibt es ein erstes Opfer. Die amerikanische Silicon Valley Bank geriet wegen der rasch steigenden Zinsen in Schwierigkeiten. Nach dem Debakel der Bankenkrise ist dies bemerkenswert. Haben Banken und Aufsichtsbehörden keine Lehren daraus gezogen? (...)

Derweil ist die Diskussion über die Risiken höherer Zinssätze wieder im Gange. Die Zentralbanker sollten sich aber auf keinen Fall darauf einlassen. Ihre primäre Aufgabe ist es, die europäischen Bürger vor den extremen Preissteigerungen zu schützen, die derzeit ihre Kaufkraft aushöhlen. Dazu müssen die Zinssätze auf ein normales Niveau zurückkehren. Wenn sich herausstellt, dass einige Banken dieser neuen Realität nicht standhalten können, werden die Banker und ihre Aktionäre die Folgen zu tragen haben.»


«Der Standard»: Showdown in der SPÖ vielleicht deren letzte Chance

WIEN: Zum nun auf die Entscheidung zusteuernden Machtkampf bei den Sozialdemokraten in Österreich schreibt die Wiener Zeitung «Der Standard»:

«Die SPÖ ist derzeit tief gespalten, zerstritten, verunsichert und entnervt. Dass (Anm.: Der burgenländische Ministerpräsident) Doskozil aus der Deckung kommt, war dringend notwendig. (...) In der SPÖ wird gerade immer lauter auf allen Ebenen darüber gestritten, wofür die Partei steht, für wen sie kämpft, wen sie ansprechen will und mit welchen strategischen Partnern sie in Zukunft zusammenarbeiten soll. Würde diese Auseinandersetzung nun moderiert in eine Bahn gelenkt, könnte das eine historische Chance bergen. Vielleicht auch die letzte für die SPÖ.»

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