Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zur Klima- und Wirtschaftspolitik der EU

Es ist richtig und wichtig, dass Europa schnell auf das Subventionsprogramm der USA reagiert.

Washington pumpt mit dem Inflation Reduction Act Milliardensummen in den grünen Umbau der eigenen Wirtschaft. Im Gegenzug will die EU ihren Mitgliedsländern nun ebenfalls erlauben, gezielt Unternehmen zu unterstützen, die in umweltfreundliche Technologien investieren. Das schützt nicht nur das Klima, sondern auch die heimische Industrie. Doch ist auf diesem Weg größte Umsicht geboten, denn Subventionen sind kein Allheilmittel. Zu Recht befürchten ärmere EU-Länder im Süden oder Osten, weiter abgehängt zu werden. Der Grund: reiche Staaten wie Deutschland können einem Konzern etwa beim Aufbau einer Batteriefertigung wesentlich bessere Bedingungen bieten. Die bereits bestehende wirtschaftliche Spaltung Europas würde weiter vorangetrieben.


«Frankfurter Rundschau» zu Wirtschaftshilfen/EU-Kommission

Der Vorstoß von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Förderung von klimafreundlichen Technologien ist alles andere als ein großer Wurf.

Es ist bestenfalls der Beginn einer Debatte darüber, wie die EU-Staaten auf die Subventionen der USA und China für deren Industrien und die damit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen reagieren sollen. Immerhin in der Höhe der Summen scheint der alte Kontinent mit den Konkurrenten gleichziehen zu wollen. Doch wer sich allein darauf bezieht, wird den Herausforderungen nicht gerecht. China und die USA haben bereits vorgelegt und sich einen Vorsprung erarbeitet. Die Biden-Regierung beispielsweise fördert mit dem US-Inflation Reduction Act nicht nur erneuerbare Energien, sondern investiert auch in das soziale System. Der alte Kontinent muss deshalb nicht hysterisch werden. Vielmehr sollte man die Politik der Großmächte auch als einen Angriff auf die EU werten - auch wenn das nicht das oberste Ziel von Washington und Peking sein mag.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Green-Deal-Industrieplan der EU

Die EU öffnet die Geldhähne und steigt in den Subventionswettlauf mit den USA ein.

(.) Der Plan soll das Milliardenpaket für grüne Technologien von Präsident Joe Biden kontern. (.) Die Teslas, Northvolts und anderen Unternehmen werden das Geld (der Steuerzahler) dankbar mitnehmen. (.) Dabei ist gar nicht klar, ob der "Inflation Reduction Act" überhaupt zum Massenexodus von Investitionen führt. (.) Aber wo Panik davor regiert, im Rennen um die Zukunftstechnologien zurückzufallen, stört ein nüchternen Blick auf Zahlen nur. So wird es nicht lange dauern, bis die Debatte über den nächsten EU-Schuldenfonds Fahrt aufnimmt. Noch hält sich von der Leyen bedeckt dazu, wie sie den Souveränitätsfonds finanzieren will (.). Sie dürfte abwarten, dass ihr andere den Weg dorthin bereiten. Die Rufe werden schon jetzt immer lauter.


«Handelsblatt» zum Neubaustopp von Vonovia

Aus dem Bundesbauministerium heißt es, Vonovia könne sich als größtes Wohnungsunternehmen nicht aus der Verantwortung stehlen, solle Dividendenzahlungen einstellen und das Geld zu Absicherung des Neubaus verwenden.

Auch wenn Vonovia keine Details zur Größe der gestrichenen Projekte machte, ist klar: Mit Blick auf das völlig unrealistische Ziel der Politik, 400.000 neue Wohnungen im Jahr zu bauen, spielen die Pläne von Vonovia allenfalls marginal eine Rolle. Es sind die derzeitigen Rahmenbedingungen, die den Neubau insgesamt hemmen. (.) Da es illusorisch ist, darauf zu hoffen, dass die Niedrigzinsen zurückkommen werden, und sich die Baukosten auch nicht über Nacht halbieren lassen, bleibt nur eines: sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und zu überlegen, welche politischen Rahmenbedingungen es braucht, um den Neubau von Wohnungen wieder wirtschaftlich zu machen. (.) Fest steht: Es entsteht keine einzige neue Wohnung dadurch, dass man sich mit populistischen Forderungen öffentlich bekämpft.


«Süddeutsche Zeitung» zu Russland/Afrika

Die Befreiungsbewegungen Afrikas, die während des Kalten Krieges finanzielle und propagandistische Hilfe aus Moskau erhielten, sind heute an der Macht, und sie stehen nicht besonders gut da.

Von Mosambik über Südafrika bis Angola zerbröseln ganze Volkswirtschaften - durch Korruption, Inkompetenz und Gleichgültigkeit. Die Selbstkritik der Regierungen hält sich aber überall in Grenzen. Der neue Pakt mit Russland und die Verteufelung des Westens dienen oft nur dazu, vom eigenen Scheitern abzulenken.


«Rzeczpospolita»: Die EU ist im Ukraine-Krieg ohne Führung

WARSCHAU: Zum Agieren der EU im Ukraine-Krieg schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Mittwoch:

«Für Akteure wie die EU, die keine Armee hat, ist die Beteiligung an einem Krieg schwierig. Und doch kann sich die EU nicht hinter der Nato oder den USA verstecken. Die russische Invasion in die Ukraine 2014 erfolgte nach der Flucht von Präsident (Viktor) Janukowitsch, der sich auf russisches Diktat hin weigerte, ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Der derzeitige Krieg findet in einem europäischen, nicht in einem amerikanischen «Vorgarten» statt. Amerika kann seine geostrategischen Prioritäten ändern, aber die EU ist für immer an das Schicksal der Ukraine und Russlands gebunden.

Das Problem ist, dass dieser Krieg Fragen aufwirft, auf die die europäischen Politiker keine gemeinsame Antwort haben. Ist es an der Zeit, die Europäische Verteidigungsagentur mit mehr Mitteln und Befugnissen auszustatten, um die kollektiven Anstrengungen Europas zur Herstellung von Waffen zu verstärken? Um diese Entscheidungen zu treffen, bedarf es einer starken Führung. Deutschland ist heute nicht in der Lage, dies zu leisten, und Länder wie Polen wollen keine Stärkung der europäischen Kommandozentrale. Hoffen wir, dass Trump nicht wieder an die Macht in Amerika kommt. Andernfalls wird Europa ohne einen Führer der Gnade Putins ausgeliefert sein.»


«La Repubblica»: Entwicklung der Wirtschaft in EU-Ländern unsicher

ROM: Zur Wirtschaftslage in der EU schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Mittwoch:

«Bereits im Oktober rechnete die EU-Kommission unter Einbezug der erhofften Auswirkungen der Corona-Wiederaufbaugelder mit einer Beschleunigung der italienischen Wirtschaft, deren potenzielles Wachstum sich dem Frankreichs und Deutschlands annähern könnte. Das Maß an Unsicherheit, das diese Vorhersagen umgibt, ist hoch. Erstens wissen wir nicht, wie der Konflikt in der Ukraine und damit auch die Versorgung mit Energie weitergehen. Die europäische Wirtschaft erweist sich jedoch als widerstandsfähiger als man noch im vergangenen Sommer angenommen hatte.

Im Großen und Ganzen wird die Eurozone eine Rezession vermeiden. (...) Die größte Ungewissheit ist die Inflation, die sich laut der italienischen Nationalbank ohne weitere Schocks im Jahr 2023 bei durchschnittlich 6,5 Prozent aufhalten könnte und 2 Prozent erst 2025 erreichen dürfte. Um sicherzustellen, dass die Haushalte diese Schocks überwinden, ist es für die EZB notwendig, eine feste Linie beim Preisrückgang beizubehalten. Leider ist es notwendig, die Zinssätze weiter anzuheben, um die Erwartungen einzudämmen, die den Anstieg weit über Energieprodukte hinaus gerade verstärken.»


«Jyllands-Posten»: Bald beginnt Debatte über Kampfjets für Ukraine

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) kommentiert am Mittwoch die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine:

«Die Diskussion um Leopard-Panzer, die Europa und die USA gerade hinter sich gelassen haben, könnte in Kürze in neuer Form wiederkehren. Polen spricht bereits davon, dass es Lieferungen von alten sowjetischen MiG-Jägern nicht ausschließt. Auch hier müsste Deutschland jedoch grünes Licht geben, denn die Flugzeuge stammen aus alten DDR-Beständen. Die Debatte spiegelt wider, wie sehr sich der Westen in seiner Unterstützung für die Ukraine im Laufe des Jahres verändert hat. Deutschland schickte 5000 Helme, aber die Grenzen wurden schnell verschoben und jetzt hat sogar Berlin Kampfpanzer versprochen. Es ist erfreulich, dass der Westen nun bereitwilliger ist, schwere Waffen zu liefern. Aber niemand sollte sich unrealistische Hoffnungen machen. Es wird Monate dauern, vielleicht ein halbes Jahr, bis die neuen Kampfpanzer kampfbereit sind.»


«Libération»: Graben zwischen Macron und Bevölkerung wird größer

PARIS: Zur geplanten Rentenreform in Frankreich schreibt die französische Tageszeitung «Libération» am Mittwoch:

«Die Französinnen und Franzosen haben sich massenweise mobilisiert, um ihre Wut zu zeigen - bis in kleine Orte hinein, die solche Bewegungen kaum gewöhnt sind. Wut gegenüber einem Reformvorhaben, das sie ungerecht finden. Wut gegenüber der Sturheit eines Mannes, dem Staatschef (Emmanuel Macron), der sich geschworen hat, diese Rentenreform zu seinem Erbe zu machen, koste es politisch und sozial, was es wolle. Wut gegenüber einer Regierung, die den Eindruck vermittelt, alleine Recht zu haben, alleine das Wissen gebunkert zu haben und dass die Masse anderer nicht über die Kapazitäten verfügt, zu verstehen, worum es geht. (...)

Die Bewegung schwächt also nicht ab, ganz im Gegenteil. Und diese Wut könnte leicht die instabile Mehrheit, die das Vorhaben in der Nationalversammlung unterstützt, erschüttern. Die Abgeordneten von (Macrons Partei) Renaissance und auch der Républicains stehen nicht alle stramm. Sie bekommen die Wut mit, die in ihren Wahlbezirken ansteigt und ihnen schaden könnte. Sicherlich, es steht kurz- und mittelfristig keine Wahl an, mal abgesehen von der Europawahl 2024. Und das nutzt Emmanuel Macron. Er glaubt sich in Frieden, doch der Graben zwischen ihm und dem Rest des Landes wächst immer weiter.»


«La Vanguardia»: Putin führt Krieg gegen die Gefährdung seiner Macht

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» schreibt in einem Kommentar am Mittwoch zu den Motiven des russischen Präsidenten Wladimir Putin für den Angriffskrieg gegen die Ukraine:

«Russland als das größte Land der Welt mit elf Zeitzonen war immer davon besessen, seine Grenzen zu kontrollieren. Ein zaristischer General sagte einmal, «die russische Grenze wird nur sicher sein, wenn auf beiden Seiten russische Soldaten stehen». So groß und so unsicher. Das autokratische Staatssystem ist 1917 und 1991 zusammengebrochen und beide Male scheiterten alle Versuche, einen liberalen Staat aufzubauen, die Autokratie erfand sich neu.

Als lupenreiner Autokrat weiß Putin genau, dass westlicher Einfluss gefährlich für die absolute Kontrolle über sein Volk ist und dass er um jeden Preis bekämpft werden muss. Putin ist nicht nur eine Gefahr für die Freiheit der Ukrainer, sondern für ganz Europa. Es gibt im Westen Kreise, die zu russischen Verbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung schweigen und zugleich fordern, die Ukraine solle von Putin beanspruchte Gebiete im Austausch für Frieden abgeben. Es sind dieselben, die glauben, dass das Münchener Abkommen von 1938 ein Pakt war, um die Nazis zu stoppen. Eine richtig verstandene Politik der Beschwichtigung bedeutet aber heute, Putin nicht nachzugeben.»


«NZZ»: Brasilien und Deutschland sind geopolitisch uneins

ZÜRICH: Zum Brasilien-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch:

«Brasilia hätte ein triumphaler Schlussakt von Scholz in Südamerika werden sollen. Doch jetzt zeigte sich, dass sich Brasilien und Deutschland geopolitisch nicht einig sind - vor allem bei ihrer Einschätzung von Russlands Krieg in der Ukraine. Beide Staaten verurteilten zwar in ihrer Abschlusserklärung den russischen Angriff und die Annexion von besetzten ukrainischen Gebieten als «flagrante Verstöße gegen das Völkerrecht». Doch Brasilien will keine Panzermunition an die Ukraine liefern, worum Deutschland wohl schon vor Tagen gebeten haben soll, wie brasilianische Medien berichteten. Auch Bolsonaro hatte letztes Jahr ein ähnliches Ansinnen abgelehnt. «Brasilien will keinerlei Beteiligung an diesem Krieg, auch nicht indirekt», erklärte Lula jetzt.»


«de Volkskrant»: Ukraine-Krieg erinnert Polen an seine Verwundbarkeit

AMSTERDAM: Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges hat Polen angekündigt, in diesem Jahr vier Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Dazu heißt es am Mittwoch in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Damit würde Polen im Verhältnis mehr für die Verteidigung ausgeben als jedes andere NATO-Mitglied. Selbst die Vereinigten Staaten, die über die größte Armee der Welt verfügen, geben mit 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts relativ weniger für die Verteidigung aus. Die polnischen Investitionen sind eine Reaktion auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine. Der Krieg im Nachbarland erinnert Polen an seine eigene Verwundbarkeit. Polen hat nicht nur eine lange gemeinsame Grenze mit der Ukraine, sondern auch mit Russland. (...).

Die USA sehen Polen als einen der wichtigsten Partner in Europa. Am Montag kündigte Präsident Joe Biden an, er werde das Land bald besuchen. Polen investiert nicht nur in seine eigenen Streitkräfte, sondern steht auch an vorderster Front bei der militärischen Unterstützung der Ukraine, zuletzt bei der Diskussion über die Lieferung von Leopard-2-Panzern.»


«The Guardian»: Zweistaaten-Lösung immer weiter entfernt

LONDON: Zum Besuch von US-Außenminister Antony Blinken in Israel meint der Londoner «Guardian» am Mittwoch:

«Die Frage ist nicht mehr, ob eine dritte Intifada stattfinden könnte, sondern was getan werden kann, um sie zu verhindern. Nach einer kürzlich durchgeführten Umfrage glauben 61 Prozent der Palästinenser und 65 Prozent der israelischen Juden, dass sie bevorsteht. Während die Gewalt eskaliert, zeigt die Krise der innenpolitischen Führung in Israel, dass andere einspringen müssten. Aber US-Außenminister Antony Blinken hat deutlich gemacht, dass niemand dies von den USA erwarten sollte. (...)

Das eigentliche Problem ist die immer weiter entfernte Aussicht auf eine Zweistaatenlösung, die die USA zwar dem Namen nach unterstützen, aber nicht vorantreiben. Die Unterstützung für eine Zweistaatenlösung ist sowohl unter den Palästinensern als auch unter den israelischen Juden dramatisch geschrumpft und auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Umfragen vor etwa zwei Jahrzehnten gesunken. Ohne einen praktikablen Weg zu einem eigenen Staat, erleben die Palästinenser, dass die Siedlungen immer mehr weiter ausgedehnt werden und es kaum eine Aussicht auf eine Änderung der Verhältnisse gibt, die Amnesty International, Human Rights Watch und ein UN-Berichterstatter - ebenso wie die israelische Menschenrechtsgruppe B'Tselem - als eine Form der Apartheid beschrieben haben, wenngleich sie sich von jener unterscheidet, die es in Südafrika gab.»

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