Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zur Krankenhausreform

Die Krankenhausreform wird auch in Berlin mit überkommenen Gewissheiten aufräumen.

Zum Beispiel, dass viele Krankenhausbetten ein Zeichen für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem sind. Es ist nicht schlimm, wenn die Charité, Vivantes und andere Krankenhausträger künftig weniger Betten haben, wenn stattdessen die Qualität der Versorgung steigt. Dass einzelne Häuser sich auf bestimmte Themen spezialisieren, ist geboten und in einem Ballungsraum wie Berlin mit seinen kurzen Wegen kein Problem. Niedergelassene Ärzte und Versorgungszentren müssen die Ansprechpartner vor Ort bilden. Dazu müssen die Träger fair kooperieren. Das sollte in Berlin möglich sein.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Null-Covid-Politik Chinas

Der Führer ist also doch fehlbar.

Die über Jahre immer fester zementierte Macht Xi Jinpings über den Staat und die Kommunistische Partei Chinas beruht auf der Annahme, dass der oberste Führer immer und überall die einzig richtige Meinung vertritt. Da dies schon aus logischen Gründen nicht sein kann (.), musste die Repression in Xis China immer härter werden. Lange Zeit ging das gut, ließ sich die glänzende Fassade einer Herrschaft aufrechterhalten. Nun aber hat ein Virus (.) dafür gesorgt, dass Xi Jinping blamiert dasteht. Die Null-Covid-Strategie, die in China und in der Weltwirtschaft großen Schaden angerichtet hat, war seine Idee. Und noch vor wenigen Wochen hat er diese auf dem Kongress der Kommunistischen Partei als allein selig machenden Weg aus der Pandemie verteidigt. (.).


«Frankfurter Rundschau» zur Islamkonferenz

Die Deutsche Islamkonferenz, einst von Wolfgang Schäuble angeschoben, ist von Anbeginn ein Jahrmarkt der Eitelkeiten gewesen (.) was nicht heißt, dass die Konferenz überflüssig ist.

Aber sie sollte den richtigen Schwerpunkt legen: Wie kann es endlich gelingen, dass die vielen islamischen Strömungen institutionell in Deutschland wurzeln? Es geht dabei vor allem ums Geld: Viele Moscheegemeinden finanzieren sich nach wie vor aus dem Ausland und beschäftigen Imame aus der Türkei oder Marokko, weil sie - anders als die Kirchen - kaum inländische Geldquellen haben. So aber finden hierzulande ausgebildete Imaminnen und Imame keinen Zugang in die Gemeindearbeit vor Ort.


«Süddeutsche Zeitung» zur Razzia

Man könnte es sich leicht machen und diese Leute als harmlose Spinner abtun, nach dem Motto: Eine Demokratie muss solche Typen aushalten.

Doch gerade das wäre naiv. Einige der 52 Beschuldigten, die einer terroristischen Vereinigung zur Planung eines bewaffneten Systemwechsels angehören sollen, kommen aus der Mitte der Gesellschaft: Lehrer, Ärzte, Unternehmer. Es sind Menschen, die eigentlich Säulen der Demokratie sein sollten. (.) Ihr "militärischer Arm" sollte nach einem Putsch nicht nur die Spitze einer neuen Armee bilden, sondern zuvor offenbar auch Soldaten und Polizisten anwerben. (.) Die rechten Umtriebe in der Bundeswehr sind immer wieder alarmierend. Es ist die Aufgabe von Politik und Bundeswehrführung, solche Leute von dort fernzuhalten.


«Münchner Merkur» zur Razzia

Das Vorhaben erinnert an den Sturm verhetzter Trump-Anhänger auf das Kapitol, wer weiter zurückblickt, der findet auch Analogien zum Hitlerputsch 1923: Rechtsterroristen, die den Bundestag stürmen wollen, die den Staat okkupieren und die Verfassung aus den Angeln heben wollen - so eine Dimension faschistischer Gewaltplanung ist neu.

Manch einer mag die Phantasien, die der Kopf der Bande, ein abgehalfterter Adeliger aus Thüringen, auch in (unbegreiflicherweise nie gelöschten) Youtube-Videos reichlich dargelegt hat, als Spinnerei abtun. So ist es aber nicht. Die Staatsstreich-Pläne waren weit gediehen und bestürzend konkret. Gezielt haben die Verschwörer Polizeibeamte und Soldaten angesprochen, um in Besitz von Waffen zu gelangen. Das hätte sehr wohl in einem Blutbad enden können.


«Volkskrant»: Schengen-Erweiterung mit Asylpolitik verbinden

AMSTERDAM: Die Niederlande blockieren die Aufnahme Bulgariens in den Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen. Dazu meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Mittwoch:

«Natürlich haben die Niederlande jedes Recht, die verfehlte europäische Asylpolitik anzuprangern. Und die geplante Aufnahme Bulgariens wäre eine hervorragende Gelegenheit, diese Debatte mit Elan zu führen. Aber diese Chance hat Ministerpräsident Mark Rutte bislang nicht genutzt.

Ein Land, das dieses Thema aufgreift, um bessere Vereinbarungen zur Grenzkontrolle, zu Registrierungszentren an den Außengrenzen, zur Rückführungspolitik und zur gegenseitigen europäischen Solidarität zu treffen, hätte das Recht, auch über Schengen zu sprechen, und könnte vielleicht etwas erreichen. Jedenfalls mehr als ein Land, das stumm in der Ecke sitzt und schmollt, weil der Rest der Gruppe eine andere Richtung einschlagen will.»


«Times»: Regierung muss gegen Bahnstreiks vorgehen

LONDON: In Großbritannien hat eine Gewerkschaft für die Weihnachtstage Bahnstreiks angekündigt. Dazu meint die Londoner «Times» am Mittwoch:

«Die Unterbrechung des Bahnverkehrs vor dem ersten Weihnachtsfest, das Familien seit drei Jahren wieder gemeinsam genießen könnten, wird Hunderttausenden die Feiertage verderben. Es wird zudem die Bemühungen von Pubs und Restaurants zunichte machen, entgangene Einnahmen auszugleichen, und die umsatzstärksten Einkaufstage des Jahres sabotieren, was Milliarden Pfund an Verlusten bedeutet.

Die Regierung hat ein Gesetz für eine «Mindestdienstpflicht» vorgeschlagen, durch das während der Streiks mehr Bahnverbindungen aufrechterhalten werden müssten. Doch angesichts der vorgeschobenen Behauptung, dies sei ein Angriff auf das Streikrecht, ist bislang wenig passiert. Wenn die Streiks weitergehen - und für das neue Jahr sind weitere geplant, wobei die Gewerkschaften damit prahlen, dass sie monatelang andauern könnten -, sollte ein solches Gesetz jetzt verabschiedet werden. Verstöße dagegen könnten dann die Beschlagnahmung von Gewerkschaftsgeld zur Folge haben.»


«Lidove noviny»: Zugang zu Strom könnte Grundrecht werden

PRAG: Zu den hohen Strompreisen in Europa schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Mittwoch:

«Elektrizität ist heute eine unerlässliche Voraussetzung für Wohnen, Arbeiten und Leben. Dennoch könnte vielen Haushalten bald der Strom abgeschaltet werden, weil sie ihre Abschlagszahlungen nicht mehr bezahlen können. Was kann der Staat da tun? Er könnte Zugang zu Strom zu einer Lebensnotwendigkeit erklären, die nicht angefasst werden darf - so wie Finnland im Jahr 2010 das Recht auf einen schnellen Internetzugang gesetzlich verankert hatte. Das war damals keine Ausgeburt einer verwöhnten Jugend, sondern spiegelte die Entwicklung wider, dass für viele Senioren das Internet längst zu einem wichtigen Weg zu sozialen Kontakten geworden ist.»


«La Repubblica»: Westen schweigt zu Iran

ROM: Zu den Protesten im Iran schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Mittwoch:

«Wir alle kennen die Fakten: Frauen, die ihre Haare offen tragen wollen, ertragen die hasserfüllte Unterdrückung des Klerus nicht mehr. Ein stumpfsinniger, verängstigter, altersschwacher und gewalttätiger Klerus, der Hunderte junger Menschen tötet, sogar Minderjährige, um ein stumpfsinniges, verängstigtes, altersschwaches und gewalttätiges Regime zu verteidigen. Die verabscheuungswürdige Existenz einer Sittenpolizei, die verprügelt und schießt.

Das grundlegende Schweigen des Westens über diese Qualen bestätigt den alten Verdacht, dass Freiheit für uns nur selbstverständlicher Brauch und träge Gewohnheit ist. So träge, dass wir nicht einmal merken, wie wertvoll Freiheit für die sein kann, denen sie vorenthalten wird, beginnend beim eigenen Körper.»


«Politiken»: Kopftuch als Symbol des Kampfes für mehr Freiheit

KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» (Kopenhagen) kommentiert am Mittwoch die Proteste im Iran und in China:

«Angeführt von jungen, extrem mutigen Frauen haben Iranerinnen und Iraner aus allen Teilen des Landes und allen Gesellschaftsschichten klargemacht, dass sie sich nicht mehr länger in der Unterdrückung wiederfinden wollen. Das Kopftuch ist zu einem Symbol für einen größeren Kampf für mehr Freiheit in der islamischen Republik geworden. Die Proteste im Iran kommen, während gleichzeitig ein anderen unterdrücktes Volk genug hat. In China haben sich die Proteste gegen die extreme Null-Covid-Politik zu einer dezidierten Krise für Präsident Xi Jinping entwickelt.

Genau wie im Iran zeigen die Proteste in China, dass es Grenzen dafür gibt, was das Volk mitmacht. Sowohl die Chinesen als auch die Iraner können mit eigenen Augen sehen, wie viel freier das Leben in anderen Ländern ist. Ob sie mehr Freiheit bekommen, kann man leider nicht wissen. Dass sie sich das aber wünschen, ist jedem klar. Demokratie und Freiheit ist keine westliche Erfindung. Sondern etwas, dass sich alle Menschen auf der Welt wünschen.»


«Libération»: Politisches Bewusstsein für Naturschutz nötig

PARIS: Zur Weltnaturkonferenz in Montreal schreibt die französische Tageszeitung «Libération» am Mittwoch:

«Es sollte zu jeder Zeit unser Anliegen sein - und wenn auch nur aus reinem Egoismus -, die Luft, die wir atmen, die Erde und die Ozeane, die uns ernähren, und die Quellen, die uns mit Wasser versorgen, zu bewahren. Im Grunde alles zu bewahren, was uns zu leben ermöglicht. An dem Tag, an dem die Erde oder das Wasser zu verschmutzt oder geplündert sind, um auch nur das geringste Lebewesen zu produzieren, sterben wir. Und dennoch fährt der Mensch stur damit fort, die Natur zu beschädigen.

«Nach uns die Sintflut» - diese Denkweise ist so alt wie die Menschheit und hat uns dahin gebracht, wo wir heute stehen. Trotz allem gibt es noch Grund zur Hoffnung. Das Bewusstsein für die Schäden, die wir anrichten, war noch nie so groß. Es breitet sich überall aus, sogar in den Chefetagen der Unternehmen. Und vor allem, das hat uns der Lockdown bewiesen, ist die biologische Vielfalt widerstandsfähig: Wenn man sie in Ruhe lässt, erholt sie sich. Es ist also noch Zeit zu handeln, aber es muss schnell geschehen.»


«NZZ»: EU braucht neuen Anlauf im Erweiterungsprozess

ZÜRICH: Die EU will die Westbalkanstaaten enger an sich binden. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch:

«Viele Beobachter haben es sich bequem gemacht in der Vorstellung, der Balkan sei der «weiche Unterleib» Europas: prinzipiell instabil und aus diesem Grund offen für Störmanöver aus Russland oder China. Der Krieg Moskaus gegen sein Nachbarland, so die Vorstellung, verschärfe diese Bedrohung. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der Krieg hat die EU (und auch die Amerikaner) mit einem Schlag aus ihrer langjährigen Balkan-Fatigue geweckt. Auch wenn die Union noch nicht genau weiß, was sie mit ihr anfangen soll - die Region genießt eine Aufmerksamkeit wie nie seit dem Streit um Kosovos Unabhängigkeitserklärung 2008. (...)

Nicht Russland hat an Macht und Einfluss gewonnen seit Kriegsanfang, sondern die EU. Die Frage ist bloß: Wird sie davon auch entschieden Gebrauch machen? Der EU-Balkangipfel in Tirana kann dafür höchstens ein Fingerzeig sein. Was nottut, ist ein neuer Anlauf im steckengebliebenen Erweiterungsprozess. Am besten in einem neuen Modus, der den Kandidaten vollzogene Reformen mit konkreten Integrationsschritten verrechnet. Als Zwischenetappe zumindest bietet sich dafür die EWR-Mitgliedschaft an (Europäischer Wirtschaftsraum). Moskau hat dazu kein Gegenangebot.»


«La Vanguardia»: Merkels Erbe auf dem Prüfstand

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Mittwoch die durch den russischen Angriffskrieg veränderte Sicht auf die Amtszeit der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU):

«Angela Merkel ist im Dezember 2021 als Bundeskanzlerin abgetreten. Sie tat das unter dem Lob vieler, als erstklassige Autorität und außergewöhnliche Führungspersönlichkeit. Sie war die erste Kanzlerin, hatte es mit vier US-Präsidenten zu tun, erhielt die Beinamen «Königin Europas» oder auch «mächtigste Frau der Welt». Doch zwölf Monate später ist die Lage ganz anders und damit auch die Sicht im Rückblick auf Merkel.

Sie wird von vielen als Verantwortliche für die hohe Abhängigkeit Deutschlands von russischer Energie angesehen. Und ihr wird eine gewisse Leichtsinnigkeit vorgehalten, auf die Vorteile sanfter Diplomatie und ihre guten Beziehungen zu Wladimir Putin gesetzt zu haben, was ihr Ansehen nachträglich angesichts des Vorgehens des russischen Präsidenten beschädigt hat.

Merkel war in ihren sechzehn Jahren unfähig, Putins Verhalten vorherzusehen und sie hat die Energieabhängigkeit Deutschlands von Russland gefestigt, billige Energie hatte Vorrang vor einer gemeinsamen europäischen Politik gegenüber Moskau. Dies und der Verlauf der Geschichte trüben heute ihr brillantes Erbe.»


«Tages-Anzeiger»: Ampel braucht neue Agenda

ZÜRICH: Zur Bilanz des ersten Jahres der Ampel-Koalition heißt es am Mittwoch im Schweizer «Tages-Anzeiger»:

«Fast zwei von drei Deutschen sind mit der Ampel unzufrieden, Scholz' Werte sind ähnlich mies. Der 64-Jährige kann sich wenigstens damit trösten, dass dem christdemokratischen Oppositionsführer Friedrich Merz noch weniger zugetraut wird als ihm selbst. Dennoch: Würde heute der Bundestag neu gewählt, würden die Regierungsparteien ihre Mehrheit vermutlich verlieren. Die Zahlen widerspiegeln nicht nur die Leistung eines Kanzlers und dessen Kabinetts, sondern auch die Herausforderungen, denen sie gegenüberstanden.

Angesichts der Krisen bräuchte die Regierung jetzt eigentlich eine neue Agenda, welche die Interessen von Sicherheit, sozialem Schutz, Wirtschaft und Ökologie neu ausbalanciert. Dass die drei Parteien sich auf einen neuen Koalitionsvertrag einigen könnten, der die Erfordernisse der Zeit besser widerspiegelt als der alte, ist aber nicht gerade realistisch. Nach einem Jahr muss man vermutlich schon zufrieden sein, wenn das gegenseitige Vertrauen noch dazu ausreicht, die Krisen weiter gemeinsam anzugehen und die Probleme wegzuarbeiten, die jeden Tag neu vor der Tür liegen.»

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.