Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Berliner Wohnungsbündnis

Berlins Regierungschefin Franziska Giffey steht ein unruhiges Wochenende bevor.

Bis Montagfrüh muss sie dafür sorgen, dass ihr nicht noch wichtige Partner des Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen von der Fahne gehen. Das Bündnis, in dem sich die Wohnungswirtschaft freiwillig zu mehr Mieterschutz verpflichten soll, hat auch bei seinem Abschlusstreffen keinen wirklichen Durchbruch erzielen können. Den Mietervertretern gingen die Vereinbarungen nicht weit genug, während die Vermieterseite versuchte, Mietsteigerungsbegrenzungen und Sozialquoten weiter herunterzuschrauben. Immer wieder musste die Regierende Bürgermeisterin an die Beteiligten appellieren, Kompromissbereitschaft zu zeigen - und in Erinnerung zu rufen, dass ein Scheitern des Bündnisses keiner Seite nutze. Und damit hat sie recht.


«Wall Street Journal»: Bidens tiefe Verbeugung vor Saudi-Arabien

WASHINGTON: Ein geplanter Besuch von US-Präsident Joe Biden in Saudi-Arabien sorgt für Kritik. Das «Wall Street Journal» schreibt dazu:

«Obwohl seine Reise strategisch und wirtschaftlich sinnvoll ist, wäre sie jetzt weniger peinlich, wenn Biden vom ersten Tag an die Welt etwas realistischer gesehen hätte. Bei seinem Amtsantritt beugte sich Biden der Verachtung Riads durch die Linken (in seiner demokratischen Partei), ohne die strategische Notwendigkeit arabischer Verbündeter am Golf wertzuschätzen. (...) Als Präsident hat er (...) versucht, Kronprinz Mohammed bin Salman zu isolieren. (...)

Inzwischen haben die Saudis als Alternative zu den USA Russland und China als strategische und wirtschaftliche Partner umworben. Bis vor kurzem lehnten die Saudis Bidens Bitten ab, mehr Öl zu fördern, und der Kronprinz weigerte sich Berichten zufolge, Bidens Anruf entgegenzunehmen.

Jetzt umwirbt Biden Saudi-Arabien erneut, und seine öffentlichen Verbeugungen müsste angesichts seiner früheren öffentlichen Verachtung möglicherweise umso tiefer ausfallen. Bidens Sorte von liberalem Internationalismus ist gut geeignet, amerikanische Prinzipien öffentlich zu verbreiten, aber nicht so effektiv, wenn es darum geht, die Interessen der USA zu schützen.»


«The Independent»: Sadismus als Grundlage britischer Politik

LONDON: Der Londoner «Independent» kommentiert am Mittwoch den umstrittenen Plan der britischen Regierung, Asylsuchende nach Ruanda auszufliegen:

«Der schändlichste Zivilflug in der Geschichte Großbritanniens ist in letzter Minute dank eines Richters des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verschoben worden. Die Maschine sollte bekanntlich nach Ruanda fliegen. Die Tatsache, dass der Flug durch gerichtliches Eingreifen verschoben wurde, schmälert nicht die symbolische Tragweite der Tatsache, dass ein Gründungsmitglied der Vereinten Nationen und der Genfer Flüchtlingskonvention sich mit aller Kraft einer Verantwortung entzieht, die es nach dem letzten Weltkrieg feierlich übernommen hatte.

Mit dieser versuchten Deportation hat Großbritannien nicht nur definitiv gegen seine internationalen rechtlichen Verpflichtungen verstoßen, sondern auch eine moralische Leitplanke durchbrochen. Dies ist die Tat einer Regierung, die Sadismus zu einer Grundlage für Politik gemacht hat. (...) Alle Seiten sind sich einig, dass die Menschenhändler im Ärmelkanal das Leben anderer Menschen riskieren. Das ist alles richtig. Tatsache ist jedoch auch - unabhängig von moralischen Erwägungen -, dass die Ruanda-Politik als Abschreckung nicht funktioniert und wahrscheinlich auch nie funktionieren wird.»


«de Volkskrant»: Trumpismus ist noch nicht verschwunden

AMSTERDAM: Zu den Anhörungen im US-Kongress zum Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 schreibt die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Mittwoch:

«Mit den Geschichten der abtrünnigen Getreuen will die Untersuchungskommission plausibel machen, dass Trump wusste, dass er etwas Dummes und Illegales tat. Die Zeugenaussagen zeigen, dass der verlogenste und machthungrigste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten jeden erdenklichen Strohhalm ergriffen hat, um seine Macht zu festigen (und Millionen zu scheffeln).

Gleichzeitig stellt diese Parade stotternder Paladine eine Vereinfachung dar, die auf gefährliche Weise beruhigend wirken kann. Indem man die Schuld in erster Linie Trump und einigen clownesken Randfiguren zuschiebt, kann man den Eindruck erwecken, es handele sich um einen Alleingang des ehemaligen Präsidenten. (...) Gerade die opportunistische Unterstützung von immer größeren Teilen des Parteiestablishments hat Trump und die Republikaner zu dem gemacht, was sie heute sind.

Dieser Kollaboration ist es zu verdanken, dass Trump so weit gekommen ist. Ein großer Teil der republikanischen Abgeordneten in Washington steht immer noch hinter Trump, der weiter behauptet, die Wahl sei gestohlen worden. Und selbst wenn Trump sich von der Bühne verabschieden sollte, werden sie noch da sein, ebenso wie seine Wähler. Der Trumpismus ist noch lange nicht verschwunden.»


«Público»: Russland hat Ernährungssicherheit den Krieg erklärt

LISSABON: Die portugiesische Zeitung «Público» kommentiert am Mittwoch die von Russland ausgelöste globale Ernährungskrise:

«Die Zahl der Menschen weltweit, die unter Ernährungsunsicherheit, extremer Armut oder Hunger leiden, steigt seit Beginn des Krieges exponentiell. Eine humanitäre Katastrophe. Vor allem die russische Blockade der Schwarzmeerhäfen hat die Nahrungsmittelexporte einbrechen lassen. Auch Dünger ist teuer geworden. Rechnet man dazu die Energiepreise, die ebenfalls vom Endverbraucher der Lebensmittel zu tragen sind, dann wird deutlich, was der UN-Generalsekretär mit einem «perfekten Sturm» meinte. Ein Sturm, der für Entwicklungsländer Schulden und Hunger bedeuten kann und für entwickelte Länder Massenmigration und soziale wie politische Instabilität.

Russland hat der globalen Ernährungssicherheit den Krieg erklärt, aber es behauptet, westliche Sanktionen seien schuld. Und viele ärmere Länder folgen dieser Erzählung. Der Westen steht vor einem Dilemma: entweder Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten und die Ernährungsunsicherheit erhöhen oder Sanktionen lockern und damit Russlands Krieg gegen die Ukraine weiter finanzieren. In diese Falle darf der Westen nicht gehen. Die moralische Verantwortung für den Krieg und damit für die globale Ernährungssicherheit trägt Russland.»


«NZZ»: Keine schlechten Mittel für guten Zweck akzeptieren

ZÜRICH: - Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch eine umstrittene Äußerung der deutschen Klimaaktivistin Luisa Neubauer über mögliche gewalttätige Aktionen gegen eine Erdölpipeline:

«Neubauer ermuntert zu solchen und zu drastischeren Taten, indem sie der Demokratie vorwirft, mit dem Klimawandel überfordert zu sein. Die demokratischen Prozesse, bekannte sie in einer Talkshow, hätten in den vergangenen 30 Jahren eben nicht «gut genug geklappt für die Klimakrise». Kritik an ihrer jüngsten Aussage konterte Neubauer umgehend. Es habe sich um Ironie gehandelt, «How to Blow Up a Pipeline» sei nur ein Buch. «Jesus Maria, es ist ein Buch», twitterte sie. Offenbar will die Aktivistin das Publikum für dumm verkaufen. Sonst und vor allem beim «Kampf gegen rechts» gilt die Losung, es sei ein kurzer Weg vom Gedanken zur Tat, von der Rede zum Anschlag.(...) Die rhetorische Radikalisierung ist symptomatisch für eine Bewegung, die zum guten Zweck auch schlechte Mittel akzeptiert. Das Wort von der «grünen RAF» haben Klimaschützer selbst lanciert. Bisher war es eine schrille Drohung. Es ist an der Zeit, dass die Bewegung selbst und auch ihre Sympathisanten in den Parlamenten Farbe bekennen: Wer Straftaten propagiert, der verlässt den Boden der Republik.»


«Tages-Anzeiger»: Für Lindner ist die Schuldenbremse eine rote Linie

ZÜRICH: Zur Amtsführung von FDP-Finanzminister Christian schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Mittwoch:

«Lindner stellte sich noch vor kurzem als Odysseus dar, der sich heldenhaft an den Mast der soliden Staatsfinanzen kette, um den Sirenengesängen der rot-grünen Ausgabenwünsche zu widerstehen. Faktisch tat er das Gegenteil von dem, was er seinen Wählerinnen und Wählern versprochen hatte. Von «Ausgabendisziplin» ist so wenig geblieben wie von der FDP als «Stimme der ökonomischen Vernunft». (...)

Bis anhin versucht der FDP-Chef den Unmut zu besänftigen, indem er auf nächstes Jahr vertröstet. Dann sei es vorbei mit den «Sünden», dann herrsche die Schuldenbremse wieder, mehr als ein Dutzend Milliarden an Neuverschuldung sei dann rechtlich gar nicht mehr möglich.

Sozialdemokraten und Grüne stellen diesen im Koalitionsvertrag vereinbarten Schritt angesichts der Weltlage aber bereits offen infrage: Nicht nur sicherheitspolitisch, auch finanzpolitisch sei eine «Zeitenwende» nötig, die neue, historische Investitionen ermögliche. Für Christian Lindner ist die Schuldenbremse freilich «unverhandelbar», eine rote Linie also - und für die Koalition entsprechend eine Sollbruchstelle.»


«Times»: Abschiebung nach Ruanda hat mehr Symbolik als Substanz

LONDON: Die britische Regierung will an ihrem umstrittenen Plan festhalten, Asylsuchende verschiedener Nationalitäten nach Ruanda auszufliegen. Dazu meint die Londoner «Times» am Mittwoch:

«Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Regelung mehr Symbolik als Substanz hat. Außenministerin Liz Truss räumt dies sogar ein, indem sie die beabsichtigte Abschreckung hervorhebt. Doch die Kanalüberquerungen gehen weiter. Damit die Regelung wirklich abschreckend wirkt, müssten konzertierte Anstrengungen unternommen werden, um eine größere Zahl von Menschen abzuschieben. (...)

Für eine Demokratie ist es nicht einfach, Menschen an einen Ort zu deportieren, an dem sie nicht sein wollen. Vor allem, wenn dieser Ort, wie Ruanda, eine schlechte Menschenrechtsbilanz aufweist. Diese Faktoren legen eine gewisse Vorsicht hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Politik nahe. Sie ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass es ein Problem gibt, das sowohl humanitärer als auch wirtschaftlicher Natur ist, wenn Großbritannien ein Magnet für illegale Einreisen zu sein scheint.»

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.