Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zum Müllproblem

Ob Parks, Straßen oder Spielplätze: Das Berliner Müllproblem zieht sich durch diverse Bereiche der Stadt.

Und auch Bahndämme und Gleisanlagen sind vor allem am und innerhalb des S-Bahn-Rings betroffen, wie die Deutsche Bahn nun verdeutlichte. Die Vermüllung führt dazu, dass öffentliche Räume an Aufenthaltsqualität verlieren. Sie hat aber auch zur Folge, dass Geld in die Entsorgung von illegalem Abfall fließt, was dann für die Pflege von Grünanlagen oder die Aufwertung von Bahnhöfen fehlt. Am Beispiel des Mülls auf Bahnanlagen zeigt sich, was typisch für Berlin ist: Die Verantwortlichkeit liegt nicht in einer Hand, sondern verteilt sich auf Land, Bezirke und in diesem Fall zusätzlich die Deutsche Bahn. Die Zusammenarbeit aber scheint auch hier noch zu haken. Denn wenn die Bahn nun davon spricht, dass es für das Müllproblem eine abgestimmte Strategie mit Land und Bezirken braucht, kann man sich durchaus fragen: Warum gibt es diese eigentlich bislang nicht?.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Rede von Scholz im Bundestag

(.) Deutschland brauche sich nicht zu verstecken, rief der Bundeskanzler und kündigte die Lieferung eines modernen Luftabwehrsystems an.

(.) Doch warum hat sich die Regierung erst drei Monate nach Beginn des auch von Scholz "verbrecherisch" genannten Krieges dazu entschlossen, in dem schon mehrere Großstädte zerstört worden sind? (.) Es ist unverkennbar, dass Scholz Rücksicht auf die Seelenqualen nehmen muss, unter denen die jungen und die alten Linken in der SPD seit Ausrufung der "Zeitenwende" leiden. Dazu kommt, dass Berlin wie der ganze Westen mit widerstreitenden Interessen ringt: Man will den Überfallenen helfen, einen Aggressor zurückzuschlagen, der nicht nur ein Land angegriffen hat, sondern auch die Prinzipien des friedlichen Zusammenlebens in Europa. Aber man will dabei selbst nicht zur Kriegspartei werden.


«Stuttgarter Zeitung» zu politischen Forderungen auf Hannover-Messe

Mercedes und VW stehen für viele, die unbeirrt weitermachen.

Die Abhängigkeiten vom chinesischen Markt sind schon allzu groß geworden. Doch der moralische Druck wächst mit jeder Hiobsbotschaft, eine Dynamik ist unverkennbar. Einige Unternehmen verlagern ihre Geschäfte schon auf befreundete Länder. Die Erkenntnis, dass Freihandel nicht wichtiger sein darf als Freiheit, setzt sich langsam durch. Die Industrie kann sich der fundamentalen Neuorientierung in den nächsten Jahren nicht mehr entziehen.


«Handelsblatt» zu Giffeys Vorschlag zu Mietbindung

Wer gedacht hat, mit Franziska Giffey an der Spitze des Berliner Senats würde der Drang zu Regulierungen beim Wohnungsbau ein Ende finden, sieht sich getäuscht.

Der Vorschlag der Regierenden Bürgermeisterin, die Miethöhe auf 30 Prozent des Einkommens zu begrenzen, zeigt das übliche Muster: Mit immer neuen Vorschriften sollen die Probleme am Wohnungsmarkt gelöst werden. Abgesehen davon, dass der Vorschlag völlig unrealistisch ist und ein Bürokratiemonster unvorstellbaren Ausmaßes schaffen würde: Regularien kennt der Immobilienmarkt bereits genügend. Ob Mietpreisbremse, Mietpreisdeckel, Milieuschutz - all das ist nicht dazu geeignet, das Hauptproblem der Mieter zu lösen, nämlich die Wohnraumnot zu beseitigen oder ihnen gar zu Eigentum zu verhelfen.


«Süddeutsche Zeitung» zu Scholz' Versuch einer Selbstbefreiung

Die Ampelabgeordneten mögen erst einmal befriedet sein mit der für seine Verhältnisse erstaunlich emotional vorgetragenen Rede des Bundeskanzlers.

Ein politischer Befreiungsschlag wird daraus aber nur, wenn es Scholz gelingt, die verbleibenden Widersprüche auszuräumen - und vor allem zügig zu liefern. "Das Zeug muss auch ankommen", wie Außenministerin Baerbock es gewohnt direkt formuliert - auch wenn sie das eher als Rechtfertigung meint, warum manche Sachen länger dauern, als es sich die Ukraine wünscht und die Opposition es der Regierung zugestehen will.


«Frankfurter Rundschau» zu Aufarbeitung deutschen Afghanistan-Engagements

Bis heute leben viele Tausend Ortskräfte der Bundeswehr und Menschenrechtsaktivist:innen, die die Rache der Taliban fürchten müssen, in Verstecken.

Werden bedroht, Opfer von Schikanen, gar tödlicher Gewalt. Eine Schande. Deutschland hat diese Menschen und ihre Familien im Stich gelassen - nicht erst während des chaotischen Truppenabzugs. Schon lange vorher hätte die alte Bundesregierung Schutzbedürftige in Sicherheit bringen können - und müssen. Menschen, die auf Deutschland vertraut hatten. Vergeblich. Warum? Das soll ein Untersuchungsausschuss klären. Und eine Enquetekommission soll den gescheiterten Afghanistan-Einsatz insgesamt bilanzieren. Das ist mehr als überfällig. Zu spät für viele Afghaninnen und Afghanen. Aber nicht für alle gefährdeten Menschen, denen Deutschland einen Schutz schuldet.


«Corriere della Sera»: Lücke zwischen Worten und Taten des Kanzlers

ROM: Zum Verhalten der Bundesregierung im Ukraine-Konflikt schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Mittwoch:

«Welches Ende haben die schweren Waffen genommen, die die Bundesregierung der Ukraine versprochen hat? Warum hat die Armee Kiews seit dem 28. April, als der Bundestag die Lieferung von 30 Gepard-Flugabwehrpanzern und anderen gepanzerten Fahrzeugen genehmigte, noch keinen davon gesehen? Immerhin hat Olaf Scholz noch beim Forum in Davos, nachdem er Putins «Imperialismus» verurteilte, erneut die epochale Wende Deutschlands hinausposaunt (...). Zwischen den Worten und Taten des Kanzlers klafft eine Lücke, der seit Tagen erneut wegen seiner Vorsicht und Zurückhaltung im Visier steht, aber auch wegen der undeutlichen Kommunikation, mit der seine Mitarbeiter und sogar manche Regierungsvertreter versuchen, nach Ausflüchten zu greifen, um einen vernünftigen Grund für die Verzögerung zu nennen.»


«Rzeczpospolita»: EU-Sanktionspaket kommt zu spät für die Ukraine

WARSCHAU: Zum Beschluss eines EU-Ölembargos gegen Moskau schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Mittwoch:

«Die ersten fünf Sanktionspakete gegen Russland hat die EU innerhalb von zwei Monaten beschlossen. Es dauerte einen weiteren Monat, bis man sich auf den sechsten Punkt einigte. Doch selbst dieser Erfolg ist bestenfalls halbherzig. Aufgrund des ungarischen Widerstands schließt das Abkommen nicht nur das per Pipeline transportierte Öl aus - auch der Teil, der sich auf Lieferungen per Schiff bezieht, wird erst Ende des Jahres in Kraft treten. Bei den veredelten Produkten werden wir noch länger warten müssen.

Deutschland und Polen haben - anders als Tschechien, die Slowakei und Ungarn - angekündigt, dass sie von sich aus die Einfuhr von Rohöl über die Druschba-Pipeline einstellen werden. Aber auch wir haben uns dafür eine Frist bis zum Ende dieses Jahres gesetzt. Für die Ukrainer sind diese sieben Monate eine Ewigkeit. Das ist mehr als doppelt so lang wie der Krieg, der das Land Zehntausende von Menschenleben gekostet, Millionen von Ukrainern zur Aufgabe ihrer Lebensgrundlage gezwungen und die Hälfte der ukrainischen Wirtschaft vernichtet hat. Was ist noch von der Ukraine übrig, wenn wir Silvester feiern?»


«Lidove noviny»: Deutschland macht es mit dem 9-Euro-Ticket vor

PRAG: Zum 9-Euro-Ticket für den bundesweiten Nahverkehr in Deutschland schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Mittwoch:

«Deutschland gilt als gelobtes Land für grüne Aktivisten und Politiker. Das 9-Euro-Ticket erscheint als ein Versuch, tatsächliche Veränderungen zu erreichen. Wenn bei uns über die Zukunft des öffentlichen Verkehrs gesprochen wird, ist die Rede von künftigen Hochgeschwindigkeitsstrecken oder Transitkorridoren zwischen Prag und Brünn, Ostrava, Berlin und Nürnberg. Doch was ist mit der normalen Eisenbahn für normale Menschen? Die Deutschen starten mit dem 9-Euro-Ticket ein Experiment, das vielleicht zu ambitioniert ist. Doch wir in Tschechien versuchen nicht einmal, geringere Ziele zu erreichen. Für den Anfang würde es reichen, wenn die regionalen Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln so gut funktionieren würden wie in Deutschland schon heute.»


«Neatkariga Rita Avize»: Altem Europa mangelt es an Führungsstärke

RIGA: Zur Reaktion des Westens im Ukraine-Krieg meint ein Kommentator der national-konservativen lettischen Tageszeitung «Neatkariga Rita Avize» am Mittwoch:

«So schwer es auch sein mag, es zuzugeben, aber es ist der Moment der Wahrheit gekommen, in dem Europa die Überlegenheit seiner Zivilisation über die primitive Ordnung des Dschungels beweisen muss. Glücklicherweise erfordert dies nicht einmal harte Arbeit. Es geht nicht um den Preis von Blut. Die Ukrainer haben mit Blut bezahlt und sind bereit, dies auch weiterhin zu tun. Sie verlangen sehr wenig von Europa: Die Waffen, die es besitzt, und Toleranz gegenüber relativ geringen Unannehmlichkeiten aufgrund steigender Energiepreise. Doch ist Europa auch bereit, diesen geringen Preis für seine «Werte» zu zahlen?

Ich möchte nicht sagen, dass es nicht vorbereitet ist. Aber wenn man sich einige europäische Staats- und Regierungschefs ansieht, schaut es bisher nicht danach aus. Europas frühere Anführer und Garanten seiner Werte - Deutschland, Frankreich, Italien - versuchen ganz offen, jegliches entschlossenes Handeln zu vermeiden, und entscheiden sich für die Vogel-Strauß-Taktik: Kopf in den Sand. Hoffen wir, dass sich die Dinge irgendwie von allein beruhigen.

Schon jetzt ist klar, dass ein Teil des «alten» Europas seine Führung verloren hat. Es kann im Europa des 21. Jahrhunderts kein Leitstern mehr sein. Es ist offensichtlich, dass man sich nicht mehr darauf verlassen kann.»


«DNA»: Neue EU-Sanktionen kommen zum richtigen Zeitpunkt

STRAßBURG: Zum neuen EU-Sanktionspaket gegen Moskau schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» (DNA) am Mittwoch:

«Europäer und Amerikaner waren davon überzeugt, dass sie den Kremlherrn (Russlands Präsident Wladimir Putin) mit wirtschaftlichen und politischen Sanktionen langsam ersticken könnten. Die westliche Strategie hat ihre Ziele aber auch nicht erreicht. (...)

Russland ist nun dabei, sich in diesem Krieg der Verlierer einen mageren Vorteil zurückzuholen. Es ist nicht mehr sowjetisch, aber bleibt ein stahlharter Block.

Die Europäische Union hingegen wirkte in den letzten Wochen etwas gespalten und zu oft passiv. Es war von entscheidender Bedeutung, diese Spirale zu stoppen. Mit der (...) Einigung auf ein «sechstes Sanktionspaket» gegen Moskau, zu dem auch ein Embargo für Importe russischen Öls gehört, haben die EU-Staaten zum richtigen Zeitpunkt wieder die Initiative ergriffen. Sie dürfen nie vergessen, dass Untätigkeit und ablaufende Zeit die besten Verbündeten Wladimir Putins sind.»


«Magyar Nemzet»: Orbans historischer Sieg für Ungarn

BUDAPEST: Über das Ölembargo der EU gegen Russland, von dem Ungarn ausgenommen ist, schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Mittwoch:

«(Ministerpräsident) Viktor Orban hat für Ungarn einen historischen Sieg errungen. (...) Die Regierung verteidigte damit die Wohnnebenkosten-Preisbremse sowie die Benzinpreisdeckelung. Viele dürften jetzt Ungarn beneiden, auch die Bürger wohlhabenderer Staaten. Denn vergeblich verdienen die Menschen dort mehr Geld, die Energiepreise sind auch für sie einschneidend. (...) Bloß möge es niemanden überraschen, wenn die Brüsseler Bürokraten demnächst verlangen werden, dass Europa auch auf russische Gasimporte verzichten müsse. Die Ukraine fordert es bereits. (...) Viktor Orban hat einen wichtigen Sieg errungen, aber der Krieg ist noch nicht zu Ende. Es besteht weiterhin die Notwendigkeit, dass die Regierung die Interessen des Landes verteidigt.»


«El Mundo»: Die Illiberalen müssen sich entscheiden: EU oder Putin

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Mittwoch die schwierige Einigung auf ein Embargo gegen russisches Öl:

«Die Einigung über das EU-Embargo gegen russisches Öl ist nicht so zufriedenstellend, wie sie sein könnte. Vor allem, weil Öl per Pipeline ausgenommen bleibt, eine Forderung Ungarns, die von der Slowakei und Tschechien unterstützt wurde. Die Visegrad-Gruppe benimmt sich wie ein Trojanisches Pferd russischer Interessen im Herzen Europas. Putins Krieg in der Ukraine und seine Drohungen gegen andere Länder zwingen uns, die Loyalität von Visegrad - und vor allem Orbans - gegenüber den Werten der EU zu prüfen, die Putins nationalistischer Autokratie diametral entgegengesetzt sind.

Wenn die EU-Länder keine Einigkeit erzielen können, wenn sie in ihrer Mitte gegensätzliche Strömungen zulassen, die Illiberalismus verbreiten und das Vetorecht missbrauchen, dann ist es Zeit, zum Mehrheitsprinzip überzugehen. Vielleicht werden sich diese Gesellschaften und ihre politische Klasse dann wirklich für Integration, Sicherheit und Freiheit unter dem Dach der EU entscheiden. So wie Polen, das sich seit Ausbruch des Krieges sowohl bei der Flüchtlingshilfe als auch bei den Sanktionen vorbildlich verhält.»


«Wall Street Journal»: EU trifft Putin dort, wo es weh tut

NEW YORK: Zur EU-Einigung auf ein weitgehendes Einfuhrverbot für Öl aus Russland schreibt das «Wall Street Journal»:

«Siehe da, nach einem Monat des Ringens haben sich die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf ein neues Sanktionspaket gegen russisches Öl geeinigt. Die Sanktionen werden zwar das Blatt im Krieg in der Ukraine nicht wenden, sie erhöhen jedoch die Kosten für Wladimir Putin und verdeutlichen die Entschlossenheit Europas, ihn zu bestrafen. (...) Höhere Ölpreise werden den Westen zweifellos schmerzlich treffen, aber vielleicht nicht so sehr, wie die Sanktionen Putin schaden könnten. Russland hat im vergangenen Jahr Öl im Wert von rund 180 Milliarden Dollar exportiert, etwa dreimal so viel wie Gas. Die Einnahmen von Rosneft allein machen etwa ein Fünftel des Kreml-Haushalts aus. (...) Die Ölsanktionen zeigen jedoch, dass Europa bereit ist, einige wirtschaftliche Opfer zu bringen, um der Ukraine zu helfen und die Aggression des Kremls abzuwehren. (...) Europa wäre wirtschaftlich weitaus weniger verwundbar, wenn es sich nicht so abhängig von russischem Öl und Gas gemacht hätte. Aber nachdem Europa diesen Fehler gemacht hat, versucht es nun, sich vom Energie-Druckhebel des Kremls zu befreien. Das Öl-Embargo ist ein Schritt in die richtige Richtung.»


«Tages-Anzeiger»: Beim Ölembargo ist die Schweiz gefragt

ZÜRICH: Der Zürcher «Tages-Anzeiger» kommentiert am Mittwoch das Erdölembargo der EU gegen Russland:

«Von Mal zu Mal wird es schwieriger, innerhalb der EU die nötige Einstimmigkeit für neue Sanktionen gegen Russland zustande zu bringen. Das sechste Paket mit dem Ölembargo als größtem Brocken war ein Kraftakt, der Risse in der bisher recht geschlossenen Front der EU-Staaten sichtbar gemacht hat. Allerdings ist das Glas nicht halb leer, sondern eher zu drei Vierteln voll. Die Einigung ist ein Erfolg und schneidet Wladimir Putins Kriegsmaschinerie von einer wichtigen Einnahmequelle ab. (...)

Gleichzeitig wird in Brüssel und den europäischen Hauptstädten die Erwartung groß sein, dass die Schweiz Umweggeschäfte verhindert und auch das sechste Sanktionspaket der EU schnell übernimmt. Offen ist noch, wie das Verbot von Versicherungen und anderen Dienstleistungen für den russischen Ölexport sich auf die Schweiz auswirken wird. 80 Prozent des russischen Gases und Öls werden über Zug beziehungsweise Genf gehandelt. Der Druck auf die Schweiz als wichtigsten Hub für den russischen Rohstoffhandel dürfte zunehmen.»


«NZZ»: Europäische Politik bleibt ein Ringen um Kompromisse

ZÜRICH: Zum Erdölembargo der EU gegen Russland schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch:

«Kommissionspräsidentin von der Leyen war eine hochriskante Wette eingegangen, als sie vor einem Monat das Erdölembargo als Teil des Sanktionspakets ankündigte. Es sind schließlich die Mitgliedstaaten, die im Konsens entscheiden müssen, und deren Interessen liegen energiepolitisch weit auseinander. Es wird auch in Zukunft immer wieder - und wohl in wachsendem Maße - schwierig sein, die 27 Länder auf eine gemeinsame Politik gegenüber Russland und gegenüber der Ukraine zu verpflichten.

Die Solidarisierung, die der Schock des russischen Überfalls ausgelöst hat, ist abgeklungen. Europäische Politik bleibt ein zähes Ringen um Kompromisse. Denn der Konflikt mit Russland wird lange dauern und weiter gehen, auch wenn die Waffen schweigen. Ihn durchzustehen, braucht Ausdauer, und die Regierungen müssen ihre Bürgerinnen und Bürger bei der Stange halten. Sonst werden sie abgewählt. Sie werden also abwägen, welche Kosten sie den Wählern zumuten, ohne deren Solidarität mit der Ukraine aufs Spiel zu setzen. Die Opferbereitschaft ist zwischen den einzelnen Ländern ungleich verteilt. Zwischen der Stimmung im Baltikum und jener in Portugal oder in Frankreich liegen Welten, und dazwischen muss vermittelt werden.»


«The Guardian»: Ölembargo erhöht Druck auf Russland

LONDON: Zum Ölembargo der EU gegen Russland meint der Londoner «Guardian» am Mittwoch:

«Im Vorfeld des EU-Gipfels in Brüssel warnte der deutsche Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck, die Einigkeit über Sanktionen gegen Russland beginne zu bröckeln. Wenn diese Einschätzung die EU-Staats- und Regierungschefs in einem entscheidenden Moment wachrütteln sollte, so scheint sie ihren Zweck gerade noch erfüllt zu haben.

Das auf dem Gipfeltreffen beschlossene Teil-Embargo für russische Öleinfuhren stellt eine bedeutende, wenn auch verspätete Verschärfung des wirtschaftlichen Drucks auf das Regime von Wladimir Putin dar. Nach einmonatigen Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten konnten die Einwände Ungarns schließlich durch eine befristete Ausnahmeregelung für Öl, das durch eine Pipeline aus der Sowjetzeit nach Mitteleuropa transportiert wird, überwunden werden. Da Deutschland und Polen auf Einfuhren aus dieser Quelle verzichten werden, dürfte das Embargo bis Ende des Jahres über 90 Prozent der russischen Öllieferungen nach Europa abdecken. Im Laufe der Zeit und in Verbindung mit anderen Sanktionen wird das Embargo dazu führen, dass Moskau Mittel und Ressourcen für einen langwierigen Zermürbungskrieg entzogen werden, mit dem es nicht gerechnet hat.»


«de Volkskrant»: EU konnte Gesichtsverlust vermeiden

AMSTERDAM: Zum Beschluss eines EU-Ölembargo gegen Russland heißt es am Mittwoch in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«EU-Diplomaten sagten hinterher, (der ungarische Regierungschef Viktor) Orban habe sich schließlich konstruktiv verhalten. Das bot Raum für einen Kompromiss. Noch wichtiger war das allgemein vorherrschende Gefühl, dass ein missglückter EU-Gipfel - also keine Einigung auf ein Ölembargo und zerstrittene Mitgliedstaaten - für die EU einen enormen Gesichtsverlust bedeutet hätte. Drei Monate nach dem Beginn des Krieges wäre damit das Ende der europäischen Einheit gekommen. (...)

Letztendlich sprangen die Staats- und Regierungschefs über ihren Schatten - vor allem wohl zu ihrer eigenen Überraschung. Das ist das, was EU-Experten als «die Magie des Saales» bezeichnen: Wenn sie hinter verschlossenen Türen unter sich sind, verlassen sie ihre Schützengräben.»

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