Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Diena»: Europa gespalten in Beitrittsfrage

RIGA: Zur EU-Beitrittsperspektive der von Russland angegriffenen Ukraine meint die liberale lettische Tageszeitung «Diena» am Mittwoch:

«Das Lager, das einen schnellstmöglichen EU-Beitritts Kiews unterstützt, umfasst inzwischen fast alle osteuropäischen Länder mit Polen an der Spitze wie auch die baltischen Staaten. Andere Teile des vereinten Europas vermeiden dagegen eine klare Position. Dies bedeutet, dass die EU-Perspektiven der Ukraine ungewiss sind. Die Vermeidung einer Festlegung lässt immer mehr den Verdacht aufkommen, dass die Positionen der Führer des sogenannten alten Europas - und hier insbesondere Frankreichs und Deutschlands - zweideutig und eigennützig sind. Wenn nicht sogar offen verräterisch gegenüber der Ukraine, die die Hoffnungen auf einen EU-Beitritt mit dem Leben von Tausenden und Abertausenden ihrer Soldaten bezahlt.»


«Magyar Nemzet»: Sanktionen erfüllen nicht ihren Zweck

BUDAPEST: Die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» lehnt in einem Kommentar am Mittwoch das von der EU geplante Ölembargo gegen Russland ab:

«Was ist denn das genaue Ziel der Sanktionen? Stürzt durch sie (der russische Präsident Wladimir) Putin? Wird sich ihretwegen sein eigenes Volk gegen ihn wenden? Was würde diese Annahmen stützen? Die Ereignisse des seit genau drei Monaten tobenden Kriegs (gegen die Ukraine) tun es gewiss ebenso wenig wie verschiedene historische Beispiele (früherer Sanktionen). (...) Schlechte Sanktionen beruhigen lediglich unser Gewissen. Einer aufgerüttelten Öffentlichkeit beweisen sie, dass wir nicht mit im Schoß gefalteten Händen dasitzen. Die noch schlechteren Sanktionen würden aber die Energie- und Lebensmittelpreise in die Höhe treiben und die dadurch zum Aufbruch genötigten Migrantenmassen (aus ärmeren Ländern) zu uns strömen lassen.»


«Dallas Morning News»: USA müssen gegen Waffengewalt vorgehen

DALLAS: Zur Debatte über eine Verschärfung der Waffengesetze in den USA nach einem Massaker an einer Grundschule im Bundesstaat Texas schreibt die US-Zeitung «Dallas Morning News»:

«Auf politischer und rechtlicher Ebene weigert sich dieses Land, den offensichtlichen Zusammenhang zu akzeptieren oder darauf zu reagieren - zwischen der leichten Verfügbarkeit leistungsfähiger Waffen, die für das Töten von Menschen gedacht sind, und der Weise, wie sie in die Hände von jungen Männern, sogar Jungen, mit einer Vorgeschichte von verstörendem Verhalten gelangen. Unser politisches Gewissen als Land ist nun so verkümmert, dass wir nicht einmal die geltenden Gesetze durchsetzen können, um diese Gewalttaten zu verhindern. Wir können nicht ernsthaft über sinnvolle Gesetze diskutieren, geschweige denn solche verabschieden, die auf breite Zustimmung stoßen und den nächsten Schützen stoppen könnten. (...) Zu sagen, dass dieses oder jenes Gesetz nicht verhindert hätte, was in Uvalde passiert ist, reicht nicht aus. Wir müssen von unseren gewählten Vertretern verlangen, dass sie Gesetze prüfen, vorschlagen und erlassen, die eine Wirkung haben. Wenn Sie ein gewähltes Amt innehaben, ist das Ihre Aufgabe. (...) Nachdem so viel Blut von so vielen Kindern geflossen ist, nachdem so viele Mütter, Väter, Schwestern und Brüder mit einem Leben voller Qualen, Trauer und Verlust zurückgelassen wurden, nach all diesem Grauen und Schmerz - sind wir immer noch nicht in der Lage, zu handeln?»


«The Telegraph»: Lehren aus Versagen in Afghanistan ziehen

LONDON: Die britische Evakuierungsmission aus Afghanistan im vergangenen Jahr hat nach Einschätzung eines Parlamentsausschusses Menschenleben in Gefahr gebracht. Dazu meint der Londoner «Telegraph» am Mittwoch:

«All dies geschah im August, als viele wichtige Minister und Beamte im Urlaub waren, was man ihnen angesichts der Jahreszeit kaum verübeln kann. Doch als das Ausmaß der Krise offensichtlich wurde, war die Reaktion unzureichend. Diejenigen, die sofort hätten zurückkehren sollen, um das Vorgehen der Regierung in die Hand zu nehmen, haben dies nicht getan. (...)

Das sind schwerwiegende Vorwürfe, mit denen sich die Regierung auseinandersetzen sollte. Sie sollte sich nicht hinter Behauptungen verstecken, dass es eine «intensive Planung» gegeben habe, wo doch jedermann das sich entfaltende Chaos allabendlich auf dem Fernsehbildschirm sehen konnte. Die Umstände waren nicht einfach. Dennoch müssen diejenigen in der Regierung, die die Aufgabe haben, schnell und effektiv schwierige Entscheidungen zu treffen, ihr Versagen eingestehen, wenn Lehren daraus gezogen werden sollen.»


«NZZ»: Europa sollte Rüstungsanstrengungen bündeln

ZÜRICH: Zur Verteidigungspolitik der EU heißt es am Mittwoch in der «Neuen Zürcher Zeitung»:

«Der Krieg in der Ukraine hat bereits einige weitreichende Veränderungen in der Verteidigungspolitik ausgelöst. Finnland und Schweden drängen in die Nato, die EU-Kommission finanziert Waffenlieferungen, in den Mitgliedstaaten steigen die Wehretats. Die jeweiligen Rüstungsanstrengungen zu bündeln, wäre der nächste logische Schritt, um den Kontinent wehrfähiger zu machen. Europas Streitkräfte könnten besser zusammenarbeiten, unnötige Doppelungen könnten vermieden, Verteidigungsausgaben effizienter eingesetzt werden. Auch aus Sicht der Nato wäre das wünschenswert. Für eine stärkere militärische Integration spricht die Bedrohung durch Russland: Nichts verbindet letztlich stärker als ein gemeinsamer Gegner. Noch ist freilich nicht erkennbar, dass die EU-Staaten einander auch ausreichend vertrauen.»


«NRC Handelsblad»: Lockerung der Haushaltsdisziplin ist verständlich

AMSTERDAM: Die strengen Schuldenvorgaben in der Europäischen Union sollen auf Vorschlag der EU-Kommission für ein weiteres Jahr ausgesetzt werden. Dazu meint die niederländische Zeitung «NRC Handelsblad» am Mittwoch:

«Der Grund dafür ist verständlich: Der Krieg in der Ukraine sorgt für unsichere Zeiten und höhere Ausgaben. Sollte es zu einer Rezession kommen - und diese Gefahr ist deutlich größer geworden -, muss der Staatshaushalt als Ventil funktionieren können.

In normalen Zeiten ist das eine Lösung, wie sie im Buche steht. Das Problem ist nur, dass dies keine normalen Zeiten sind. Der starke Tempoverlust, den die Wirtschaft derzeit erlebt, geht einher mit der höchsten Inflation seit 40 Jahren. Der wichtigste Grund dafür ist der gestiegene Energiepreis. Aber die Inflation droht sich langsam auszuweiten. (...)

Die Gleichzeitigkeit von Konjunkturrückgang und Inflation ist schwer zu verkraften. Der Haushaltspolitik freie Hand zugeben, ist zwar ein gutes Mittel gegen die Abschwächung des wirtschaftlichen Wachstums. Die Inflation wird dadurch jedoch kaum im Zaum gehalten, im ungünstigen Fall wird sie sogar noch ansteigen.»


«La Vanguardia»: Putin und Russland

MADRID: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» befasst sich in einem Kommentar am Mittwoch mit dem Verhältnis zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und den Russen:

«In diesen für die Ukraine dramatischen Stunden wird viel über den Unterschied zwischen Putin und den Russen gesprochen. (Der französische Autor) André Malraux sagte einmal, die Völker hätten immer die Herrscher, die ihnen ähneln. Tatsache ist, dass Putin einen Krieg entfesselt hat, der eine globale Krise mit dem Epizentrum in Europa ausgelöst hat. Er kann militärisch gewinnen, aber politisch und kulturell hat er bereits verloren, obwohl 80 Prozent der Russen dafür sind, ein benachbartes, souveränes Land zu annektieren, das sie für ihr eigenes halten.

Russland pendelt schon lange zwischen Europäisierung und Rückzug in den Autoritarismus hin und her. Beide Seiten haben sich kulturell gegenseitig befruchtet, aber politisch immer gefürchtet und meist gehasst. Russland hat Europa nie militärisch angegriffen, während Napoleon und Hitler es andersherum erfolglos versuchten. Aber jetzt ist es Putin, der das Feuer auf ein Bruderland eröffnet hat, die Ukraine, mit einer europäischen Kultur und souveränen Grenzen. Und dabei werden Leben und Städte zerstört und Millionen Ukrainer vertrieben. Selbst wenn Putin gewinnt, wird er es als Diktator tun.»

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