Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Die Presse»: Notoperation am offenen Herzen der EU-Wirtschaft

WIEN: Die Wiener Zeitung «Die Presse» schreibt über das geplante EU-Öl-Embargo gegen Russland:

«Was die Chefin der Brüsseler Behörde am Mittwoch vorgeschlagen hat, ist in dreierlei Hinsicht gefährlich. Erstens, weil das avisierte Embargo eine Belastungsprobe für den Zusammenhalt der EU ist; zweitens, weil es Russlands Machthaber, Wladimir Putin, ins Eck treibt; und drittens, weil es einer Notoperation am offenen Herzen der europäischen Wirtschaft gleicht.

Fangen wir mit dem letzten Punkt an. Ein Embargo, das auf den Kern einer engen Handelsbeziehung wie jener zwischen Europa und Russland zielt, ist noch nie durchgeführt worden. Wenn die EU ihre Sanktionskanone abfeuert, muss sie sich auf ökonomische Querschläger gefasst machen. Hinzu kommt, dass unter Experten Uneinigkeit darüber herrscht, ob ein Embargo einem Strafzoll auf russisches Öl vorzuziehen ist. Anders ausgedrückt: Europa ist gerade dabei, viel Stoff für künftige Lehrbücher zu produzieren. Insofern sind Übergangsfristen zu begrüßen. Sie mögen zwar die Wirkung der Sanktion hinauszögern, doch immerhin bieten sie die Möglichkeit, den Anpassungsprozess zu beobachten und notfalls nachzujustieren.»


«Berliner Morgenpost» zur Fernwärme

In der vergangenen Legislaturperiode ist der Berliner Senat sogar vor Gericht gezogen, um eine Hand an das Fernwärmenetz zu bekommen.

Das Ansinnen scheiterte. Diese Infrastruktur gehört Vattenfall. Dennoch ist klar, dass die Fernwärme ein wesentliches Instrument ist, um die Klimaziele Berlins zu erreichen und bis 2045 den Kohlendioxid-Ausstoß in der Stadt auf Null zu bringen. Wenn Vattenfall nun prüft, das Fernwärmesystem zu verkaufen, ist das für Berlins Zukunft ein überaus wichtiger Vorgang. Bisher hat der SPD-geführte Senat alle Optionen zur Rekommunalisierung genutzt. Doch die Zeiten sind unsicher und die Investitionskosten enorm. Denn wer auch immer die Fernwärme besitzt, muss in gut 20 Jahren wegkommen von den fossilen Brennstoffen. Ein überstürztes, rein ideologisch getriebenes Wagnis sollte es nicht geben.


«Stuttgarter Zeitung» zur Affäre Strobl

In der Landespolitik galt Thomas Strobl bisher als Überlebenskünstler.

Als CDU-Landeschef hat er mehrfach Wahlniederlagen überstanden, als Innenminister keine groben Fehler gemacht und sich im Amt gehalten. Umso erstaunlicher mutet es an, wie Strobl sich jetzt verrannt hat. Die Affäre um den Inspekteur der Polizei, der eine Kollegin bedrängt haben soll, ist unversehens zu einer Affäre des Vizeministerpräsidenten geworden - vollends mit den jetzt angelaufenen Ermittlungen gegen ihn. Es geht nicht mehr alleine um die Integrität der Polizei, sondern auch um die Integrität des für Recht und Ordnung zuständigen Ressorts, ja der gesamten Landesregierung.


«Frankfurter Rundschau» zum Ölembargo der EU gegen Russland

Endlich hat die EU ein Ölembargo gegen Russland erlassen.

Das wird Putins Krieg und die Gräuel der russischen Armee in der Ukraine nicht sofort stoppen. Das können nur der Autokrat und sein Regime. Sanktionen zielen zunächst darauf ab, Untaten politisch zu ächten. Sie wirken langfristig und tragen dazu bei, den Preis für den Krieg für Moskau in die Höhe zu treiben, und sollen Putin so dazu bringen einzulenken. Deshalb ist es vertretbar, wenn Brüssel stufenweise vorgeht, um sich möglichst wenig selbst zu schaden. Doch Firmen haben begonnen, den Handel mit russischem Öl einzustellen. In acht Monaten soll das Embargo vollständig umgesetzt werden, Ungarn und die Slowakei haben etwas mehr Zeit. Auch das ist vertretbar. Weil der Krieg nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch ökonomisch entschieden wird, sollte die EU zudem möglichst schnell von russischem Gas loskommen. Sie sollte zudem mit Staaten wie Indien sprechen, damit sie nicht russisches Öl ordern und so das Embargo schwächen.


«Handelsblatt» zum EU-Ölembargo

Geschlossenheit, Schnelligkeit und zumindest ein gewisser Überraschungseffekt - das sind die drei notwendigen Voraussetzungen, damit Sanktionen ihre Wirkung erzielen.

(...) Keines der drei Kriterien trifft auf den jetzigen Ölboykott zu. Von Geschlossenheit kann keine Rede sein: Slowenien und vor allem wieder einmal Ungarn drängen auf Ausnahmeregelungen, weil ihre Abhängigkeit vom russischen Öl einfach zu groß ist. Von Geschwindigkeit auch keine Spur: Erst gab es eine wochenlange Debatte darüber, wer überhaupt in welchem Maße beim Boykott mitmacht. (...) Dann gibt es jetzt auch noch lange Fristen, derweil die Milliarden weiter in die russische Kriegskasse fließen. (...) Und der Überraschungseffekt, der dem Sanktionierten die Chance nehmen soll, Ausweichmöglichkeiten zu finden, ist nach diesen nicht enden wollenden Debatten völlig verpufft.


«Pravo»: Schweden muss gegen islamistische Bedrohungen vorgehen

PRAG: Die Zeitung «Pravo» aus Tschechien schreibt am Mittwoch zu möglichen Nato-Beitrittsanträgen Schwedens und Finnlands:

«Der Beitritt der beiden skandinavischen Länder Schweden und Finnland zur Nato ist schon fast eine beschlossene Sache. Das reiche Schweden muss sich indes nicht nur mit seiner äußeren, sondern auch mit seiner inneren Sicherheit befassen. Wenngleich sich die Aufmerksamkeit Europas derzeit auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine konzentriert, darf man nicht vergessen, dass es in einigen Staaten fünfte Kolonnen aus Islamisten gibt. Das betrifft auch Länder wie Frankreich, Deutschland oder Belgien, was zeigt, dass die Nato-Mitgliedschaft bei der Beseitigung dieses Problems wenig hilft.»


«La Repubblica»: In den USA droht die heimliche Abtreibung

ROM: Zum Entwurf des Obersten Gerichts der USA in der Abtreibungsfrage schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Mittwoch:

«Ohne den Schild «Roe versus Wade» werden es die Bundesstaaten sein, die über Abtreibung entscheiden und Generationen von Frauen dem Schrecken der heimlichen Abtreibung wieder aussetzen. Das Gericht, das einem eisernen Verhaltenskodex folgt, gewährt vor den öffentlichen Debatten niemals Einsicht in die vorbereiteten Protokolle, und der Geheimtipp zu dem Dossier reißt eine uralte Liturgie ein. Man erwartete tatsächlich, dass das antike Prinzip «Stare decisis» herrschen würde, die fundierten Urteile nicht in Frage gestellt werden und stattdessen Alito und die Trump-Anhänger die Front wieder öffnen. (...)

Die Reaktion von Präsident Joe Biden ist militant: Wenn das Gericht «Roe versus Wade» kappt, wird über ein Bundesgesetz zur Abtreibung abgestimmt, das jetzt fehlt, aber dazu müssen die Demokraten im November bei den Midterm-Wahlen eine stärkere Mehrheit haben als die knappen Zahlen die im Jahr 2020 zusammenkamen.»


«de Volkskrant»: Abtreibungsverbot würde ärmere Frauen benachteiligen

AMSTERDAM: Zum durchgesickerten Entwurf des abschließenden Urteils des Obersten Gerichts der USA in der Abtreibungsfrage meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Mittwoch:

«Sollte es an diesem durchgestochenen Entscheidungsentwurf des Obersten Gerichtshofs keine grundlegenden Änderungen mehr geben, werden die Vereinigten Staaten ein halbes Jahrhundert zurückgeworfen. Obwohl die Hälfte der fünfzig Bundesstaaten ihr eigenes Abtreibungsrecht beibehalten wird, werden wieder jährlich Zehntausende von Frauen in konservativen Regionen zwischen der Geburt eines ungewollten Kindes und dem Schrecken illegaler Praktiken wählen müssen.

Damit wird das Selbstbestimmungsrecht der Frau dem Recht ihres ungeborenen Kindes untergeordnet. Da vor allem arme Frauen ungewollt schwanger werden, haben die meisten Kinder, die in dieser Situation geboren werden, kein einfaches Leben vor sich. Auch ihre Mütter nicht. Aber diese Entscheidung liegt dann nicht mehr bei ihnen. (...)

Bald wird jeder Bundesstaat selbst entscheiden müssen, ob Abtreibung noch erlaubt ist oder nicht. Progressive Bundesstaaten wie Kalifornien haben bereits angekündigt, dass sie die Abtreibung auf eine solide Rechtsgrundlage stellen werden. Wohlhabendere Frauen aus konservativen Staaten werden sich auf den Weg dorthin machen. Wie so oft sind es die ärmeren Menschen, deren Freiheit eingeschränkt wird.»


«Guardian»: Religiöse Eiferer setzen das Leben von Frauen aufs Spiel

LONDON: Der Londoner «Guardian» kommentiert am Mittwoch den durchgesickerten Entwurf für das abschließende Urteil des Obersten Gerichts der USA in der Abtreibungsfrage:

«Wenn der Oberste Gerichtshof das Urteil «Roe v. Wade» aufhebt, wie ein durchgesickerter Entwurf nahelegt, wäre dies ein vernichtender Schlag für das Grundrecht der Frauen in den USA, selbst über ihren Körper zu bestimmen. Es ist der düstere Höhepunkt eines Kreuzzuges von Eiferern, die gegen den Willen der Mehrheit die Gesundheit, das Glück und das Leben von Frauen aufs Spiel setzen. Die zunehmende Aushöhlung von Rechten und Leistungen hat den Zugang zu Abtreibungen bereits stark eingeschränkt. Und viele befürchteten, dass Donald Trumps juristisches Vermächtnis die Einschränkung oder Aufhebung des Urteils von 1973 sein würde, mit dem Abtreibungen landesweit legalisiert worden waren. (...)

Eine solche Entscheidung würde Frauen dazu zwingen, in einem Land zu gebären, in dem die Müttersterblichkeitsrate hoch ist und in dem es keinen nationalen Anspruch auf bezahlten Mutterschaftsurlaub gibt. Sie würde das Leben von Frauen aufs Spiel setzen, die dann illegale Abtreibungen vornehmen lassen. Und sie droht gefährdete Frauen sowie diejenigen, die ihnen helfen, zu kriminalisieren (selbst jene, die eine Fehlgeburt haben). Und noch mehr Kinder würden zur Armut verdammt werden.»


«Libération»: Recht auf Abtreibung in den USA in Gefahr?

PARIS: Zum Entwurf des Obersten US-Gerichtshofs, der die Abschaffung des Rechts auf Abtreibung in den USA vorsieht, schreibt die französische Tagesszeitung «Libération» am Mittwoch:

«Der durchgesickerte Entwurf ist äußerst ernst zu nehmen, denn die Anzahl der konservativen Richter spricht für seine Umsetzung. Und das in dem Land, das sich so sehr seiner Freiheiten rühmt. (...) Seit der #MeToo-Debatte im Jahr 2017 haben die Amerikanerinnen schon einen Rückschlag erwartet. Nun ist er da, aber musste er sie wirklich so hart treffen? (...)

Es ist jetzt wichtiger denn je, die Frauenrechte Seite an Seite zu verteidigen und das Kräfteverhältnis wieder herzustellen. In den USA, insbesondere bei den anstehenden Kongresswahlen. Aber auch in Europa, wo ukrainischen Frauen, die Opfer von Vergewaltigungen geworden sind, der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Polen verwehrt wird. Aber auch anderswo, überall.»


«Philadelphia Inquirer»: US-Senat muss endlich auf Mehrheit hören

PHILADELPHIA: Zum Entwurf einer Urteilsbegründung des Obersten US-Gerichts, wonach das liberale Abtreibungsrecht des Landes gekippt werden soll, schreibt die US-Zeitung «Philadelphia Inquirer»:

«Das Land sieht einer Katastrophe im Gesundheitswesen entgegen, die unverhältnismäßig viele nicht-weiße Frauen treffen wird, die in Armut leben. Es ist noch Zeit, das Gesetz zu stoppen (...), aber dazu müsste der US-Senat etwas tun, was er selten tut: den Willen der Mehrheit der Amerikaner widerspiegeln. (...)

Es gibt eine Lösung. Im vergangenen September hat das US-Repräsentantenhaus das Gesetz zum Schutz der Gesundheit von Frauen (Women's Health Protection Act) verabschiedet - einen Gesetzentwurf, der Abtreibung im Bundesgesetz verankern würde. Es ist an der Zeit, dass alle Demokraten im Senat und die wenigen Republikaner, die angeblich an das Recht auf freie Wahl glauben, alles Menschenmögliche tun (...), um das Gesetz (zum Unterschreiben) auf den Schreibtisch von Präsident Joe Biden zu bringen. (...)

Amerika steuert auf dunkle Zeiten zu. Roe zu kippen ist schon schlimm genug, aber die Argumentation, die in der Urteilsbegründung von (Richter Samuel) Alito dargelegt wird, lässt sich auch auf andere Rechte ausdehnen - von der Empfängnisverhütung bis zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Die Senatoren (...) haben die Wahl: den Willen der Mehrheit zum Ausdruck zu bringen oder zuzulassen, dass eine Handvoll Richter, die von Senatoren bestätigt wurden und eine Minderheit der Amerikaner vertreten, uns ein Recht nach dem anderen rauben. Die Uhr tickt.»


«NZZ»: Ein Debakel für das Oberste Gericht der USA

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch den durchgesickerten Entwurf zum finalen Urteil des Obersten Gerichts der USA in der Abtreibungsfrage:

«Nach Jahrzehnten des erbittert geführten Streits wäre damit «Roe v. Wade» Geschichte, ein fast fünfzig Jahre alter Leitentscheid, der in seiner Berühmtheit wohl nur von den Urteilen zur Gleichstellung der Afroamerikaner übertroffen wird.

Überraschend ist dabei nicht, dass das Abtreibungsrecht eingeschränkt wird. Nachdem das Oberste Gericht vor anderthalb Jahren mit der dritten von Donald Trump zu besetzenden Vakanz eine klare konservative Mehrheit erhalten hatte, war das zu erwarten. Erstaunlich ist vielmehr die Radikalität, mit der die Richter «Roe v. Wade» kippen. (...)

Wer ein Interesse am Leak hatte, vermutlich um damit das Urteil noch in eine andere Richtung zu lenken, ist offen. Gewiss ist aber, dass dies den Supreme Court in den Strudel der Parteipolitik reißt. Das schadet dem Ansehen des Gerichts enorm - und damit der Akzeptanz seiner Entscheidungen.

Spürbar wird das bereits im Juni sein, wenn die Richter ihr definitives Urteil in der Abtreibungsfrage fällen werden. Wie auch immer es ausfallen wird: Für einen Teil des Landes wird es sich um einen rein politischen Entscheid handeln, der entsprechend kompromittiert ist. Für das Oberste Gericht ist das ein Debakel.»


«El País»: Deutschland bei Öl-Embargo treibende Kraft

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Mittwoch Deutschlands Rolle beim geplanten Öl-Embargo gegen Russland:

«Das sechste Sanktionspaket, das Brüssel gegen Wladimir Putin vorbereitet, wird den Stopp russischer Öllieferungen umfassen. Deutschland hat die Rolle des Motors dieser Maßnahme übernommen, indem es die Fristen für die Verringerung seiner Abhängigkeit von Gas und Öl deutlich verkürzt hat, um damit die enormen Einnahmen zu reduzieren, die Putin auf diese Weise erzielt. Die Entscheidung könnte Länder wie Italien, Österreich, Griechenland oder die Slowakei, die stärker von russischem Öl abhängig sind, zum Umdenken bewegen und sogar Ungarn dazu bringen, die Entscheidung zu akzeptieren. Deutschland hat seine Abhängigkeit von russischem Öl und Gas bereits erheblich reduziert. Die Wende von Scholz erhöht nun die Chancen auf ein baldiges sechstes Sanktionspaket. Einigkeit wird auch in Zukunft das entscheidende Element sein, das die EU gegenüber Putin stärkt. Und dieses Mal ist es Deutschland, das diese Einigkeit ermöglicht.»

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