Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Rundschau» zum UN-Flüchtlingsbericht

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat dramatische Zahlen vorgelegt.

82,4 Millionen Menschen waren 2020 weltweit auf der Flucht. Deutschland zählt nur wenig mehr Menschen. Es ist erschütternd, wie sehr wir uns in Europa an solche Zahlen gewöhnt haben. Die persönlichen Schicksale dahinter nehmen wir nicht wahr. Sie sind zu vielen egal. Im vergangenen Jahr kam noch erschwerend dazu, dass die meisten Staaten ihre Grenzen aus Furcht vor dem Virus geschlossen hielten. Flüchtlinge wurden noch mehr als in den Jahren zuvor als eine Bedrohung angesehen. Das muss sich ändern. Gerade die EU könnte sehr schnell dem Drama wenigstens ein bisschen von seiner Schärfe nehmen. Im Vergleich zu Entwicklungsländern, die 86 Prozent der Flüchtlinge aufgenommen haben, ist die Zahl der Flüchtlinge in Europa lächerlich klein. Doch es fehlt der politische Wille in der EU, eine humane Migrationspolitik zu betreiben. Das ist der eigentliche Skandal.


Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion

(.) Für seine [Steinmeiers] Verhältnisse aber war die Mahnung, die Erinnerung dürfe "uns nicht von Neuem entzweien", ziemlich deutlich.

Das gilt auch für seine Äußerung, wonach aus dem "Geschenk der Versöhnung" für Deutschland große Verantwortung erwachse: alles zu tun, um Völkerrecht und territoriale Integrität auf dem europäischen Kontinent zu schützen. Hier nannte der Bundespräsident sogar ausdrücklich die Nachfolgestaaten der Sowjetunion. In der Ukraine, deren Botschafter wie sechs weitere aus den ehemaligen "Bruderländern" der Veranstaltung fernblieb, wird man "alles" gerne gehört haben; ganz glauben wird man diesem Schwur aber wohl nicht. Denn noch immer zieht die deutsche Politik aus der deutschen Geschichte lieber den Schluss, besser nichts bis wenig zu tun als alles.(.).


«Münchner Merkur» zu Antisemitismus/Einbürgerung

Wer die Demonstrationen im Mai in mehreren Städten gesehen hat, herausgeschriener Hass auf Juden, Israel-Fahnen in Flammen, weiß sofort: Auch importierter Antisemitismus gefährdet den inneren Frieden.

Brennende Fahnen sind keine politische Äußerung, sondern die Vorboten von brennenden Synagogen. Unser Land soll weltoffen sein, gern auch bunt - aber nicht blöd. Das bedeutet, importiertem Hass nicht mit Tätschel-Toleranz und dezentem Schweigen entgegenzutreten, sondern mit Härte und Konsequenz von Polizei, Justiz, Politik. Diese Erkenntnis setzt sich allmählich, leider spät, durch. Die Koalition einigt sich auf harte Regeln, antisemitisch und fremdenfeindlich aufgefallene Migranten nicht einzubürgern. Ja, was denn sonst? Auch der nächste Schritt ist richtig: Antisemitismus muss ein Ausweisungsgrund sein.


«Duma»: Genf-Gipfel war nicht vergebens

SOFIA: Über das amerikanisch-russische Gipfeltreffen in Genf schreibt am Freitag die sozialistische pro-russische Zeitung «Duma» in Bulgarien:

«Die russisch-amerikanischen Beziehungen sind darart vergiftet durch Probleme, dass von dem Treffen zwischen (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin und (US-Präsident Joe) Biden wohl kein Durchbruch erwartet wurde. Nicht zufällig hatten viele eher nichts von dem Treffen erwartet. Obwohl es dabei nicht zum Durchbruch kam, kamen aus dem Treffen Pluspunkte und Vereinbarungen hervor. Vor der Begegnung hatte Putin gesagt, dass das Treffen in Genf nicht vergebens sei, falls sie mit Biden vereinbaren sollten, Mechanismen zur Lösung einiger Probleme in Bewegung zu setzen. Jetzt können wir sagen, dass es wirklich nicht überflüssig gewesen war.»


«Le Figaro»: Frankreichs Industrie verliert international an Einfluss

PARIS: Zur aktuellen Wirtschaftslage in Frankreich schreibt die konservative Tageszeitung «Le Figaro» am Freitag:

«18 Monate nach dem Ausbruch von Corona nimmt das echte Leben endlich wieder geregelte Bahnen ein. Für die französische Industrie (...) bleibt die Situation trotzdem kompliziert: Ob Pandemie oder nicht, sie verliert im großen weltweiten Wettbewerb unweigerlich an Einfluss. (...) Zwei Millionen Industriearbeitsplätze sind in den vergangenen drei Jahrzehnten verloren gegangen, und der Anteil am europäischen Markt sinkt stetig - Frankreich zahlt einen hohen Preis für seine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. (...)

Trotz der Steuersenkungen der vergangenen Jahre bleibt (das Land) (...) ein Meister der Besteuerung. Auch die Überfülle an Normen, die jede Regierung zu bekämpfen schwört, hat in der Tat nie aufgehört zu wachsen. In Anbetracht von weniger naiven und vor allem pragmatischeren Konkurrenten schwächt diese Inflation auf gefährliche Weise Exzellenzbereiche wie die Automobil-, die Lebensmittel-, die Gesundheits- oder die Energiebranche.»


«Corriere della Sera»: Gipfel verlief für Putin anders als erhofft

ROM: Zum Treffen von US-Präsident Joe Biden mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Freitag:

«Es gab keine nennenswerten Fortschritte in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern, es wurde keine wichtige Einigung erzielt, abgesehen von der Rückkehr der Botschafter. Doch Wladimir Putin ist mit der Begegnung mit Joe Biden sehr zufrieden und glaubt, dass sein neuer Gesprächspartner jenseits des Atlantiks alles andere als «schläfrig» ist, wie Ex-US-Präsident Donald Trump sagt. (...)

In Wirklichkeit verlief der Gipfel nicht ganz so, wie Putin es sich erhofft hatte, angefangen bei seiner Dauer. Im Kreml hatte man von vier, fünf Stunden «und noch mehr» gesprochen, aber in Wirklichkeit unterhielten sich die beiden drei Stunden lang, teils allein mit ihren Außenministern, teils mit erweiterten Delegationen.

Die Verlängerung des Abrüstungsabkommens New Start stand an, ebenso wie die Wiederaufnahme der Kontakte zwischen den Experten der beiden Länder für eine neue Zukunft. Aber es gab keinen Fortschritt bei den wesentlichen Fragen. Die Vereinigten Staaten hätten gerne die neuen russischen Waffen mit einbezogen, wie das Drohnen-Atom-U-Boot; der Kreml verlangt, die US-Raketenabwehr und Weltraumwaffen zu integrieren.»


«Kommersant»: Kleine Parteien sind bei Wahl in Armenien wichtig

MOSKAU: Zur an diesem Sonntag anstehenden Parlamentswahl in Armenien schreibt die russische Tageszeitung «Kommersant» am Freitag:

«Der Wahlkampf, der über das Schicksal des vielleicht klügsten und umstrittensten Spitzenpolitikers der vergangenen Jahre im Gebiet der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) früherer Sowjetstaaten entscheidet, geht in Armenien zu Ende. Nikol Paschinjan kam mit der sogenannten Samtenen Revolution 2018 an die Macht. Seiner Bewegung steht vor allem der Block «Armenien» unter Führung des ehemaligen Präsidenten Robert Kotscharjan gegenüber.

Umfragen zufolge wird keine der Parteien in der Lage sein, allein eine neue Regierung zu bilden, deshalb wird das Ergebnis der kleinen Parteien besonders wichtig sein. Eine zweite Runde ist allerdings auch nicht auszuschließen. Und dann wird die Unsicherheit in der Kaukasus-Republik Armenien, die bereits am Rande einer politischen Krise steht, noch bis zum Ende des Sommers andauern.»


«El País»: Die EU darf in Ungarn und Polen nicht wegschauen

MADRID: Zur Verabschiedung eines Homosexuellen-feindlichen Zensurgesetzes in Ungarn schreibt die spanische Zeitung «El País» am Freitag:

«Mit diesem neuen Gesetz verstärkt Ungarn seine Herausforderung an die EU, die nicht wegschauen darf, während dort unter dem autoritären und ultrakonservativen Kurs von (Ministerpräsident Viktor) Orban die Verletzung der Rechte von Minderheiten institutionalisiert wird (...) Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen - die ihre Ernennung zum Teil den Stimmen der ungarischen und polnischen Konservativen verdankt, die sich gegen ihren sozialdemokratischen Gegenkandidaten positioniert haben - hat sich zwar um Aufnahme eines konstruktiven Dialogs bemüht, um die Herausforderungen sowohl in Ungarn als auch in Polen zu verringern. Es ist aber eine Tatsache, dass beide Länder ihre Politik unverändert beibehalten. Die EU-Institutionen müssen mit einer eingehenden Prüfung dieser Menschenrechtsverletzungen reagieren und, falls diese nicht korrigiert werden, auch verhältnismäßige Vergeltungsmaßnahmen beschließen.»


«Financial Times»: Reformvorhaben von Joe Biden stecken fest

LONDON: Nach seiner Europareise sei US-Präsident Joe Biden wieder mit heimischen Problemen konfrontiert, merkt am Freitag die Londoner «Financial Times» an:

«US-Präsident Joe Biden war in der zurückliegenden Woche in seinem Element. Eine Europareise, die die G7, die EU und die Nato umfasste, kam der außenpolitischen Neigung des erfahrenen Diplomaten entgegen. Er kehrt mit einem stärkeren Gefühl westlicher Geschlossenheit zurück. Und wenn es schon keine Annäherung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin gab, so doch zumindest ein klareres Gefühl dafür, was möglich ist. Der Tenor des Gipfels in Genf war, wie Biden betonte, «konstruktiv».

Was seine Stimmung trüben wird, ist das, was er zu Hause vorfindet. (...) Eine Präsidentschaft, die hinsichtlich ihrer innenpolitischen Ambitionen mit der von Franklin Roosevelt verglichen wurde, verliert an Tempo. Zu den Gesetzentwürfen, die im Morast der Kompromisslosigkeit des Kongresses feststecken, gehören sein Infrastrukturplan und die dringend benötigte Reform des Wahlrechts. Die Steuererhöhungen für Unternehmen, die helfen sollten, das erste Vorhaben zu finanzieren, sind ebenfalls in der Schwebe.»


«de Volkskrant»: Lichtblicke nach Treffen von Biden und Putin

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» begrüßt am Freitag die von den USA und Russland geplanten Gespräche zur Rüstungskontrolle:

«Seit der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 hat sich das Verhältnis - und der Dialog - so sehr verschlechtert, dass Militärexperten zunehmend besorgt über die zahlreichen Beinahe-Zusammenstöße zwischen russischen und westlichen Streitkräften sind. Überträgt man dies auf den nuklearen Bereich - mit der Modernisierung sowohl der russischen als auch der amerikanischen Atomwaffenarsenale, der Ankündigung spektakulärer neuer Trägersysteme und der russischen Doktrin, die den «deeskalierenden Einsatz» kleinerer Atomwaffen vorsieht - dann beginnt zu dämmern, warum Atomwaffenexperten Lichtblicke im Biden-Putin-Gipfel ausmachen.»


«NZZ»: Russland vorsichtig bei Bewertung des Gipfels

ZÜRICH: Zur Einschätzung des Genfer Gipfeltreffens aus russischer Sicht schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Freitag:

«Niemand gibt sich in Russland der Illusion hin, das Treffen von Genf habe zu einer echten Verbesserung des Verhältnisses geführt. Im besten Falle habe der Gipfel es ermöglicht, besser mit der Konfrontation umzugehen. Garantiert sei aber nichts.

Die russische Vorsicht rührt von Erfahrungen aus der Vergangenheit her. Auch der Gipfel von Helsinki 2018 mit Donald Trump war in Moskau positiv beurteilt worden. Trumps Verhalten während des Treffens erwies sich dann aber als so großer innenpolitischer Ballast, dass sich die Beziehungen erst recht verhärteten und Russland jede Hoffnung auf eine Verbesserung aufgab. Deshalb ist die Ansicht verbreitet, es komme nun darauf an, ob es Biden gelingen werde, der eigenen Partei und dem politischen Gegner zu vermitteln, dass die Begegnung mit Putin sich gelohnt habe.

Was aus russischer Sicht positiv war - Bidens Konzilianz, das Vermeiden von Drohungen, die Einigung auf die Einrichtung mehrerer Arbeitsgruppen -, dürfte für den amerikanischen Präsidenten innenpolitisch schwieriger zu verkaufen sein.»

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