Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Impfziel der Europäischen Union

In der Impfkampagne gab es zuletzt viele böse Überraschungen, deshalb sollte man sich nicht blind auf das neue Impfziel der EU verlassen.

Aber wenn es tatsächlich schon im Juli genug Impfstoff für 70 Prozent der Erwachsenen gäbe, dann wäre das ein großer Fortschritt auf dem Weg zur Herdenimmunität. (...) Sieht man von etwaigen neuen Nebenwirkungen oder Produktionsschwierigkeiten ab, dann könnten uns vor allem noch zwei Dinge einen Strich durch die Rechnung machen: Mutanten und Impfmüdigkeit. Gegen das Erste hilft Vorsicht bei Lockerungen im Reiseverkehr, das Zweite wird sich vermutlich nicht ganz vermeiden lassen. Wenn es gelingt, die Zahl der Infektionen durch die Impfung der Älteren und Risikogruppen zu senken, werden sich gerade viele Jüngere fragen, warum sie sich überhaupt noch impfen lassen sollten.


«Dennik N»: Slowakische Solidarität mit Tschechien ist richtig

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Dennik N» schreibt am Freitag über den tschechisch-russischen Diplomatenstreit, in den nun auch die Slowakei eingestiegen ist:

«Die slowakische Regierung hat vorgeführt, was es bedeutet, wenn sich zwei Länder wirklich nahestehen. Als überhaupt erstes Mitgliedsland der Europäischen Union und der Nato haben wir Prag in seinem Streit mit dem Kreml unterstützt, indem wir drei als Diplomaten getarnte russische Agenten ausgewiesen haben. (...) In einer Situation, in der die anderen Verbündeten nur darüber beraten, ob und was sie überhaupt machen wollen, hat die Slowakische Republik klar gezeigt, dass der Angriff auf ein Munitionslager des engsten Nachbarn wie ein Angriff auf uns selbst ist, den wir nicht tolerieren werden. (...)

Tschechien ist nach Angaben seiner Geheimdienste und der Polizei zum Opfer einer gewaltsamen Aktion des Regimes von Wladimir Putin (dem russischen Präsidenten) geworden. Und die Slowakei hat unter diesen Umständen richtig reagiert. Sogar viel richtiger als das Opfer selbst, dessen Präsident Milos Zeman sich noch immer nicht zu einer öffentlichen Stellungnahme aufraffen konnte. Womit er nur den Verdacht verstärkt, dass er mehr den Interessen Putins als seinem eigenen Land dient.»


«Le Monde»: Grüne wollen geeint an die Macht

PARIS: Zu den Grünen in Deutschland schreibt die französische Tageszeitung «Le Monde» am Freitag:

«Auch wenn die deutschen Grünen zwischen «Realos» - den Pragmatikern, zu denen ihre Kandidatin Annalena Baerbock gehört - und den «Fundis» - den Radikalen, deren Einfluss zurückgegangen, aber immer noch von Gewicht ist - ihre Widersprüche haben, schafften sie es dennoch, diese zu überwinden.

Davon zeugt ihr im November 2020 verabschiedetes «Grundsatzprogramm». Es versucht auf 84 Seiten, bei den großen aktuellen Debatten Ehrgeiz und Glaubwürdigkeit in Einklang zu bringen: Klimaerwärmung, Investitionspolitik, europäische Verteidigung, Nato, Sicherheit. Dies ist ohne Frage ein zerbrechliches Gleichgewicht. Aber die deutschen Grünen haben verstanden, dass sie sich verständigen müssen, um geeint die Macht zu erobern, die sie auf jeden Fall ausüben wollen.»


«Hospodarske noviny»: Tschechien bleibt schwer lesbarer Partner

PRAG: Zu den Spannungen zwischen Tschechien und Russland, die zu gegenseitigen Diplomatenausweisungen geführt haben, schreibt die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Prag am Freitag:

«Ohne die Unterstützung seiner Verbündeten hätte sich Tschechien nicht in einen derart grundsätzlichen Streit mit Russland gewagt. Dennoch bleibt Tschechien für viele Staaten in der Europäischen Union und der Nato ein schwer lesbarer Partner. Präsident Milos Zeman verbreitet im Ausland das Bild einer prorussischen und prochinesischen Politik. Umso größer dürfte für weniger gut informierte Beobachter der Schock über die Entscheidung der Regierung in Prag gewesen sein, dass Dutzende russische Diplomaten das Land verlassen müssen. Nicht vergessen bleibt dabei, dass Tschechien es in der Vergangenheit selbst wiederholt abgelehnt hat, europäische Solidarität zu zeigen, zum Beispiel in der Flüchtlingskrise von 2015.»


«Corriere della Sera»: USA mit Umkehr in Klimapolitik

ROM: Zum von US-Präsident Joe Biden ausgerichteten Online-Klimagipfel schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Freitag:

«Es ist der Tag der Versprechungen. Joe Biden begann mit der Eröffnung des Online-Klimagipfels. Die USA verpflichten sich, die Kohlendioxidemissionen bis 2030 um 52 Prozent zu senken und nehmen als Referenzpunkt das Jahr 2005. Eine totale Umkehr im Vergleich zur Gleichgültigkeit gegenüber der Umwelt Donald Trumps, der 2017 den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen verkündete. In der ersten Sitzung gestern wiesen fast alle 40 vom US-Präsidenten eingeladenen Staats- und Regierungschefs ihre ökologischen Nachweise vor, sowie Zahlen und Prozentangaben. (...)

Dieser Gipfel der Staats- und Regierungschefs war nicht auf dem offiziellen Kalender der internationalen Beziehungen vorgesehen. Dieses Jahr haben die USA weder den G7-Vorsitz noch den der G20 oder den der Cop 26, der UN-Klimakonferenz. Der Gipfel ist also eine Biden-Initiative. Und bis auf Kremlchef Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping haben ihn alle als wichtiges Element zur Umkehr hervorgehoben.»


«Kommersant»: Spirale der Konfrontation zwischen Moskau und Prag

MOSKAU: Zu den Spannungen zwischen Tschechien und Russland und den gegenseitigen Ausweisungen von Diplomaten schreibt die Moskauer Tageszeitung «Kommersant» am Freitag:

«Die Beziehungen zwischen Russland und Tschechien haben am Donnerstag den tiefsten Punkt in der neueren bilateralen Geschichte erreicht. Moskau machte eine neue Massenausweisung von Mitarbeitern der Botschaft Russlands unausweichlich, weil es die Bedingungen eines Prager Ultimatums nicht erfüllte.

Außerdem ist der Konflikt nun nicht mehr nur ein bilateraler. Den tschechischen Aufforderungen, sich der Bestrafung Moskaus anzuschließen, folgte nun die Slowakei mit der Ausweisung von drei russischen Diplomaten. Prag erwartet jetzt solche Schritte auch von anderen Staaten - von den Mitgliedern der EU und der Nato.

Russlands Außenministerium schiebt die ganze Verantwortung für die Eskalation auf Tschechien und seine «in einer abgebrühten Russlandfeindlichkeit gefangenen» Verbündeten und warnt, dass eine Antwort auf die neue Spirale der Konfrontation nicht auf sich warten lassen wird.»


«The Telegraph»: Kapitalismus kann gut für die Umwelt sein

LONDON: Die britische Tageszeitung «The Telegraph» warnt am Freitag vor «grünen» Steuererhöhungen:

«Die Verbraucher haben sich angepasst und - was entscheidend ist - die Technologie wurde weiterentwickelt (Preise für Lithium-Ionen-Akkus zum Beispiel sind in den letzten zehn Jahren um 89 Prozent gefallen). Mit anderen Worten: Kapitalismus kann gut für die Umwelt sein. Und es wäre ein großer Fehler, die Bewältigung des Klimawandels mit Sozialismus zu verwechseln, wenn, wie in jeder anderen Phase des industriellen Wandels, der Markt der Motor der Innovation sein wird. (...)

Für Politiker ist es einfach, Ziele zu setzen. Hilfreicher wäre es, zu erklären, wie wir die wirtschaftlichen Bedingungen schaffen wollen, die technologische Entwicklung fördern. Großbritannien und der Rest der Welt haben bereits einen harten Kampf vor sich, um sich von der Pandemie zu erholen: Die Androhung einer noch stärkeren Belastung in Form von höheren grünen Steuern ist ein schlimmer Fehler. Stattdessen sollten es grüne Steuergutschriften sein. Um Erfolg zu haben, muss diese Revolution von der Privatwirtschaft vorangetrieben werden, nicht von der trägen Hand des Staates, der schon so viele seiner sozialen Ziele nicht erreicht hat.»


«Dagens Industri»: Klimaschutz im Fokus von Ländern und Unternehmen

STOCKHOLM: Die schwedische Wirtschaftszeitung «Dagens Industri» (Stockholm) meint am Freitag zu den Klimabemühungen von Politik und Wirtschaft:

«Das Ziel des Pariser Klimaabkommens ist, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass zentrale Akteure nun bereit sind, ihre Ambitionen zu erhöhen. Sowohl die EU als auch Großbritannien haben ihre Pläne aktualisiert, die USA und Japan haben bei Joe Bidens digitalem Klimagipfel neue, ambitiöse Teilziele veröffentlicht. Den Wert solcher Emissionsversprechen kann man definitiv in Frage stellen. Was jedoch Hoffnung gibt: Klimaschutzmaßnahmen haben angefangen, ein wichtiger Baustein im großpolitischen Spiel zu werden. Länder scheinen darum zu konkurrieren, wer global das grüne Trikot tragen darf. Dieses großpolitische Spiel ähnelt dem in der Wirtschaft: Firmen in verschiedenen Sektoren scheinen darum zu kämpfen, wer den smartesten Klimaplan hat, um die Gunst von Verbrauchern und Investoren zu gewinnen. Um das nächste Tesla zu werden.»


«De Standaard»: Zweifel an Klima-Versprechungen

BRÜSSEL: Zum virtuellen Klimagipfel schreibt die belgische Zeitung «De Standaard» am Freitag:

«Es ist fraglich, ob man sich auf all diese Versprechungen verlassen kann. Der Sinneswandel des brasilianischen Präsidenten etwa wirkt schon ein wenig lächerlich. (...) Seit Jair Bolsonaro an der Macht ist, hat er gnadenlos auf Institutionen eingeschlagen, die den tropischen Regenwald beschützen sollen. Nun erklärt er mit Unschuldsmiene, Brasilien müsse im Kampf gegen den Klimawandel vorangehen und darum werde er das illegale Holzfällen bis 2030 ausmerzen. Sein Land wolle nicht erst 2060, sondern schon 2050 klimaneutral sein. Bolsonaro hofft, dass er so bei den Amerikanern Geld locker machen kann für den Kampf gegen die illegale Abholzung. (...)

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin hat Geld gerochen. Er ließ wissen, dass es für ausländische Unternehmen, die in Russland in grüne Technologien investieren wollen, womöglich günstige Bedingungen geben könnte. Damit gab er praktisch zu, dass sein Land weit zurückliegt. Russlands Volkswirtschaft hängt in starkem Maße vom Öl- und Gasexport ab. Wenn Moskau es nicht schafft, sie viel mehr zu diversifizieren, sieht die Zukunft düster aus.»


«El País»: Positive Entwicklung im Kampf gegen den Klimawandel

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Freitag den Klima-Gipfel:

«Dieses Jahr könnte ein wichtiger Wendepunkt im Kampf gegen den Klimawandel werden. Zwei Ereignisse machen Hoffnung und bringen uns dem im Pariser Abkommen festgelegten Ziel näher: Verhindern, dass die durchschnittliche weltweite Temperatur um mehr als zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigt. Einerseits ist da die Rückkehr der USA zum Kampf gegen den Klimawandel und andererseits die Vereinbarung der Regierungen der 27 EU-Länder, die eingegangenen Verpflichtungen zur Reduzierung der Emissionen auf eine gesetzliche Basis zu stellen. Beide Entwicklungen sind sehr positiv.

Während die Welt gegen die Pandemie kämpft, nimmt die andere große Krise, die Klimakrise, ihren Lauf. Ohne die USA, das Land, das am meisten zur globalen Erwärmung beigetragen hat, wäre es unmöglich, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen und eine Katastrophe zu verhindern. Besonders wichtig ist auch China. Präsident Xi Jinping bekräftigte eine Verpflichtung, die er angesichts der Tatsache, dass die Industrialisierung Chinas viel später erfolgte, für fair hält: Reduzierung der Emissionen erst ab 2030. Es gilt: Verpflichtungen einzugehen ist wichtig. Jetzt ist es Zeit, sie auch zu erfüllen.»


«Tages-Anzeiger»: Bidens Klimapläne könnten an Republikanern scheitern

ZÜRICH: Zu den Klimazielen von US-Präsident Joe Biden schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Freitag:

«Jetzt muss Biden es nur noch schaffen, seinen gigantischen Infrastruktur- und Klimaplan ohne große Verluste durch den Kongress zu bekommen. Das Problem aber ist der Senat. Wenn die Regel greift, dass 60 Stimmen benötigt werden, um das Gesetz durchzubekommen, müssen zehn Republikaner Bidens Paket unterstützen. Das erscheint derzeit höchst unwahrscheinlich. Ob nicht auch eine einfache Mehrheit reichen kann, ist noch nicht endgültig entschieden.

Solange das so ist, wird Biden weiterverhandeln, auch mit den Republikanern. Diese Woche empfing er eine überparteiliche Gruppe von Kongressabgeordneten. Biden zeigte sich kompromissbereit. Öffentlich erklärt er gern, alle seien sich einig, strittig sei nur die Frage, wie es bezahlt werde. So einfach ist es wohl nicht. Auf republikanischer Seite ist zu hören, Unterstützung werde es - wenn überhaupt - nur für ein reines Infrastrukturgesetz geben. Also nur für Brücken, Straßen und Häfen. Und teurer als 800 Milliarden Dollar soll es auch nicht werden. Wenn es dabei bleibt, kann Biden seine Klimaschutzambitionen einpacken.»


«NZZ»: EU sollte Tschechien den Rücken stärken

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Freitag den diplomatischen Konflikt zwischen Russland und Tschechien:

«Der russische Staat tritt in jenen Ländern, die einst sowjetische Satelliten waren, aber seit fast zwei Jahrzehnten zur EU und zur Nato gehören, weiterhin mit einer gefährlich arroganten, postkolonialen Attitüde auf. Tschechiens Zurückhaltung und Wohlverhalten wurde in Moskau als Schwäche und Ermutigung ausgelegt. Neben Polen, das stets nur auf amerikanische Sicherheitsgarantien vertraute, verhärten sich inzwischen auch die Positionen Tschechiens und der Slowakei gegenüber Russland. Für Ungarn wird der Balanceakt zwischen den Großmächten immer schwieriger.

Dass der Raum für Kompromisse schrumpft, erfahren die Ostmitteleuropäer gerade schmerzhaft. Es ist eine Lektion, die auch die unentschlossene EU interessieren sollte, will sie ihrem Bedeutungsverlust im Osten entgegentreten. Eine erste Gelegenheit böte sich, indem sie Tschechien in seinem Konflikt mit Russland unterstützt. 2018 zeigten die EU-Staaten Solidarität mit Großbritannien, als sie nach der Vergiftung des Doppelagenten Skripal koordiniert russische Diplomaten auswiesen. Eine ähnliche Geste würde nun auch den Tschechen den Rücken stärken.»

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