Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Papst-Besuch im Irak

Die Reise in Zeiten der Pandemie in ein anschlagsgefährdetes Gebiet zeugt vom Mut des Papstes.

In einer Zeit, in der sich in Europa die Fronten zwischen den Mehrheitsgesellschaften und den Muslimen verhärten, leistet Franziskus damit einen wichtigen Beitrag, doch ein friedliches Zusammenleben der Religionen zu ermöglichen. Daneben lenkt der Papst die Aufmerksamkeit auf die Christen im Irak. Nicht zu Unrecht klagen sie, dem Westen seien sie gleichgültig geworden. Nun spricht ihnen der Papst Mut zu, ihre Heimat nicht zu verlassen, so schrecklich die Erinnerung an den Terror des IS auch sein mag. Mit seiner Reise in ein von Krieg und Gewalt gezeichnetes Land sendet der Papst das Signal, gegenüber dem Leiden anderer, unabhängig von ihrem Glauben, nicht gleichgültig zu bleiben.


«Neatkariga Rita Avize»: Das Baltikum und der russische Impfstoff

RIGA: Zur Debatte über einen möglichen Einsatz des russischen Impfstoffs Sputnik V schreibt die lettische national-konservative Tageszeitung «Neatkariga Rita Avize» am Freitag:

«In Europa gibt es sehr unterschiedliche Ansätze, was den russischen Impfstoff betrifft, der im Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt wurde. In Russland wurde viel zerstört, aber die medizinische Wissenschaft ist auf hohem Niveau geblieben, obwohl viele Köpfe nach Israel ausgewandert sind. Der russische Impfstoff ist daher wahrscheinlich nicht schlechter als andere. Russland exportiert diesen Impfstoff in etwa 30 Länder, die größtenteils dieselben sind, die in Zeiten der UdSSR in großen Mengen sowjetische Kalaschnikows gekauft haben.

Verständlicherweise bemüht sich die Ukraine nicht um Sputnik V, weil es um die Beziehung nicht zum Besten steht. Litauen ist strikt dagegen, Estland dagegen ist toleranter und pragmatischer. In Lettland aber wird der Name «Sputnik» überhaupt nicht in den Mund genommen. Das Thema wird vermeiden und gescheut wie vom Teufel das Kreuz.»


«Duma»: Druck auf Opposition in der Ukraine wächst

SOFIA: Zur Lage in der Ukraine schreibt am Freitag die sozialistische pro-russische Oppositionszeitung «Duma» in Bulgarien:

«Im vergangenen Monat verstärkte sich planmäßig der Druck auf die Opposition in der Ukraine (...), der pro-russische Stimmungen vorgeworfen werden. Dieser Druck fällt verdächtigerweise mit der Rückkehr der Demokraten ins Weiße Haus zusammen. (...) Die Gründe sind offensichtlich. (Der ukrainische Präsident Wolodymyr) Selenskyj erfüllte die Erwartungen nicht. Die Armut verschwindet nicht - die Menschen verlassen das Land. Die Preise steigen, der Krieg hört aber nicht auf. Seine (Selenskyjs) Partei «Diener des Volkes» ist bereits drittstärkste politische Kraft.»


«La Repubblica»: Papst spricht mit dem wichtigsten Mann im Irak

ROM: Zur Papst-Reise in den Irak schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Freitag:

«Papst Franziskus trifft den Großajatollah (Ali) al-Sistani. Laut Protokoll ist es ein Privatbesuch: eigentlich aber einer der wichtigsten Momente der Irak-Reise. Sistani, Leiter an der Hochschule von Nadschaf, dem wichtigsten theologischen Seminar des irakischen Schiitentums, ist eine entscheidende Figur für das fragile Gleichgewicht des Landes. Von der US-Invasion 2003 bis zum Bürgerkrieg nach dem Sturz Saddam Husseins, vom Aufruf zum Kampf gegen IS bis zu den Streitigkeiten über die Rolle schiitischer Milizen gibt es keinen kritischen Punkt, an dem er keine Schlüsselrolle gespielt hat. Trotz seiner Zurückhaltung gegenüber der Politik. (...) Im Gefüge der versammelten Minderheiten hatten Christen im Irak historisch gute Beziehungen zu den Sunniten: zumindest bis zum Aufkommen des IS. Jetzt müssen sie mit den herrschenden Schiiten Vereinbarungen treffen. (Papst) Bergoglio trifft ihn in Nadschaf und hofft, dass Sistani ein Garant sein kann für einen Wiederaufbau der pluralen Strukturen.»


«The Times»: Impfstoff-Nationalismus ist kontraproduktiv

LONDON: Die Londoner «Times» kritisiert den Lieferstopp von Corona-Impfstoff aus der EU:

«Es fällt schwer, darin etwas anderes als ein kleinliches Manöver zu sehen, mit dem die Versäumnisse der EU in der Krise verschleiert werden sollen. Die EU-Kommission scheint davon ausgegangen zu sein, dass die hohe Bevölkerungszahl in der EU es ihr erlauben würde, Impfstoffe in großen Mengen und daher zu günstigen Konditionen zu kaufen. Das hat sich als eine katastrophale Strategie erwiesen.

Das Ziel hätte Schnelligkeit sein müssen, statt über den Preis zu verhandeln. Die öffentliche Gesundheit hat oberste Priorität. Impfstoff-Nationalismus ist kontraproduktiv. Das Verbot von Impfstoffexporten wird zu Vergeltungsmaßnahmen führen. Das Verbot des Exports des Astrazeneca-Impfstoffs ist besonders pikant, wenn man bedenkt, dass Italien und Frankreich dessen Wirksamkeit im Vergleich zum Pfizer-Impfstoff für Menschen über 55 Jahre öffentlich in Frage gestellt hatten.»


«De Tijd»: Politische Nervosität durch schleppende Impfkampagne

BRÜSSEL: Erstmals ist die Ausfuhr von Corona-Impfstoff aus der EU in einen Drittstaat gestoppt worden. Dazu meint die belgische Zeitung «De Tijd» am Freitag:

«In verschiedenen EU-Staaten verläuft die Impfkampagne sehr mühsam. Große politische Nervosität ist die Folge. In Deutschland, wo im September Parlamentswahlen anstehen, befürchtet die christdemokratische Regierungspartei CDU einen ernsthaften Rückschlag. Der einst so beliebte Gesundheitsminister Jens Spahn ist politisch schon schwer angeschlagen. Seine Partei verliert dadurch in den Meinungsumfragen an Boden.

Aus Berlin wächst der Druck auf die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen, stärker zu intervenieren. Es war Deutschland, das unter dem Druck der öffentlichen Meinung zum Fürsprecher für das europäische Exportverbot wurde. (...)

In Europa tobt die Impfstoffschlacht an mehreren Fronten: der Streit um die Wirksamkeit der versprochenen Impfstoffe, das Gerangel um die Aufrechterhaltung der Einheit im Kampf gegen die Pandemie und die geopolitische Auseinandersetzung. Der Impfstoff sollte uns ins «Reich der Freiheit» führen. Zunächst aber ziehen wir mit Europa eher auf das Schlachtfeld.»


«Pravo»: Keinen Kalten Krieg um Impfstoffe führen

PRAG: Zur Diskussion über einen möglichen Einsatz russischer und chinesischer Impfstoffe in Tschechien schreibt die linksgerichtete Zeitung «Pravo» aus Prag am Freitag:

«Einerseits gibt es Politiker und Zeitungskommentatoren, die der Verankerung Tschechiens im Westen nicht trauen. Sie befürchten, dass der russische Impfstoff Sputnik V das Land mit einem Schubs zurück in die Einfluss-Sphäre des Kreml befördern würde. Andererseits fühlen sich Kritiker der Europäischen Union bestärkt, weil die Auslieferung und Verteilung der westlichen Corona-Impfstoffe hakt. Warum sagt man nicht einfach, dass die Gesundheit das Wichtigste ist - und es gleich ist, ob zu ihrer Erhaltung ein Wirkstoff aus dem Osten oder dem Westen beiträgt? Es ist nicht der Zweck von Medikamenten und Impfstoffen, als Waffe in einem neuen Kalten Krieg eingesetzt zu werden, sondern Menschenleben zu retten.»


«Washington Post»: Brasilianische P.1-Variante Gefahr für ganze Welt

WASHINGTON: Zu der in Brasilien grassierenden Coronavirus-Variante P.1 und ihren potenziellen Gefahren für die ganze Welt schreibt die «Washington Post»:

«Brasilien wird von der Coronavirus-Pandemie heimgesucht, und sein Leid sollte der Welt eine Warnung sein. Wenn sich das Virus unkontrolliert ausbreitet und mutiert, wie es in Brasilien der Fall ist, stellt es überall eine potenzielle Gefahr dar. Der Anstieg in Brasilien hat eine neue Variante hervorgebracht, die als P.1 bekannt ist. Bislang wurden in den Vereinigten Staaten 10 Fälle (...) entdeckt, aber es könnten noch mehr werden. (...)

Die besorgniserregendste Gefahr geht von Manaus aus, der größten Stadt im Amazonasgebiet, wo die neue P.1-Variante offenbar entstand. Sie breitet sich nun über ganz Brasilien aus. (...) Die Wissenschaftler befürchten, dass die P.1-Variante Menschen, die zuvor Covid-19 hatten, erneut infiziert, was darauf hindeutet, dass sie diejenigen krank machen kann, die Antikörper aus der ersten Welle haben. Obwohl die Schlussfolgerungen noch vorläufig sind, sind die Implikationen gravierend: Es ist möglich, dass das Virus Impfstoffe und natürliche Immunsysteme herausfordern könnte. (...) Was in Brasilien geschieht, bleibt nicht in Brasilien. (...) Das ist ein Problem für alle.»


«Trouw»: Nahost-Politik der USA braucht mehr Ambitionen

AMSTERDAM: Zur Nahost-Politik des neuen US-Präsidenten Joe Biden heißt es am Freitag in der niederländischen Zeitung «Trouw» (Online-Ausgabe, Kommentar 4. März):

«Es ist eine in erster Linie vorsichtige Politik. Sogar so vorsichtig, dass man sich fragt, ob Washington unter Joe Biden überhaupt noch wirklich Einfluss ausüben will. Zum Beispiel, weil er andere Prioritäten hat, wie die Corona-Bekämpfung, die Klimapolitik oder China. Aber vielleicht auch, weil er den USA wenig Erfolgschancen einräumt. (...)

Auch hinsichtlich der Beziehungen zu Israel und den Palästinensern ist Biden sehr zurückhaltend, er scheint sogar Kontakte zu meiden. Eine Friedensinitiative ist nicht in Sicht, während Washington vielleicht als einzige Macht noch Bewegung in diese Sache bringen könnte. Natürlich geht es um viele verschiedene strategische und allemal komplexe Probleme. Und die Zeit übermütiger und oft destruktiver amerikanischer Interventionen scheint glücklicherweise vorbei zu sein. Doch ungeachtet anderer Prioritäten und der Tatsache, dass Biden sein Amt erst kürzlich angetreten hat, erfordert der Nahe Osten mehr Ambitionen, als Biden sie bislang zur Schau stellt.»


«Le Figaro»: Impfstrategie der EU ist gescheitert

PARIS: Zur Versorgung mit Corona-Impfstoffen in Europa schreibt die konservative französische Tageszeitung «Le Figaro» am Freitag:

«Die ehrgeizige Impfstrategie der EU sollte Zusammenhalt, Gerechtigkeit und Solidarität gewährleisten - zum bestmöglichen Preis. Das ist misslungen. Nach Budapest sind es jetzt Prag, Bratislava, Warschau und Wien, die Verhandlungen über andere Versorgungswege mit Russland oder China - manchmal mit beiden - aufgenommen haben. Österreich und Dänemark wenden sich an Israel, um die nächste Impfstoff-Generation vorzubereiten - ohne über Brüssel zu gehen. (...)

Mit der europäischen Zulassung des russischen Impfstoffs Sputnik V und des (US-) amerikanischen (Impfstoffs von) Johnson & Johnson (...) wird es bald nicht mehr der Mangel an Dosen, sondern die Logistik sein, die die Regierungen der (Europäischen) Union auf die Probe stellen wird. Während sie Mühe haben, sieben oder acht Prozent der Bevölkerung zu immunisieren, exportiert China seine Impfstoffe bereits in 73 Länder, oft in Form von Spenden. Peking erhofft sich davon internationale Anerkennung, die angesichts des Ursprungs des Virus vielleicht unpassend ist, die Brüssel aber verloren hat.»


«Aftenposten»: Die Welt lässt Jemen im Stich

OSLO: Die konservative norwegische Tageszeitung «Aftenposten» (Oslo) kommentiert am Freitag das Ergebnis der Geberkonferenz für Jemen:

«Die ausbleibende Hilfe ist zutiefst tragisch für die 16 Millionen Menschen, die im Jemen am Rande einer Katastrophe leben - mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Fast 50.000 Jemeniten hungern bereits. (.) Das Land wird seit 2015 vom Bürgerkrieg beherrscht, und in den letzten zwei Jahren hat eine katastrophale Kombination aus Coronavirus und niedrigen Ölpreisen zu einer drastischen Reduzierung der Hilfe geführt. (.) Die Krise im Jemen scheint kein Ende zu nehmen. Das Fehlen einer Lösung auf lange Sicht sollte jedoch nicht dazu führen, dass man die Rettung der Zivilbevölkerung aufgibt. Hunger und Not werden nicht mit Waffen bekämpft. Die Welt lässt Jemen noch einmal im Stich.»


«NZZ»: Schnecke sollte Wappentier Deutschland werden

ZÜRICH: Zum Umgang Deutschlands mit der Corona-Pandemie meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Freitag:

«Ohne Mut, mit wenig Ambition, aber jeder Menge Rechenschieberei zementiert der neue Beschluss einen mittlerweile vertrauten Ausnahmezustand. Bund und Länder nähern sich mit Trippelschritten und einem äußerst komplizierten, strikt an die Inzidenzwerte gekoppelten Öffnungsplan in fünf Stufen dem unabsehbaren Ende der Pandemie. Andere Parameter bleiben außen vor.(...)

Die Kanzlerin pries nach den Beschlüssen zwei neue «Helfer gegen das Virus»: die Impfstoffe und die Tests. Der Gesundheitsminister Jens Spahn regte zwei kostenlose Schnelltests durch Fachpersonal pro Woche an. Jetzt lautet das abgespeckte Ziel, vom 8. März an «allen asymptomatischen Bürgerinnen und Bürgern mindestens einmal pro Woche» einen solchen Schnelltest zu ermöglichen. Werden kommunale Testzentren oder «beauftragte Dritte» dazu in der Lage sein? Die Impfgeschwindigkeit ist weiterhin beschämend. Insofern empfiehlt sich die Schnecke als neues deutsches Wappentier. Bund und Länder verharren in einem trübsinnigen Lockdown-Fundamentalismus. So nehmen sie in Kauf, dass die Entfremdung zwischen Gesellschaft und Staat weiter zunimmt und die sozialen wie wirtschaftlichen Kollateralschäden ins Unermessliche wachsen.»


«Sme»: Wir sind jetzt selbst das warnende Beispiel

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» zieht am Freitag eine ernüchternde Bilanz nach einem Jahr Corona-Pandemie in dem EU-Land:

«Als bei uns die ersten Menschen am Coronavirus zu sterben begannen, suchten wir noch nach ihren Namen, ihrem Alter, Wohnort, Gesundheitszustand. Abgesehen vom Mitleid auch dafür, dass wir die Bedrohung besser wahrnehmen konnten. (...) Als sich die Gesamtzahl der Infektionen dem ersten Hundert näherte, hatten wir das Gefühl, die Bedrohung hänge wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen. Erst viel später erkannten wir, dass das noch die gut bewältigten Zeiten waren. (...)

Aus dem Ausland fragte man uns nach unserem Rezept - und wir überlegten uns Theorien: über die besondere Diszipliniertheit unserer Bevölkerung, die Angst um unser desolates Gesundheitssystem, über rechtzeitig ergriffene Maßnahmen und unser Talent, uns gegenseitig zu helfen. Heute will niemand mehr ein Rezept von uns, wir sind nur mehr das tragische Lehrbeispiel, damit man unsere Fehler nicht nachmacht.»


«El País»: Orbans Fidesz endlich nicht mehr in der EVP

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Freitag den Austritt der ungarischen Regierungspartei Fidesz aus der Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP):

«In Europa sind diese Woche binnen weniger Stunden drei wichtige Initiativen für den Umgang mit dem rechtsextremen Dunst auf dem Kontinent ergriffen worden. Die deutschen Geheimdienste kündigten die formelle Überwachung der AfD wegen des Verdachts an, sie untergrabe die Verfassungsordnung. Die französische Regierung verbot die radikale fremdenfeindliche und islamfeindliche Organisation Génération Identitaire. Und die Europäische Volkspartei drängte die Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban aus ihren Reihen.

Natürlich sind diese Fälle sehr unterschiedlich. Es gibt jedoch einen gemeinsamen Nenner: Wie sich Moderate sich gegenüber rechtsextremen Organisationen verhalten. In Orbans Fall ist es begrüßenswert, dass sich die EVP dazu durchgerungen hat, dass Fidesz nicht Teil der Gruppe sein kann. Die Entscheidung kam spät, unter anderem wegen der CDU und der (konservativen) spanischen PP. Es war schon lange klar, dass Orban zu sehr gegen die demokratischen Grundwerte verstößt, um weiter zur EVP gehören zu können. Aber besser spät als nie.»

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