Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

«NZZ»: Trump verdrängt Realität

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Freitag die Reaktion von Präsident Donald Trump auf die 100.000 Corona-Toten in den USA:

«Trump selber versucht, diese Realität so gut wie möglich zu verdrängen. Nähme man die Sturzflut seiner Twitter-Meldungen zum Maßstab, so käme man oft gar nicht auf die Idee, dass das Land von einer Seuche heimgesucht wird und in der größten Wirtschaftskrise seit Jahren steckt. Der Präsident fällt vielmehr in gewohnt niederträchtiger Weise über politische Gegner her, macht sich über die Gesichtsmaske seines demokratischen Herausforderers Biden lustig und verbreitet abstruse Verschwörungstheorien. Als Ablenkungsmanöver mag dies eine gewisse Wirkung erzielen, aber es ist zugleich Ausdruck eines Unvermögens, die Rolle des Landesvaters in Zeiten der nationalen Bedrängnis zu übernehmen.»


«Die Welt» zur Krise in der Autoindustrie

Für die Autoindustrie in Europa stehen die Zeichen schon länger auf Sturm, durch den Corona-Stillstand ist das Elend dramatisch größer geworden. Erstaunlich ist die Herzlosigkeit einiger grüner Akteure gegenüber Arbeitern, deren Familien und den Regionen, die den Preis für den so dringend angemahnten Mobilitätswechsel bezahlen müssen. Wenn es einen bösen Abriss in der Rezession gibt, mögen Ökos jubeln wegen der sinkenden CO2-Werte, aber den Grünen könnte das gefährlich werden. Man würde sie - in Teilen ungerecht - dafür verantwortlich machen. Nur wenn die Autoindustrie zukunftsfähig wird, hat sie eine Überlebenschance.

Den vollständigen Kommentar von Ulf Poschardt lesen Sie unter: welt.de/meinung


«Corriere della Sera»: Verantwortungslosigkeit im Silicon Valley

ROM: Zum Angriff von US-Präsident Donald Trump auf den Social-Network-Riesen Twitter schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Freitag:

«Trump bewegt sich wie immer mit Arroganz und mit dem Blick auf die Wahl am 3. November. Aber er berührt ein echtes Problem: die Verantwortungslosigkeit der großen Tycoons im Silicon Valley, die behaupten, ihren immensen Einfluss auf die öffentliche Meinung, insbesondere im politischen Bereich, selbst zu regulieren. Unternehmen, denen es oft an politischer und institutioneller Kultur mangelt. Die sich entschieden haben, ihren Profit zu maximieren, indem sie sogar in den Verlagsbereich eingedrungen sind - und zwar absolut ungestraft.»


«Dagbladet»: China ist einfachstes Feindbild in Trumps Kartenblatt

OSLO: Die norwegische sozialliberale Boulevardzeitung «Dagbladet» (Oslo) kommentiert am Freitag das Verhältnis zwischen China und den USA:

«Chinas Außenminister warnte am Sonntag, dass Kräfte in den USA das Land in Richtung eines neuen Kalten Krieges treiben. Ohne Namen zu nennen, gibt es kaum Zweifel darüber, welche Kräfte der chinesische Außenminister Wang Yi meint, die in den USA einen neuen Kalten Krieg heraufbeschwören. Es ist die wichtigste und unvorhersehbarste Kraft von allen, Präsident Donald Trump. Er ist bekanntlich ein einfacher Mann und hat eine Agenda: die Wiederwahl im November. Koste es, was es wolle. Dafür benutzt er die älteste und einfachste aller Karten im Spiel: die Mobilisierung gegen einen externen Feind. Der ausgewählte Feind ist China. Denn das ist das einfachste Feindbild in Trumps Kartenblatt.»


«Trud»: China wird nie Weltführer sein können

SOFIA: Mit möglichen Folgen der Coronavirus-Pandemie auf die Weltpolitik befasst sich am Freitag die bulgarische Zeitung «Trud»:

«Die Pandemie und die dadurch katalysierten wirtschaftlichen und politischen Prozesse kühlten den ohnehin unangemessenen Ehrgeiz der chinesischen kommunistischen Partei für eine Weltdominanz ab. China (...) könnte eine wirtschaftliche und militärpolitische Macht aufbauen, wird aber nie eine von der ganzen Welt wahrgenommene gesellschaftliche und kulturelle Botschaft verkünden, die die Träume, Einstellungen und Lebensweise der Rest der Welt beeinflussen und formieren wird.»


«El País» kritisiert Schlammschlachten im spanischen Parlament

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» befasst sich in einem Kommentar am Freitag mit der vergifteten Stimmung in der spanischen Politik und vor allem mit Schlammschlachten im Parlament:

«Die Ausrede, immer die anderen für die eigene Empörung verantwortlich zu machen, könnte man kindisch nennen, wenn sie nicht etwas so Wichtiges wie das Zusammenwirken der demokratischen Institutionen und ihre Leistungsfähigkeit untergraben würde. (...) Diese üblen parlamentarischen Umgangsformen sind Teil einer Strategie, die seit 1993 immer mal wieder auftaucht, das System schon mal an den Rand des Scheiterns brachte und dies nun zu wiederholen droht. Diese Strategie sieht nicht etwa vor, das Handeln der Regierung durch das Parlament zu kontrollieren, sondern immer gleich mit apokalyptische Anschuldigungen über die angeblich bösen Absichten des jeweiligen Regierungschefs oder seiner Minister um sich zu werfen. Die Lebenswirklichkeit des Landes hat dann nicht mehr viel mit der Wirklichkeit im Parlament zu tun, wo die Bedürfnisse der Menschen nur noch zur Verschleierung der obszönen Brutalität des Kampfes um die Macht erwähnt werden.»


«La Vanguardia»: Trump immer nervöser

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Freitag den Angriff von US-Präsident Donald Trump gegen Twitter und andere soziale Medien:

«Es überrascht, dass Donald Trump statt dem Gründer von Twitter, Jack Dorsey, ein Denkmal in der National Mall in Washington zu errichten, ihm mit Reglementierungen oder sogar Schließung droht, nachdem die Plattform zum ersten Mal einen Tweet Trumps als «möglicherweise irreführend» eingestuft hatte. Twitter ist unverzichtbar für die politische Kommunikation, aber um seinen Ruf steht es nicht zum Besten, was das Wachstum der Plattform in den vergangenen Jahren sicher behindert hat. Um sein Ansehen zu verbessern, will das Unternehmen nun Falschinformationen mit einem System von Hinweisen entgegentreten. (...) Die Drohung Trumps zeigt, wie nervös er ist, was auch seine zunehmend giftigen Tweets angesichts der Kritik an seiner Corona-Politik belegen.»


«Dernières Nouvelles d'Alsace»: Lockerungen sind Wendepunkt

STRAßBURG: Die in Frankreich angekündigten Lockerungen kommentiert die französische Tageszeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace»:

«In diesen Zeiten kommt es nicht so oft vor, dass (Frankreichs Premier) Édouard Philippe die Möglichkeit hat, gute Neuigkeiten zu verkünden. (...) Der für den 2. Juni [vorgesehene] Übergang in die zweite Phase der [Corona-Lockerungen] stellt einen Wendepunkt in der Geschichte dieser Epidemie dar. (...) Und es ist natürlich eine Erleichterung für eine Bevölkerung, die nach einem neuen Atem sucht und für Unternehmen, Händler [und] Handwerker, die am Ersticken sind. (...).»


«De Standaard»: Twitter-Eingriff spielt Trump in die Karten

BRÜSSEL: Zum Trump-Twitter-Streit meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Freitag:

«Am späten Donnerstagabend unserer Zeit hat der amerikanische Präsident Donald Trump ein Dekret unterzeichnet, das es möglich macht, soziale Medien wie Facebook und Twitter zu belangen, wenn sie konservative Stimmen zensieren. Trump reagierte damit auf den Beschluss von Twitter, einen seiner Tweets mit einem Faktencheck-Link zu versehen.

Trump hat eine äußerst doppelsinnige Beziehung zu Twitter und Facebook. Einerseits bespielt er diese Netzwerke meisterhaft, um traditionelle Medien zu umgehen und direkt mit seiner Basis zu kommunizieren. Andererseits beschuldigen Konservative die großen Internetunternehmen, ihre Meinungsäußerungen zu zensieren, auch wenn es dafür kaum Anzeichen gibt. Dass Twitter erstmals bei einem Trump-Tweet eingriff, spielt dem Präsidenten daher in die Karten: Twitterte lieferte damit nun selbst den Beweis für die Theorie von einer anti-konservativen Zensur.»


«Hospodarske noviny»: Probleme Hongkongs betreffen auch Europa

PRAG: Zum umstrittenen chinesischen Sicherheitsgesetz für die frühere britische Kronkolonie Hongkong schreibt die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien am Freitag:

«Das neue Sicherheitsgesetz ermöglicht es der chinesischen Regierung, sogenannte Terroristen und Separatisten zu unterdrücken sowie gegen ausländische Einmischung in Hongkong zu kämpfen. Aus Sicht vieler Bürger der Stadt und ausländischer Beobachter endet damit de facto das Modell eines Landes mit zwei Systemen, wie es seit der Übernahme Hongkongs durch China bestanden hatte.

Doch wie berührt das Europa? Immer häufiger wird davon geredet, dass die Nato ein Programm starten sollte, dass die Aufmerksamkeit der Verbündeten stärker auf Asien lenkt. Denn die USA werden darauf angewiesen sein, dass ihnen Europa bei der Abschreckung Chinas in Asien hilft. Umgekehrt kommen die Europäer mit Blick auf Russland nicht ohne amerikanische Unterstützung aus.

Für Tschechen, Polen, Slowaken, Deutsche, Franzosen und die anderen europäischen Nato-Verbündeten gilt daher das Motto der Globalisierung: lokal handeln, aber global denken.»


«Kommersant»: Proteste in Belarus gegen Präsident Lukaschenko

MOSKAU: In Belarus (Weißrussland) wird im August ein neuer Präsident gewählt. Zum Wahlkampf in der Ex-Sowjetrepublik schreibt die russische Tageszeitung «Kommersant» am Freitag:

«Die Unterschriftensammlung zur Unterstützung der Kandidaten für die Präsidentenwahl in Belarus, die normalerweise Routine ist, hat sich zu einer lebhaften und aufsehenerregenden politischen Kampagne entwickelt. So etwas gab es in dem Land schon lange nicht mehr. Dieses rein technische Verfahren führt häufig zu Protesten - immer gegen den amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko.

Die während der sogenannten Samtenen Revolution in Armenien im Jahr 2018 und während der Präsidentenwahlen im Jahr 2019 in der Ukraine gesammelten Erfahrungen werden nun angewandt. Obwohl es kaum Zweifel gibt, dass Herr Lukaschenko für eine neue Amtszeit wiedergewählt wird, kann dieser Wahlkampf seine Macht doch erheblich schwächen.»


«Financial Times»: Faktenchecks sind der richtige Weg

LONDON: Die Londoner «Financial Times» kommentiert am Freitag den Umgang von US-Präsident Donald Trump mit Twitter:

«Twitter war lange übervorsichtig. Nahezu ein Jahrzehnt lang hat der Präsident über dieses soziale Netzwerk Falschinformationen verbreitet. Zum Teil verdankt Trump seinen Aufstieg seiner Twitter-Kampagne gegen den damaligen Präsidenten Barack Obama. Nahezulegen, dass Obama kein gebürtiger Amerikaner sei, hat Trump geholfen, sich in konservativen Kreisen zu profilieren. (...)

Soziale Medien sollten keine Wahrheits-Schiedsrichter sein. Schon gar nicht Twitter, das zu einer Art öffentlichem Raum für Diskussionen und Informationen geworden ist. Jedoch können sie nicht untätig bleiben, wenn Prominente Falschinformationen verbreiten. Tweets online zu lassen, aber durch einen Faktencheck-Link zu ergänzen, ist das richtige Vorgehen. Die nächste Herausforderung für Twitter besteht darin, zu demonstrieren, dass es solche Maßnahmen konsequent ergreift.»


«de Volkskrant»: China muss sich an gegebene Garantien halten

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Freitag das geplante chinesische Sicherheitsgesetz für Hongkong:

«Das Gesetz, dessen Einzelheiten noch ausgearbeitet werden müssen, steht im Widerspruch zu Chinas Versprechen zum Zeitpunkt der Machtübergabe 1997, dass Hongkong für 50 Jahre sein eigenes politisches- und Rechtssystem beibehalten dürfe. (...) US-Präsident Trump könnte dies zum Anlass nehmen, Hongkong seine Handelsvorteile zu entziehen. Aber das dürfte Hongkong möglicherweise härter treffen als den Rest Chinas. Dennoch ist es wichtig, die chinesischen Behörden notfalls mit anderen Sanktionen daran zu erinnern, dass sie sich an Garantien halten müssen, die sie 1997 für die Autonomie Hongkongs gegeben haben. China kann sich nicht einfach seinen internationalen Verpflichtungen entziehen.»


«Tages-Anzeiger»: Twitter und Co. sind Helfershelfer von Trump

ZÜRICH: Mit einem Korrekturhinweis zu Tweets von Donald Trump hat Twitter den Zorn des US-Präsidenten auf sich gezogen. Das schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Freitag:

«Das war zwar der erste Eingriff gegen den Präsidenten, aber ein halbherziger. Denn Twitter hatte früher Tweets der Präsidenten von Brasilien und Venezuela entfernt. Deshalb wird der Eingriff keine Wirkung haben. Erstens ist das Megafon von Trump zu groß geworden. Twitter kann es sich nicht mehr leisten, Tweets zu entfernen, weil er mit über 80 Millionen Anhängern mehr Beachtung, Umsatz und Gewinn generiert als jeder andere. Zweitens hat sich die bösartige Nachricht schon in Windeseile verbreitet, wenn Stunden später ein Hinweis angefügt wird.(...)

Trump ist es gelungen, den Spieß gegen Twitter, Facebook und andere umzudrehen und sie zu den Feinden des (seines) Staates zu machen, weil sie sich naiv und profitsüchtig hinter der Meinungsäußerungsfreiheit versteckten. Für die traditionellen Medien hat diese Freiheit klare Grenzen, die vor Gericht eingeklagt werden können. Twitter (und Facebook) haben diese Verantwortung noch immer nicht voll begriffen. Sie sind zu Helfershelfern von Trump geworden.»


«Der Standard»: Corona und Machtkampf setzen der AfD zu

WIEN: Die Entwicklungen innerhalb der AfD kommentiert «Der Standard» am Freitag in Wien:

«Es läuft nicht gut für die AfD. Corona drückt ihr schwer auf die Schultern, das Gejammere, dass zu viele Flüchtlinge im Lande seien, will kaum einer hören. Dazu kommt der Machtkampf zwischen dem noch vergleichsweise gemäßigten Parteichef Jörg Meuthen und den radikalen Kräften um Andreas Kalbitz und Björn Höcke. (...) Die Causa Kalbitz zu klären wird dauern. Am Ende steht nicht nur eine juristische Entscheidung, sondern auch eine inhaltliche: nämlich jene, ob sich wieder einmal die Extremen durchsetzen. Bisher war es immer so. 2015 musste Parteigründer Bernd Lucke gehen, 2017 Frauke Petry. Und die AfD rückte jedes Mal weiter nach rechts.»

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