Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zur Blockade der EU durch Polen und Ungarn

Auf der Suche nach einer Einigung mit Brüssel ist die PiS vielleicht noch erreichbar, weil die Öffentlichkeit in Polen widerständiger, die Opposition stärker ist.

In Ungarn aber hat Fidesz das Wahlrecht in zehn Jahren so umgebaut und Orbáns Leute in so vielen zentralen Stellen untergebracht, dass eine Abwahl der Regierung fast unmöglich scheint. Bis zur Wahl 2022 wird sich das noch verstärken. Die Korruption ist endemisch und nicht an einzelne Verfahren oder Ausschreibungen gebunden. Ein ganzes System profitiert vom Geldfluss aus Brüssel. Das ist in Bulgarien oder Malta nicht anders. Der Rechtsstaatsmechanismus soll den Verstoß gegen Grundwerte wie die Unabhängigkeit der Justiz ahnden. Aber selbst das würde nicht reichen. Die in den Augen ihrer Gegner allmächtige EU hat versucht, einen Prozess umzudrehen, der weit fortgeschritten ist. Das Veto zeigt auch: Sie kommt wahrscheinlich zu spät.


«New York Times»: Trumps Beispiel kann Schule machen

NEW YORK: Zur Weigerung des US-Präsidenten Donald Trump, den Sieg seines Rivalen Joe Biden bei der Präsidentenwahl Anfang November anzuerkennen, schreibt die US-Zeitung «New York Times» am Freitag:

«Lügen haben eine lange Halbwertszeit, und Herr Trumps Fehlinformationskampagne wird die demokratische Legitimität der Biden-Regierung untergraben. (...) Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage der Universität Monmouth ergab, dass 77 Prozent der Anhänger von Herrn Trump glauben, dass Herr Biden durch Betrug gewonnen hat. (...) Der größte Schaden durch Herrn Trumps jüngste Aktionen könnte jedoch in zukünftigen Wahlkampfperioden anstehen. Herr Trump macht ein Vokabular zur Leugnung von Wahlergebnissen salonfähig. Er schult Politiker darin, wie man versuchen kann, Ergebnisse zu kippen, die ihnen nicht gefallen - um aktiv die Demokratie zu sabotieren. (...) Herr Trump hat bereits Millionen von Menschen davon überzeugt, die Gefahren des Coronavirus zu ignorieren, und er hat die Weigerung, Masken zu tragen, zu einem Anlass des Stolzes für seine Anhänger gemacht. Stellen Sie sich vor, was passieren wird, wenn mehr Amerikaner seine Verachtung für die Demokratie teilen.»


«Diena»: Sandus Wahlsieg ändert in Moldau erstmal nur wenig

RIGA: Zum Sieg der proeuropäischen Politikerin Maia Sandu bei der Präsidentenwahl in der Republik Moldau meint die liberale lettische Tageszeitung «Diena» am Freitag:

«Obgleich Sandus Sieg bei der Präsidentenwahl als Erfolg für die proeuropäischen Kräfte in Moldau betrachtet wird, wird dies nicht ausreichen, um den Kurs des Landes wesentlich zu ändern. Moldau ist in erster Linie eine parlamentarische Republik und keine Präsidentenrepublik, und ohne parlamentarische Unterstützung ist ein Wandel nicht möglich. Die größte Partei im Parlament und der Kern der Regierungskoalition sind Sozialisten, die sich nur ungern der neuen Präsidentin hingeben werden. (...) Dementsprechend ist mit der Wahl von Sandu nur eine Schlacht gewonnen, nicht aber der Krieg.»


«Pravda»: Flächendeckende Massentests sind falsche Strategie

BRATISLAVA: Die linksliberale slowakische Tageszeitung «Pravda» kritisiert am Freitag die Absicht der Regierung, im Dezember weitere Corona-Massentests durchzuführen:

«(Regierungschef) Igor Matovic ist offensichtlich schon so vernarrt in seine Idee der flächendeckenden Massentests, dass er nicht mehr damit aufhören kann. (...) Seit der ersten Runde des landesweiten Testens sind nahezu drei Wochen vergangen, doch bleibt fraglich, ob diese Massenaktion wirklich einen Sinn hatte. Obwohl wir eine größere Zahl Positiver «herausgefischt» haben, sind die täglichen Zuwächse positiver Fälle ungefähr gleich geblieben. Sie bewegen sich um die 20 Prozent der Gesamtzahl aller Getesteten. (...)

Statt sich auf Massentests in lokalen Infektionsherden zu konzentrieren, steckt die Regierung neuerlich zig Millionen aus dem Staatshaushalt in ungenaue Antigen-Tests (...) - und dabei dürfte die Genauigkeit der Tests in dieser Kälte umso mehr zu diskutieren sein. (...) Und wen verwundert es, dass in anderen Ländern wie Norwegen, Dänemark oder Finnland ganz ohne flächendeckende Massentests die Situation besser ist als bei uns? Irgendwo müssen wir dann doch einen Fehler gemacht haben.»


«El País»: Die internationale Gemeinschaft muss Äthiopien helfen

MADRID: Zum blutigen Konflikt in Äthiopien schreibt die spanische Zeitung «El País» am Freitag:

«Das Risiko eines langen Guerillakrieges ist groß. Es besteht auch die Gefahr einer Regionalisierung des Konflikts. Beiden Seiten werden Massaker vorgeworfen. Der sicherste Beweis dafür ist bisher ein Bericht von Amnesty International über den Mord mit Macheten an Hunderten von Amhara-Zivilisten, die nicht in den Konflikt verwickelt waren, durch Kräfte, die die Volksbefreiungsfront (der abtrünnigen Region) Tigray unterstützen. Vor diesem Hintergrund ist es von entscheidender Bedeutung, dass die internationale Gemeinschaft, die derzeit durch die Pandemie und den Machtwechsel im Weißen Haus abgelenkt ist, sich engagiert, um die Kämpfe zu beenden, die Suche nach politischen Lösungen zu fördern und der leidenden Zivilbevölkerung zu helfen.»


«The Independent»: Höhere Militärausgaben nicht finanzierbar

LONDON: Der britische Premierminister hat eine starke Erhöhung der Militärausgaben angekündigt. Dazu meint der Londoner «Independent» am Freitag:

«Boris Johnson sagt, er möchte Großbritannien zur führenden Marinestreitmacht in Europa machen, vermutlich nach Russland. Er möchte Flugzeugträger in die Golfregion und ins Südchinesische Meer schicken. Die Luftstreitkräfte des Vereinigten Königreichs sollen ein Weltraum-Kommando bekommen. Warum? Die Begründung dafür, dass die knappen Ressourcen in solche Projekt gesteckt werden, ist bestenfalls vage. (...)

Für die Diplomatie könnte es nützlich sein, über leistungsfähige Streitkräfte zu verfügen - mit allem, was sie für die Nato und die kollektive Sicherheit bedeuten - und dies als Argument bei der Vertretung britischer Interessen gegenüber der EU und den USA zu nutzen. Doch angesichts der britischen Staatsverschuldung, die sich dem höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg nähert, scheint es wenig Sinn zu machen, Verpflichtungen einzugehen, die sich als nicht erfüllbar erweisen werden.»


«Hospodarske noviny»: Keine Spaltung der EU riskieren

PRAG: Die liberale Wirtschaftszeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien schreibt am Freitag zum Streit um die Rechtsstaatsklausel des neuen EU-Finanzpakets:

«Für den EU-Haushaltsfinanzrahmen ist Einstimmigkeit erforderlich. Doch beim Corona-Wiederaufbaufonds könnten die übrigen Mitgliedstaaten Polen und Ungarn umgehen - und ihn entweder ganz außerhalb der Strukturen der EU gründen oder im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit. Polen und Ungarn würden außen vor bleiben und müssten auf enorme Geldsummen verzichten. Mit einem solchen Schritt kann man Warschau und Budapest drohen, aber es wäre nicht wünschenswert, dass es auch dazu kommt.

Die EU braucht keine weitere bittere Spaltung. Die polnischen und ungarischen Regierungen werden einlenken, sobald sie ihrem heimischen Publikum vermitteln können, dass sie gewonnen haben. Ein entsprechender Kompromiss wird sich vielleicht finden. Darum wird sich in erster Linie (die deutsche Bundeskanzlerin) Angela Merkel bemühen - die Einheit der Europäischen Union war schon immer ihre Priorität.»


«La Repubblica»: Risiko für zu großen Optimismus durch Impfstoff

ROM: Angesichts eines nahenden Impfstoffes gegen das Coronavirus schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Freitag mit Blick auf die Geldpolitik:

«Die Ankündigung der Ankunft eines gegen Covid-19 wirksamen Impfstoffes hat die Überzeugung in Europa gestärkt, dass es die Rolle der Wirtschaftspolitik sei, die Länder in Richtung Rückkehr zur Normalität hinüber zu bringen. (...) Warum Unternehmen jetzt zum Scheitern bringen, wenn wir in wenigen Monaten die Notlage verlassen könnten? Diese Argumentation, wie vernünftig sie auch sein mag, birgt das Risiko zu optimistisch zu sein. Die Verteilung des Impfstoffs wird Zeit brauchen und enorme logistische Probleme mit sich bringen (...). Zudem, aufgrund der Langzeitfolgen der Krise, wird das Ufer, an dem wir landen werden sicherlich nicht dasselbe sein, an dem wir abgelegt haben. (...) Die EZB hat eine ultra-expansive Geldpolitik durchgeführt, die es den Regierungen erlaubt, sich zu sehr niedrigen Raten zu verschulden, um den öffentlichen Konsum von Familien und Firmen wieder zu steigern. Diese Entscheidungen, zusammen mit dem Moratorium über die Kredite, haben die Anzahl der Geschäftsbankrotte begrenzt und den Anstieg der Arbeitslosigkeit eingedämmt.»


«Svenska Dagbladet»: Dauerhafter Frieden in Berg-Karabach ist möglich

STOCKHOLM: Die konservative schwedische Tageszeitung «Svenska Dagbladet» (Stockholm) meint am Freitag zum Konflikt in der Region Berg-Karabach:

«Dass Armenien den nächsten Krieg um Berg-Karabach verlieren wird, ist für die meisten, die die Entwicklungen der vergangenen Jahre verfolgt haben, offensichtlich gewesen. Aserbaidschans Regime hat den Gedanken niemals verworfen, sich seine verlorenen Gebiete zurückzuholen. Es hat ausgeharrt und sein Ölgeld ins Militär investiert. Die Konfliktparteien sind nun zurück, wo der letzte Konflikt vor 30 Jahren begonnen hat. Möglichkeiten für eine dauerhafte friedliche Lösung gibt es, aber es wird eine Zeit dauern, bis die Armenier bereit sind, eine Einigung zu einer völkerrechtlich legitimen Lösung zu erzielen.»


«Le Monde»: Brexit-Verhandlungen in der Sackgasse

PARIS: Über die Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt zwischen Großbritannien und der Europäischen Union schreibt die französische Zeitung «Le Monde» am Freitag:

«Unter den Industrieländern verzeichnet Großbritannien eine der höchsten Corona-Sterberaten. Außerdem beurteilen 59 Prozent der Briten die Führung der Brexit-Verhandlungen (des Premierministers Boris Johnson) als negativ. Deshalb hat Johnson gute Gründe, eine weitere Katastrophe zu verhindern: den Wiederaufbau von Zollschranken am 1. Januar 2021 im Falle eines «No-Deals».

Die Verhandlungen scheinen in einer Sackgasse zu stecken. Dass die britische Regierung weiterhin freien Zugang zum EU-Binnenmarkt haben möchte, ohne sich zu fairen Wettbewerbsbedingungen verpflichten zu müssen, ist für die EU nicht hinnehmbar. (...) Für das Vereinigte Königreich als auch für Europa wäre es an der Zeit, den endlosen und vergifteten Brexit-Scheidungsprozess zu beenden und dabei so wenig Schaden wie möglich anzurichten.»


«de Volkskrant: Abiye riskiert Zunahme ethnischer Spannungen

AMSTERDAM: Zum Vorgehen der äthiopischen Armee in der Region Tigray heißt es am Freitag in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Seit Anfang des Monats kämpft die Regierungsarmee von Ministerpräsident Abiy Ahmed für die Wiederherstellung der Befehlsgewalt der äthiopischen Zentralregierung über Tigray, wo örtliche Anführer Abiyes Autorität nicht länger anerkennen wollen. Bevor Abiye 2018 als Regierungschef antrat, hielten Vertreter Tigrays die äthiopische Staatsmacht fest in der Hand. Nachdem sie diese verloren haben, werfen sie Abiye vor, die Macht zu zentralisieren. (...)

Abiye bezeichnet die Führung in Tigray als «illegal» und erklärt, Ziel der Militäroperation sei es, den äthiopischen Staat zu «retten». Er greift dabei auf Methoden zurück, die kennzeichnend waren für seine zentralistischen, unnachgiebigen Vorgänger. Journalisten wird der Zugang zu Tigray verwehrt, in den offiziellen Informationskanälen gibt es nur Regierungspropaganda. Mit seinem harten Vorgehen gegen Tigray will Abiye deutlich machen, dass Äthiopien unteilbar ist. Aber er riskiert damit, die ethnischen Spannungen im Land nur noch weiter anzufachen.»


«NZZ»: Westen muss moralische Überlegenheit beweisen

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Freitag die Vorwürfe gegen australische Soldaten im Afghanistan-Einsatz:

«Es ist unwahrscheinlich, dass alle Verbrechen lückenlos aufgeklärt werden können. Dennoch haben westliche Staaten die moralische Verpflichtung, genau das anzustreben. Wenn Soldaten demokratischer Länder in Afghanistan ungestraft gezielt Zivilisten umbringen könnten, wären sie kaum besser als afghanische Terroristen, die wahllos Unschuldige in die Luft sprengen. Der Westen ist angetreten, um Afghanistan von der Barbarei der Taliban zu befreien - da muss er auch beweisen, dass er moralisch überlegen ist.

Das gilt nicht nur für Australien, sondern auch für alle anderen westlichen Länder, die in Afghanistan kämpfen und gekämpft haben. In besonderer Verantwortung stehen die Vereinigten Staaten. Sie haben den Krieg in Afghanistan angeführt, das mit Abstand größte Truppenkontingent gestellt und waren an den meisten Kampfhandlungen beteiligt. Dass Präsident Donald Trump die Truppen noch vor Ende seiner Amtszeit größtenteils abziehen will, ändert daran nichts.»


«Tages-Anzeiger»: Ein großer Moment der Weltgeschichte

ZÜRICH: Der Zürcher «Tages-Anzeiger» erinnert am Freitag an den 75. Jahrestag des Beginns der Nürnberger Prozesse:

«Niemand steht über dem Gesetz. Niemand, kein Baron, kein General, kein Gottdiktator und kein Milliardär: Es ist ein großer Moment der Weltgeschichte, als dies im Nürnberger Saal erstmals plastisch und greifbar wird. Es ist revolutionär, als etwa Hermann Göring, der einstige NS-Reichsmarschall, dem Beobachter John Dos Passos nur noch als «halb leerer Luftballon» erscheint, «der zu schnell und zu viel an Gewicht verloren hat».

Es ist eine Idee, auf deren Grundlage in späteren Jahrzehnten auch Slobodan Milosevic, Saddam Hussein und Liberias Diktator Charles Taylor vor Gericht gestellt werden - aufgeblasene Figuren allesamt, plötzlich auf das Normalmaß von Menschen zusammengeschrumpelt - und die, so hofft man, einst auch der Syrer Bashar al-Assad kennen lernen wird.

Es sind Menschen, die so mächtig gewesen sind, dass sie ihre Gesetze selbst machen und später auf die vordergründige Legalität ihres Handelns verweisen konnten. Die Antwort, die ihnen in Nürnberg gegeben wird, lautet: Nein. Es gibt Verbrechen von solch universeller Eindeutigkeit, dass kein staatliches Gesetz es vermag, sie zu legalisieren. Über jedem Gesetz stehen noch die Menschenrechte. Dies war bis 1945 eine Idee aus dem Elfenbeinturm. In Nürnberg wurde sie Wirklichkeit.»


«Nesawissimaja»: Neues russisches Gesetz gegen Opposition gerichtet

MOSKAU: Zu einem geplanten Gesetz, das soziale Netzwerke für die «Diskriminierung» russischer Medien bestrafen will, schreibt die Moskauer Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Freitag:

«Die russischen Behörden fordern, dass Youtube, Twitter und Facebook russischen Nutzern im Jahr vor der (Duma-)Wahl Meinungs- und Informationsfreiheit bieten. Nun sollen Informationsquellen, die dieses Bürgerrecht verletzen, in die Gesetzgebung aufgenommen werden. Die Strafe kann letztendlich sogar eine vollständige Blockade der jeweiligen Plattform sein. (...)

Es ist klar, dass der Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit nur ein Vorwand ist. (...) In Russland sitzt die Opposition ausnahmslos auf Youtube. Auch Twitter und Facebook sind für Andersdenkende notwendige Werkzeuge für Kommunikation und kollektive Information, auch wenn diese Rolle immer mehr Telegram einnimmt. Soziale Netzwerke und Messenger zu kontrollieren, ist natürlich eine Mammutaufgabe, doch Oppositionellen die Nutzung zu erschweren, ist schon mal nicht schlecht.»


«Nepszava»: Ungarn braucht das Geld aus blockierten EU-Fonds

BUDAPEST: Zum Veto des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gegen den EU-Haushalt schreibt die oppositionelle Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Freitag:

«Die ungarische Blockade ist ein Eigentor. Viktor Orban blufft, wenn er behauptet, dass die finanziellen Ressourcen des Landes für zwei Jahre gesichert seien. Wenn es tatsächlich so wäre, hätte Ungarn nicht zwei Milliarden Euro Kredite auf den Finanzmärkten aufgenommen. Das heißt, dass der Regierungschef das herbeifantasiert, was er ansonsten als «Zinsknechtschaft» zu bezeichnen pflegt. Das Veto hatten einst die Volkstribune im alten Rom verwendet. Bei Viktor Orban fehlt inzwischen die Unterstützung durch die Mehrheit des Volkes.»


«Gazeta Wyborcza»: Polen gegen 25 Mitgliedsstaaten der EU

WARSCHAU: Polens Blockade der milliardenschweren Corona-Konjunkturhilfen und des langfristigen EU-Haushalts kommentiert die polnische Zeitung «Gazeta Wyborcza» am Freitag:

«Wir sind ein wirklich unglückseliges Land. Es stellt sich heraus, dass wir einer ganz anderen EU beigetreten sind, und die aktuelle EU will uns nun unsere Souveränität wegnehmen. Allein die (nationalkonservative Regierungspartei) PiS kann uns verteidigen. (Polens) Regierungschef Mateusz Morawiecki hat im Parlament eine Rede gehalten, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Glaubt man ihm, dann ist die EU eine europäische Oligarchie, die die Schwächeren bestraft. Glaubt man ihm, dann sind Rechtsstaatlichkeit und Rechtsstaatsverstöße für die EU zum «Propagandaknüppel» geworden.

Aber von 27 Ländern haben nur zwei Angst vor der Verknüpfung von Rechtsstaatlichkeit mit der Auszahlung von EU-Mitteln: Polen und Ungarn. Die PiS-Politiker wollen den Polen einreden, dass sie sich nicht dem deutschen Diktat unterwerfen sollen. Aber nicht das deutsche Diktat will diesen Mechanismus, sondern 25 Mitgliedsländer wollen ihn.»


«Die Presse»: EU kein Serviceklub für Wirtschaft Polen und Ungarns

WIEN: Zu Polen und Ungarns Veto gegen den EU-Haushalt schreibt die Wiener Tageszeitung «Die Presse»:

«Die Rechtsstaatlichkeit ist kein rein nationales Prinzip, es ist ein europäisches. Zur Erinnerung: Beide Länder sind 2004 nicht einem Serviceklub für ihre Wirtschaft beigetreten, der einzig dafür geschaffen wurde, das Füllhorn an Förderungen über sie auszuschütten. Sie sind einer Union beigetreten, die auf zwei Grundpfeilern beruht: Demokratie und Binnenmarkt.

Die Rechtsstaatlichkeit ist in Artikel 2 des EU-Vertrags verankert und soll, vereinfacht gesagt, sicherstellen, dass diese beiden Grundpfeiler ungeachtet der jeweiligen politischen Machtverhältnisse funktionieren. Viktor Orbán und Jaroslaw Kaczynski gehört nicht der ungarische bzw. polnische Staat. Ihre Macht ist nur eine geborgte. Sie sind so wie jeder Bürger in ihrem Land dem Recht verpflichtet.»

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