Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Staatsbesuch/Charles III.

Das britische Staatsoberhaupt reist stets nach Rücksprache mit der eigenen Regierung.

Die Botschaft: Wir schlagen nach dem Brexit ein neues Kapitel auf. Doch nun das: Die Visite von König Charles III. in Frankreich wurde wegen der heftigen Proteste gegen die Rentenreform dort verschoben. Sein Besuch in Deutschland soll stattfinden. Die Briten haben die Europäer im Brexit-Streit mit ihren Befindlichkeiten behelligt. Es ist dem König deshalb nun zuzumuten, dass ein Gastgeber wegen Problemen den Besuch verschieben lässt. Bei den Rentenprotesten eskaliert die Gewalt. Kein gutes Ambiente für einen Staatsbesuch. Nun obliegt es den Deutschen, die Situation zu retten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird nicht nur als deutsches Staatsoberhaupt den König empfangen, sondern gewissermaßen stellvertretend als Repräsentant aller Europäer.


«Stuttgarter Zeitung» zu Rassismus-Vorwürfe/Wolfgang Koeppen

Man wird mit dem Revidieren, Umschreiben oder Aussortieren historischer Texte irgendwann nicht mehr hinterherkommen, wenn man nicht lernt, das Wesentliche von den zeitbedingten Voraussetzungen zu trennen, unter denen es entsteht.

Wörtlichkeit ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist das Verstehen, die Fähigkeit, den sich stets wandelnden Bedeutungen und Einstellungen verbindlichen Sinn abzutrotzen. Das zu vermitteln, wäre die Schule kein schlechter Ort - und Wolfgang Koeppen kein schlechter Gegenstand.


«Frankfurter Rundschau» zu Debatte/Verbrenner-Aus

So berechtigt die Kritik an dem unwürdigen Theater um das Verbrenner-Aus in der EU auch ist, am Hin und Her des Verkehrsministers Volker Wissing und damit auch an der zweifelhaften Rolle der Ampelkoalition, so sehr zeigt dieser Fall, wie kompliziert der sozial-ökologische Umbau der EU-Staaten ist.

Selbst in der vermeintlich übersichtlichen Frage nach der Zukunft von nachhaltigen Neuwagen gibt es keine einfachen Antworten. Bei verschiedenen strittigen Punkten zeigt sich, dass sich viele zwar grundsätzlich einig sind, nachhaltig wirtschaften zu wollen. Doch wenn es ernst wird, müssen die Antworten erst erarbeitet werden. Das gilt nicht nur beim Verbrenner-Aus, sondern etwa auch für die Atomkraft, die vor allem für Frankreich kaum ersetzbar ist. Vergessen werden darf aber nicht, dass Phasen des Übergangs immer unübersichtlich sind. So lange das Alte noch nicht durch das Neue ersetzt ist, gibt es Rückschritte genauso wie Fortschritte - so unangenehm das auch sein mag.


«Lidove noviny»: Seltene Koalition gegen Verbrenner-Aus

PRAG: Zum Streit um die Zukunft von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren in der EU schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Freitag:

«Deutschland, Italien, Polen, Tschechien, Ungarn und Bulgarien sind dagegen, allein den Weg des Elektroautos zu gehen. Das ist ungewöhnlich. Es ist schon zum Stereotyp geworden, dass sich die Haltungen der EU-Staaten in grundlegenden Fragen entlang eines Grabens zwischen West und Ost spalten, der angeblich progressive Europäer von schmuddeligen Postkommunisten trennt. (...) Die Deutschen machen sich keine Illusionen, dass ihre Autos auch künftig wie zu den Zeiten von Carl Benz mit Benzin fahren werden. Doch sie wollen die Verbrennertechnologie nicht ganz aus dem Fenster werfen, nur um dann Elektroautos aus China zu importieren. Wir wissen nicht, wie das alles ausgehen wird, doch ist bereits dies ein Durchbruch.»


«WaPo»: Ein Tiktok-Verbot wäre eine Niederlage für die freie Welt

WASHINGTON: Sollte die populäre Kurzvideo-App Tiktok in den USA verboten werden, wäre das langfristig möglicherweise ein Sieg für China, warnt die «Washington Post»:

«Wenn Tiktok hier (in den USA) nicht operieren kann, kann es dann irgend ein Social-Media-Dienst mit Ursprung in China? Ein «Nein» hätte weitreichende Folgen. Man kann einen Unterschied machen zwischen Tiktok und anderen Diensten, und auch zwischen China und anderen Ländern. Es mag auch Gründe geben, die der Öffentlichkeit noch nicht bewusst sind, die aber dafür sprechen, dass die App eine größere Bedrohung darstellt, als es zunächst scheint.

Aber die USA sind zu Recht stolz auf ihre Offenheit für freien Handel und freie Meinungsäußerung. Die Sperrung eines Dienstes, den 150 Millionen Menschen in diesem Land nutzen - sei es, um lippensynchrone Videos anzuschauen, für ihre kleinen Unternehmen zu werben oder um Nachrichten zu teilen - mag kurzfristig wie ein Schlag gegen China aussehen. Doch es wäre ein Sieg für die Philosophie des Technologienationalismus in dem Land und eine Niederlage für eine offene Welt und ein offenes Internet. Sollte das Weiße Haus versuchen, Tiktok zu verbieten, ist es den Bürgern - Nutzern der Plattform und Nichtnutzern gleichermaßen - eine gute Erklärung schuldig.»


«Le Parisen»: Kompromisssuche ist nicht französisch

PARIS: Zum Streit um die französische Rentenreform schreibt die französische Tageszeitung «Le Parisien» am Freitag:

«Die Kunst des Kompromisses ist nicht französisch. In der staatlichen (politischen) Dramaturgie sind die geltenden Mythen gar an einem anderen Ufer zu suchen, dem der Konfrontation. Mit der Rentenreform ist Frankreich erneut in dieser Fall gefangen. Seit Anfang Januar steigt die Anspannung, ohne dass jemand es schafft oder gewillt ist, einen Ausweg zu finden. (...)

Sicherlich ist Frankreich nicht Deutschland, das vor dem Machtwechsel eine Koalition bilden muss. (...) Auf dieser Seite des Rheins hält man an der Vorstellung fest, dass der Mann der Stunde, kaum dass er gewählt ist, seine Projekte durchsetzen muss, um eine Gnadenfrist zu erhalten. Es war zu hoffen, dass die relative Mehrheit bei der (Parlaments-)Wahl diese Konfliktkultur abmildern würde. Das war nicht so.»


«Latvijas Avize»: Großer Panda und kleiner Bär

RIGA: Zum Staatsbesuch von Chinas Staatschef Xi Jinping in Russland schreibt die lettische Tageszeitung «Latvijas Avize» am Freitag:

«Der Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping in Moskau verdeutlichte, dass sich Peking nicht den Bemühungen des Westens anschließen wird, das Regime von Wladimir Putin zu isolieren. Doch die vermeintliche Freundschaft des Großen Pandas mit dem russischen Bären täuscht. Denn China kümmert sich eigentlich nur um seine eigenen Interessen. (...)

Im Gegensatz zu den USA, die ihre internationale Politik oft an der Sorge um die Stärkung der Menschenrechte und der Demokratie in der Welt ausrichten, hat China nie besonders verhehlt, dass das leitende Hauptmotiv der Außenpolitik Pekings seine eigenen Interessen sind. Und selbst die Kreml-Propaganda musste einräumen, dass der Besuch des chinesischen Führers in Moskau kein Wohltätigkeitsakt war. (...)

China ist nun zur Hauptkraft geworden, die die vom Westen geschaffene Weltordnung herausfordert. Russland liegt sowohl hinsichtlich der Bevölkerungszahl als auch die Wirtschaftskraft weit zurück, so dass Moskau eher wie ein kleiner Bruder gegenüber Peking wirkt, dessen Ambitionen weitaus größer sind als seine Fähigkeiten.»


«El Mundo»: Ist Deutschland kein verlässlicher Partner mehr?

MADRID: Zur umstrittenen Blockade der Bundesregierung im Streit über Autos mit Verbrennungsmotor, die Bundeskanzler Olaf Scholz beim EU-Gipfel in Brüssel verteidigt hat, schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Freitag:

«Es reicht nicht aus, Vereinbarungen auf dem Papier zu treffen, wenn man nicht bereit ist, sie anschließend auch einzuhalten. Das Zurückrudern der Deutschen in letzter Minute hat alle überrascht. Das Abkommen war eine der wichtigsten Maßnahmen der EU zur Eindämmung des Klimawandels, da 15 Prozent der CO2-Emissionen in der Region auf Autos entfallen. Es gibt nun eine große Verwirrung, die auch den Automobilsektor in Mitleidenschaft zieht (...) Aufgrund der Ungewissheit und des hohen Preises von Elektrofahrzeugen wird eine umweltschädliche Flotte konsolidiert. (...)

Es bleibt die Frage, ob Deutschland kein verlässlicher Partner mehr ist. Und ob das Land in Zukunft auch in anderen strategischen Fragen zurückrudern wird. Das europäische Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, für das diese (Auto-)Vereinbarung entscheidend war, wird mehr Fingerspitzengefühl erfordern. Und man wird dem Kleingedruckten wohl mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Sehr viele Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.»


«Guardian»: USA sollten Internationalen Strafgerichtshof unterstützen

LONDON: Der Londoner «Guardian» beschäftigt sich am Freitag mit dem Verhältnis der USA zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH):

«Während 123 Länder das Römische Statut (die vertragliche Grundlage des Internationalen Strafgerichtshofs)ratifiziert haben, weigern sich die USA ebenso wie Russland und China beizutreten, was die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofs untergräbt. Ein Beitritt wäre der moralische angebrachte Weg, ist aber politisch in den USA wohl nicht durchsetzbar.

Rechtsexperten und einige US-Regierungsbeamte argumentieren allerdings, dass die Regierung dennoch kooperieren könnte und sollte. Denn selbst wenn es zu Anklagen gegen US-Bürger durch den IStGH käme, könnten die USA geltend machen, dass der Gerichtshof nur dann dazu berechtigt wäre, wenn die jeweiligen Fälle nicht zufriedenstellend vor einheimischen Gerichten verhandelt werden könnten. Militär- und Zivilgerichte der USA haben aber bereits Soldaten für Gräueltaten strafrechtlich verfolgt, etwa im Irak, wenn auch bei weitem nicht so oft und so effektiv wie nötig.

Diesen pragmatischen Weg einer Zusammenarbeit mit dem IStGH ohne volle Unterstützung einzuschlagen, wäre zwar eine unvollkommene Lösung. Aber es muss jede mögliche Unterstützung für eine Institution erreicht werden, die, wie der Fall des Haftbefehls gegen Putin zeigt, wichtige Arbeit leistet.»


«Tages-Anzeiger»: Schweiz züchtet ein Banken-Monster heran

ZÜRICH: Der Schweizer «Tages-Anzeiger» kritisiert am Freitag die Rahmenbedingungen für die Übernahme der zusammengebrochenen Credit Suisse durch die Großbank UBS:

«Obwohl Bundesrat (die Regierung der Schweiz), Nationalbank und Finanzmarktaufsicht mithilfe von Notrecht ein wahres Monster heranzüchten, haben sie der neuen Megabank keinerlei Bedingungen auferlegt. Sie muss keine strengeren Kapitalanforderungen erfüllen. Und sie ist nicht verpflichtet, das Schweizer Geschäft der Credit Suisse nach einer Übergangszeit wieder zu verkaufen oder als selbstständige Gesellschaft an die Börse zu bringen.

Das ist aus volkswirtschaftlicher Sicht die schlechteste Lösung. Die Kundinnen und Kunden - vor allem die international tätigen kleinen und mittelgroßen Unternehmen - haben keine Wahl mehr zwischen zwei großen Banken, die als einzige die ganze Palette an Dienstleistungen anbieten. (...) Und das Risiko, dass die UBS irgendwann ebenfalls mit Staatsgeldern gerettet werden muss, ist deutlich größer geworden.

All dies sollten die Politikerinnen und Politiker mit allen Mitteln verhindern. Sie haben einen Hebel dazu: Sie können der UBS-Führung mit drastischen Eingriffen drohen, falls sie nicht freiwillig einlenkt, das Schweiz-Geschäft der Credit Suisse in die Selbstständigkeit zu entlassen.»

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