Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Münchner Merkur» zu Verbrenner-Aus / Umfrage

Als Bundesverkehrsminister Volker Wissing vor drei Wochen das von der EU geplante Verbrenner-Aus ab 2035 stoppte, kannte die Empörung keine Grenzen.

Die FDP isoliere Deutschland in Europa, tönte es schrill aus Brüssel. Wissing rutsche "in die Gesetzlosigkeit", zürnten gar die deutschen Grünen. Doch siehe da: Weder ist die FDP in Deutschland isoliert noch Deutschland in Brüssel. Inzwischen haben sich Italien, Polen, Tschechien und Österreich an die Seite Berlins gestellt, womit die nötige Sperrminorität erreicht ist. Und Bundeskanzler Scholz hat sich klar ins Lager der FDP geschlagen mit seiner Forderung, Brüssel müsse auf die deutschen Bedenken eingehen. Belohnt wird die FDP für ihr Wagnis von der öffentlichen Meinung: 67 Prozent der Bundesbürger lehnen laut einer neuen Umfrage das Verbrenner-Aus ohne E-fuels-Ausnahme ab. Schwarmintelligenz schlägt ideologische Verbohrtheit.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur beschlossenen Wahlrechtsreform

Ja, es ist ein Schurkenstück, das der Deutsche Bundestag am Freitag aufgeführt hat.

Sicher ist der Bundestag mit der Reform des Bundeswahlgesetzes dem Ziel näher gekommen, das größte frei gewählte Parlament der Welt auf eine arbeitsfähige Größe zu reduzieren. Doch schon die Zahl von künftig 630 Abgeordneten war das Ergebnis einer nachträglichen Politisierung der im Januar vorgelegten Reformvorschläge von SPD, Grünen und FDP. . Die handstreichartige Abschaffung der sogenannten Grundmandatsklausel wird zwangsläufig das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. . Sollte das jüngste Reformverfahren das Ziel gehabt haben, dem Bürger zu beweisen, dass der Bundestag in eigener Sache reformfähig ist, und auf diese Weise das Vertrauen in die repräsentative Demokratie zu befestigen - das Ergebnis könnte kaum verheerender sein.


«WSJ»: USA sollten Drohnen-Absturz mit Waffenlieferung beantworten

NEW YORK: Die USA machen Russland für den Absturz ihrer Militärdrohne vom Typ MQ-9 über dem Schwarzen Meer verantwortlich. Zu einer möglichen US-Reaktion schreibt das «Wall Street Journal»:

«Die Biden-Regierung hat ihre Ukraine-Politik bislang auf Basis ihrer Furcht vor Putins Reaktion austariert, aber dieser Absturz ist die jüngste Erinnerung, dass Putin alles riskiert, von dem er glaubt, damit davonzukommen. (...) Präsident Biden hat nun noch mehr Grund das zu tun, was er schon vor langer Zeit hätte tun können: Der Ukraine die Waffen geben, die für den Sieg benötigt werden. Ganz oben auf der Prioritätenliste sind die ballistischen Kurzstreckenraketen (ATACMS), die Angriffe weit hinein in die russischen Stellungen in der Ukraine ermöglichen würden, um am Boden schneller vorrücken zu können. Eine andere wertvolle Plattform für die Ukraine ist, wie es der Zufall will, die MQ-9. (...)

Biden könnte es vorziehen, den Moment verstreichen zu lassen, und seine Zurückhaltung preisen, aber ihm werden die Entscheidungen nicht gefallen, die er dann treffen muss, falls Russland weiter eskaliert und ein vom US-Militär bemanntes Flugzeug vom Himmel holt. Russland ist nicht der einzige Gegner, der testet, was die USA durchgehen lassen. (...) Wenn die Welt gerade sehr angreifbar wirkt, dann ist sie es umso mehr, wenn Amerikas Feinde sich ohne jegliche Furcht vor einer Reaktion ermächtigt fühlen, die USA zu provozieren.»


«Corriere della Sera»: Es bildet sich eine «Achse der Despoten»

ROM: Zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien und dem Treffen der jeweiligen Repräsentanten in Peking schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Freitag:

«Die hohen Repräsentanten Chinas, Saudi-Arabiens und des Irans machten sich das Leben ein wenig schwer, als sie vergangene Woche in Peking zusammenkamen. Aber sie haben deutlich gemacht, dass wir eine neue Welt betreten. (...) Es bildet sich eine von China angetriebene «Achse der Despoten», die globale Ambitionen hat. Sie stellt die Fähigkeit der USA, ihr in mehreren Regionen entgegenzutreten, unmittelbar in Frage. In Europa mit der Ukraine, in Asien mit Taiwan und jetzt im Nahen Osten.

Es ist unwahrscheinlich, dass Washington im Alleingang in der Lage sein wird, dem etwas entgegenzusetzen, vor allem wenn die militärischen Herausforderungen zunehmen. Langfristig ist es das Ziel der Autokraten, die Regeln des internationalen Umgangs ihren eigenen, unangenehmen Regierungsmethoden zu unterwerfen.»


«Rzeczpospolita»: Papst Johannes Paul II. als Wahlkampfthema in Polen

WARSCHAU: Nach Vertuschungsvorwürfen gegen den früheren Papst Johannes Paul II. macht Polens Regierung die Verteidigung des Pontifex zu ihrem Thema. Dazu schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» Freitag:

«Zuckerbrot und Peitsche sind das klassische Rezept für den Erfolg der nationalkonservativen Regierungspartei PiS bei den Wahlen. Die Peitsche besteht darin, einen Feind der Polen zu identifizieren, gegen den sie nur das PiS-Lager verteidigen kann. Das Zuckerbrot sind die Sozialprogramme. Die gesellschaftspolitische Situation ist gerade günstig für die PiS. Bei der vergangenen Wahl hat sie die Polen verängstigt und sie angeblich gegen Flüchtlinge und die LGBT-Community verteidigt. Jetzt verteidigt sie die Polen gegen einen Angriff auf die Autorität von Papst Johannes Paul II.

Wenn extreme Organisationen nun anfangen sollten, Denkmäler von Johannes Paul II. zu zerstören und wenn es vor den Wahlen eine aggressive Kampagne gegen die katholische Kirche geben sollte, dann hat die PiS eine Chance, die Emotionen der Polen zu steuern, was sich an der Wahlurne in der «Verteidigung der gemeinsamen Werte» niederschlagen wird.»


«ABC»: Leitzinserhöhung der EZB war einzig mögliche Entscheidung

MADRID: Die spanische Zeitung «ABC» kommentiert am Freitag die Erhöhung des Leitzinses im Euroraum:

«Die Europäische Zentralbank (EZB) hat an ihrer Entscheidung festgehalten, die Zinssätze um einen halben Punkt auf 3,5 Prozent anzuheben. Damit ignorierte sie die Stimmen, die angesichts der Turbulenzen, die nach der Pleite von drei Banken in den USA und den Problemen der zweitgrößten Bank der Schweiz die Märkte und den Finanzsektor erfasst hatten, eine Verschiebung oder eine Änderung der Kriterien gefordert hatten. Es gab keine andere Option, da die Hauptaufgabe der EZB darin besteht, die Preisstabilität in der Eurozone zu gewährleisten. Wenn die Institution die Geißel der Inflation in den Griff bekommen will, darf sie nicht zögern. Darüber hinaus deutet alles darauf hin, dass die Inflation länger anhalten wird als bisher angenommen, umso mehr, als Gegenmaßnahmen der Regierungen wenig Wirkung zeigen.»


«Libération»: Rentenreform wird Frankreich destabilisieren

PARIS: Zum Durchdrücken der Rentenreform in Frankreich mit dem Sonderartikel 49.3 ohne Abstimmung in der Nationalversammlung schreibt die französische Tageszeitung «Libération» am Freitag:

«(Der französische Präsident) Emmanuel Macron hat alle Eier, die er im Kühlschrank hatte, aufgeschlagen, aber es ist ihm nicht gelungen, ein Omelett zu machen. (...) All das, um nach Wochen gegenteiliger Erklärungen den schändlichen Artikel 49.3 zu zücken, um eine Abstimmung zu verhindern, die er zu verlieren drohte. (...) Ist er wirklich davon überzeugt, dass die Märkte nur auf seine Reform warten? (...) Was die Märkte am meisten hassen (...) ist Instabilität. Und seine schlecht durchdachte Rentenreform treibt Frankreich, seine Demokratie und seine Arbeitnehmer direkt in diese Instabilität. Der Präsident könnte die Lage retten, indem er ankündigt, dass das Gesetz nach seiner undemokratischen Verabschiedung aufgehoben wird. Aber es ist nicht seine Art, den Franzosen zuzuhören.»


«NRC»: Eindämmung der Inflation hat Priorität

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «NRC» kommentiert am Freitag die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), den Leitzins um 0,50 Prozentpunkte auf nun 3,5 Prozent anzuheben:

«Der rasche Anstieg der Zinsen fordert im Westen bereits erste Opfer im Bankensektor. Ein verständlicher Reflex wäre es, wenn die EZB die von ihr noch geplanten Zinserhöhungen ruhiger angehen würde. Das könnte Turbulenzen im Bankensektor teilweise lindern und eine mögliche Instabilität des Finanzsektors eindämmen. Es stünde jedoch im Gegensatz zu dem Ziel, die Inflation zu verringern. Für Letzteres hat sich die EZB am Donnerstag ganz eindeutig entschieden. Und das war richtig so. (...) Es wäre seltsam, wenn der Finanzsektor die Zinserhöhungen der letzten Zeit völlig unbeschadet überstanden hätte. Aber da es genügend Instrumente gibt, um Krisen im Keim zu ersticken, hat die Eindämmung der hohen Inflation bis auf weiteres Priorität.»


«The Times»: Macron hat Mut bewiesen

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Freitag die Auseinandersetzungen in Frankreich um die Reform des Rentensystems:

«Emmanuel Macron hat beachtlichen politischen Mut bewiesen, als er das Gesetz zur Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre durchdrückte. Nach einem gescheiterten Versuch, die Unterstützung des Parlaments zu erhalten, verzichtete der französische Präsident auf eine Abstimmung und entschied sich für ein Dekret. Angesichts seiner politischen Isolation in dieser brisanten Frage ist dies ein mutiger - manche würden sagen tollkühner - Schritt. Aber es ging um eine Herausforderung, die gemeistert werden musste. Frankreich kann sich sein luxuriöses Rentensystem nicht mehr leisten. (...)

Derweil machte sich die Rechtsaußen-Politikerin Marine Le Pen das Unbehagen über den Präsidenten zunutze und kündigte ein Misstrauensvotum an. Macron muss das durchstehen. Frankreich wird manchmal als unreformierbar angesehen. Das Gesetz zur Rentenreform wurde verschiedentlich als «unmenschlich» und «brutal» kritisiert. Nichts dergleichen trifft zu. Wenn sich die Zeiten ändern, muss sich auch Frankreich mit ihnen ändern.»

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Bernd Lange, Berlin 18.03.23 18:20
Die Franzosen sind so dumm wie
die Deutschen, die auch die Reform Harz 4 verdammt haben--und damit glücklich wurden!
Damit sei Schröder der Dank--aber Putin-Freund --ohne Erfolg für D?