Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu möglichen Verhandlungen mit Russland

Was der amerikanische Präsident jetzt über mögliche Verhandlungen mit Putin gesagt hat, ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert.

Zum einen hat Biden sich noch nie so offen für Verhandlungen über die Ukraine gezeigt. Zum anderen fällt auf, dass er für diesen Fall nur eine Abstimmung mit den Verbündeten in der NATO in Aussicht stellte. Die ukrainische Regierung erwähnte er nicht. Daraus lässt sich noch kein Kurswechsel herauslesen. (...) Aber allein die Tatsache, dass Biden ein bilaterales Gesprächsangebot macht, verändert den Konflikt zugunsten Russlands. (...) Die Europäer haben da wenig Einfluss. (...) Dass Putin gestürzt wird, wie das Biden schon einmal öffentlich gefordert hat und was sich viele von den westlichen Sanktionen erhoffen, ist offensichtlich kein westliches Ziel mehr.


«Badische Zeitung» zu Ausschlussverfahren von Gerhard Schröder

Die Antragsteller wollen es nicht mehr ertragen mit einem Mann in einer Partei zu sein, der bis heute den Bruch mit Wladimir Putin vermieden hat.

Die Emotion und der Wunsch, mit Schröder nichts mehr zu tun haben zu wollen, sind verständlich. Dennoch ist es klug, dass die SPD-Führung Schröder zwar den Parteiaustritt nahegelegt hat, aber selbst kein Ausschlussverfahren angestrengt hat. (...) Ein Parteiausschluss ist schwierig - und es gibt sehr gute juristische Argumente, die im Fall Schröders dagegensprechen. Persönliche Freundschaften, und sei es zu Putin, verstießen nicht gegen die Parteiordnung - so unverständlich diese aus sozialdemokratischer Sicht auch seien. (...) Die SPD muss den Altkanzler nicht rauswerfen. Er hat sich selbst schon ins Abseits gestellt.


«Süddeutsche Zeitung» zu WM-Aus der deutschen Fußballnationalmannschaft

In Katar und im Umgang mit dem Land haben viele Deutsche sich selbst einen Streich gespielt.

Ihre Neigung, ein Thema jedweder Art ausgiebig auf seine moralische Komponente abzuklopfen, führt zu zweierlei. Eigene Maßstäbe werden absolut gesetzt, Differenzierungen nicht mehr vorgenommen. Falls es in Deutschland je so etwas wie Neugier auf das Gastgeberland Katar gab, dann nur auf die kritikwürdigen Dinge dort. Und sie erlosch spätestens in dem Moment, da ein homophober WM-Botschafter Katars im ZDF jede Homosexualität zum «geistigen Schaden» erklärte. Wenn die Verachtung für den Mann dazu führt, dass sich schwule Bundesligaspieler ab sofort gefahrlos outen dürfen, wäre sie wenigstens zu etwas gut gewesen.


«Münchner Merkur» zu Chancen-Bleiberecht

Was verbindet Hansi Flick mit Friedrich Merz? Beide hatten gestern die Torte im Gesicht, der eine in der Wüste von Katar und der andere im Deutschen Bundestag.

Dort verpassten 20 Abgeordnete der Union ihrem Chef einen Denkzettel. Beim Votum über das «Chancen-Aufenthaltsrecht» der Ampelkoalition für illegale, aber gut integrierte Migranten enthielten sie sich der Stimme, zum Ärger des Oppositionsführers, der in dem neuen Gesetz eine falsche Amnestie für Migranten sieht, die sich ihr Bleiberecht am Asylrecht vorbei ersessen haben. Die Blamage wäre gewiss leichter zu ertragen, wenn es nicht knapp zwei Dutzend teils prominente Merkelianer gewesen wären, die dem neuen CDU-Chef da in die Parade fuhren, voran der Vater aller Niederlagen Armin Laschet. Für die Ampelregierung war es die Revanche für ihre jüngste Schlappe beim Bürgergeld; für Merz der schmerzhafte Hinweis, dass Merkels Arm noch immer tief in die Partei hineinreicht.


«Hospodarske noviny»: Handelskrieg mit USA käme zur Unzeit

PRAG: Zum Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Washington und den Streit um ein gewaltiges Sozial- und Klima-Paket der US-Regierung schreibt die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien am Freitag:

«Die US-Amerikaner haben zwei grundlegende Prioritäten: ihre nationale Sicherheit und eine erfolgreiche Wirtschaft. Die Europäer setzen andere Prioritäten, nämlich die Treibhausgasemissionen zu senken und einen gegenseitigen fairen Zugang zum Markt zu gewährleisten. Der Besuch Emmanuel Macrons hat gezeigt, welch unterschiedliche Ziele selbst engste Verbündete verfolgen - und das trotz der aktuellen militärischen Bedrohungen. Ein Handelskrieg um grüne Subventionen wäre das Letzte, was die Beziehungen Amerikas und Europas in der heutigen Zeit brauchen. Denn das wäre ein schönes Geschenk für die Rivalen und Feinde der amerikanischen und europäischen Demokratien, also für Russland und China.»


«Sme»: Orban soll sich nicht zu sicher fühlen

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» schreibt am Freitag zum Streit zwischen EU-Kommission und Ungarn:

«Auch wenn Ungarn alle 17 Forderungen der EU-Kommission zur vollen Zufriedenheit von Kommission und EU-Parlament erfüllt hätte, würde das in Bezug auf Rechtsstaat und Korruption nichts oder kaum etwas voranbringen. Denn das Problem im System der illiberalen Demokratie liegt nicht in der Gesetzgebung, sondern in der absoluten Kontrolle aller Institutionen durch Leute der (Regierungspartei) Fidesz. Das gilt auch für die sogenannten unabhängigen Institutionen. (...)

Weil beim Europäischen Rat auch andere Abstimmungen anstehen, bei denen ein Vetorecht gilt, plant der tschechische Vorsitz angeblich schon Schachzüge um die Reihenfolge. Dass also zuerst die Veto-Abstimmungen dran kommen und dann erst die mit Mehrheitsentscheid, damit die Staaten sich daran orientieren können, ob Orban zum Beispiel bei der Ukraine-Hilfe sein Vetorecht einsetzt oder nicht. Das kann natürlich ein Gerücht sein, aber es verdeutlicht recht gut, dass der Zustand des Rechtsstaates gar nicht das entscheidende Kriterium sein muss, wenn die anderen Staaten über Ungarn abstimmen.»


«The Irish Times»: Orban ist zunehmend isoliert

DUBLIN: Die in Dublin erscheinende «Irish Times» kommentiert am Freitag die Empfehlung der EU-Kommission, für Ungarn vorgesehene EU-Gelder einzufrieren:

«Der Streit zwischen den EU-Staaten und dem eigensinnigen Ungarn um dessen mangelnde Rechtsstaatlichkeit und die Veruntreuung von EU-Geldern hat sich verschärft. Die EU-Kommission will die Zahlungen an Ungarn in Höhe von bis zu 13,3 Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt und dem Corona-Hilfsfonds aussetzen, bis Budapest juristische und finanzielle Reformen umgesetzt hat, die Brüssel für notwendig hält, um das Land in Einklang mit EU-Standards zu bringen. (...)

Ministerpräsident Viktor Orban braucht das Geld dringend (...) die Wirtschaft befindet sich in einer misslichen Lage. Der Forint ist stark gefallen und für dieses Jahr wird ein Haushaltsdefizit von mehr als 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwartet. Die EU-Regierungen sollten ungarischen Erpressungsversuchen nicht nachgeben. (...) Dass Ungarn von seinem traditionellen Verbündeten Polen ausreichend unterstützt wird, ist ungewiss, zumal Polen mit Ungarn im Streit liegt wegen dessen Unterstützung für Russland. Orban ist zunehmend isoliert.»


«Le Figaro»: Frankreich hat Atomkraftwerke sträflich vernachlässigt

PARIS: Zu drohenden Unterbrechungen der Stromversorgung in Frankreich wegen reihenweise ausgeschalteter Atomkraftwerke schreibt die französische Tageszeitung «Le Figaro» am Freitag:

«Wie ein armes Land muss sich auch die sechstgrößte Wirtschaftsmacht der Welt (...) nun darauf einstellen, dass ihr Leben von Stromausfällen bestimmt wird. Wenn es in diesem Winter sehr kalt wird, muss man damit rechnen, einige Stunden ohne Schule, Züge und Telefon auskommen zu müssen... Ganz zu schweigen natürlich von Licht und Heizung. (...) Diese sich abzeichnende Knappheit ist empörend. Sie sagt viel über den Zustand unseres Landes aus. Seine Ursachen sind nur zum Teil auf die Spannungen zurückzuführen, die durch den Krieg in der Ukraine entstanden sind.

Sie sind auch und vor allem in der Politik zu suchen, die von unseren aufeinanderfolgenden Regierungen betrieben wurde. Seit Jahren ist die französische Stromerzeugung das Ziel einer geplanten Sabotage. Unter dem einschüchternden Druck eines kämpferischen Ökologismus und aus niederen wahltaktischen Gründen wurde unser Atomkraftwerkspark, der in den 1980er Jahren an der Spitze des Fortschritts stand, vernachlässigt. Das Ergebnis ist, dass bis heute nur die Hälfte unserer gut 50 Reaktoren in Betrieb ist. Es werden keine Ingenieure mehr ausgebildet, um sie zu warten, und wir kaufen zu hohen Preisen bei unseren Nachbarn ein. In Frankreich herrscht Stillstand: Die Energiekrise ist ein weiterer Beweis dafür.»


«Tages-Anzeiger»: China ist eine Herausforderung für den Westen

ZÜRICH: Der Schweizer «Tages-Anzeiger» kommentiert am Freitag das Verhältnis der EU zu China:

«EU-Ratspräsident Charles Michel hat es sehr eilig gehabt, Chinas frisch bestätigten Herrscher Xi Jinping die Aufwartung zu machen. Schneller war nur der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der gar mit einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation angereist war. Ein autoritäres und zunehmend aggressives China ist die kommende Herausforderung für den demokratischen Westen. Die USA warnen zu Recht und sehen deshalb den Besucherwettlauf der Europäer kritisch. (...)

Europa hat seinen Wohlstand zu einem guten Teil auf China als Markt gebaut. Das ist ein Klumpenrisiko, das dringend reduziert werden muss. Solange das nicht geschieht, sehen die Machthaber in Peking den Besucherwettlauf der Europäer als Zeichen der Schwäche des Westens. Die Europäer werden eher früher als später Farbe bekennen und mit den USA eine gemeinsame Position zur Bedrohung für die westlichen Demokratien finden müssen.»


«Standard»: USA und EU müssen Freihandel untereinander fördern

WIEN: Über US-Milliardensubventionen für eigene Produkte schreibt die österreichische Zeitung «Der Standard»:

«Zwei große Gesetzesvorhaben, die US-Präsident Joe Biden durch den Kongress brachte, sehen Milliardensubventionen vor, die Produkten made in the USA vorbehalten sind: das Paket, mit dem der Klimaschutz vorangetrieben werden soll, und das Gesetz, um die US-Industrie von Chips aus chinesischer Produktion unabhängig zu machen. (...) Dass Biden die Handelspolitik seines Vorgängers beibehält, hat die Europäer tief enttäuscht. Mit den neuen Subventionen geht er sogar einen Schritt weiter. Sie gelten vor allem für die Entwicklung und Produktion von E-Autos, Batterien und erneuerbarer Energie, schließen aber sämtliche Importe aus.

Umso wichtiger wäre es nun, dass die USA und die EU ein Gesamtpaket schnüren, das garantieren würde, dass die Regeln des Freihandels zumindest in ihrem gegenseitigen Verhältnis nicht ständig verletzt werden. Auch im schwierigen Umgang mit China, bei dem der Wunsch nach weiterer wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit der notwendigen strategischen Entschlossenheit in Einklang gebracht werden muss, müssten sich Washington und Brüssel besser abstimmen, damit sie nicht von Peking gegeneinander ausgespielt werden.»

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