Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Angriffen auf ukrainische Infrastruktur

Wladimir Putins gezielte Angriffe auf die Infrastruktur zeigen erschreckend Wirkung.

Immer mehr Städte und Dörfer sind ohne Strom, Wasser, Heizung. Millionenmetropolen wie Kiew sind dunkel und kalt. Menschen stehen nachts frierend mit Kanistern an Zapfstellen Schlange, um Trinkwasser für ihre Familien zu holen. Die russische Führung hat den Krieg nach den spektakulären militärischen Erfolgen der ukrainischen Armee nun noch mal eskaliert und zielt jetzt noch brutaler auf die Menschen. Russland weiß aus seiner langen Geschichte, dass der Winter ein Verbündeter sein kann, der gnadenlos tötet. Dass Putin die Eiseskälte jetzt gegen Zivilisten einsetzt, macht den Überfall auf die Ukraine endgültig zum Kriegsverbrechen. Die Menschen sollen fliehen oder sterben - das ist Putins zynisches Ziel.


«Stuttgarter Zeitung» zum Einbürgerungsgesetz der Ampel

Angesichts des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise ist aus dem Blick geraten, dass die Ampel auch angetreten ist, um das Land gesellschaftlich zu modernisieren.

Nun unternimmt sie einen entscheidenden Schritt dazu: Sie bringt die angekündigte Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auf den Weg. Ausländer, die legal in Deutschland leben, sollen schneller einen deutschen Pass bekommen können. Es soll auch kein Problem mehr sein, mehrere Staatsbürgerschaften zu besitzen. Gut so! Das Staatsbürgerschaftsrecht ist eines der Felder, auf denen in den 16 Merkel-Jahren viel zu wenig geschehen ist.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Resolution zum Holodomor

(.) Die Holodomor-Resolution des Bundestags ist deshalb ein wichtiges politisches Signal: Sie ist ein Zeichen der Solidarität mit den Ukrainern und eine Aufforderung an die Deutschen, ihren Blick nach Osten zu weiten - auch wegen der zum Teil noch immer wenig bekannten nationalsozialistischen Verbrechen dort.

Moskau wird empört auf die Holodomor-Resolution reagieren - für Westeuropäer mit der Begründung, nicht nur Ukrainer, sondern auch Russen seien damals den Hungertod gestorben. Das stimmt. Aber der wahre Grund, warum Moskau das Gedenken an den Holodomor ablehnt, zeigt sich an der Verfolgung jener Russen, die die Verbrechen des Stalinismus in Russland aufarbeiten wollen.


«Frankfurter Rundschau» zur Flughafenbesetzung der "Letzten Generation"

Die "Letzte Generation" wird sich also wohl auch weiterhin an allen möglichen Orten festkleben.

Und das ist gut so. Ihre Blockade-Aktionen sind radikal, aber richtig. Nicht nur politisch Verantwortliche haben Jahrzehnte lang die Appelle und Warnungen von Wissenschaftler:innen ignoriert - also muss Protest, der ernsthaft wachrüttelt und unseren Alltag stört, jetzt erlaubt sein. Die Folgen einer Autobahn- oder Flughafenblockade oder eines verspäteten Konzertbeginns in der Elbphilharmonie sind lächerlich im Vergleich zu den Folgen, die die Klimakrise in den nächsten Jahren mit sich bringen wird (und in anderen Teilen der Welt schon längst mit sich bringt). Doch das scheinen sich viele Menschen immer noch nicht bewusst zu machen oder einzugestehen.


«Rzeczpospolita»: Machterhalt für Kaczynski wichtiger als Sicherheit

WARSCHAU: Zum Vorschlag Polens, die von Deutschland angebotene Luftabwehr in der Ukraine zu stationieren, schreibt die Zeitung «Rzeczpospolita» aus Warschau am Freitag:

«Polens Regierung weiß sehr wohl, dass dieser Vorschlag unrealistisch ist. Die Batterien müssen von Hunderten von deutschen Soldaten bemannt werden, weil die Ukrainer dazu nicht in der Lage sind. Dies würde bedeuten, dass Deutschland und damit die Nato in einen Krieg mit Russland hineingezogen würden. Nicht nur die Deutschen und Amerikaner, sondern auch die Polen sind damit nicht einverstanden.

Hier geht es nur um den Wahlkampf. Jaroslaw Kaczynski (der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS) macht Deutschland seit Monaten für die zunehmend schwierige wirtschaftliche Lage des Landes verantwortlich. Da wäre die Anwesenheit der Bundeswehr an der Weichsel, selbst in symbolischer Form, inakzeptabel. Der Widerstand gegen das deutsche Angebot ist ein Schlag gegen die polnische Verteidigungsfähigkeit. Seit 2015 wird die Außenpolitik des Landes von Parteiinteressen bestimmt. Dadurch wurde Polens internationale Position geschwächt. Bisher gab es für die PiS jedoch eine rote Linie, die sie nicht überschritten hat: die der polnischen Sicherheitsgarantien.»


«Lidove noviny»: EU-Vorschlag für Gaspreisdeckel grenzt an Sabotage

PRAG: Zum weiter ungelösten Streit um einen europäischen Gaspreisdeckel schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Freitag:

«Das Niveau des angedachten europäischen Gaspreisdeckels liegt zu hoch - und der Mechanismus ist an zu viele Bedingungen geknüpft. Ein Komiker würde es vielleicht so beschreiben: Der Gaspreisdeckel greift nur dann, wenn wir den vierten Sonntag im Monat haben, Jupiter am Horizont erscheint und zugleich Vollmond herrscht. Offen gesagt handelt es sich bei dem jüngsten Vorschlag der EU-Kommission um nichts anderes als absichtliche Sabotage. Brüssel befürchtet nämlich, dass die Menschen und Firmen nicht so sehr mit Gas sparen würden, wenn das Niveau des künftigen Preisdeckels unter dem Marktpreis liegen sollte. Das Ergebnis wäre, dass es Erdgas nur noch auf Zuteilung geben würde.»


«Le Figaro»: Neue Flüchtlingswelle setzt EU unter Druck

PARIS: Zum Umgang der EU mit den steigenden Flüchtlingszahlen schreibt die französische Tageszeitung «Le Figaro» am Freitag:

«Der Schengen-Raum ist unter Druck. Wie aus einem Automatismus heraus treffen sich die Innenminister der EU-27 zu einer Dringlichkeitssitzung, um nach einer «europäischen Lösung» zu suchen. (...) Die Reform der Asyl- und Einwanderungspolitik, die die Kommission vor mehr als zwei Jahren vorgelegt hat, kommt jedoch nur im Schneckentempo voran. (...)

In der Zwischenzeit wird jede illegale Route durch eine andere ersetzt, jede Mauer durch einen Tunnel durchbrochen und jede Krise bringt die mühsam errichteten Gemeinschaftsmechanismen zum Einsturz. (...) Die EU hält dennoch an der Freizügigkeit fest - ein wertvoller Vorteil für ihre Bürger -, aber sie setzt nicht die richtigen Mittel dafür ein. Der Migrationsdruck zwingt die Staaten dazu, sich auf den Schutz der eigenen Grenzen zu konzentrieren. Anstatt seine Kräfte zu bündeln, wird Europa immer hilfloser.»


«El Mundo»: Der andere Krieg Putins

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Freitag die weitere Einschränkung der Rechte homosexueller und queerer Menschen in Russland:

«Während Wladimir Putin in der Ukraine immer mehr in Bedrängnis gerät, sucht er neue Konflikte, um seine absolute Machtposition zu sichern, die angesichts der militärischen Rückschläge immer mehr Risse bekommt. Nun hat er eine neue Front mit einem Gesetz gegen Homosexuelle eröffnet, das von einem gelenkten Parlament, in der es schon lange keine Opposition mehr gibt, durchgewunken wurde. Darin wird Homosexualität und ihre Darstellung im öffentlichen Raum verboten und jeder, der von der offiziellen Linie abweicht, mit Strafe bedroht. Und die offizielle Linie des Kremls lautet jetzt, dass sich Russland als Verteidiger traditioneller Werte und «normaler» Familien auf einem Kreuzzug gegen den «Verfall» des Westens befinde.

Das ist dieselbe Erzählung, die auch von europäischen Rechtsextremen verbreitet wird, die wiederum von den Linksextremen beschimpft werden, die den russischen Führer ironischerweise als Opfer einer NATO verteidigen, die angeblich die Grenzen seines Hinterhofs verletzt und ihn so gezwungen habe, das Nachbarland (Ukraine) zu überfallen. Der Befreier der Ukraine, der dort ein Blutbad anrichtet, diktiert ein Urteil über russische Homosexuelle, vertreibt sie aus dem öffentlichen Raum und droht mit Bußgeldern für «homosexuelle Propaganda». Das Nürnberg (Ort des Kriegsverbrecherprozess), das am Ende über seine Kriegsverbrechen urteilt, wird (auch die Verbrechen) aufzählen müssen, die er gegen sein eigenes Volk verübt.»


«NZZ»: Keine gute Lösung für Chinas Covid-Problem

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Freitag Chinas Vorgehen bei der Bekämpfung der Covid-Pandemie:

«Die Regierung versucht indes weiterhin die Quadratur des Kreises: Sie will die Zahl der Neuansteckungen auf ein Niveau nahe null drücken und gleichzeitig die Folgen für die Wirtschaft minimieren und den Alltag der Bürger so wenig wie möglich beeinträchtigen. Angesichts der leichten Übertragbarkeit der neuen Virusvarianten ist das Unterfangen letztlich zum Scheitern verurteilt. (...)

Entweder überzieht die Regierung das Land in den kommenden Wochen mit flächendeckenden Lockdowns. Das könnte die Wirtschaft in die Knie zwingen und zu größeren Unruhen führen. Oder aber die Behörden nehmen spürbare Lockerungen vor. Möglich wäre auch, dass sich das Virus unkontrolliert Bahn bricht. Beides könnte das unterentwickelte Gesundheitssystem an die Belastungsgrenze bringen. Es gibt keine gute Lösung für Chinas Covid-Problem.»


«Wall Street Journal»: Chinas Null-Covid- Rechnung

NEW YORK: Zum starken Anstieg der Corona-Fallzahlen in China und der chinesischen Corona-Politik schreibt die US-Zeitung «The Wall Street Journal»:

«Erinnern Sie sich noch, als Chinas Umgang mit Covid-19 als weltweites Modell galt? Westliche Gesundheitsexperten schauten mit verklärtem Blick auf Pekings Null-Covid-Politik (...). Nun, so viel dazu. Während sich der dritte Jahrestag des Covid-Ausbruchs nähert, meldet China Rekordinfektionszahlen (...) Chinas besonderes Problem ist, dass seine drakonische Null-Covid-Politik seine Menschen schlechter schützt, sei es mit Impfungen oder mit natürlicher Immunität. Aus nationalistischen Gründen weigert sich die Kommunistische Partei, westliche Impfstoffe zu akzeptieren, die effektiver als die hausgemachten chinesischen Spritzen sind. Lange Lockdowns bedeuten, dass weniger Menschen dem Virus ausgesetzt waren und natürliche Immunität entwickelt haben als im Rest der Welt. (...) Derweil mehren sich die Zeichen, dass der jüngste Covid-Ausbruch und die Lockdowns auf mehr öffentliche Frustration und Widerstand stoßen (...) Die allgemeine Lehre aus Chinas Covid-Rechnung ist, dass Lockdowns nicht funktionieren und dass autoritäre Regime keine Modelle für öffentliche Gesundheit oder irgendetwas sonst sind.«


«Die Presse»: Putins Energieterror

WIEN: Zum Dauerbeschuss der ukrainischen Energieinfrastruktur durch russische Raketen schreibt die österreichische Zeitung «Die Presse»:

«Das Kalkül von Wladimir Putins Energieterror im ukrainischen Winter ist simpel: Kiew soll zum Einlenken im Krieg gezwungen werden. (...) Wenn der Kreml meint, dass sich die Ukrainerinnen und Ukrainer angesichts von Dunkelheit und Kälte gegen ihre Regierung erheben werden, dann hat er sich in seinen Nachbarn getäuscht. Das dämonisierte «Kiewer Regime» gibt es nur in der Vorstellungswelt des Kreml. Was es gibt, ist eine ukrainische Nation, und die wehrt sich gegen Putins Krieg, so gut es eben geht. (...)

Der Ukraine stehen sehr harte Wochen und Monate bevor. Es ist zu befürchten, dass Putins rücksichtslose Kriegsführung viele zivile Leben fordern könnte. Bei allem Widerstandsgeist ist nicht ausgeschlossen, dass eine Situation eintritt, in der die Ukraine in irgendeiner Weise auf die Forderungen des Kreml reagieren muss. Doch die Ukrainer haben in den vergangenen Monaten mehr als einmal bewiesen, dass sie den Lauf der Ereignisse zu ihren Gunsten beeinflussen können. Gut möglich also, dass das Land noch unbeugsamer aus diesem Winter hervorgeht als bisher.»

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