Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu parlamentarischen Untersuchungsausschüsse

Es (ist) eine Illusion zu glauben, dass sich die Mitglieder der Untersuchungsausschüsse in einer Art Faraday'schem Käfig bewegten, in dem sie (...) nur der Wahrheit verpflichtet wären.

So nimmt das Taktieren und Finassieren oft mit der Formulierung des Untersuchungsauftrags seinen Lauf und endet noch lange nicht mit der Festlegung von Tagesordnungen. Noch durch die Abschlussberichte zieht sich (...) das Bemühen der Abgeordneten der jeweiligen Regierungsfraktionen, «ihre» Leute nach allen Regeln der Verfahrenskunst zu schützen. Dem Parlamentarismus, ja der Demokratie ist damit kein Dienst erwiesen. Doch wer sollte diesen Missstand abstellen und auf andere Verfahren sinnen, wenn nicht dieselben Abgeordneten, die ihn regelmäßig herbeiführen?.


«Frankfurter Rundschau» zu Entlastungen für steigende Energiepreise

Wenn Grünen-Spitzenpolitiker wie Robert Habeck und Winfried Kretschmann Tipps zum Energiesparen durch kürzeres Duschen oder Gebrauch von Waschlappen geben, löst das bei manchen Häme aus, andere wollen sich ihre Körperpflege nicht von der Politik diktieren lassen.

Menschen in der Ukraine, würden ihre Probleme gern gegen unsere tauschen. Es gibt aber hierzulande auch jene, die längst darauf achten, wie oft sie verreisen, tanken und duschen. Familien, die von der Inflation überlastet sind oder Rentner, die bei den «Tafeln» essen. In Deutschland wird den strauchelnden Gasversorgern mit einer Umlage geholfen - die alle Verbraucher zahlen. Die Bundesregierung gleicht die Lasten nicht nach Bedürftigkeit aus, sondern pauschal. Das hilft dem sozialen Frieden nur, wenn man Proteste aus dem Mittelstand erwartet - was nicht auszuschließen ist. Ein Anreiz zum Energiesparen setzt man aber nicht. Und höhere Belastung selbst bei Profiteuren auszuschließen, ist obendrein das Gegenteil von gerecht.


«Münchner Merkur» zu Scholz/Cum ex

Die Schlinge um den Hals des Kanzlers zieht sich im Cum-ex-Skandal um die Hamburger Warburgbank enger.

Mittlerweile glauben die tüchtigen Ermittler der Kölner Staatsanwaltschaft über klare Hinweise darauf zu verfügen, dass im Bürgermeister-Büro von Scholz belastende Daten gelöscht wurden. Bereits die staatsanwaltschaftliche Durchsuchung des ehemaligen Email-Postfachs eines amtierenden Kanzlers ist ein in der Geschichte der Republik ziemlich beispielloser Vorgang. Scholz muss darüber hinaus fürchten, dass im Zuge des anstehenden Verfahrens gegen die Bankinhaber weitere belastende Fakten zur Sprache kommen. Und dann sind da noch die Bargeldfunde aus dem Besitz des Hamburger SPD-Politikers und Banklobbyisten Kahrs. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt für Scholz die Unschuldsvermutung. Seine Glaubwürdigkeit allerdings ist ramponiert, mag ihm die FDP auch tapfer ihr «volles Vertrauen» aussprechen. Käme es gar zur Eröffnung eines Strafverfahrens, wäre Scholz im Kanzleramt nicht mehr zu halten.


«Stuttgarter Zeitung» zu Regierungspolitik

Dass die Republik von sozialen Unruhen gelähmt wird, ist unwahrscheinlich.

Die Gesellschaft zeigt sich in der Breite sehr stabil. Aller Querdenkerei zum Trotz ist sie von Corona nicht in den Grundfesten erschüttert worden. Diese Standfestigkeit steht auch bei einer exorbitanten Inflation nicht in Frage.


«Duma»: Kiew eskaliert Spannung um AKW Saporischschja

SOFIA: Die Russland-freundliche sozialistische Zeitung «Duma» in Bulgarien schreibt am Freitag zum andauernden Beschuss des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja, für den sich Russland und die Ukraine gegenseitig beschuldigen:

«In den vergangenen Tagen und Wochen eskaliert Kiew die Spannung um das größte Atomkraftwerk in Europa. Es werden Schläge mit Drohnen, mit schwerer Artillerie und Raketen auf das AKW unternommen, die die Luftabwehr soweit in den meisten Fällen erfolgreich bewältigt. (...) Das AKW hat allerdings zwei verwundbare Stellen - die Container mit aufgebrauchtem Atombrennstoff und das Kühlsystem. Bei einem jüngsten Beschuss (...) explodierten Geschosse nur wenige Meter von solchen Containern entfernt.

Sollte ein Geschoss oder eine Rakete sie treffen, wird dies eine technisch verursachte Katastrophe verursachen. Es wird radioaktive Strahlung frei, die mit Sicherheit die nahe liegenden Staaten erreichen wird, auch unseren Staat (Bulgarien), aber je nach Windrichtung könnte sie auch über andere Teile Europas ziehen. (...) Die Schicksalsfrage ist nun, ob (Kiews) Mentor nun seine Unverschämtheit zügeln wird.»


«Neatkariga Rita Avize»: Sanktionsfolgen im Winter spürbar

RIGA: Die national-konservative lettische Tageszeitung «Neatkariga Rita Avize» schreibt am Freitag zu den Energie-Sanktionen der EU gegen Russland:

«Betont werden muss, dass die Einnahmen Russlands aus Energieträgern in keinem Zusammenhang mit der Fähigkeit Russlands stehen, den Krieg in der Ukraine fortzusetzen. Russland finanziert diesen erfolgreich mit Einsparungen und der Emission von Rubel. Einziges Problem aber ist, dass man in Russland immer weniger Dinge für diese Rubel kaufen kann. Nicht wegen des hohen Warenpreises, sondern wegen ihrer Nichtexistenz. Es gibt also keine Neuwagen und vieles mehr. Die russischen Bürger sind derzeit jedoch bereit, sich damit abzufinden. Und entweder die Nachricht abwarten, wer tatsächlich in der Ukraine gewinnt oder bis zur Heizsaison, wenn der Mangel an Importteilen zu lokalen, aber spürbaren Schäden in Heizungsanlagen führen könnte.»


«Washington Post»: USA müssen sich für nächste Pandemie rüsten

WASHINGTON: Zur Debatte um die Zukunft der US-Gesundheitsbehörde CDC schreibt die «Washington Post»:

«Angeschlagen durch die Kritik an ihrer Reaktion auf die Corona-Pandemie kündigte die (Gesundheitsbehörde CDC) am Mittwoch eine Neuausrichtung an. Direktorin Rochelle Walensky hat richtig erkannt, dass die Behörde handlungsorientierter werden muss, dass ihre Botschaften klarer sein müssen und dass sie sich stärker auf Daten und Laborwissenschaft stützen muss. Das ist ein Anfang. (...)

Die große Herausforderung, die vor uns liegt, ist die Vorbereitung auf die nächste Pandemie und die Wiederherstellung des Vertrauens der Öffentlichkeit. Das Land braucht ein nationales Genom-Überwachungssystem zur Beobachtung und um Experten vor dem nächsten Stolperstein von Mutter Natur zu warnen. Es muss das öffentliche Gesundheitswesen insgesamt so finanzieren, als wäre es für die nationale Sicherheit von entscheidender Bedeutung - und nicht nur ein Nebengedanke. (...) Kurz gesagt muss das Land endlich aus dem Kreislauf von Panik über die öffentliche Gesundheit und dessen Vernachlässigung herauskommen, und es braucht die CDC in Bestform.»


«Corriere della Sera»: Erdogan scheint einziger Vermittler zu sein

ROM: Zum Dreier-Gipfel im ukrainischen Lwiw schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Freitag:

«Noch ist unklar, inwieweit es derzeit wirklich möglich ist, den Kreislauf des Krieges zu durchbrechen und konkrete Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew einzuleiten, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Aber wenn es heute einen Vermittler gibt, der potenziell in der Lage ist, das zu schaffen, dann scheint Recep Tayyip Erdogan der richtige Mann dafür zu sein. Dies ist das Bild des trilateralen Treffens zwischen dem türkischen Präsidenten, dem UN-Generalsekretär António Guterres und Wolodymyr Selenskyj, das gestern in Lwiw (Lemberg) stattfand. Man sprach über Getreide, man weitete die Verhandlungen zur möglicherweise dramatischen Frage des umkämpften Kernkraftwerks im Gebiet von Saporischschja aus, und doch dominierte im Kern der Gespräche die Hoffnung, dem Konflikt in angemessen kurzer Zeit ein Ende zu setzen.»


«El Mundo»: Spanien und Deutschland müssen für Pipeline kämpfen

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Freitag den Widerstand Frankreichs gegen eine Pipeline über die Pyrenäen, die aus Spanien zunächst Erdgas und später grünen Wasserstoff nach Nordeuropa leiten soll:

«Das Projekt, das die Flüssiggasterminals Spaniens für den europäischen Energiebedarf zugänglich machen soll, ist von entscheidender strategischer Bedeutung. Es ist nicht nur eine einzigartige Gelegenheit für die spanische Wirtschaft, sondern würde auch nach einer relativ kurzen Bauzeit die dramatische Abhängigkeit vieler europäischer Länder, vor allem Deutschlands, von russischem Gas vermindern. Bundeskanzler Scholz unterstützt dieses Vorhaben und hält es für einen «großen Beitrag», um die durch Putins Krieg bedrohte Versorgung zu sichern.

Die erste Reaktion Frankreichs, das für den Transport des Gases in das Zentrum des Kontinents zuständig wäre, ist jedoch mehr als eine kalte Dusche. Es ist nicht schwer, egoistische Motive hinter den Argumenten Frankreichs gegen die Pipeline zu vermuten, die sich auf die Kosten und die Dauer der Arbeiten beziehen. Es wäre wünschenswert, dass sich die spanische Regierung entschiedener für das Projekt einsetzen würde. Spanien und Deutschland müssen in Brüssel gemeinsame Sache machen, um Frankreich Interesse aller zum Umdenken zu bewegen: Kein Land hat so viele Flüssiggasterminals wie Spanien.»


«NRC Handelsblad»: Alle müssen zur Aufnahme von Asylbewerbern beitragen

AMSTERDAM: Die Amsterdamer Zeitung «NRC Handelsblad» kommentiert die dramatisch schlechte Unterbringung von Asylsuchenden in den Niederlanden (Abendzeitung von Donnerstag):

«Es ist unausweichlich, dass alle Gemeinden zur Aufnahme von Asylbewerbern beitragen müssen. Die Situation (im nationalen Asylzentrum) in Ter Apel, wo Menschen seit Monaten im Freien schlafen müssen, ist der Niederlande unwürdig. Menschenunwürdig.

Ausreden zu erfinden, nützt niemandem etwas. Auch nicht der von einigen Abgeordneten geforderte ebenso mythische wie unrealisierbare Asylstopp - die Flüchtlinge werden immer kommen. Die Asylverfahren sind im Vergleich zu den umliegenden Ländern bereits schnell. Niemandem ist mit der «Nicht in meinem Hinterhof»-Haltung einiger Gemeindeverwaltungen gedient, die von vornherein mit dem Widerstand von Anwohnern rechnen. (...) Es ist daher vernünftig, dass der Staatssekretär für Asylangelegenheiten, Eric van der Burg, nun auf administrative Zwangsmittel zurückgreift, wenn Gemeinden sich weigern, ihren Beitrag zur Aufnahme zu leisten.»


«Pravo»: Angst vor einem neuen Tschernobyl

PRAG: Zu den Kämpfen um das Atomkraftwerk Saporischschja im Südosten der Ukraine schreibt die linksgerichtete Zeitung «Pravo» aus Tschechien am Freitag:

«Der russische Präsident Wladimir Putin ist hoffentlich nicht so verrückt, dass er ein Atomkraftwerk in die Luft jagen würde, das unweit des eigenen Staatsgebiets liegt. Doch wenngleich der Wind am Standort Saporischschja überwiegend in Richtung Osten weht, lässt uns die Situation nicht kalt. Die Erinnerungen an Tschernobyl sind noch lebendig. Und damit rechnet auch der Despot im Kreml. Putin führt keinen fairen Krieg. Er nimmt keine Rücksicht auf Zivilisten, Krankenhäuser und Schutzräume für Kinder. Und er spielt mit unserer Furcht. Dass wir Angst haben, kann uns niemand übelnehmen. Jeder kennt dieses unangenehme Gefühl im Bauch. Wie soll man in eine Konfrontation gegen jemanden gehen, der sich an keine Regeln hält? Sich auf Gnade und Ungnade auszuliefern, ist keine Alternative.»


«NZZ»: Ohne die USA wäre das globale Klimaziel unerreichbar

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Freitag das von US-Präsident Joe Biden unterzeichnete Klimapaket:

«Als nach China zweitgrößter Emittent der Welt haben die USA einen sehr direkten Einfluss auf das Klima - ohne Reduktion ihrer Emissionen wäre das globale Ziel, die weltweite Erwärmung in diesem Jahrhundert deutlich unter zwei Grad zu halten, chancenlos. Hinzu kommt ein kaum weniger wichtiger politischer Einfluss. (...) Wie sollten die immer bedeutender werdenden Entwicklungs- und Schwellenländer zu entschlossenen Klimaschutzmaßnahmen bewegt werden, wenn der reiche Großemittent USA keinen fairen Anteil leistet?

Nach dem Regierungswechsel war es den amerikanischen Unterhändlern im letzten Jahr in Glasgow gelungen, den internationalen Klimaverhandlungen wieder neuen Schwung zu verleihen - unterstützt durch die Hoffnung auf eine amerikanische Führungsrolle im eigenen Land. Dank des Klimapakets müssen sie auf der nächsten Klimakonferenz in Ägypten im Herbst nun nicht mit leeren Händen auftreten. Es wird schwerer sein für Drittstaaten, sich vor eigenen Verpflichtungen zu drücken, wenn die USA mitmachen. Das wird dem Weltklima auf Dauer helfen.»


«The Times»: Streit um Saporischschja wird immer apokalyptischer

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Freitag die Auseinandersetzungen um das von Russland besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja:

«In den letzten zwei Wochen wurde der Saporischschja-Komplex schwer beschossen. Kiew will sicherstellen, dass das Kraftwerk, das vor dem Krieg ein Fünftel des ukrainischen Stroms lieferte, nicht sabotiert oder zweckentfremdet wird. Moskau hingegen versucht, die Ukraine als Provokateur darzustellen, der auf eine Eskalation des Konflikts aus ist und das Interesse des Westens an der Sache Kiews wach halten will.

Es gibt viele Möglichkeiten, wie dies schief gehen könnte. Sei es durch einen Unfall oder durch Absicht. (...) Das Risiko besteht in der Anfälligkeit der Kühlsysteme und der Möglichkeit einer Reaktorschmelze, einer Version der Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 statt jener von Tschernobyl 1986, bei der sich der radioaktive Niederschlag über den ganzen Kontinent verteilte. Die politischen Auswirkungen auf die Ukraine und die Welt wären dieselben. Es würde die offensichtliche Bereitschaft des Kremls demonstrieren, jede Art von nuklearer Bedrohung einzusetzen, um einen ukrainischen Versuch abzuwehren, die Krim zurückzubekommen. Russland hat Kiew bereits mit dem Jüngsten Gericht gedroht, sollte es versuchen, die Halbinsel zu erobern. Diese Auseinandersetzung wird immer apokalyptischer.»

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