Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Rzeczpospolita»: In der vierten Corona-Welle bleibt Polen untätig

WARSCHAU: Zum Umgang der polnischen Regierung mit der vierten Welle der Corona-Pandemie schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Donnerstag:

«Als am Mittwoch in Deutschland mehr als 50.000 Corona-Neuinfektionen registriert wurden, sprach Kanzlerin Angela Merkel von einer dramatischen Situation und rief ihre Landsleute auf, sich impfen zu lassen. Als am Mittwoch im halb so großen Polen 25.000 Neuinfektionen und fast 500 Todesfälle bekannt wurden, appellierte der Sprecher des Gesundheitsministeriums, an öffentlichen Orten Masken zu tragen.

Einmal mehr siegt die Politik über die Sorge um die Gesundheit der Polen. Die Führung der (nationalkonservativen Regierungspartei) PiS weiß ganz genau, dass Tote nicht wählen. Also ist das Ertragen schrecklicher menschlicher Verluste das kleinere politische Risiko als die Abwanderung eines Teils der rechten Flanke, der gegen die Coronamaßnahmen kämpft. Wir nähern uns langsam der Rekordzahl von Erkrankungen aus der dritten Welle, damals war die gesamte Wirtschaft geschlossen, die Schulen hatten Fernunterricht. Jetzt sagt Regierungschef Mateusz Morawiecki, dass keine neuen Einschränkungen eingeführt werden, da die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass diese zu Protesten führen und keinen Effekt zeigen.»


«Nepszava»: Lukaschenko weiß Orban an seiner Seite

BUDAPEST: Zur Lage an der belarussisch-polnischen Grenze schreibt die oppositionelle Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Donnerstag:

«Der Erzählung der ungarischen Regierung zufolge sind (der US-Investor und Philanthrop) George Soros und Brüssel für den Ausbruch der Flüchtlingskrise (2015) verantwortlich, wofür sie naturgemäß keinen einzigen Beweis vorbringen kann. Jetzt jedoch, wo konkrete Fakten belegen, dass es eine namentlich bekannte Person gibt, die im Interesse ihres Machterhalts mit Menschenleben spielt, fällt die ungarische Diplomatie durch großes Schweigen auf. Das sollte aber niemanden überraschen, denn noch im Juni des Vorjahres war (der ungarische Regierungschef) Viktor Orban nach Minsk gereist, wo er sich mit Lukaschenko sichtlich bestens verstand. Das war gerade mal zwei Monate vor der gestohlenen Präsidentenwahl und der blutigen Abrechnung mit den Demonstranten. Wieder einmal ist es Ungarn gelungen, sich (wie schon im Zweiten Weltkrieg als Verbündeter Hitler-Deutschlands) auf die «richtige» Seite zu stellen.»


«Washington Post»: Bescheidene Fortschritte nach Biden-Xi-Gipfel

WASHINGTON: US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sind in dieser Woche erstmals zu einem Online-Gipfel zusammengekommen. Dazu schreibt die «Washington Post»:

«In Anbetracht der krassen und in vielerlei Hinsicht zunehmenden Unterschiede zwischen den beiden Ländern - in Bezug auf Taiwan, Handel, Menschenrechte und Technologie - ist es nicht unberechtigt zu fragen, was der Sinn dieser Veranstaltung war. (...)

Ein offener Krieg wäre eine Katastrophe. Selbst eine Neuauflage des Kalten Krieges (wie) zwischen den USA und der Sowjetunion wäre nicht nur schlimmer als der Status quo, sondern angesichts der tiefen wirtschaftlichen Verflechtungen beider Seiten auch schwer vorstellbar. Und natürlich kommunizierten Washington und Moskau selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Ein Gespräch mit Xi zu führen hatte also einen nicht direkt fassbaren Wert und sogar einige greifbare Vorteile, wie bescheiden oder indirekt auch immer sie sein mögen. (...)

Und doch bleiben alle wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Ländern - eigentlich zwei Systemen - bestehen. Xi mag glauben, dass eine bessere Atmosphäre in seinem kurzfristigen Interesse ist, da sich sein Land auf die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele im Februar vorbereitet und er sich auf die endgültige Bestätigung einer weiteren fünfjährigen Amtszeit im November 2022 vorbereitet. Ansonsten glaubt Xi jedoch, oder vermittelt zumindest den Eindruck, dass er und China aus einer Position der Stärke heraus handeln.»


«Lidove noviny»: Polen macht es der EU vor

PRAG: Zur Lage an der Grenze zwischen Polen und Belarus, wo Tausende Flüchtlinge auf einen Weg in die EU hoffen, schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Donnerstag:

«Wenn die Politik von der Stimme des Volkes bestimmt würde, dann wären tschechische Soldaten bereits auf dem Weg nach Osten, um Polen bei der Sicherung seiner Grenze zu Belarus zu helfen. Dort harren Migranten aus, die der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat einfliegen lassen. Polen übernimmt die Rolle, welche die EU nach Ansicht vieler Menschen spätestens seit dem Sommer 2015 hätte spielen sollen. (...) Wenn der deutsche Grünen-Co-Chef Robert Habeck fordert, man müsse Polen beistehen und die Flüchtlinge aus Belarus in Europa verteilen, dann ist das genau die Art von Hilfe, auf die Warschau lieber verzichtet. (...) Polen gefällt sich in der Rolle desjenigen, der Forderungen ablehnt, die Türen für Migranten zu öffnen.»


«The Times»: Deutschland sollte Nord Stream 2 überdenken

LONDON: Zum Debatte um Nord Stream 2 meint die Londoner «Times» am Donnerstag:

«Die Pipeline unter der Ostsee nach Deutschland würde Russlands Gasexportkapazitäten verdoppeln - allerdings um den Preis der Instabilität in der Ukraine, die durch die neue Route umgangen werden würde. Nachdem Deutschland in dieser Woche sein Genehmigungsverfahren für die Pipeline ausgesetzt hat, bietet sich dem Land die Gelegenheit, seine Rolle als Wegbereiter für den Einfluss des Kremls in einer Zeit zu überdenken, in der internationale Solidarität angesichts von Wladimir Putins Kriegslust mehr denn je gefragt ist.

Deshalb ist die Pipeline zu einem solchen Zankapfel zwischen Berlin und seinen Verbündeten geworden. Deutschlands Rolle als williger Komplize bei Putins Erpressung Europas war schon immer fragwürdig. Jetzt, wo sich russische Truppen an der ukrainischen Grenze sammeln, ist sie sicherlich nicht mehr zu rechtfertigen. (...) Die Sicherheit und Stabilität Kiews sollte eine weitaus höhere Priorität haben als der zu vernachlässigende Nutzen, den sich Deutschland von Nord Stream 2 verspricht.»


«Iswestija»: Humanitäre Hilfe für Migranten ist entscheidend

MOSKAU: Zur Lage an der belarussisch-polnischen Grenze schreibt die russische Tageszeitung «Iswestija» am Donnerstag:

«Der Dialog zwischen der Europäischen Union und der Republik Belarus wird fortgesetzt. Obwohl die europäischen Länder die Ergebnisse der Präsidentenwahl in Belarus von 2020 nicht anerkannt haben, gibt es direkte Gespräche. Estlands Außenministerin Eva-Maria Liimets zufolge will Alexander Lukaschenko die Aufhebung der Sanktionen und eine Anerkennung als Staatsoberhaupt erreichen, damit er weiter das Land führen kann - und nutzt dafür die Migrationskrise. Die Führung der Republik weist ihrerseits all diese Vorwürfe zurück. Lukaschenko diskutierte erneut mit der amtierenden Bundeskanzlerin von Deutschland über die Verschärfung der Lage an der Grenze. (...)

Bis das Schicksal der Migranten geklärt ist, besteht die Hauptaufgabe darin, ihnen mehr humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Bisher wurden sie zumeist von belarussischen Behörden und Organisationen unterstützt. Jetzt hat die Europäische Union ihre Hilfe angekündigt.»


Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

«Dagens Nyheter»: Die Gewalt des Regimes hilft nicht gegen Lebensmittelknappheit in Kuba

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Donnerstag die Lage in Kuba:

«Der kommunistische Einparteienstaat sperrt jeden ein, der es wagt, eine abweichende Meinung zu vertreten. Die Herrscher Kubas hingegen sind nicht in der Lage, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. [.] Seit über 60 Jahren behaupten die Machthaber, das US-Embargo sei der Schurke hinter allem. Aber Kuba handelt mit anderen Ländern und kann sogar amerikanische Lebensmittel importieren. Das Problem ist das ineffiziente und menschenverachtende kommunistische System. Was bleibt, ist ein kubanischer Einparteienstaat, der Angst vor seinem eigenen Volk hat.»


«De Standaard»: EZB sollte Markt auf Zinswende vorbereiten

BRÜSSEL: Zum starken Anstieg der Inflation im Euro-Raum meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Donnerstag:

«Die Europäische Zentralbank müsste die Märkte jetzt vorsichtig auf eine weniger lockere Geldpolitik vorbereiten. Doch die EZB-Präsidentin Christine Lagarde macht genau das Gegenteil. Sie beharrt darauf, dass die Politik des billigen Geldes auch 2022 fortgesetzt wird. Doch kann sie dieses Versprechen wirklich erfüllen? Man darf die Finanzmärkte nicht überraschen. Sonst riskiert man einen Schock. Eine unerwartete Zinserhöhung könnte so einen Schock auslösen. Dann kommt es genau zu der Krise, vor der die EZB derzeit warnt. Es ist höchste Zeit, dass die EZB nuancierter über die Geldpolitik spricht, um den Markt sanft darauf vorzubereiten, dass eine vorsichtige Wende nicht auszuschließen ist.»


«Le Républicain Lorrain»: Flüchtlinge als unkonventionelle Waffe

METZ: Zur Situation der Flüchtlinge an der polnisch-belarussischen Grenze schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Le Républicain Lorrain» am Donnerstag:

«Konfrontiert mit der Flüchtlingskrise plant Warschau eine 180 Kilometer lange Mauer zu errichten. Das ist also Polens Antwort (...) auf eine Situation, die zweifellos vom belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko abgestimmt wird, der diktatorischen, belarussischen Marionette des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Vor allem bittet Polen Europa um Hilfe, um die Mauer zu finanzieren, die Immigranten fernhalten soll. Die Kosten werden auf rund 350 Millionen Euro geschätzt. Die Tausenden von Belarus instrumentalisierten Migranten sind Flüchtlinge, die vor Kriegsschauplätzen fliehen. Und statt dass sie vom internationalen Recht oder von den europäischen Institutionen geschützt werden, werden sie als unkonventionelle Waffen (...) verwendet.»


«Tages-Anzeiger»: Merz sorgt für Aufmerksamkeit

ZÜRICH: Zur Kandidatur von Friedrich Merz für den CDU-Vorsitz schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Donnerstag:

«Merz hat in der CDU viele unbedingte Anhänger, aber selbst einige Gegner glauben, dass er in der Opposition ein geeigneter Anführer sein könnte. Der scharfe Redner polarisiert zwar, sorgt aber stets auch für Aufmerksamkeit, was einer Partei, die nicht regiert, ansonsten nicht leichtfällt. Möglicherweise könnte es einem Konservativen im Moment auch eher gelingen, die Partei wieder mit sich zu versöhnen, als einem Politiker, der Merkels Mittekurs fortführen möchte.

Als Figur des Übergangs sieht sich Merz nicht. Wird er Chef, behält er sich ausdrücklich vor, auch nach dem Vorsitz der Bundestagsfraktion zu greifen - ein Zug, der nur Sinn macht, wenn man bereits die Bundestagswahl 2025 ins Auge fasst. Gut möglich, dass Merz nur sich selbst für geeignet hält, den dann zu erwartenden erneuten Anspruch von CSU-Chef Markus Söder auf die Kanzlerkandidatur abzuwehren.»


«El País»: Bunkermentalität des kubanischen Regimes

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Donnerstag die Unterdrückung von Protesten in Kuba:

«Kuba hat erneut eine Chance verpasst. Es ist nicht das erste und es wird auch nicht das letzte Mal sein. Bereits am 11. Juli zeigten die Straßenproteste, wie sehr die Bevölkerung Armut und politische Unterdrückung satt hat. Dutzende Regierungsgegner sind noch immer inhaftiert und der Aufruf zu einem Bürgermarsch für ihre Freilassung stieß auf die frontale Ablehnung des Regimes, die alles mit «Umsturzplänen Washingtons» zu erklären versuchte. Der Druck auf die Aktion für die Freilassung der Inhaftierten war so groß, dass ihr bekanntester Vertreter, der Dramatiker Yunior García, allein marschieren wollte, um Mitstreiter nicht zu gefährden. Daraufhin wurden er und andere Anführer faktisch unter Hausarrest gestellt und der Marsch fiel schließlich aus. Stattdessen verließ García Kuba und landete mit seiner Frau in Madrid.

Es ist wahrlich kein Erfolg, vor lauter Angst die Menschen aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben, denn zur Demokratie gehört der Dialog, nicht erzwungenes Schweigen. Sich damit zu brüsten, seine Gegner hinter Gitter gebracht zu haben, ist ein weiteres Beispiel für die Bunkermentalität des vorsintflutlichen kubanischen Regimes.»


«Die Presse»: Schlechtes Krisenmanagement in der Pandemie

WIEN: Zum Vorgehen der österreichischen Regierung im Kampf gegen die Corona-Pandemie schreibt die Wiener Zeitung «Die Presse»:

«Die Regierung weiß demnach, dass strengere Maßnahmen nötig sein werden. Sie möchte Bevölkerung und Wirtschaft aber keine präventiven Maßnahmen zumuten - es gäbe kein Verständnis dafür. Daher wartet man ab, bis Bevölkerung und Wirtschaft bereits massiv unter der Coronalage leiden. Und beschließt dann die Maßnahmen zu einem Zeitpunkt, an dem es laut Experten ohnehin zu spät ist. Das ist das Krisenmanagement nach eineinhalb Jahren Pandemie. (...)

Hätte man also schon im Sommer (oder nicht erst im November) 3-G am Arbeitsplatz und 2-G in der Freizeit einführen können - oder zumindest mehr Präventionsmaßnahmen? Wenn die Regierung die Bevölkerung für vernünftig genug hält, hätte sie sie evidenzbasiert aufklären können: Um die Pandemie zu bekämpfen, müssen sich genügend Menschen impfen lassen. Zusätzlich sind auch vorbeugende Maßnahmen nötig, zum Beispiel Tests und Masken. Und wenn die Bürgerinnen und Bürger aus Sicht der Regierung nicht empfänglich für aufklärende Informationen sind? Dann hätte sie erst recht früher schärfere Maßnahmen beschließen müssen.»

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