Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zum Verteidigungsdeal USA, GB und Australien

Wenige Wochen nach dem Abzug aus Afghanistan machen die USA einmal mehr deutlich, dass die Herausforderungen in diesem Jahrhundert im Pazifik liegen.

Der Kampf mit China um die Vorherrschaft ist die Triebfeder für die aktuelle Aktion. Das wirklich Besondere ist jedoch der Schulterschluss mit Boris Johnson. Dass der den ebenfalls an einem Deal mit Australien interessierten Franzosen dabei ein Bein stellt, ist höchstens ein willkommener Nebeneffekt. Noch vor Kurzem sah es so aus, als säße der britische Premier dem chinesischen Präsidenten auf dem Schoß. Nun positioniert er sich ziemlich klar auf der anderen Seite.


«Rossijskaja»: Russland wird von hohen Gaspreisen profitieren

MOSKAU: Zu den gestiegenen Gaspreisen schreibt die russische Regierungszeitung «Rossijskaja Gaseta» am Donnerstag:

«Den Großteil seines Gases liefert Russland 2021 im Rahmen langfristiger Verträge - und dort liegt der Preis pro 1000 Kubikmeter deutlich unter dem Börsenpreis. Momentan sind es etwa 270 US-Dollar. Aussagen des stellvertretenden Generaldirektors des Nationalen Energie-Instituts, Alexander Frolow, zufolge werden die Börsenpreise in der EU unweigerlich die Exportpreise von Gazprom beeinflussen. Das heißt, dass wir mit einer Erhöhung der Zahlungen an das Unternehmen rechnen können, die dieses zugunsten des Staates erhält.

Letzte Woche wurde der Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 abgeschlossen. Von Gazprom hieß es, dass 2021 über die Leitung 5,6 Milliarden Kubikmeter Gas geliefert werden könnten. Aus diesem Volumen lässt sich nach Einschätzung von Experten ableiten, dass die Pipeline im Oktober oder Anfang November in Betrieb genommen wird.»


«Wall Street Journal»: Kaliforniens Demokraten besiegen Trump

NEW YORK: Zum abgewendeten Abwahlverfahren gegen Kaliforniens demokratischem Gouverneur Gavin Newsom schreibt die US-Zeitung «Wall Street Journal»:

«Kalifornien ist überwiegend demokratisch, und Newsom machte die Wahl zu einem Referendum über die Alternativen. Er führte einen gnadenlosen Negativ-Wahlkampf gegen Larry Elder, den konservativen Radiomoderator und Spitzenkandidaten der Republikaner. Elder ist ein bedachter Mann, der den Weg aus einer rauen Gegend von Los Angeles heraus schaffte. Aber Newsom hatte mehr als 50 Millionen Dollar, um Elders Ansichten zu verzerren und zu behaupten, er sei ein Frontmann Trumps.

Die Demokraten werden den Ex-Präsidenten als bevorzugtes Mittel nutzen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Die Schlappe in Kalifornien sollte die Republikaner zum Nachdenken anregen, wie 2022 ihre Botschaft lauten soll. (...) Sie müssen Argumente gegen die Agenda von Biden und Nancy Pelosi finden und eigene Ideen für die Zukunft bieten.»


«Libération»: In französischer Impfpolitik bleibt einiges zu tun

PARIS: In Frankreich werden diese Woche vermutlich 50 Millionen Menschen mindestens eine Impfdosis gegen Covid-19 erhalten haben. Dazu schreibt die Tageszeitung «Libération» am Donnerstag:

«Man kann bedauern, dass es Auflagen bedarf, um manche Menschen dazu anzutreiben, in ein Impfzentrum zu gehen, aber die Fakten sind da: Obwohl viele zögerten oder sich sogar dagegen sträubten, einen Termin zu vereinbaren, hat die Ankündigung einen Gesundheitspass einzuführen, zu einem wahren Schub, einem Ansturm (...), geführt.

Trotzdem gibt es große Versäumnisse, von denen einige tragische Konsequenzen haben. Zum Beispiel in den Überseedepartements, ein echter toter Winkel der Impfpolitik (...). Auch Menschen über 80, die isoliert leben oder Analphabeten sind, hat die Verwaltung schlicht und einfach vergessen oder im Stich gelassen. Es bleibt also noch einiges zu tun.»


«The Telegraph»: Liz Truss könnte Premierministerin werden

LONDON: Zur Regierungsumbildung in Großbritannien meint die Londoner Tageszeitung «Telegraph» am Donnerstag:

«Die Position von Außenminister Dominic Raab war wohl unhaltbar geworden, nachdem er es versäumt hatte, aus dem Urlaub zurückzukehren, um die Afghanistan-Krise zu bewältigen. Er wird Justizminister und Lordkanzler, wobei der Rückschlag für ihn durch den zusätzlichen Titel des stellvertretenden Premierministers abgemildert wird.

Die neue Außenministerin Liz Truss hat großes Geschick bei der Leitung des Handelsressorts bewiesen, das für die wirtschaftlichen Aussichten Großbritanniens weiterhin von entscheidender Bedeutung ist. Ihre Hauptaufgabe ist es nun, die «Soft Power» des Vereinigten Königreichs in der neuen Welt nach dem Brexit zu demonstrieren, obwohl sie im Gegensatz zu Raab EU-Befürworterin war. Sie ist in der Partei beliebt, vor allem bei der Basis, und als Inhaberin eines der großen Staatsämter ist sie nun gut aufgestellt, um die dritte Premierministerin des Landes zu werden, sollte die Stelle frei werden.»


«Dziennik»: Babis könnte Tschechien weiterhin regieren

WARSCHAU: Zur bevorstehenden Parlamentswahl in Tschechien schreibt die polnische Wirtschaftszeitung «Dziennik Gazeta Prawna» am Donnerstag:

«Noch vor einigen Monaten schien es, als seien die Tage der Regierung von Andrej Babis gezählt. Nach dem fürchterlichen vergangenen Winter, als 30.000 Tschechen an Covid starben und die Todesrate zu den höchsten in der Welt zählte, fielen die Umfragewerte der ANO-Partei auf ein historisches Tief. Aber das ist Vergangenheit. Genauso wie sich die Situation in der Pandemie verbessert hat, sind auch die Umfragewerte von ANO wieder nach oben geklettert und erreichen derzeit 26 Prozent.

Das Geheimnis von Babis' Popularität besteht darin, dass er sich zwar der Schlagwörter der extremen Rechten bedient, aber zugleich eine Sozialpolitik betreibt, die den Erwartungen der schlechtergestellten Schichten der Gesellschaft entspricht. In dieser Hinsicht erinnert ANO, eine praktisch ideologiefreie Partei, die sich nicht für historische Abrechnung mit der Zeit des Kommunismus interessiert, an (Polens nationalkonservative Regierungspartei) PiS.»


«de Volkskrant»: Europa kann nicht auf Nato verzichten

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Donnerstag die Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens zur Lage der EU:

«Europäische Spitzenpolitiker lieben große Worte. Weniger klar ist dabei stets, wie sie ihre hochgesteckten Ziele zu erreichen gedenken. Auch von der Leyens Rede zur Lage der EU war insofern enttäuschend. Mit der Ankündigung eines European Chips Act wird Europa seinen technologischen Rückstand nicht aufholen. Von der Leyens Plädoyer für eine europäische Verteidigungsunion kann nicht verhehlen, dass die Zusammenarbeit auf dem diesem Gebiet nur schleppend vorankommt. Vor allem osteuropäische Staaten fürchten, dass eine europäische Verteidigung auf Kosten der Nato geht, der sie ihre Sicherheit immer noch lieber anvertrauen als der EU.

Vorläufig können die Europäer auf die Nato - sprich: die Amerikaner - auch nicht verzichten. Darum sollten sie zunächst mal ihre eigene Verteidigung stärken und innerhalb des Nato-Bündnisses zusammenarbeiten. Zum Beispiel, indem sie die Materialbeschaffung besser miteinander abstimmen.»


«Tages-Anzeiger»: Merkels Nähe zu Balkan-Autokraten irritiert

ZÜRICH: Zum Abschiedsbesuch Angela Merkels beim serbischen Staatschef Aleksandar Vucic in Belgrad heißt es am Donnerstag im Zürcher «Tages-Anzeiger»:

«Es war das 16. Treffen in neun Jahren zwischen Vucic und Merkel. Kritik musste der serbische Autokrat auch diesmal nicht befürchten. In maximal wattierten Sätzen sagte Merkel, Serbien müsse sich in Richtung Rechtsstaat und Demokratie bewegen.

Die serbische Opposition und die Zivilgesellschaft reagierten empört. (...) Tatsächlich hat Serbien zuletzt große Rückschritte gemacht. Im Land herrschen fast weißrussische Verhältnisse: Mit seinen Hetzmedien diffamiert der Staatschef pausenlos die Opposition und die wenigen unabhängigen Medien, seine Bauchredner beleidigen die Nachbarvölker mit rassistischen Sprüchen und stellen die Nachkriegsordnung offen infrage, Mafiamorde und marodierende Unterweltkönige gehören zum Alltag.

Die renommierte amerikanische Organisation Freedom House bezeichnet Serbien nur noch als «teilweise freien Staat». Für solche Details interessiert sich Merkel kaum. Ihre Nähe zu den Balkan-Autokraten ist irritierend. Solange die «Stabilokraten» für eine oberflächliche Ruhe sorgen, werden sie geduldet und sogar hofiert.»


«Público»: Europäisches Projekt hat noch langen Weg vor sich

LISSABON: Die portugiesische Zeitung «Público» kommentiert am Donnerstag die Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Lage der Union:

«Diesmal konnte von der Leyen ihre jährliche Rede zur Lage der Nation mit dem Gefühl einer gewissen Erleichterung halten, weil die Pandemie unter Kontrolle gebracht wurde. Vergangenes Jahr wussten wir noch nicht, ob es einen Impfstoff und eine wirksame europäische Koordinierung geben und ob der europäische Wiederaufbauplan greifen würde. Die portugiesische Ratspräsidentschaft hat es ermöglicht, diese Fragen in die richtige Richtung zu leiten. Der durch diese Krise eingeleitete Qualitätssprung des europäischen Projekts hat zu mehr Solidarität und Zusammenhalt geführt. Aber es ist noch ein langer Weg. In der Rede des Präsidenten werden einige Schritte skizziert, aber viel mehr muss noch geklärt werden.

Eine europäische Präventionsbehörde wurde angekündigt, aber eine Europäische Gesundheitsunion, die den allgemeinen Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung garantiert, ist viel breiter angelegt. Die Zusage, die europäische Unterstützung für die weltweite Impfung gegen Covid-19 zu stärken, ist ebenfalls positiv, aber ein breiteres Engagement in einem multilateralen Rahmen fehlt.»


«NZZ»: EU-Kommission ist keine echte Regierung

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag die Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Lage der EU:

«Wo die EU erst ganz am Anfang steht, gab sich von der Leyen als Wunderheilerin. Man werde die Klimaschutzziele erreichen, «smartere Autos und sauberere Flugzeuge» haben, den Übergang zu einer grünen Ökonomie aber sozialverträglich gestalten. Die Erosion des Rechtsstaates in Teilen der EU? «Wir sind entschlossen, diese Werte zu verteidigen», sagte sie, geradezu kämpferisch. Und das traurige Agieren auf der Weltbühne? Eine europäische Verteidigungsunion, eine engere Zusammenarbeit mit der Nato, ein «strategischer Kompass» - hier durfte von der Leyen vieles ankündigen und von vielem träumen.

Hat die ehrgeizige frühere Verteidigungsministerin überhaupt Chancen, aus dem Stau ihrer eigenen Ambitionen herauszufinden? Man muss es sich immer wieder klarmachen: Die EU-Kommission ist keine echte Regierung. Sie mag zahllose Gesetzesentwürfe schreiben und überraschende neue Initiativen ins Leben rufen, abhängig bleibt sie am Ende doch vom Willen der nationalen Regierungen und auch vom Europaparlament, das sie jederzeit abwählen kann.»


«Rzeczpospolita»: Polens Verstoß gegen EU-Recht ist politischer Wille

WARSCHAU: Zum Streit zwischen der EU-Kommission und Polen um die dortigen Justizreformen meint die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Donnerstag:

«EU-Kommissionchefin Ursula von der Leyen hat durchblicken lassen, dass der Dialog mit Polens Regierung zu nichts führt. Das Feld für einen Kompromiss wird immer enger. Es reicht nicht, zu sagen, dass es keinen «Polexit» geben wird, wenn die Aktionen der Regierenden uns immer näher an einen EU-Austritt bringen. Es reicht auch nicht, darauf anzuspielen, dass andere Länder ebenfalls ihre Souveränität verteidigen, dass sie sich ebenfalls nicht an Urteile (des Europäischen Gerichtshofs) halten.

Der Unterschied ist, dass in diesen Ländern - mit Ausnahme Ungarns - die Verstöße gegen EU-Recht punktuell sind und eher schamvoll versteckt werden. Bei uns dagegen sind sie Ausdruck eines politischen Willens, des totalen Widerstands gegen die «Brüsseler Besatzer». In anderen Ländern werden politische Entscheidungen als Ergebnis des Ringens unterschiedlicher Parteien und Interessensgruppen geschmiedet. Wir haben seit mehreren Jahren die Macht einer einzigen Partei, die sich mit niemandem berät.»

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Leserkommentare

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