Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zu Rundfunkgebühren

Die Länder sollten das Undenkbare unternehmen: ihren Rückzug aus der Festsetzung der Beiträge.

Denn nach dem Karlsruher Beschluss bleibt den Landtagen ohnehin nur die Rolle des Notars - eine Zumutung für ein gewähltes Parlament. Karlsruhe hat ihnen zwei Reformwege aufgezeigt. Sie können die Entscheidung über die Rundfunkbeiträge aus den Landtagen herausnehmen und stattdessen eine Rechtsverordnung genügen lassen, also ein schlankes Jawort der Regierung. Damit wäre der unnötige Streit über Beiträge, die man politisch nicht beeinflussen kann, aus den Parlamenten verbannt. Zweite Möglichkeit: Die Einführung eines Mehrheitsprinzips. Denn dass alle Länder einstimmig entscheiden müssen, ist keineswegs zwingend. Sie könnten sich per Staatsvertrag auf eine Zweidrittel-Mehrheit verständigen und so Blockaden ausschließen. Utopisch, weil kein Land freiwillig Macht preisgeben wird? Gewiss. Aber die Alternative ist, dass über die Rundfunkbeiträge am Ende in Karlsruhe entschieden wird. Und dort gewinnen die Sender.


«La Stampa»: Barbie als Impfstoff-Entwicklerin ein gutes Zeichen

ROM: Zur Impfstoff-Entwicklerin Sarah Gilbert aus Oxford, zu deren Ehren es jetzt eine Barbie-Puppe gibt, schreibt die italienische Zeitung «La Stampa» am Donnerstag:

«Die Barbie in der Gestalt von Sarah Gilbert (...) ist eine große Sache, auch wenn sie es nicht sein sollte. Damit soll eine Frau geehrt werden, die bereits Geschichte geschrieben hat. Eine Impfärztin, die dazu beigetragen hat, Tausende von Menschenleben zu retten (...). Auch heute noch sind Geisteswissenschaften bei Mädchen beliebter, während es schwer zu vermitteln ist, dass Berufe in den «harten» Wissenschaften auch für Frauen «geeignet» sind. Und noch immer dreht sich alles um eine Puppe, die berüchtigte Barbie, die in den vergangenen Jahren ins Fadenkreuz der Frauenbefreiungsbewegungen geraten ist, weil sie das Klischee der kleinen blonden Puppe mit wenig Hirn, aber mit Busen, Kurven und langen Beinen verkörperte. (...) Bei Mattel ist man nicht dumm, und es gibt Puppen, die von berufstätigen Frauen inspiriert sind. Es steckt viel Kommerz in diesen Aktion. Aber Marketing spürt schnell, dass sich der Wind gedreht hat oder gerade dreht.»


«El Mundo»: Der Libanon erlebt einen unaufhaltsamen Verfall

MADRID: Zum ersten Jahrestag der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut und der Lage im Libanon schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Donnerstag:

«Die schlimmsten Vorhersagen, die vor einem Jahr nach der brutalen Explosion im Hafen von Beirut mit mehr als 200 Toten gemacht wurden, haben sich leider bewahrheitet. Heute ist der Libanon praktisch ein gescheiterter Staat, der sich in einem Prozess des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verfalls befindet, der durch eben diese Katastrophe endgültig ausgelöst wurde. Bei den Ermittlungen gab es bisher keine Fortschritte. Die Bevölkerung von Beirut weiß immer noch nicht, was die Explosion ausgelöst hat. Somit ist auch keine wie auch immer geartete Verantwortung festzustellen. Für die Tausenden von Verletzten und die vielen anderen Menschen, die von den schweren wirtschaftlichen Schäden betroffen sind, ist das bestürzend (...) Das Ereignis war der Gnadenstoß für ein Land, das einst wegen seiner Stärke als die Schweiz des Nahen Ostens bekannt war und das nun einen unaufhaltsamen institutionellen Verfall erlebt.»


«Dagens Nyheter»: Bolsonaro folgt Trumps Rezept

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Donnerstag die wiederholten Attacken des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro gegen das Wahlsystem seines Landes:

«Es ist ein mieses politisches Jahr für Jair Bolsonaro gewesen. Brasilien zählt zu den Ländern, die am härtesten von der Pandemie getroffen worden sind. Der Präsident hat all das noch schlimmer gemacht. In der öffentlichen Meinung ist die Unterstützung gesunken, Ex-Präsident Lula da Silva ist nun der Favorit für die Wahl im nächsten Jahr. Bolsonaro hat darauf geantwortet, indem er das Wahlsystem infrage stellte. Er bereitet sich offenbar schon jetzt darauf vor, das Ergebnis im Falle einer Niederlage zu leugnen. Die Entwicklung in Brasilien zeigt auch die gefährlichen Folgen des Verhaltens von Donald Trump bis zur und nach der US-Wahl im vergangenen Jahr. Es ist nämlich sein Rezept, dem Bolsonaro nun ganz bewusst folgt. US-Präsidenten üben ihren Einfluss in vielerlei Hinsicht aus. Eines sind die Exempel, die sie statuieren.»


«Nepszava»: Keine politische Zukunft ohne die Grünen

BUDAPEST: Über die Bedeutung der deutschen Grünen für Europa schreibt die ungarische Tageszeitung «Nepszava» am Donnerstag:

«Obwohl grüne Politik von vielen, gerade im mittel- und osteuropäischen Raum, für eine Marotte reicher Länder, reicher Leute und radikaler junger Hippies gehalten wird, wissen nüchterne Politiker: Ohne die Förderung der meisten von den Grünen propagierten Ideen - neben dem Kampf gegen den Klimawandel eine gerechtere Gesellschaft, die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung - haben sie keine politische Zukunft.

Die Wähler von morgen werden immer umweltbewusster und ernster, sie machen sich leider immer mehr zu Recht Sorgen um die Zukunft. Sie werden entweder von den Grünen oder von den rechtsextremen Parteien der radikalen Populisten gewonnen, während die Wählerschaft traditioneller zentristischer Parteien europaweit altert. Obwohl die grünen Parteien derzeit nur in Deutschland und in den nördlichen Ländern stark sind, wächst die Nachfrage nach ihnen auch bei unseren Wählern. Wenn der grüne Durchbruch bei der Europawahl durch einen deutschen grünen Erfolg bestätigt wird, werden vielleicht langfristig die Aktivisten keine Eulen mehr nach Athen tragen müssen.»


«De Standaard»: Solidarität darf nicht einseitig sein

BRÜSSEL: Zum Umgang mit Nichtgeimpften meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Donnerstag:

«Wer noch nicht geimpft ist, kann kaum noch behaupten, keine Möglichkeit dazu bekommen zu haben. Abgesehen von einem kleinen Club überzeugter Impfverweigerer, geht es oft um Gruppen, die durch Informationskampagnen schwer zu erreichen sind oder wegen mangelnden Wissens sowie schlicht aufgrund von Ammenmärchen mehr Angst vor der Medizin als vor der Krankheit haben.

Aber von einem bestimmten Moment an kann Solidarität nicht mehr ausschließlich von einer Seite kommen. Wer nicht so viel Solidarität aufbringt, mittels einer Impfung an der Erreichung der Gruppenimmunität mitzuwirken, kann auch nicht die Solidarität der großen Mehrheit erwarten, die sich hinter diesem Ziel zusammengefunden hat.»


«Trouw»: Minsk und Moskau umgehen EU-Sanktionen

AMSTERDAM: Zu den EU-Sanktionen gegen den Machtapparat von Alexander Lukaschenko in Belarus heißt es am Donnerstag in der niederländischen Zeitung «Trouw»:

«Während das Regime die Unterdrückung im eigenen Land weiter verstärkt und sogar mit dem Tod des belarussischen Aktivisten Witali Schischow in Kiew in Verbindung gebracht wird, scheint sich Minsk durch die Brüsseler Aktionen nicht abschrecken zu lassen. (...) Zwar bricht einem Unternehmen wie Belaruskali ein Teil seiner Einnahmen weg, weil der Verkauf in die EU aufhört. Doch es kann die Verluste kompensieren, indem es seine Produkte an russische Firmen wie Uralkali liefert. Es handelt ebenfalls mit Kali und kann das belarussische Kali auf dem Weltmarkt verscherbeln.

Auf diese Weise haben die EU-Sanktionen den unbeabsichtigten, aber unvermeidlichen Effekt, dass Lukaschenko immer stärker auf (Russlands Präsident Wladimir) Putin angewiesen ist. Dadurch verfügt die belarussische Elite vorläufig noch über das nötige Kleingeld. Denn solange die EU nicht auch gleichwertige sektorale Sanktionen gegen Russland verhängt, finden Lukaschenko und Putin bei jeder neuen Sanktionsrunde vermutlich wieder einen Weg, sie zu umgehen.»


«Irish Times»: Lukaschenko ist abhängig von Moskau

DUBLIN: Zum ungeklärten Tod des belarussischen Aktivisten Witali Schischow meint die «Irish Times» am Donnerstag:

«Sollte es sich tatsächlich um Mord handeln - worauf seine Freunde beharren -, dann wird man das brutale Regime von Alexander Lukaschenko, das aktenkundig für die Eliminierung von Dissidenten ist, direkt dafür verantwortlich machen. Erst kürzlich hat es wieder seine Bereitschaft demonstriert, internationales Recht zu brechen. (...) Wenn eine Verbindung zum Regime besteht, muss die EU ihre bislang begrenzten Sanktionen gegen Belarus ausweiten und den Druck auf Wladimir Putin intensivieren, mit Lukaschenko zu brechen. Dessen Überleben hängt nach 27 Jahren an der Macht vollständig vom guten Willen Moskaus ab.»


«Tages-Anzeiger»: Bratwurst erhöht keine Impfrate

ZÜRICH: Der Zürcher «Tages-Anzeiger» kommentiert am Donnerstag Bemühungen, die Corona-Impfrate mit Hilfe von Anreizen zu erhöhen:

«Die Aktion der Thüringer Stadt Sonneberg, Impfmuffel mit einer Gratiswurst umzustimmen, brachte den Verantwortlichen einiges an Spott ein. Je stärker die Schweiz im europaweiten Impfvergleich abfällt, desto lauter werden jedoch auch hierzulande die Rufe nach positiven Anreizen. Die Idee, die Impfung mit einem geselligen Event zu verknüpfen, ist sicher nicht falsch.

Wer die tiefe Impfrate verstehen will, muss allerdings anerkennen, wie viele andere Schattierungen es zwischen bereits Geimpften, Impfzweiflern und handfesten Impfgegnern gibt - und sich mit ihren Beweggründen auseinandersetzen.

Wo Missinformation für den Entscheid gegen eine Immunisierung verantwortlich ist, muss dieser mit Aufklärungsarbeit begegnet werden. Wo sich jemand in Kenntnis aller Fakten gegen die Covid-Spritze entscheidet, gilt es, dies in einem demokratischen Land zu akzeptieren. Eine Bratwurst nützt in beiden Fällen nichts.»


«NZZ»: Baerbocks Inszenierung funktioniert nicht mehr

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag den Wahlkampf der Grünen:

«Über die deutschen Grünen lässt sich in diesen Tagen viel sagen, nur eines nicht - dass sie die Hauptverantwortung für den Mangel an inhaltlicher Auseinandersetzung im Bundestagswahlkampf trügen. Beinahe täglich tritt die Ökopartei mit Gedanken, Vorschlägen und Plänen an die Öffentlichkeit, die einen Anstoß für handfeste Debatten bieten.

Bei all diesen Themen kommt der etatistische Kern der Grünen deutlich ans Licht: Sie wollen möglichst in jedem Bereich lenken, dirigieren, quotieren. Ihnen steht der Sinn nach dem reglementierenden Obrigkeitsstaat, nicht nach der größtmöglichen Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit der Einzelnen in der Gesellschaft.

Aber auch wenn Baerbock und Habeck am Dienstag in einem brandenburgischen Moor stehen und beflissen über ihre Vorstellungen eines mächtigen Klimaschutzministeriums berichten, wabern die Affären um ein schamlos abgekupfertes Buch, den frisierten Lebenslauf, nicht gemeldete Einkünfte und den tatkräftigen Beitrag der Parteispitze zum jüngsten Debakel der saarländischen Landespartei weiter wie Schwefelgas in der Öffentlichkeit. Die Inszenierung der jungen, talentierten und detailkundigen Frau, die in die Fußstapfen von Angela Merkel treten soll, funktioniert nicht mehr.»


«Washington Post»: Impfen einziger Weg aus der Delta-Misere

WASHINGTON: Zu den wieder stark steigenden Corona-Fallzahlen in den USA und der Impfdiskussion schreibt die «Washington Post»:

«Der Sommer des Vergnügens ist plötzlich zum Sommer der Pandemiemisere geworden, mit steigenden Fallzahlen, vor allem in einigen südlichen Bundesstaaten und ungeimpften Gebieten, angetrieben von der Delta-Variante. Aber es gibt eine einfache, effektive und erprobte Brandmauer, um die Flammen zu stoppen: Impfungen. Sie sind kostenlos und verfügbar, und sie können Leben retten.

Ein berechtigter Grund zur Sorge, der jüngst aufkam, ist die Möglichkeit von Impfdurchbrüchen - Menschen, die erkranken, obwohl sie geimpft wurden (...) Impfdurchbrüche sind bekannt, sie werden passieren, aber unter den 163 Millionen Menschen, die bis zum 26. Juli voll geimpft wurden, hat die (US-Gesundheitsbehörde) CDC einen verschwindend kleinen Anteil gemeldet, 6587 Krankenhauseinweisungen oder Todesfälle, und davon einige aus anderen Gründen. (...) Es sollte jetzt eine Frage des gesunden Menschenverstands sein: Maske auf und impfen lassen, um sich selbst und jeden anderen zu retten.»


«Der Standard»: Rücktritt von Cuomo ist unausweichlich

WIEN: Zu den Vorwürfen von Frauen wegen sexueller Belästigung gegen New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo schreibt die Wiener Zeitung «Der Standard» am Donnerstag:

«Natürlich ist es für ihn frustrierend, wenn gegen andere hochrangige Politiker weiterreichende Vorwürfe bekannt waren und kein Rücktritt folgte - prominentes Beispiel: Ex-Präsident Donald Trump, dem mehr als doppelt so viele Frauen sexuelle Übergriffe, ja sogar Vergewaltigung vorwarfen. Doch Trump darf in moralischen Fragen kein Maßstab sein - vor allem nicht für die Demokraten. Höhere Standards als Trump zu haben bedeutet in Cuomos Fall zumindest, dass er das Richtige getan hat. Und seiner Partei wird es wohl bei künftigen Wahlen helfen - auch weil es um Stimmen von Frauen geht.»

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