Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«DNA»: Aufhebung der Impfstoff-Patente ist absolute Notwendigkeit

STRAßBURG: Zur Debatte um eine gerechte weltweite Verteilung von Corona-Impfstoffen schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» (DNA) am Donnerstag:

«Die zumindest vorübergehende Aufhebung des Patents auf Corona-Impfstoffe und die damit einhergehende Produktion von Nachahmerpräparaten könnten nur eine moralische Verpflichtung sein. In einer idealen Welt wäre das an sich schon mehr als ausreichend. Es ist aber nicht nur eine moralische Frage, sondern auch eine absolute gesundheitliche Notwendigkeit. (...)

Dass gewisse Staaten einige hundert Millionen Dosen an Dritte-Welt-Länder verteilen, kann auf keinen Fall als eine Politik der internationalen Kooperation angesehen werden. Es sind Almosen. Es ist weder solidarisch, noch großzügig. Solidarisch wäre es gewesen, den Markt nicht trocken zu legen, indem man vier mal so viele Dosen wie nötig bestellt. Großzügig wäre es, die Bestände zu öffnen und zu teilen, bevor man plant, die Kinder der reichsten Länder zu impfen oder eine dritte Impfung auf den Weg zu bringen.»


«La Repubblica»: Überflutungen und Pandemien achten nicht auf Grenzen

ROM: Die italienische Zeitung «La Repubblica» schreibt zu den jüngsten Überschwemmungen und dem internationalen Vorgehen gegen den Klimawandel:

«Die jüngsten Überschwemmungen und die noch andauernde Pandemie geben uns zusammengenommen ein klares Signal: Es erwartet uns eine, wahrscheinlich lange, Zeit (...), in der Extremereignisse und neue Bedrohungen viel häufiger auftreten werden als in der Vergangenheit. Was können wir tun, um dieses Szenario zu verhindern? Nichts - leider ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Die laufenden Bemühungen zur Eindämmung der globalen Erwärmung kommen zu spät (sind aber entscheidend, um eine noch schlimmere Situation zu vermeiden).

Wir können jedoch viel tun, um die schlimmsten Folgen (...) abzumildern. (...) Pandemien, Hungersnöte und verheerende Überschwemmungen beachten nicht die Grenzen kleiner Heimatländer. Die Europäische Union kann, auch dank des erneuerten Geistes der Zusammenarbeit, der sie zu beleben scheint, sicherlich dabei helfen, Präventions- und Eindämmungsstrategien zu entwerfen, die der sich abzeichnenden neuen Situation besser angepasst sind (...). Es wird schwieriger, das Problem auf konstruktive Weise auf globaler Ebene anzugehen - aber wenn wir das nicht schaffen, sagt uns die Geschichte eindeutig, werden wir alle die Konsequenzen tragen.»


«Rzeczpospolita»: Merkel als Wächterin des russischen Gases

WARSCHAU: Die USA und Deutschland haben einen Durchbruch im Konflikt um die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 erzielt. Dazu meint die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Donnerstag:

«Die USA tun jetzt so, als sei Nord Stream 2 ein Wirtschaftsprojekt. Nicht alle in den USA, aber die wichtigsten Politiker, wie ihr Präsident Joe Biden und das Außenministerium. Ins Hintertreffen gerät der Kongress, der sich der Ostsee-Pipeline parteiübergreifend widersetzt. Die amerikanischen Kongressabgeordneten, die Firmen und Personen für Engagement bei Nord Stream 2 mit Sanktionen belegten, verstanden die Bedeutung des Projektes genau. Es ist ein geopolitisches Instrument des Kremls. Es erlaubt ihm, an Deutschland Milliarden zu verdienen, die zur Umsetzung imperialer Ziele und zur Erpressung Schwächerer gebraucht werden.

Die Pipeline bedroht die Sicherheit der Ukraine und der Ostflanke der Nato, sie schwächt die Energiesicherheit der EU. Joe Biden ist Angela Merkel unterlegen, die ihre Kanzlerzeit als Wächterin einer Pipeline mit russischem Gas beendet. Die Deutschen sind für Biden ein so wichtiger Partner, dass er auf die geopolitischen Folgen von Nord Stream 2 nicht achtet. Deshalb reichte ihm das Versprechen Berlins, dass Russland bestraft wird, wenn es mal wieder nicht artig ist. Wie genau das aussehen soll, bleibt unklar.»


«Dagens Nyheter»: Utøya als Erinnerung, dass Worte Konsequenzen haben

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) richtet am Donnerstag einen Blick auf den zehnten Jahrestag der Terroranschläge von Oslo und Utøya:

«Zehn Jahre sind seit Utøya vergangen. Der unmittelbare Umgang mit dem Angriff war eine Demonstration liberaler Würde. Der Prozess gegen Breivik war eher von demokratischen Prinzipien als von Rachelust geprägt. Die Aufrufe des damaligen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg zu Offenheit und Mitgefühl einten ein Volk in Trauer. Das war eine erfolgreiche Geschichte, aber zehn Jahre später ist all das auf dem Weg zu zerbrechen. Vergangenes Jahr stellte Norwegens Geheimdienst erstmals fest, dass die Bedrohung durch Gewalt von rechtsextremen Kräften genauso ernst ist wie die von islamistischen Gruppen. In dunkleren Ecken des Internets wird Breivik in Ballerspielen und auf Memes idolisiert. Hass und Drohungen richten sich gegen die Überlebenden von Utøya.

Anders Behring Breivik war ein sehr gestörtes Individuum. Aber er handelte nicht in einem politischen Vakuum. Wenn rechtsextremes Gedankengut normalisiert wird, wird es für Politiker wichtiger, an den Grenzen des Anstands festzuhalten und gemeinsam Verantwortung für das Debattenklima zu übernehmen. Worte können ganz reale Folgen haben. Dafür sollte Utøya als Erinnerung dienen.»


«de Volkskrant»: Unbegrenzter Glaube an die eigene Größe

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Donnerstag den Weltraum-Ausflug von Amazon-Gründer Jeff Bezos:

«Bezos war so bewegt von seinem Abenteuer, dass er sich mit einem Kloß im Hals bei den Amazon-Mitarbeitern und Kunden bedankte, die diese Reise möglich gemacht hatten. Kein Mitarbeiter oder Kunde von Amazon hat darum gebeten, dass sein Geld verwendet wird, um Bezos ins All zu schicken. Indem er sich bei ihnen bedankte, zeigte der Amazon-Gründer vor allem, dass er unbegrenzten Glauben an seine eigene Größe hat und davon ausgeht, dass andere diesen Glauben teilen.

Bezos konnte nur deshalb zum reichsten Mann der Welt werden, weil er seine Mitarbeiter jahrelang unterbezahlt hat, ihnen teilweise nicht einmal das Recht auf eine Pinkelpause zugestanden hat und vor allem, weil er seit Jahrzehnten viel zu wenig Steuern zahlt.»


«USA Today»: US-Kongress muss gegen den Klimawandel handeln

WASHINGTON: Über die jüngste Hitzewelle in Nordamerika schreibt die Zeitung «USA Today»:

«Vor nicht allzu langer Zeit war der Klimawandel für viele Amerikaner weit entfernt. Nachrichten über verhungernde Eisbären oder schmelzende Gletscher wirkten tragisch und beunruhigend, aber wie aus einer anderen Welt. Jetzt nicht mehr. Hunderte sind Ende vergangenen Monats in Oregon, Washington und im Westen Kanadas an beispielloser Hitze gestorben, als sich eine «Hitzeglocke» riesigen Ausmaßes mehrere Tage lang über die Region legte. (...)

Joe Biden hat die Präsidentschaft mit dem Versprechen umfassender neuer politischer Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen in den USA gewonnen. Der Kongress muss diese Ideen jedoch noch in diesem Jahr umsetzen. Die Demokraten können es nicht riskieren, bei den Kongresswahlen 2022 die knappe Kontrolle über eine oder beide Kammern an eine Republikanische Partei zu verlieren, die sich zu lange gegen sinnvolle Maßnahmen zum Klimaschutz gewehrt hat.»


«El País» zum Streit über Nordirland: Pacta sunt servanda

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Donnerstag den Vorstoß Großbritanniens für eine Neuverhandlung von Teilen des Brexit-Abkommens:

«Die britische Regierung fordert, das im Rahmen des Brexits vereinbarte Protokoll für Nordirland neu zu verhandeln. Zugleich droht London, das Abkommen nicht mehr einzuhalten, wenn Brüssel diese Forderung nicht akzeptiert. Die EU-Kommission hat zu Recht schnell reagiert und diese inakzeptable Erpressung zurückgewiesen. Die irische Frage war eine der heikelsten im gesamten Prozess der Trennung und Neuformulierung der Beziehungen zwischen der EU und London. Boris Johnson entschied sich für ein radikales Scheidungsmodell, vollkommen legitim, aber mit Konsequenzen. Die einzige Möglichkeit, eine gefährliche Grenze zwischen den beiden Teilen Irlands zu vermeiden, war Ulster an den Gemeinsamen Markt zu binden. Johnson akzeptierte das, um einen harten Brexit ganz nach dem Geschmack englischer Nationalisten zu vollziehen. Hoffentlich wird London sich noch auf den edelsten Teil seiner bewundernswerten Geschichte liberaler Demokratie besinnen und nach diesen Werten handeln. Pacta sunt servanda.»


«de Volkskrant»: Unbegrenzer Glaube an die eigene Größe

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Donnerstag den Weltraum-Ausflug von Amazon-Gründer Jeff Bezos:

«Bezos war so bewegt von seinem Abenteuer, dass er sich mit einem Kloß im Hals bei den Amazon-Mitarbeitern und Kunden bedankte, die diese Reise möglich gemacht hatten. Kein Mitarbeiter oder Kunde von Amazon hat darum gebeten, dass sein Geld verwendet wird, um Bezos ins All zu schicken. Indem er sich bei ihnen bedankte, zeigte der Amazon-Gründer vor allem, dass er unbegrenzten Glauben an seine eigene Größe hat und davon ausgeht, dass andere diesen Glauben teilen.

Bezos konnte nur deshalb zum reichsten Mann der Welt werden, weil er seine Mitarbeiter jahrelang unterbezahlt hat, ihnen teilweise nicht einmal das Recht auf eine Pinkelpause zugestanden hat und vor allem, weil er seit Jahrzehnten viel zu wenig Steuern zahlt.»


«Tages-Anzeiger»: Kritik an Laschet übertrieben

ZÜRICH: Zur Kritik am Lachen des CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet bei einem Besuch im Katastrophengebiet meint der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Donnerstag:

«Wie kann man einem Kandidaten trauen, der so unbekümmert auf eine Katastrophe reagiert, welche die Bevölkerung ergriffen und über 170 Tote gefordert hat? Wie ernst kann es einer mit seiner Kandidatur meinen, der den Ernst der Lage nicht begreift? Dazu kommt, dass Armin Laschet und seine CDU in Nordrhein-Westfalen wiederholt als ökologische Bremser aufgefallen sind; zu einer Zeit, als der Einsatz für den Klimaschutz politisch noch etwas kostete.

Und doch mag man nicht in die Kritik der Medien über das Lachen des Kandidaten einstimmen, zumindest nicht im Tonfall dieser bebenden Empörung. Denn erstens gehört das Hinauf- und Herunterschreiben von Politikerinnen und Politikern zum Zeitvertreib gerade deutscher Journalistinnen und Journalisten. Zweitens gibt es noch viel mehr Politiker, die zwar im richtigen Moment ernst dreinschauen, sich aber trotzdem um die Sorgen ihrer Wählerinnen foutieren. (...) Armin Laschets Lachen war wenigstens echt. Und galt mit Garantie nicht den Ertrunkenen in seiner Heimat.»


«NZZ»: Deutschlands Ruf bei osteuropäischen Nachbarn ist ramponiert

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag die Beilegung des Streits zwischen den USA und Deutschland um die Gaspipeline Nord Stream 2:

«Der politische Saldo ist für beide Parteien nicht berauschend: Für Berlin ist das Paket das stillschweigende Eingeständnis, dass das lang gepflegte Narrativ von einem bloß «wirtschaftlichen Projekt» Nord Stream 2 ausgesprochener Humbug war. Die Zahlungen für die Ukraine schlagen ins Kontor, und der Ruf der Deutschen vor allem bei den osteuropäischen Nachbarn ist ramponiert.

Dafür sind mögliche Schadenersatzansprüche vom Tisch, und der größte Stolperstein auf dem Weg zu einem neuen transatlantischen Verhältnis ist beiseitegerollt. Das mag auch die Regierung Biden bewogen haben, Prügel im US-Kongress für den Deal in Kauf zu nehmen. Der wiederbelebten Allianz mit Deutschland wurde in Washington mit Blick auf China und auch Russland mehr Wert beigemessen als der Verhinderung einer zu 98 Prozent fertig gebauten Pipeline. Ob die USA ihr Ziel, dass Nord Stream 2 «nicht als geopolitische Waffe eingesetzt werden kann», erreichen werden, ist zweifelhaft. Von Berlin und Washington für diesen Fall vereinbarte Sanktionen gegen Moskau haben schon in der Vergangenheit wenig Wirkung im Kreml gezeigt.»


«Times»: Faire Umsetzung des Nordirland-Protokolls im Interesse aller

LONDON: Zum Streit zwischen Großbritannien und der EU um die Brexit-Regeln für Nordirland meint die Londoner «Times» am Donnerstag:

«Die Regierung muss anerkennen, dass die regulatorische Souveränität, um die es beim Brexit geht, mit gewissen Kosten verbunden ist. Um Schwierigkeiten beim Transport von Waren von Großbritannien nach Nordirland zu mildern, könnte es notwendig sein, einer Harmonisierung der Vorschriften für Lebensmittelsicherheit zwischen Nordirland und der EU für einen längeren Zeitraum zuzustimmen. Die EU sollte ihrerseits darauf vertrauen, dass Lebensmittel, die von so bekannten (britischen) Einzelhändlern wie M&S nach Nordirland geliefert werden, offensichtlich nicht dazu bestimmt sind, weiter in den EU-Binnenmarkt geschickt zu werden.

Der Brexit streut unweigerlich Sand in das Getriebe des Handels. Er muss aber nicht die friedlichen Beziehungen in Irland gefährden, Großbritannien spalten oder den grenzüberschreitenden Handel unrentabel machen. Eine faire und sachliche Umsetzung Umsetzung des Nordirland-Protokolls, ohne Schärfe oder Rhetorik, ist im Interesse aller Teile des Vereinigten Königreichs und der EU.»


«Kommersant»: Berlin hat Druckmittel gegen Moskau bei Nord Stream 2

MOSKAU: Zur Einigung zwischen den USA und Deutschland im Streit um die Ostseepipeline Nord Stream 2 schreibt die russische Tageszeitung «Kommersant» am Donnerstag in Moskau:

«Die USA und Deutschland haben einen Deal gemacht zu Nord Stream 2. Die USA sind bereit, den Sanktionskrieg gegen die strategische russische Gasleitung im Rahmen der Vereinbarung mit den deutschen Behörden zu beenden. Aber Berlin nimmt im Gegenzug selbst die Verpflichtung auf sich, den zwischen Moskau und Kiew bestehenden Vertrag zum Gastransit noch einmal um zehn Jahre zu verlängern - und zwar bis 2034.

Dafür hat Deutschland einen Hebel des Drucks auf Russland und auf Gazprom: die Regulierungsbehörden könnten nicht erlauben, dass mehr als die Hälfte von Nord Stream 2 genutzt wird. (.) Gazprom kann dann nicht mehr als 50 Prozent der Leitungskapazität für sich beanspruchen, was das Unternehmen automatisch dazu zwingt, den Transit über die Ukraine fortzusetzen, um so seine langfristigen Liefervereinbarungen zu erfüllen.»

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Leserkommentare

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