Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
Foto: Adobe Stock/©elis Lasop

«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Merkels Abschied von Amerika

(...) In den 16 Jahren von Merkels Kanzlerschaft hat sich das Land schwergetan, seinen Beitrag zu militärischen Einsätzen zu leisten, die dem Erhalt der freien Welt dienen sollten.

Das hat in Washington viele deprimiert (...). Zu Merkels Realitätssinn gehört, dass sie nach Bidens Amtsantritt früh darauf hinwies, dass Europa gegenüber China andere Interessen habe als Amerika, sprich primär wirtschaftliche. Ob das wirklich so ist, wäre eine Diskussion wert. Aber dass China heute überhaupt eine überragende Rolle spielt im Verhältnis zu Washington, zeigt, wie sich die Welt verändert hat. Als Merkel 2005 Kanzlerin wurde, galt der islamistische Terrorismus als größtes gemeinsames Problem. Jetzt verabschiedet sie sich von einem Amerika, das im scharfen Wettstreit mit Russland und China steht. (...).


«De Telegraaf»: EU-Klimapläne belasten die Bürger überproportional

AMSTERDAM: Die Amsterdamer Zeitung «De Telegraaf» kritisiert am Donnerstag die Klimapläne der EU:

«Die größenwahnsinnigen europäischen Klimapläne hängen wie eine Gewitterwolke über den Bürgern. Ungewählte Brüsseler Bonzen wie EU-Kommissar Frans Timmermans und sein Kabinettschef Diederik Samsom haben das Sagen bei der Umsetzung eines Maßnahmenpakets, das Verbraucher und Unternehmen teuer zu stehen kommen wird. (...)

Auch die Behauptung, dass die Bürger die großen Umweltverschmutzer seien, ist falsch. Das trifft vor allem auf den Energiesektor und die Schwerindustrie zu. Was wichtig bei der Aufteilung der Rechnung ist. Die geht aber in überproportionaler Höhe an die Bürger, wie das (staatliche niederländische Analyse-Institut für Umwelt und Lebensqualität) PBL kürzlich warnte.

Das sollte für die neue Regierung Grund genug sein, sich bei den Brüssler Klimaplänen nicht wieder wie der Musterschüler zu verhalten. Timmermans' Pläne müssen noch den Europäischen Rat passieren. Dort muss sich der geschäftsführende und zugleich designierte neue Ministerpräsident Mark Rutte für die Interessen der Bürger einsetzen, die ihn schließlich in diese Position gebracht haben.»


«Dagens Nyheter»: Kühnes Klimapaket der EU-Kommission

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Donnerstag das von der EU-Kommission vorgeschlagene Klimapaket «Fit for 55»:

«Das Klimapaket der EU-Kommission ist sowohl kühn als auch innovativ. Bei bestimmten Vorschlägen gibt es Risiken. Aber es handelt sich um eine notwendige Entwicklung der Anstrengungen der Union. Die EU-Mitglieder haben hochtrabende nationale Klimaziele. Aber ohne eine gemeinsame Steigerung der Ambitionen sind sie nicht besonders viel wert. Die neu gewonnene Erkenntnis, dass die Klimapolitik bislang unzureichend gewesen ist, ist willkommen zu heißen. In einer grenzüberschreitenden Schicksalsfrage wie dem Klima müssen kühne Beschlüsse auf internationalem Niveau getroffen werden.»


«The Times»: Ramaphosa muss Rechtsstaatlichkeit durchsetzen

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Donnerstag die gewalttätigen Proteste in Südafrika gegen die Inhaftierung des Ex-Präsidenten Jacob Zuma:

«Der bedrängte Präsident Cyril Ramaphosa kämpft darum, die Kontrolle über die Straßen wiederzuerlangen und möglicherweise muss er dafür viel mehr Truppen einsetzen. Er weigert sich, Forderungen nach der Freilassung Jacob Zumas nachzugeben, denn er weiß, dass es unmöglich sein wird, die Korruption der Zuma-Ära auszurotten, wenn es ihm nicht gelingt, Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen.

Südafrika wurde durch eine neun Jahre währende Vereinnahmung des Staates moralisch und wirtschaftlich ausgehöhlt. Und der regierende Afrikanische Nationalkongress wurde zu einem Vehikel für den Präsidenten, um Kritiker zum Schweigen zu bringen und das Gesetz zu untergraben. Das ist ein Kampf, den Ramaphosa nicht verlieren darf. Aber in vier Jahren hat er nur wenige Fortschritte bei der Reparatur der zerstörten Wirtschaft, der Schaffung von Arbeitsplätzen oder der Hilfe für die Armen und Slumbewohner gemacht.»


«Corriere della Sera»: Pandemie wird Dynamik in der Welt verändern

ROM: Die Mailänder Zeitung «Corriere della Sera» schreibt zu den Unterschieden bei der wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Pandemie:

«Wenn die Geschwindigkeitsunterschiede bei der (wirtschaftlichen) Wiederherstellung (nach der Corona-Pandemie) für die Europäische Union gelten, gelten sie umso mehr für die ganze Welt: Einige laufen bereits, andere hinken noch hinterher. Das Ergebnis wird eine globale Post-Covid-Geoökonomie sein mit noch größeren Unterschieden als in der Vergangenheit, immer weniger einheitlich (...). Die Erholung hängt stark von Impfkampagnen ab: Bisher haben etwa 25 Prozent der Weltbevölkerung mindestens eine Dosis erhalten, eine noch niedrigere Quote, die auf wenig mehr als einen Prozent einbricht (ist es) in den einkommensschwächsten Ländern. Eine Pandemie wie die durch Covid-19 geht nicht vorüber, ohne die Dynamiken in der Welt zu verändern. Und ohne Spannungen zu verursachen.»


«Nesawissimaja»: Lukaschenko zerstört Elite in Belarus

MOSKAU: Zu den Repressionen gegen Andersdenkende in Belarus schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Donnerstag:

«In Belarus ist eine neue Welle von Durchsuchungen und Festnahmen angelaufen. Experten sehen darin eine Antwort auf die europäischen Sanktionen. (.) Die Einheiten des Machtapparats nahmen sich Büros von mehr als zwei Dutzend Organisationen der Zivilgesellschaft vor, die sich auf juristische Fragen und den Schutz der Menschenrechte, darunter von Frauen und Menschen mit Behinderungen, sowie auf Wirtschaftsanalyse, auf kulturelle, humanitäre und Bildungsinitiativen spezialisieren. (.)

Die Razzien und Festnahmen gab es nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in vielen anderen großen und kleinen Städten. (.) Der Machtapparat macht seine Drohung wahr, die Bürgergesellschaft in Belarus komplett auszulöschen. Lukaschenko zerstört damit die nationale Elite. (.) Aber auch Lukaschenkos Gegners betonen, dass die Repressionen die Europäische Union nicht dazu zwingen werden, die Sanktionen aufzuheben.»


«El País»: Verwirklichung des EU-Klimapakets wird schwierig sein

MADRID: Zu den Klimaplänen der EU-Kommission schreibt die spanische Zeitung «El País» am Donnerstag:

«Es handelt sich um einen ehrgeizigen und begrüßenswerten Vorschlag, der die weltweite Führungsrolle Europas in diesem Bereich festigt. Es ist ein guter Ausgangspunkt für schwierige Verhandlungen zwischen Institutionen und Ländern. Die Schwierigkeit des Vorhabens sollte den Ehrgeiz nicht mindern (...) Es bleibt derweil abzuwarten, ob der von der Kommission vorgeschlagene Sozialfonds in Höhe von 72 Milliarden Euro mögliche höhere Energiepreise kompensieren und soziale Auswirkungen vermeiden kann. Hohe Kosten ohne Ausgleichsmaßnahmen für die schwächsten Sektoren der Gesellschaft könnten den Populisten Munition liefern und den notwendigen und dringenden Kampf gegen die Klimakrise untergraben. Die Verhandlungen zur endgültigen Genehmigung des Plans werden hart sein. Der Widerstand wird groß sein. Es liegt jedoch im Interesse der EU, zügig voranzukommen. Wegen des Umweltschutzes, aber auch weil sich eine Führungsrolle in diesem Bereich strategisch auszahlen wird.»


«Le Figaro»: Klimaschutzpaket könnte soziale Wut verstärken

PARIS: Zum Klimaschutzpaket der Europäischen Kommission schreibt die konservative Tageszeitung «Le Figaro» am Donnerstag:

«Dieses Heilmittel, das die eifrigsten Umweltschützer zu schwach finden (...), löst bei den Unternehmensleitern und vor allem bei den mittelständischen Unternehmen jetzt schon Schweißausbrüche aus und könnte, wenn wir nicht aufpassen, die soziale Wut weiter schüren. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Alle wollen den Planeten retten, aber jede weitere Einschränkung, die von der (Europäischen) Kommission auferlegt wird, verursacht neue industrielle Herausforderungen, neue Ausgaben, um diese umzusetzen ... und früher oder später Preissteigerungen. (...)

Angesichts der Herausforderungen des Klimanotstands ist es gerechtfertigt, dass Europa ehrgeizig handeln will. Aber es muss sich mehr denn je darum bemühen, das richtige Gleichgewicht zu finden: Zwischen der Schnelligkeit des Wandels und der Fähigkeit von Industrie und Verbrauchern, diese zu übernehmen.»


«Washington Post»: Regierung in Kuba hat wahres Gesicht gezeigt

WASHINGTON: Zur Reaktion der kubanischen Regierung auf die Massenproteste schreibt die US-Zeitung «Washington Post»:

«Der auffälligste Aspekt der bemerkenswerten Demonstrationen vom Sonntag in Kuba war ihre Spontanität. Der auffälligste Aspekt der Reaktion der Regierung war die triste Wiederholung ihrer abgenutzten Unterdrückungsmaßnahmen. Sobald Kubas Sicherheitsdienste merkten, dass Hunderte von Menschen auf den Straßen protestierten, setzten sie sich in Bewegung, wie schon so oft, um den Ausbruch freier Meinungsäußerungen und Versammlungen auszulöschen. (...) Videos von den Protesten am Sonntag zeigten Hunderte Menschen mit Smartphones, die sie über ihre Köpfe hoben, um die Demonstrationen aufzunehmen. Dies war die bisher digitalste Revolte in Kuba - bis das Regime die Verbindungen kappte. (...) Videos, die in den sozialen Medien kursieren, zeigen, wie Menschen von Sicherheitskräften zusammengeschlagen werden. (...) Das Ziel solch weitreichender Unterdrückungsmaßnahmen und Festnahmen ist es, Angst einzuflößen, diejenigen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen, die ihre Meinung sagen würden. (...) Proteste sind in Kuba über die Jahre immer wieder aufgeflammt, aber der Ausbruch vom Sonntag war außergewöhnlich. Das kubanische Regime reagierte, indem es seinen wahren Charakter zeigte - eine Diktatur - und seine Entschlossenheit, eine zu bleiben.»


«Tages-Anzeiger»: Verschärfung des US-Wahlrechts ist undemokratisch

ZÜRICH: Der Zürcher «Tages-Anzeiger» kommentiert am Donnerstag die von Republikanern angestoßene Verschärfung des Wahlrechts in einigen US-Bundesstaaten:

«Die Wahl 2020 war ein Fest der Demokratie. 155 Millionen Stimmen. Das gab es noch nie. Möglich wurde das, weil in der Pandemie die Briefwahl zum Normalfall wurde. Sie ist - anders als Donald Trump glauben machen will - sicher. Gewonnen haben die Demokraten. Den Republikanern gefällt das nicht, was ihnen keiner verübelt. Wohl aber, dass sie jetzt die Wahlgesetze so ändern, dass potenziell demokratischen Wählern die Stimmabgabe schwer bis unmöglich gemacht wird. In Georgia wurde der Anfang gemacht, jetzt passiert das auch im zweitgrößten Bundesstaat. Die Republikaner wollen verhindern, dass Texas eines Tages an die Demokraten fällt. Statt mit Argumenten neue Wählerinnen zu gewinnen, ändern sie die Gesetze. Zu dieser perfiden Unterwanderung der Demokratie gehört, dass in Texas künftig nur noch per Brief abstimmen darf, wer physisch nachweislich nicht in der Lage ist, ins Wahllokal zu gehen. Wer solche Gesetze macht, verlässt das demokratische Spielfeld.»


«NZZ»: EU-Klimazölle führen nicht zum Ziel

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag die Klimapolitik der EU:

«Ziel ist es, bis zum Jahr 2050 treibhausgasneutral zu werden. Auf diesem Weg sollen die Treibhausgasemissionen in der EU bis Ende des Jahrzehnts im Vergleich mit 1990 um 55 Prozent verringert werden. Ein zentraler Baustein dafür ist eine Innovation im «Giftkasten» der Zölle und Abgaben: eine Treibhausgasabgabe an der Grenze. Brüssel verspricht sich viel von einem einseitig verhängten Klimazoll. Dieser könnte aber kontraproduktiv wirken. (...)

In der EU besteht die Hoffnung, dass durch die Maßnahme vor allem die USA und China in einen Klima-Klub der Willigen gezwungen werden. Die Unterschiede in der Klimapolitik sind jedoch noch bedeutend, und die Gefahr ist groß, dass die erste Reaktion auf den «Export» der EU-Massnahmen neue Handelskonflikte sind. Dann würde die Bereitschaft zur Kooperation sogar sinken und der Schuss nach hinten losgehen.»


«De Standaard»: Für Biden ist Deutschland unentbehrlich

BRÜSSEL: Zum Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Washington schreibt die belgische Zeitung «De Standaard» am Donnerstag:

«Angela Merkels Rolle in der jüngeren europäischen Geschichte ist Washington nicht entgangen: Sie wird dort beschrieben als die Frau, die Europa zusammengehalten hat in Zeiten der Eurokrise, der Ankunft der vielen Flüchtlinge, der Streitigkeiten mit Russland und sogar bis hin zum Brexit. Ihr verhandlungsbereiter, nicht konfrontativer Stil, der im Gegensatz steht zum Geschrei einiger europäischer Populisten, hat bei der heutigen US-Regierung für Vertrauen gesorgt.

Im Unterschied zu seinem Vorgänger Donald Trump, der in der Manier eines eifrigen Händlers für jeden Deal den jeweils geeignetsten Partner suchte - strebt US-Präsident Joe Biden eine Koalition an, in der bedeutende und mächtige Demokratien an einem Strang ziehen. Für den von Biden geplanten Kurs ist das politisch und wirtschaftlich so wichtige Deutschland unentbehrlich.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.