Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zum Curevac-Impfstoff

Die enttäuschenden Studienergebnisse zur Wirksamkeit des Curevac-Impfstoffs sind nicht nur ein Problem für das Tübinger Unternehmen, sondern auch für die scheidende Bundesregierung.

Diese war vor einem Jahr mit 300 Millionen Euro bei Curevac eingestiegen. Nun stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Schritts. Doch allzu hart sollte man mit der Regierung freilich nicht ins Gericht gehen. Die Bundesbeteiligung an Curevac ist immer noch ein Vielfaches dessen wert, was der Staat ehedem zahlte. Und die Technologie des Unternehmens bleibt vielversprechend.


«Frankfurter Rundschau» zum Besuch von Außenminister Maas in Polen

Heiko Maas bemüht sich um Polen, trotz aller Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit.

Dabei treibt den Außenminister das Wissen um die untilgbare Schuld an, die Deutsche im Weltkrieg in Polen auf sich geladen haben. Maas wäre sicher zu weiteren Zeichen der Wiedergutmachung bereit. Den Forderungen nach Reparationen, die die Regierungspartei PiS immer wieder vorträgt, erteilt er aber eine Absage. Nicht nur mit Hinweis auf das Völkerrecht. Die PiS betreibt mit der Reparationsfrage Innenpolitik und schreckt dabei vor antideutscher Hetze nicht zurück. So etwas belohnt man nicht. Das macht die deutsch-polnischen Beziehungen so schwierig. Die Nationalkonservativen verweigern sich jeder konstruktiven Zusammenarbeit. Es ist ja richtig, dass Bundesregierungen im Verhältnis zu Polen viel falsch gemacht haben. In Warschau wenden sich die Regierenden aber lieber dauergekränkt ab und ignoriert dabei die Chancen. Das Wirtschaftswunderland Polen hätte das Zeug zu einer EU-Führungsnation aufzusteigen.


«Diena»: EU-Impfzertifikat ist gut, aber auch risikobehaftet

RIGA: Zum offiziellen Start des EU-Impfzertifikats am 1. Juli schreibt die lettische liberale Tageszeitung «Diena» am Donnerstag:

«Betrachtet man die Umsetzung dieses Zertifikats im weiteren Sinne, sollte es ein Beweis dafür sein, dass es den Mitgliedstaaten endlich gelungen ist, zusammenzukommen und sich auf eine während einer Pandemie erforderliche Lösung zu einigen. Allein die Tatsache, dass die Idee, ein Zertifikat einzuführen, nicht in endlosen Diskussionen hängen blieb, ist positiv zu werten. Und zweifellos ist es gut, dass es ein solches Zertifikat überhaupt gibt.

Doch gibt es zwei Risiken. Eines davon ist die Sorge, dass das Zertifikat technisch nicht wie geplant funktioniert. Oder dass der QR-Code schwer zu lesen ist, die technischen Nuancen von einem Mitgliedstaat zum anderen variieren und so weiter. Das zweite Risiko besteht darin, dass das Zertifikat - zumindest in Lettland - nicht das Verständnis, sondern die Spaltung der Gesellschaft fördert.»


«The Times»: Parteikontrolle wird China bremsen

LONDON: Zum 100. Geburtstag der Kommunistischen Partei Chinas meint die Londoner «Times» am Donnerstag:

«China feiert den 100. Jahrestag der Parteigründung und das spektakuläre Wohlstandswachstum der Nation. Dabei wird kaum die Dominanz der Partei im täglichen Leben und die starre ideologische Konformität zur Sprache kommen, die den nationalistischen Eifer untermauern und die Machtbasis für Präsident Xi Jinping bilden, der zügig den gleichen diktatorischen Personenkult wie Mao Tsetung aufbaut. (...)

China fühlt sich stark genug, um Amerika wirtschaftlich herauszufordern. Und vielleicht gewinnt es sogar die Oberhand. Aber die Kontrolle durch die Partei wird stets wie eine Bremse wirken. Eine Gesellschaft, die keine Gedankenfreiheit zulässt, kann nicht auf Innovation zählen. Eine Wirtschaft, die keine interne Kritik zulässt, hat keinen Selbstkorrekturmechanismus, wenn etwas schief läuft.»


«Nesawissimaja»: Putins TV-Sprechstunde offenbarte Mängel im System

MOSKAU: Nach der im russischen Staatsfernsehen übertragenen Sendung «Der direkte Draht» mit Präsident Wladimir Putin schreibt die Moskauer Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Donnerstag:

«Das in Russland aufgebaute Verwaltungssystem hat ein erhebliches Defizit: Es bringt nicht das gewünschte Ergebnis. Dieses System ignoriert die Appelle von Bürgern, die sich beim Staatsoberhaupt über undichte Kindergartendächer, fehlende Straßen, hohe Preise, korrupte Beamte, schmutziges Trinkwasser in den Häusern, über fehlende Arbeit und fehlende Löhne beschweren mussten.

Beim «Direkten Draht» antwortete der Präsident den Bürgern, dass bereits Mittel aus dem Haushalt bereitgestellt und auf föderaler Ebene bereits die notwendigen Entscheidungen getroffen worden seien. Und das stimmt tatsächlich. Aber die Bürger sehen oft kein Ergebnis dieser Entscheidungen. (...)

Warum sprach das Staatsoberhaupt kaum über Errungenschaften und Verbesserungen im Leben der Bürger durch nationale Projekte? Vermutlich, weil die staatliche Verwaltung oft stockt und nicht die erwarteten Ergebnisse erzielt - mit Ausnahme der einfachsten Maßnahmen in Form von Direktzahlungen an Familien mit Kindern.»


«Stavanger Aftenblad»: China ist zu wichtig, um übersehen zu werden

STAVANGER: Die norwegische Tageszeitung «Stavanger Aftenblad» kommentiert am Donnerstag den 100. Geburtstag der Kommunistischen Partei in China:

«Chinas ständig wachsende Wirtschaftsmacht und politische Stärke erfordern, dass sich die Außenwelt damit auseinandersetzen muss. Das Land ist zu wichtig, um übersehen zu werden, und zu mächtig, um boykottiert zu werden. Gleichzeitig ist es wichtig, dass der Druck gegen den Machtmissbrauch weitergeht, dass der externe Druck gegen die Menschenrechtsverletzungen verstärkt wird und alle tun, was sie können, damit die Olympischen Spiele 2022 nicht zu ein paar Wochen werden, in denen alle Kritik begraben wird. Alles Gute zum Geburtstag? Nein, nicht von dieser Seite.»


«DNA»: Xi Jinping erfüllt Sehnsüchte seines Volkes

STRAßBURG: Zum 100-jährigen Bestehen der Kommunistischen Partei Chinas und der Rolle des chinesischen Präsidenten Xi Jinping schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» (DNA) am Donnerstag:

«Xi Jinpings Meisterleistung war es, seine Person an die Stelle des Staates zu setzen. Seit dem Tod des «Großen Steuermanns» (Mao Tsetung) im Jahr 1976 hat sich das kein Führungsverantwortlicher mehr getraut. Dass niemand etwas dagegen hat - oder es zumindest nicht laut äußert - , dass alle Macht in seinen Händen liegt, liegt natürlich daran, dass jede abtrünnige Tat gewaltsam unterdrückt wird. Aber (es liegt) auch daran, dass es ihm gelungen ist, die Sehnsüchte seines Volkes zu erfüllen und den chinesischen Nationalismus zu verkörpern.»


«Nepszava»: Illiberales Tandem Orban-Jansa kein Sargnagel für die EU

BUDAPEST: Zur Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch Slowenien schreibt die linke Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Donnerstag:

«(Sloweniens) Ministerpräsident Janez Jansa betrachtet das von Viktor Orban geführte Ungarn als Vorbild, etwa bei der Drangsalierung regierungskritischer Medien, bei der Unterwerfung der noch unabhängigen öffentlich-rechtlichen Medien, bei der Beseitigung der Gewaltenteilung im Staat. (...) Bedeutende Geldsummen fließen von Ungarn nach Slowenien. Aus Budapest kommt ernsthafte Unterstützung beim Aufbau des illiberalen slowenischen Staates. Doch wird es dem Tandem Orban-Jansa gelingen, einen großen Nagel in den Sarg der EU zu schlagen? Wohl kaum. Der Ratsvorsitz kann zwar im Prinzip die Entscheidungsprozesse in der Union verlangsamen, doch Richtungsvorgaben in der EU kann er nicht bestimmen.»


«La Stampa»: Jansa ernsthafte Bedrohung für Werte der EU

ROM: Zum Beginn der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft schreibt die italienische Zeitung «La Stampa» aus Turin am Donnerstag:

«Am vergangenen Donnerstag, während des «Verfahrens» gegen Viktor Orban wegen seines Anti-Homosexualitäts-Gesetzes, richteten sich alle Blicke der Teilnehmer des Europäischen Rates auf den ungarischen Staatschef. Aber aus den Augenwinkeln schauten viele auf Janez Jansa, den Mann, der in diesem Moment eine ernsthafte Bedrohung der EU-Werte darstellt. Denn seit seiner Rückkehr an die Macht, im März 2020, hat er Slowenien eine autoritäre Wende aufgezwungen, ein Abdriften aus Angriffen auf Justiz, Journalisten, politische Gegner und die Meinungsfreiheit im Allgemeinen.

Vor allem aber, weil ab heute sein Land die EU-Präsidentschaft für ein Semester übernimmt. Seine Regierung wird die europäische Agenda verwalten und dann beispielsweise entscheiden, ob die offenen Verfahren gegen Polen und Ungarn wegen Rechtsstaatsverstößen fortgeführt werden. All dies gerade als die EU, den Reden des vergangenen Gipfels nach zu urteilen, darauf aufmerksam geworden zu sein scheint, dass in ihr die Frage der Werte und antidemokratischen Tendenzen nicht mehr ignoriert werden können.»


«Wall Street Journal»: Kommunistische Partei Chinas schlimmste Gefahr

WASHINGTON: Zum 100. Geburtstag der Kommunistischen Partei Chinas am (heutigen) Donnerstag schreibt das «Wall Street Journal»:

«Die Kommunistische Partei Chinas wird ihr 100-jähriges Bestehen am 1. Juli mit Feuerwerk und nationalistischer Leidenschaft feiern, aber es ist kein Anlass zur Freude. Die Partei behält ihren eisernen Griff um die Macht bei, und sie stellt nun die führende Bedrohung für die globale Freiheit und Demokratie dar.

Wir beziehen uns hierbei auf die Partei, nicht auf das chinesische Volk. Sie sind nicht dasselbe. Die 95 Millionen Parteimitglieder haben besondere Privilegien und herrschen über 1,4 Milliarden Menschen durch die Androhung von Verhaftung und Ruin für abweichende Meinungen. (...)

Die Bedrohung für die Welt hängt davon ab, wie sich diese Kombination aus Kommunismus und Nationalismus in den kommenden Jahren behauptet. Die Zeichen stehen nicht gut - von seinen Grenzkonflikten mit Indien, seiner Übernahme von Inseln im Südchinesischen Meer, seiner 'Belt and Road'-Initiative (Neue Seidenstraße), die armen Länder Schulden auflastet, und seinem dreisten Cyberdiebstahl von geistigem Eigentum und Geheimnissen der USA.(...) Leider müssen wir mit einer kommunistischen Partei zurechtkommen, die die schlimmste Gefahr für die demokratische Welt seit der UdSSR darstellt.»


«NZZ»: Äthiopien droht der Zerfall

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag den bewaffneten Konflikt in der äthiopischen Region Tigray:

«Das Gespenst, das im Zusammenhang mit Äthiopien häufig erscheint, ist Jugoslawien. Der Vergleich ist nicht abwegig. Schafft Ministerpräsident Abiy es nicht, die ethnischen Fliehkräfte zu bändigen, droht Äthiopien der Zerfall. (...)

Auch die tigrinischen Rebellen müssten einsehen, dass es das Gespräch braucht. Selbst wenn es ihnen gelänge, Tigray komplett unter ihre Kontrolle zu bringen, wären sie in einer sehr unbequemen Lage. Sie wären weiterhin eingeklemmt zwischen dem hoch militarisierten Eritrea und dem Gliedstaat Amhara, der Anspruch auf Teile Tigrays erhebt. In Tigray schwenken sie in diesen Tagen die rot-gelbe Flagge der Region, viele träumen von der Unabhängigkeit. Das ist verständlich. Doch realistisch ist es nicht.

Es führt kein Weg vorbei am Dialog - die Alternative ist das Chaos. Die beste Art, ein Einsehen der Konfliktparteien zu beschleunigen, ist internationaler Druck.»


«El Mundo»: Der 100. Jahrestag eines bedrohlichen Chinas

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Donnerstag die Rolle Chinas in der Welt:

«Der Zustand von Demokratie und Menschenrechten in der Welt ist bedauernswert. Und diese Entwicklung kann nicht ohne den Hinweis auf China erklärt werden, die mit fast 1,4 Milliarden Einwohnern größte Diktatur der Welt. Heute ist das hundertjährige Jubiläum der allmächtigen Kommunistischen Partei Chinas, die den asiatischen Giganten fest im Griff hat. Das Land hat einen Staatskapitalismus entwickelt, dessen Reichtum in die Höhe geschossen ist und der in den zurückliegenden vier Jahrzehnten 600 Millionen Menschen aus extremer Armut befreit hat, ohne indes einen einzigen Schritt in Richtung individueller Freiheiten zu machen. Im Gegenteil, das Regime hat sich eingeigelt und wurde unter Präsident Xi Jinping noch autoritärer.

Xi Jinping ist der nationalistischste Staatschef Chinas seit Mao Tsetung. Peking entwickelt waghalsige Strategien, um seinen weltweiten Einfluss auszubauen. US-Präsident Joe Biden hält China für eine der Hauptbedrohungen westlicher liberaler Demokratien. Das Weiße Haus braucht die volle Unterstützung Europas, das angesichts des unzulässigen Anspruchs Chinas, immer mehr Macht unter Missachtung der Menschenrechte zu erlangen, seine Stimme erheben muss.»


«Die Presse»: bitte keine eitle Selbstgefälligkeit der EU nach Brexit

WIEN: Zu den Folgen des Brexit und der Reaktion der EU schreibt die liberal-konservative Tageszeitung «Die Presse» in Wien:

«Sechs Monate nach dem Austritt Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt und fünf Jahre nach dem Brexit-Referendum lädt die Bilanz des Landes zur Schadenfreude aufseiten der EU-Länder ein, obwohl sie nur einen Teil der Wirklichkeit widerspiegelt.(...)

Einbrüche im Warenhandel, Abwanderung von Unternehmen, Versorgungsengpässe: all diese Probleme können sich nach und nach für Großbritannien lösen, sobald die eigene Wirtschaft umgestellt und die internationale Handelspartner-Suche erfolgreich war. Der EU-Binnenmarkt ist ein gutes Modell, mit vielen Sicherheiten. Aber natürlich gibt es Alternativen. Es wäre eine Stärke der EU, aus den britischen Erfahrungen zu lernen. Sich angesichts der auftretenden Probleme allein in eitler Selbstgefälligkeit zu sonnen, zeugte hingegen von fehlender Weitsicht.»

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