«Süddeutsche Zeitung» zu Konjunkturpaket
Mehr als zwei Jahre nach ihrer Bildung macht diese Koalition, was sie von Anfang an hätte tun können: Sie gibt ihrem Bündnis eine Idee und eine Richtung.
Herausgefordert durch eine Krise, die größer kaum mehr sein könnte. Bewegt haben sich dafür alle in diesem Bündnis. Dass Angela Merkel noch mal eine Kanzlerin mit großen Würfen für Europa und für Deutschland werden könnte, hat bis vor Kurzem wahrscheinlich nicht mal sie selbst für möglich gehalten. Im Angesicht dieser Krise hat sie alle früheren Zweifel gegenüber solch großen Versprechen über Bord geworfen. Die schwäbische Hausfrau in Merkel - sie ist endgültig Geschichte.
«Münchner Merkur» zum Konjunkturpaket
Deutschland hat die medizinische Herausforderung durch die Viruskrise bemerkenswert gut gemeistert.
Das neue Konjunkturpaket stärkt die Zuversicht, dass das Land auch wirtschaftlich «mit Wumms aus der Krise» kommt. An der Börse, wo sie die Zukunft handeln, stürmen die Kurse der Aktien steil nach oben. Deutschland übernimmt damit in Europa die wichtige Rolle des Konjunktur-Zugpferds. Die Kanzlerin steht vor ihrem letzten Amtsjahr, viele haben sie als lahme Ente abgeschrieben. Aber jetzt blickt ganz Europa auf sie. Natürlich kann man über Einzelmaßnahmen streiten. Doch insgesamt wirkt das Paket stimmig, auch in seiner ökologischen Grundausrichtung. Davon profitieren nachwachsende Generationen. Die werden aber auch die gewaltige Last der neu angehäuften Schulden zu schultern haben.
«Trud»: Mehr Autos und steigender Erdölbedarf nach Corona
SOFIA: Zum künftigen Bedarf an Erdöl schreibt am Donnerstag die bulgarische Zeitung «Trud»:
«Das Coronavirus war ein weiterer Schlag auf den ohnehin nicht beliebten öffentlichen Verkehr. Der massenhaft eingeredete Nutzen der «sozialen Distanzierung» wird dazu führen, dass die Menschen einen nahen physischen Kontakt zu anderen Personen vermeiden werden. Für einen Großteil der Menschen bedeutet dies, dass sie aus dem Bus und der U-Bahn aussteigen und ins eigene Auto einsteigen werden. Auch das in den Kinderschuhen steckende Carsharing könnte ebenso zurückgehen. Das alles bedeutet, dass sofort nachdem die Psychose infolge des Coronavirus abgeflaut ist und die Menschen ihr Geld lockerer ausgeben, die Verkäufe von Privatautos explodieren werden. (...)
Das Erdöl ist das Blut der modernen Zivilisation. Wie viel wir auch über eine Welt ohne Erdöl träumen, reden und diskutieren mögen, werden wir so eine Welt nicht bald sehen.»
«Diena»: Eigenexperimente statt gemeinsamer Lösung
RIGA: Zum Umgang mit der Coronavirus-Pandemie in der EU meint die lettische liberale Zeitung «Diena» am Donnerstag:
«Zweifellos gibt es im Europäischen Parlament und in anderen Institutionen auf EU-Ebene viele wirklich weise Politiker. Doch zumindest für den Moment sieht es so aus, dass die Staats- und Regierungschefs der EU nicht besonders viel dafür tun, die Mitgliedstaaten zusammenzubringen, um die Covid-19-Krise gemeinsam zu bewältigen. Jeder Mitgliedstaat führt sein eigenes Experiment durch, für das allein die nationale Regierung verantwortlich war, ist und sein wird.»
«Dziennik»: Trumps Politik setzt auf Gewalt gegen Afroamerikaner
WARSCHAU: Die polnische Wirtschaftszeitung «Dziennik Gazeta Prawna» kommentiert am Donnerstag die Unruhen in den USA nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz:
«Die Proteste in den USA wurden ausgelöst von der Tötung George Floyds durch einen Polizisten in Minneapolis. An der Oberfläche geht es um Forderungen nach Rassengleichheit. In Wirklichkeit aber steht ganz Amerika kurz vor einem Aufstand wegen der seit Jahren wachsenden sozialen Unterschiede, die durch den wirtschaftlichen Stillstand infolge der Pandemie noch verschärft wurden. Rund 40 Millionen Menschen haben ihre Arbeit verloren. Vielen von ihnen blickt der Hunger in die Augen. Vor allem leiden die Afroamerikaner in den großen Städten, aber auch die Soja-Farmer in Iowa, die Opfer des Zollkriegs geworden sind.
Donald Trump scheint die Ausmaße des Problems nicht zu verstehen und verstärkt die Erzählung vom Rassenkonflikt. Er setzt auf eine Politik von «null Toleranz», die in den vergangenen drei Jahrzehnten hauptsächlich mit Polizeigewalt gegen schwarze Amerikaner verbunden war.»
«Rossijskaja»: Trump ist nur prominente Spitze des Eisbergs
MOSKAU: Zu den Unruhen in den USA nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz schreibt die russische Regierungszeitung «Rossijskaja Gaseta» am Donnerstag:
«Die tragische Geschichte in Minneapolis sorgt für Empörung und ist sehr bildhaft und ungeheuerlich. Aber solche Episoden sind leider keine Seltenheit, und die Folgen und Tragweite wären anders, wenn sich in der Gesellschaft nicht so viel negative Energie angesammelt hätte. Der Stress durch die Pandemie und die Ausgangsbeschränkungen haben für einen rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit gesorgt und viele Unternehmer in den Konkurs getrieben.
Das Ganze ist aber vor allem mit einer Polarisierung der Gesellschaft verbunden, die schon lange existiert. Donald Trump verkörpert diesen inneren Konflikt, und sein spezieller Stil verwandelt die politische Spaltung der Nation in eine kulturelle. Schon lange sind sich Experten einig: Die jetzige Präsidentschaft ist nur die prominenteste Spitze des Eisbergs.»
«Lidove noviny»: Grenzen dürfen nicht wieder geschlossen werden
PRAG: Tschechen und Slowaken dürfen nun wieder frei ins jeweils andere Land reisen. Zu den schrittweisen Grenzöffnungen in Europa schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Prag am Donnerstag:
«Derartige Grenzschließungen dürfen sich nicht wiederholen, genauso wie andere drastische Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Verbreitung des Coronavirus. Sie wurden in einem Moment verhängt, als uns Informationen über die neue Krankheit und Erfahrungen mit der Eindämmung der Pandemie fehlten. Man kann dafür nur schwerlich die Regierung, ihre Beamten und Hygieneexperten kritisieren. Sie mussten handeln, um eine mögliche Überfüllung der Krankenhäuser und unnötige Todesfälle zu verhindern. Doch inzwischen ist die Situation eine andere. Wir wissen viel mehr über das Coronavirus. Eine etwaige zweite Welle sollte uns nicht mehr in gleicher Weise erschüttern.»
«Libération» : Rassismus ist nicht nur ein amerikanisches Problem
PARIS: Die französischen Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt kommentiert die französische Tageszeitung «Libération» am Donnerstag:
«Frankreich wird mit einem Land verglichen, in dem die Kriminalität pro Einwohner viermal höher ist, in dem die Anzahl der Schusswaffen stark ansteigt, (...), in dem Afroamerikaner die gesetzliche Gleichheit erst in den 60er Jahren erlangt haben, in dem Rassismus offen gezeigt wird, manchmal bis ins Weiße Haus. Aus diesen Gründen begehrt die Bevölkerung dort wegen des Todes von George Floyd auf (...). In Frankreich ist also alles gut? Sicher nicht. (...) Anders gesagt, ohne einen oberflächigen transatlantischen Vergleich anzustellen, waren die (...) Proteste (in Frankreich) vollkommen legitim.»
«El País»: Brasiliens Demokratie am Abgrund
MADRID: Die spanische Zeitung «El País» befasst sich in einem Kommentar am Donnerstag mit der Lage in Brasilien, wo sich Covid-19 immer schneller ausbreitet und der rechtspopulistische Präsident Jair Bolsonaro mit den Militärs liebäugelt:
«Die Nachrichten von diesem Gesundheitsdrama, unter dem hauptsächlich die Ärmsten leiden, werden in der Regel von kurzen Analysen einer zunehmenden Isolation und Radikalisierung des Präsidenten begleitet. Dabei wird jedoch das Wesentlichste übersehen: Statt geschwächt zu werden, steuert Jair Bolsonaro (...) auf ein autoritäres Regime zu. Mit Hilfe der mehrheitlichen Unterstützung des Generalstabs, einer fanatischen politischen Basis und reaktionärster Sektoren der evangelischen Kirchen beabsichtigt der Präsident, die 1988 aus den Ruinen der Militärdiktatur geborene Neue Republik zu zerstören. Alles unter den gleichgültigen Blicken der internationalen Gemeinschaft.
Die drohende Gefahr eines Staatsstreichs lässt sich nicht allein mit der politischen Orientierungslosigkeit erklären, die durch die aktuelle Pandemie ausgelöst wurde. Stattdessen legt sie die fortschreitende Schwächung der Demokratie offen, ein Prozess, den die finanziellen, politischen und medialen Eliten der westlichen Welt unterschätzt haben. (...) Die Situation ist explosiv, und die Demokratie steht am Rande des Abgrunds. Aber diesmal wird niemand überrascht tun können.
Das Ende der brasilianischen Demokratie hätte schwerwiegende internationale Konsequenzen. Abgesehen von dem möglichen Dominoeffekt auf einem Kontinent, der durch eine Reihe schwerwiegender politischer Krisen zerbrechlich ist, droht die Beschleunigung der Abholzung des Amazonas zu einer schwerwiegenden Umwelt- und Menschheitskrise zu führen mit unabsehbaren Folgen für das Klima.»
«Corriere della Sera»: Großmächte können Chaos in Libyen stoppen
ROM: Zum Dauerkonflikt in Libyen sowie der Rolle der USA und Russlands in dem Bürgerkriegsland am Mittelmeer schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Donnerstag:
«Von den europäischen Regierungen, Italien an der Spitze, hört man immer wieder die gleichen Worte: In Libyen «gibt es keine militärische Lösung», und nur Diplomatie kann Frieden bringen. (...) Doch Achtung, es könnte eine grundlegende Änderung bevorstehen. Wenn nämlich die zunehmend beteiligten Großmächte des Bürgerkriegs überdrüssig werden, der in Zeiten von Pandemien und Wahlen (in den USA) nebensächlich erscheint. Wenn die wirklich wichtigen Hauptstädte die persönlichen, politischen und sogar militärischen Verschleißerscheinungen der beiden Gegner in Bengasi und Tripolis voll erkennen. (...)
Was nämlich das libysche Chaos wirklich verändern und uns mehr Sicherheit geben würde, wird nur die Müdigkeit der Weltmächte sein, ihr Wille, nicht mehr mit dem Feuer zu spielen. Die Alternative ist eine Eskalation im Mittelmeerraum und in Nordafrika, die weder den Interessen Moskaus noch den Interessen Washingtons entsprechen dürfte. Eine solche wäre sicher auch nicht im Interesse Italiens, das sich weit entfernt vom «Kontrollraum» befindet, der von ganz anderen beherrscht wird.»
«De Standaard»: Schwierige Abwägung zwischen Vergnügen und Risiko
BRÜSSEL: Zur weiteren Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen in Belgien meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Donnerstag:
«Bis vor kurzem war alles verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt war. Jetzt ist alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Auf diese Weise versüßte die Regierung gestern ihre Botschaft. In Wirklichkeit gehen wir jedoch strenger mit uns um, als es die Regierung uns auferlegt. (...)
Diese Art von Selbstrestriktion ist politisch und psychologisch viel gesünder als ein von der Regierung mit harter Hand durchgesetzter Lockdown. Wirtschaftlich betrachtet, ist es aber etwas völlig anderes. Unsere Lebensart, gemeinsam gepflegt Essen und Trinken zu gehen, Kultur und Veranstaltungen zu genießen, wird nur überleben, wenn jetzt genügend Menschen in die Gänge kommen. Das Vergnügen muss das Risiko aber wert sein. Das wird noch eine schwere Entscheidung.»
«Rzeczpospolita»: Trump will die Herrschaft der Weißen bewahren
WARSCHAU: Zu den Unruhen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz schreibt die konservative polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Donnerstag:
«Die heftigen Zusammenstöße von Demonstranten mit der Polizei, die seit zehn Tagen die USA erschüttern (...), sind auch ein Ergebnis der riesigen Frustration ethnischer Minderheiten, die in diesem Land seit Jahrzehnten wächst. Schwarze, Latinos und Asiaten leben auf einem schlechteren Niveau als Weiße, haben weniger Chancen auf ein ordentliches Studium und eine anständige Krankenversicherung. Die Pandemie hat diese Kontraste noch verschärft.
Das brennende Amerika zeigt, dass Reformen unumgänglich sind. Die Weißen fühlen sich heute noch sicher. Aber schon bald werden sie in der Minderheit sein. Geht man davon aus, dass Amerika eine Demokratie bleibt, dann könnten sie bald gezwungen sein, die Macht an die heutigen ethnischen Minderheiten abzugeben. Diese könnten zu radikalen Methoden greifen, wenn der Aufbau einer gerechteren Gesellschaft nicht bald beginnt. Eine Mauer mit Mexiko, Verfolgung illegaler Migranten, niedrigere Steuern für die Reichen und Kürzung von Sozialleistungen: Donald Trump versucht, die Macht der Weißen in Amerika zu bewahren. Aber das ist ein Kampf gegen Windmühlen.»
«NZZ»: Hongkong droht ein massiver Braindrain
ZÜRICH: Angesichts des geplanten chinesischen Sicherheitsgesetzes für Hongkong will Großbritannien vielen Bewohnern der Stadt die Einwanderung ermöglichen. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Donnerstag:
«Zwar werden nie alle Berechtigten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Doch es ist davon auszugehen, dass die wirtschaftlich Erfolgreichen und gut Ausgebildeten die Gelegenheit als Erste ergreifen werden. Der Braindrain wäre wohl massiv und Hongkong nicht mehr das Finanz- und Wirtschaftszentrum, das es heute ist. Kein Wunder, wettert Peking gegen London und bezeichnet das Vorhaben als Einmischung in seine internen Angelegenheiten. (...)
Hongkong ist vor allem als internationaler Finanzplatz für die chinesischen Machthaber sehr wertvoll. Wenn das Hongkonger Rechtssystem nicht mehr unabhängig ist und wenn die internationalen Firmen abziehen, dann geht dieser Wert verloren. Der drohende Braindrain erhöht die Kosten zusätzlich. Doch eines darf nicht vergessen werden: Grundsätzlich kann Peking in Hongkong schalten und walten, wie es will. Wenn es bereit ist, den entsprechenden Preis zu bezahlen, kann niemand daran etwas ändern.»
«The Times»: China könnte immer noch einlenken
LONDON: Großbritannien stellt vielen Einwohnern Hongkongs die britische Staatsbürgerschaft in Aussicht. Dazu meint die Londoner «Times» am Donnerstag:
«Die Idee, dass Hongkong und China zwei Systeme in einem Land seien, klang nie nach einer stabilen Basis für eine Nation. Dennoch hat sie einigermaßen funktioniert, seit Großbritannien 1997 die Kontrolle über Hongkong an China abgab. Das Freiheitsversprechen für die einstige Kolonie wurde in einer gemeinsamen Erklärung festgehalten, einem juristisch bindenden Vertrag gemäß den Vereinten Nationen. Im vergangenen Monat hat Chinas Nationaler Volkskongress dieses Versprechen gebrochen, als er für ein Sicherheitsgesetz stimmte, das Hongkongs Autonomie beschneidet.
Nun geht es um zwei parallele Aufgaben. Erstens sollte die Regierung den konkreten Weg zur Erlangung der britischen Staatsbürgerschaft für jene Einwohner Hongkongs darlegen, die nach Großbritannien kommen wollen. (...) Die zweite Aufgabe besteht darin, nach der Hoffnung zu handeln, dass dieses Angebot sich als unnötig erweisen wird. Denn es ist keineswegs zu spät für China, nachzugeben und das Gesetz zurückzuziehen.»
«Público»: Trump als Brandstifter
LISSABON: Die portugiesische Zeitung «Público» kommentiert am Donnerstag die Reaktion von US-Präsident Donald Trump auf die Demonstrationen und Unruhen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz:
«Trump verhält sich wie ein Pyromane, der unwiderstehlich vom Chaos angezogen wird, um dann seine Vorstellung von Recht und Ordnung walten zu lassen, was nichts anderes ist, als die Zwangsjacke für diejenigen enger zu schnüren, die ihn herausfordern, und das in einer zu Beginn seiner Amtszeit unvorstellbaren Krise.
Wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen schafft es Trump nicht, die Covid-19-Krise zu bewältigen, die zu mehr als 100 000 Toten und 40 Millionen Arbeitslosen führte, und ihm fällt angesichts des durch den Tod von George Floyd verursachten Aufstands nichts anderes ein, als die Ursachen der Gewalt noch weiter zu verschärfen.»
Leserkommentare
Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.