Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Einbruch der Steuereinnahmen/Corona

Zwar ist der Einbruch bei den Steuereinnahmen in diesem Jahr nicht ganz so stark wie noch im Mai geschätzt.

Dafür reißt die Pandemie im kommenden Jahr ein 400-Millionen-Euro-Loch. Gerade im so wichtigen Dienstleistungssektor wird es mittelfristig keine Rückkehr zu den Erfolgszahlen der vergangenen Jahre geben. Das bedeutet für den Finanzsenator: Die Steuereinnahmen werden sich nicht schnell erholen. Eigentlich müsste die Politik nun sparen, sich auf die Kernbereiche wie den Arbeitsmarkt und Wirtschaftshilfen konzentrieren. Vom rot-rot-grünen Bündnis ist aber ein Jahr vor der nächsten Abgeordnetenhauswahl kein Sparprogramm mehr zu erwarten. Die Koalition geht den für sie einfachen Weg der Neuverschuldung. Der Rechnungshof hat schon vor der Gefahr einer neuen Haushaltsnotlage gewarnt. Berlin stehen schwere Jahre bevor.


«Münchner Merkur» zu Johnson

Wieder einmal fragt sich die Welt: Was geht in dem blonden Wuschelkopf dieses Premierministers vor, der bereits im Journalismus an seiner Unseriosität gescheitert ist? Nach rationalen Maßstäben lässt die Faktenlage nur einen Schluss zu: Der Tory-Chef blufft nicht.

Er ist an einem Handelsvertrag mit der EU offenbar nicht interessiert, weil er keine Kompromisse eingehen will, sondern an seinem Bild als Befreier Großbritanniens von allen europäischen "Fesseln" bastelt. Ausgerechnet in der sensiblen Irland-Frage den Bruch zu riskieren und den kurzfristigen Vorteil über den guten Ruf Großbritanniens in der Welt zu stellen, ist das Werk eines verantwortungslosen politischen Hasardeurs. Verlieren werden am Ende alle - in Britannien, in Europa und in Deutschland.


Internationale Pressestimmen zu Vettels Wechsel zu Aston Martin

BERLIN: Nach der Ausmusterung bei Ferrari wird Sebastian Vettel von der nächsten Saison an für das britische Werksteam Aston Martin starten. Zu dem Wechsel des 33-Jährigen Deutschen schreiben internationale Medien:

GROSSBRITANNIEN:

«The Guardian»: «Der Zeitpunkt für Vettels Ankündigung scheint so arrangiert worden zu sein, um Ferraris Feier zum 1000. Formel-1-Rennen in Mugello in den Schatten zu stellen. Vettel hatte klargemacht, dass er die Formel 1 weiterhin genießt und unbedingt weitermachen möchte. Der 33-Jährige hat einigen Erfolg mit Ferrari gefeiert, machte jedoch Fehler, die sich als kostspielig erwiesen, und wurde von Lewis Hamilton geschlagen, der die letzten drei Titel hintereinander gewann.»

«The Telegraph»: «Nachdem Ferrari seinen Vertrag im Mai so abrupt gekündigt hatte, wird es Vettel wahrscheinlich nicht bereuen, dass er seinem Arbeitgeber mit Blick auf das Jubiläum in Mugello an diesem Wochenende die Show gestohlen hat.»

SPANIEN:

«As»: «Sebastian Vettel hat das Drehbuch des Großen Preises der Toskana umgeschrieben. Seb stiehlt seinem Rennstall die Hauptrolle in der Woche, in der Ferrari diese wiedergewinnen wollte.»

«Mundo Deportivo»: «Vettel hat sich entschieden, auf die Option von Aston Martin und Strolls Millionen zu setzen. Diese sehen in «Seb» die Erfahrung, die Führungsfähigkeit, das Engagement und den Fleiß, den sie für ein Projekt suchen, das in einigen Jahren ein Siegerprojekt sein soll.»

ITALIEN:

«Gazzetta dello Sport»: «Vettel unterschreibt bei Aston Martin bis 2021 und trifft damit Ferrari. Agent Vettel, Mission Erlösung. Der neue 007 spricht deutsch. Personen, die Sebastian Vettel nahe stehen, schwören, dass das Timing keine Absicht war. (...) Aber die Nachricht von seinem Wechsel zu Racing Point hatte ein Monopol in den Medien und hat Ferrari vor dem GP von Mugello und der Feier zum 1000. GP von Ferrari die Schau gestohlen.»

«Corriere dello Sport»: «Die Unterschrift des deutschen Fahrers kommt am Vorabend des Großen Preises der Toskana, wo Ferrari sein 1000. Formel-1-Rennen feiern wird. Eine Nachricht, die trotz der rituellen Dementis schon seit einiger Zeit im Fahrerlager kursierte. Vettel bringt als Mitgift für das britische Team vier Weltmeistertitel und eine absolute Führungsposition mit: Die Übernahme eines der wichtigsten Fahrer der Formel 1 bestätigt die Ambitionen des von Lawrence Stroll geführten Teams.»

«La Repubblica»: «Eine Ankündigung, die nach den Gerüchten der letzten Monate erwartet wurde und fast vorhersehbar war, nachdem Sergio Pérez die Mannschaft und ihre Fans begrüßt hatte und erklärte, dass seine Geschichte mit Racing Point Ende 2020 enden würde. Vettel, 33 Jahre alt, viermaliger Weltmeister, wusste, dass er nicht mit dem Cavallino weitermachen würde. Racing Point, «Kopie» des Mercedes 2019, erweist sich als sehr konkurrenzfähig und strebt den Aufstieg an die Spitze des Startfeldes an.»

«Corriere della Sera»: «Unhöflichkeit beim Fest, Aston verkündet die Verpflichtung von Seb. In Mugello findet erstmals ein Formel-1-Rennen statt, das 1000. von Ferrari. Es sind keine glücklichen Zeiten, aber Geschichte ist Geschichte. (...) Schade, dass sich im Zuhause von Ferrari die Spielverderber eingeschlichen haben: Die Ankündigung des Wechsels von Sebastian Vettel zu Racing Point verströmt eine Aura der Unhöflichkeit. Möge die Feier beginnen.»

«Tuttosport»: «Der Abschied von Vettel verdirbt die Party.»

SCHWEIZ:

«Blick»: «Am 12. Mai wurde der Wahlschweizer von Ferrari zum Saisonende entlassen. Noch vor dem Start in die Corona-Saison! Jetzt ist Vettels neuer Arbeitgeber offiziell bekannt. Drei Tage vor dem Jubiläums-Rennen (1000. GP) von Ferrari in Mugello. Damit kann Vettel nach bisher 248 Rennen und 53 Siegen medienmäßig seinem jetzigen Team noch etwas in die Suppe spucken und sein Noch-Team etwas aus dem Rampenlicht nehmen.»

ÖSTERREICH:

«Kurier»: «Vergeblich versuchte er seinem Kindheitsidol Michael Schumacher nachzueifern und gibt seinen Wechsel nun ausgerechnet vor Ferraris 1000. Grand Prix in Italien am Sonntag bekannt. Gerüchte über das Anbandeln mit dem Team aus Silverstone hatten sich im Umfeld der Rennserie zuletzt hartnäckig gehalten.»


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur europäischen Asylpolitik

(.) Zur Absurdität der Lage auf Lesbos gehörte es bislang, dass jede Hilfe an der Abschottungspolitik scheiterte, die in der Ägäis seit Monaten das fragile Abkommen mit der Türkei faktisch abgelöst hat.

Tausende Migranten, wie die auf Lesbos, warteten vergeblich auf ein Asylverfahren. Daran scheiterte wiederum ihre Verteilung. (.) Anerkannte Flüchtlinge aufzunehmen wäre ein Mittel, um Griechenland an seine Verantwortung zu erinnern. Weder darf sich Griechenland vollends aus den Trümmern der EU-Asylpolitik stehlen, noch kann Deutschland darüber hinwegsehen, dass wir es immer noch mit den Spätfolgen der Flüchtlingskrise von 2015 zu tun haben. Die EU-Kommission will demnächst einen Ausweg aus der Sackgasse weisen. Es wäre eine große Überraschung, wenn alle EU-Staaten mitmachten.(.).


«Die Welt» zur jüngsten Steuerschätzung

Die Freibierrunden der vergangenen Jahre, die in der Politik seit dem Auftreten der Staatsschuldenkrise ausgerufen wurden, gehen in der Regel auf Kosten der Spitzensteuerzahler. Bislang schien die Rechnung einigermaßen für alle aufzugehen, aber das könnte sich in der Volatilität der Gegenwart zügig ändern. Durch Corona sind die Steuereinnahmen 2020 stark gesunken, und sie werden für 2021 stärker sinken als angenommen. Gleichzeitig scheffelt die Bundesregierung Milliardenberge in die kriselnde Gesellschaft und schafft im Post-Lockdown groteske Realitäten. Eine aktuelle Statistik zeigt, dass es im August so wenige Insolvenzen gab wie seit Jahren nicht mehr. Da wird aus der Großzügigkeit eine Luxusverwahrlosung - während es an Luft fehlt für Innovationen.

Den vollständigen Kommentar lesen Sie unter: welt.de/meinung


«Frankfurter Rundschau» zu Flüchtlingsdrama auf Lesbos

Noch tiefer kann die EU nicht sinken, dachte man nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria und den erschütternden Bildern von erneut flüchtenden Flüchtlingen.

Doch dann muss man bitter feststellen: Sie kann. Die Staatsoberhäupter wollen lediglich 400 unbegleitete Minderjährige von den knapp 13000 Obdachlosen von Lesbos in den EU-Staaten verteilen - unter anderem, weil nur 17 von 27 EU-Staaten sie aufnehmen wollen. Die anderen bekommen Feldbetten und müssen sich teils gegen aufgebrachte griechische Inselbewohner erwehren. Und das alles, obwohl hierzulande Städten und Gemeinden Hunderte der Hilfesuchenden aufnehmen würden. All jene, die mit dieser Politik abschreckende Bilder produzieren wollten, damit Flüchtlinge nicht mehr nach Europa kommen, sei gesagt: Die Hilfesuchenden kommen trotzdem. Doch nicht nur die Betroffenen auf Lesbos leiden. Europa wird unglaubwürdig. Warum soll noch irgendjemand auf Hinweise oder Forderungen der EU hören, doch bitte die Menschenrechte einzuhalten?.


«Süddeutsche Zeitung» zu Peter Altmaiers Klima-Charta

In jedem Fall öffnet der neue Kurs die Union stärker für Schwarz-Grün.

Und sollte tatsächlich, wie es Altmaier vorschwebt, noch vor der Wahl eine parteiübergreifende "Charta für Klimaneutralität und Wirtschaftskraft" entstehen, wäre das Thema Klima für den Wahlkampf erledigt. Obendrein muss auch Peter Altmaier feststellen, dass die deutsche Wirtschaft mittlerweile weiter ist als ihr Wirtschaftsminister. Selbst große Konzerne peilen eine Zukunft ohne CO2 an; und als Bremser vom Dienst möchte er nicht in die Geschichte eingehen. Es gibt viele Gründe, warum Altmaier, wenn nicht vom Saulus, so doch vom Peter zum Paulus wird.


«Duma»: Gender-Politik auch bei Berlinale

SOFIA: Zur Entscheidung der Berlinale, Schauspieler nicht mehr getrennt nach Geschlecht auszeichnen, schreibt am Donnerstag die bulgarische Zeitung «Duma»:

«Jeder, der aus irgendeinem Grund etablierte Regeln nicht mehr mag, zieht es in letzter Zeit vor, sie zu verändern. Nach diesem tückischen Schema handeln auch die Organisatoren des berühmten Berliner Filmfestivals, indem sie vom kommenden Jahr an die Auszeichnungen für die beste Frauenrolle und die beste Männerrolle abschaffen. Von nun an werde bei der Vergabe des Silbernen Bären das Geschlecht des Schauspielers nicht mehr berücksichtigt, sondern nur die Darstellung. Die Gender-Politik, die man nun versucht, praktisch überall zu lancieren, verursacht mit ihrem Einzug in die siebte Kunst einen schweren Schlag auf das Fundament des Films.»


«New York Times»: Trump war in Sachen Corona nicht ehrlich

NEW YORK: Zu den Mitschnitten aus Interviews mit US-Präsident Donald Trump zu Beginn der Corona-Pandemie schreibt die Zeitung «New York Times» am Donnerstag:

«Fast 200.000 Menschen in den Vereinigten Staaten sind bereits gestorben, und Hunderttausende weitere sind schwer erkrankt - oft gefolgt von einer langsamen und schwierigen Genesung und in einigen Fällen von dauerhafter Behinderung. Millionen Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren, und Millionen stehen kurz davor, ihr Zuhause zu verlieren. Schul- und Pflegesysteme haben Mühe, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Wirtschaft liegt in Trümmern. Stellen Sie sich vor, wie dieses Bild heute aussehen könnte, wenn der Präsident am 7. Februar ehrlich zur amerikanischen Öffentlichkeit gewesen wäre, die Antwort der Nation auf die Pandemie besonnen in die Hand genommen und sein Bestes getan hätte, um sie zu schützen.»


«Pravo»: Staat muss bei Corona jetzt durchgreifen

PRAG: Zum Kampf gegen das Corona-Virus angesichts steigender Infektionszahlen schreibt die tschechische Zeitung «Pravo» am Donnerstag:

«Man hat in Brasilien und Belarus - ein wenig auch in den USA und in Schweden - versucht, mit Covid-19 Russisch Roulette zu spielen. Das hatte keinen Erfolg. Man kann nur auf mal härtere, mal weichere Restriktionen setzen. Nur an die freiwillige Verantwortung der Menschen zu appellieren, reicht offensichtlich nicht aus. Wenn der Staat die Maskenpflicht, das Abstandsgebot und strenge Hygieneregeln wirklich durchsetzt, können wir es vielleicht noch vermeiden, dass Geschäfte, Schwimmbäder, Kneipen oder sogar die Grenzen geschlossen werden müssen. Niemand will, weiß Gott wie lange zwischen vier Wänden hocken müssen. Daher sollten die Maßnahmen der Exekutive gezielt und konsequent sein.»


«Latvijas Avize»: Zukunft liegt in Händen des belarussischen Volkes

RIGA: Zur Lage im benachbarten Belarus (Weißrussland) meint die national-konservative lettische Zeitung «Latvijas Avize» am Donnerstag:

«Niemand hat erwartet, dass die Proteste friedlich und so lange anhalten würden. Gleiches gilt für die Tatsache, dass die Revolution so viele Erscheinungsformen annimmt. Die Belarussen reagieren wie in einem echten Partisanenkrieg unvorhersehbar und plötzlich auf den brutalen Druck und jede Bedrohung durch die Machthaber. (...) Und was macht die Welt? Wie immer beobachten, kommentieren, verurteilen, mit Sanktionen drohen. Dies bedeutet, dass trotz der Repressionen, einer möglichen militärischen Besetzung durch Russland und der wirtschaftlichen Abhängigkeit die Zukunft in den Händen des belarussischen Volkes selbst liegt.»


«Hospodarske noviny»: Deutsche Haltung zu Russland ändert sich

PRAG: Die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien schreibt am Donnerstag zu den internationalen Reaktionen auf den Fall des mutmaßlich vergifteten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny:

«Die Reaktionen auf den Fall Nawalny zeigen, dass sich der geopolitische Kontext geändert hat. Der Westen reagiert auf die immer bestimmter auftretende Politik Moskaus. Am deutlichsten ist das am Vorgehen Deutschlands zu erkennen, das bisher, statt Sanktionen zu verhängen, lieber die Kommunikationskanäle offengehalten hat. Doch nun sind aus Berlin sogar Zweifel am Milliardenprojekt Nord Stream 2 zu hören, obwohl es fast vollendet ist. Dabei wurde die Pipeline von Anfang an oft dafür kritisiert, dass sie die Energieabhängigkeit von Russland steigert und Polen sowie die Ukraine umgeht. (...) Die Gründe für den Meinungsumschwung in Deutschland sind nachvollziehbar. Denn wer Schwäche zeigt, wird als Schwächling behandelt.»


«Sme»: Nawalny bietet Merkel eine Chance zur Umorientierung

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» schreibt am Donnerstag zur Diskussion um einen Baustopp für das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 nach dem Giftanschlag auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny:

«Als Minimum ist anzunehmen, dass die Giftbesessenheit des Putin-Regimes die Paradigmen der ganzen deutschen Debatte über Nord Stream 2 umdreht, bei der bisher das Narrativ vorherrschte, nicht der «Erpressung» durch (US-Präsident Donald) Trump nachzugeben. (...) Die Worte der Kanzlerin, dass sie einen Abbruch von Nord Stream 2 nicht mehr ausschließe, bedeuten einen Wendepunkt. (...)

Am Ende sieht es gar so aus, als käme das Attentat auf Nawalny für die Kanzlerin gerade zum richtigen Zeitpunkt, wenn sie sich zum Abschied von ihrer Kanzlerschaft als werteorientierte demokratische Politikerin präsentieren will. Nawalny bietet ihr nämlich die einzigartige Möglichkeit, sich von Nord Stream 2 so zurückzuziehen, dass es nicht mehr nach einem Nachgeben gegenüber Trump aussieht. Es wäre übertrieben zu behaupten, dass Nawalny die deutsche Ostpolitik umschreibt. Aber so eine Gelegenheit, den Eindruck ihrer bisherigen Zwiespältigkeit und Unterordnung unter Geschäftsinteressen auszuräumen, hat sich noch nie geboten.»


«La Repubblica»: Ein Scheinwerfer auf Europas Schande

ROM: Die römische Tageszeitung «La Repubblica» schreibt am Donnerstag zum Großbrand im Flüchtlingslager von Moria:

«Auf dem Feld der Schande geht die Nacht, aber das Schwarze bleibt. Das Dunkel der Gerippe der Container, die für Tausende Menschen ein zu Hause waren. Fetzen von Zelten, geschwärzte Pappe, die immer noch zwischen den Ölbäumen brennt und die Erinnerungen und Dokumente und damit die Identität der Verzweifelten von Moria zu Staub werden lässt. Das Feuer hat ihre Zukunft zerstört. (...) Die Flammen von Lesbos haben wieder einmal einen hellen Scheinwerfer auf die Schande Europas geworfen. Wir werden sehen, was sie am Ende zurücklassen.»


«Le Figaro»: Lage in Lesbos bringt deutsche Regierung in Bedrängnis

PARIS: Die Folgen des Brands im Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos für die EU kommentiert die französische Zeitung «Le Figaro» am Donnerstag:

«Das Feuer im Aufnahmezentrum für Migranten und Flüchtlinge in Moria auf der Insel Lesbos hat die Regierung von Angela Merkel in eine Notlage gebracht.(...) Die Grünen, die Liberalen, die radikale Linke (die Linke) sowie ein Teil der Sozialdemokraten kritisieren nachdrücklich eine als zu zaghaft angesehene Migrationspolitik, obwohl das Land in fünf Jahren mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat. Die AfD hingegen sieht die Tragödie in Lesbos als Frucht einer Politik Deutschlands, die sie (die AfD) für zu einladend hält und die sie beschuldigt, eine Sogwirkung geschaffen zu haben.

Diese Situation und insbesondere die große Angst vor der äußersten Rechten bringen die Regierung von Angela Merkel in Schwierigkeiten. Laut Paris würde das die Zurückhaltung des deutschen Verbündeten - der (derzeit) die EU-Ratspräsidentschaft innehat - erklären, in Brüssel auf ein Gemeinschaftsabkommen über die Verteilung von Asylbewerbern zu drängen.»


«Dagens Nyheter»: Deutschlands Außenminister weist den Weg

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Donnerstag die Reaktionen auf den Brand in dem Flüchtlingslager Moria:

«Das Feuer in Moria ist eine wichtige Fackel im Medienlärm, die ihr Licht auf eine prekäre und andauernde Situation wirft: die Flüchtlingskrise. Sie existiert heute genauso wie im Herbst 2015. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die EU die Grenze geschlossen hat und dem Despoten Erdogan 60 Milliarden Kronen gibt, damit die Türkei die Millionen Menschen in Lagern und außerhalb der EU-Grenze hält.(.) Stellen Sie sich vor, das Feuer könnte den politischen Willen und die Fähigkeit wecken, systematisch deutlich mehr notleidende Menschen in Europa aufzunehmen. Der deutsche Außenminister weist den Weg, wenn er jetzt sagt, dass die Asylbewerber auf Lesbos evakuiert und in der gesamten EU verteilt werden sollten.»


«La Vanguardia»: Nach dem Brand in Moria muss die EU handeln

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Donnerstag den Brand in dem griechischen Flüchtlingslager Moria:

«Tausende Flüchtlinge, deren ohnehin wenige Habseligkeiten vom Feuer in dem völlig überfüllten Lager vernichtet wurden, irren jetzt auf der Insel herum oder versuchen, zur Hauptstadt Mytilene zu gelangen. Die Gefahren, denen die Flüchtlinge ausgesetzt sind, nachdem sie jegliche Bleibe verloren haben, sind immens. Durch die Pandemie sind auch die Gefahren für die Inselbevölkerung gewachsen.

Das tägliche Elend, dem die Flüchtlinge schon vor dem Brand ausgesetzt waren, findet auf europäischem Boden statt. An einer europäischen Außengrenze, ja, nur ein paar Kilometer vor der türkischen Küste. Aber in Europa. Verantwortlich ist in erster Linie die griechische Regierung. Verantwortlich ist aber auch die Europäische Union, zu der Griechenland gehört und die angesichts eines solchen Dramas, das sich seit Jahren auf ihrem Territorium entfaltet, nicht teilnahmslos bleiben sollte.»


«Kommersant»: Zwischen Berlin und Moskau droht Systemkrise

MOSKAU: Zur Vergiftung des an der Berliner Charité behandelten Kremlkritikers Alexej Nawalny und den politischen Folgen des Skandals schreibt die Tageszeitung «Kommersant» in Moskau am Donnerstag:

«Der Fall des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny, der in Berlin zur Behandlung liegt, wächst sich zu einer neuen Systemkrise in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen aus. Nachdem Deutschland Vorwürfe erhoben hat, hat sich nun die Gruppe der sieben großen Industrienationen insgesamt dem Druck auf Moskau angeschlossen. Die G7 beschuldigen Russland, Nawalny vergiftet und gegen das Verbot zur Anwendung von Chemiewaffen verstoßen zu haben.

Deshalb entwickelt sich das Verhältnis zwischen Moskau und Berlin nun nach dem schlechtesten Szenario. Berlin fordert von Moskau Ermittlungen. Und Russland wirft Deutschland vor, eine antirussische Kampagne zu schüren und den Dialog abzulehnen. Die Gefahr eines Bruchs in den russisch-deutschen Beziehungen bringt Moskau dazu, die Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Dialogs mit der EU zu begraben und sich auf eine neue Konfrontation mit den USA einzustellen.»


«Adressavisen»: Wir hätten die Kinder aus Moria längst holen sollen

TRONDHEIM: Die konservative norwegische Tageszeitung «Adressavisen» (Trondheim) kommentiert am Donnerstag die Reaktionen auf den Brand in dem Flüchtlingslager Moria:

«Es musste also zu einem Großbrand kommen, damit Norwegen sein Versprechen einhält. Norwegen ist ein sehr reiches Land und hat eine lange Tradition, Menschen in Not zu helfen. Wir hätten früher reagieren müssen. Wir stimmen mit Erna Solberg darin überein, dass es ein gemeinschaftlicher europäische Akt sein sollte, den Kindern in den Flüchtlingslagern zu helfen. (...) Leider kann Griechenland nicht jeden aufnehmen, der kommt. Deshalb haben andere europäische Länder die Pflicht, in Krisensituationen zu helfen. In Moria und anderen Lagern hat die Krise lange gedauert. Dass Norwegen jetzt 50 Menschen aufnimmt, sollte als Anfang betrachtet werden.»


«The Irish Times»: EU braucht Strategie zur Flüchtlingsumsiedlung

DUBLIN: Zum Großbrand im Flüchtlingslager Moria meint die in Dublin erscheinende «Irish Times» am Donnerstag:

«Vor allem werden jetzt Zelte und grundlegende Versorgungsgüter benötigt. Aber diese Tragödie hat auch die dringend erforderliche Aufmerksamkeit auf die längerfristige Zukunft der gestrandeten Flüchtlinge in einem Europa gelenkt, das ihnen zunehmend feindlich gesinnt ist. Die Staats- und Regierungschefs der EU versprachen sofortige Hilfe. Und es gab einige Angebote zur Aufnahme von Migranten - ein deutsches Bundesland erklärte sich bereit, 1000 der Lagerbewohner im Rahmen eines größeren Umsiedlungsprogramms zu beherbergen. Höchste Priorität muss aber eine neue und dringende Fokussierung in Brüssel auf eine gemeinsame EU-Strategie zur Umsiedlung von Flüchtlingen haben.»


«de Volkskrant»: Griechische Flüchtlingslager dienen als Warnung

AMSTERDAM: Zur Reaktion der EU auf den Großbrand im Flüchtlingslager von Moria meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Donnerstag:

«In allen Tonarten erklären die EU-Staaten sich nun solidarisch mit Griechenland. Das ist ein Deckmantel. Es hat lange gedauert, aber jetzt hat die Corona-Pandemie auch das Versagen der europäischen Migrationspolitik in vollem Umfang bloßgestellt. Der Lockdown im Flüchtlingscamp Moria war Dienstagnacht der Auslöser für die Verwüstung des Lagers. (...)

Die EU bietet zwar praktische und finanzielle Hilfe an. Derweil sollte es aber über die geheime Agenda in den meisten europäischen Hauptstädten keine Missverständnisse geben. Schon seit Jahren dienen die griechischen Flüchtlingslager vor allem als Warnung für jeden in Afrika und Asien, der darüber nachdenkt, sein Glück in Europa zu versuchen: Tu es nicht, denn hier bleibst du im griechischen Morast stecken.»


«Tages-Anzeiger»: Moria ist ein Symbol für Europas Scheitern

ZÜRICH: Der Zürcher «Tages-Anzeiger» kommentiert am Donnerstag den Großbrand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos:

«Das Flüchtlingslager in Moria auf der Insel Lesbos war schon vor dem Feuer eine Blamage. Jetzt, da ein Brand das Camp zerstört hat, ist es unübersehbar zum Symbol für Europas Scheitern geworden. (...)

Es bräuchte endlich europäische Asylzentren mit einheitlichen Verfahren entlang der Außengrenzen. Und europäische Rückführungsabkommen mit den wichtigsten Herkunftsländern. Wenn Asylverfahren nicht mehr endlos dauern und Rückführungen abgewiesener Migranten nicht mehr die Ausnahme sind, wäre die Frage der Umverteilung, die bisher jede europäische Asylreform blockiert hat, politisch nicht mehr so brisant. Viele, die in Moria gestrandet sind, haben keinen Anspruch auf Asyl. Europa kann nicht alle aufnehmen, die vor wirtschaftlicher Misere fliehen. Europa sollte aber mit allen, die kommen, menschenwürdig umgehen, bis ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist.»


«NZZ»: Europäer müssen auf Moria politische Antwort geben

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag den Großbrand im griechischen Flüchtlingslager Moria:

«Eine gemeinsame europäische Asyl- und Migrationspolitik wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Zu unterschiedlich sind die Positionen in den Mitgliedstaaten der EU. Aber das bedeutet nicht, die unhaltbaren Verhältnisse auf den griechischen Inseln einfach hinzunehmen. Die Verschnaufpause sollte vielmehr dazu genutzt werden, wenigstens auf drei Gebieten handlungsfähig zu werden. Erstens müssen die Asylsysteme an der Außengrenze auf einen Stand gebracht werden, dass innerhalb weniger Monate entschieden werden kann, ob ein Antragsteller Anrecht auf Schutz hat oder nicht. Zweitens sollen Rückführabkommen mit den Herkunftsstaaten geschlossen werden, die mit wirtschaftlichen Anreizen und der Möglichkeit zu legaler Migration verbunden sind. Und drittens sollen jene Staaten, die bereit sind, anerkannte Flüchtlinge aufzunehmen, deren Verteilung verbindlich untereinander regeln.

Die Katastrophe auf Lesbos verlangt nicht in erster Linie nach einer humanitären, sondern nach einer systemischen, also politischen Antwort. Es geht dabei um die Behebung eines Politikversagens, das seit Jahren unnötiges Leid über Zehntausende bringt.»

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Leserkommentare

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