Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Digitalisierung/Berliner Verwaltung

Für Kai Wegner, Franziska Giffey und die anderen schwarz-roten Koalitionäre in spe ist es keine gute Nachricht: Der Vorstandschef von Berlins landeseigenem IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) wirft entnervt das Handtuch.

Zu wenig dynamisch schien Marc Böttcher auf der Verwaltungsseite der Prozess, um wirklich alle Behörden des Landes mit einer zentral gemanagten und auch gesicherten IT-Struktur auszustatten. Zu wenig ausgeprägt der Wille, das nötige Geld zum Erhalt leistungsfähiger IT auch wirklich konstant bereitzustellen. Und auch die zögerliche Bereitschaft, die dringend nötigen Gehaltserhöhungen für die auch anderswo sehr gefragten IT-Spezialisten zu erlauben, haben den Manager frustriert. Er will sich das Dilemma nicht weiter zumuten. Das Risiko besteht jetzt, dass sich nach dem Weggang des Vorstandes kein fähiger IT-Manager findet, der die überaus anspruchsvolle Aufgabe angeht, die unterschiedlichen Welten von Digitalisierung und Behäbigkeit einer Verwaltung zu versöhnen. Das droht, den Sprung der Berliner Behörden ins 21. Jahrhundert zu bremsen.


«Stuttgarter Zeitung» zum Beben an den Banken

Könnten bald weitere Dominosteine fallen? Wenn Regierungen und Zentralbanken als Feuerwehr zu Hilfe eilen müssen, um Managerfehlleistungen zu korrigieren, so zeigt dies vor allem, auf welch brüchigem Fundament der Bankensektor 15 Jahre nach dem weltweiten GAU noch immer steht.

Das europäische Kreditwesen ist noch nicht so reguliert, dass Einzelfälle keine Beben mehr auslösen. Wirksamere Kontrollmechanismen, die bisher auch von der Finanzlobby verhindert wurden, sind nötig. Die gute Nachricht ist, dass die jüngsten Einschläge die deutschen Banken allem Anschein nach nicht ernsthaft berühren. Sie haben genügend Eigenkapital aufgebaut, um ungünstige Zinsgeschäfte abzusichern. Anders als nach dem Lehman-Crash lauern auch nicht gigantische Bonitätsrisiken in den Büchern. Es ist reichlich Liquidität vorhanden, und ein massiver Geldabfluss wie bei Credit Suisse oder Silicon Valley Bank ist nicht erkennbar. Folglich müssen sich die Anleger um ihre Einlagen hierzulande keine Sorgen machen.


«Frankfurter Rundschau» zur EU-Klimapolitik

(.) In der EU-Klimapolitik gilt neuerdings nichts mehr als sicher, seitdem ausgerechnet der "Vorreiter" Deutschland sich in Brüssel als liberal gesteuertes Enfant terrible aufführt.

FDP-Verkehrsminister Wissing hat das in Brüssel längst ausverhandelte Verbrennerverbot gekippt und damit mehr ins Rutschen gebracht als nur die automobile Zukunft. Insider befürchten, dass andere EU-Länder das zum Anlass nehmen, ebenfalls auf Egotrip zu gehen, nicht nur beim Gebäudegesetz, sondern auch bei der ebenfalls ausverhandelten Reform des Emissionshandels. Das heißt, der ganze "Grüne Deal" wackelt. Es bleibt nur eins zu hoffen: Verantwortungsvolle Politikerinnen und Politiker in Kommission, Europaparlament und den Regierungen müssen es schaffen, dass ihnen dieses Zukunftsprojekt nicht um die Ohren fliegt.


«WSJ»: DeSantis riskiert mit seiner Ukraine-Sicht schwächere USA

NEW YORK: Zur Kritik des möglichen republikanischen Präsidentschaftsbewerbers Ron DeSantis an der Ukraine-Hilfe der US-Regierung und seiner Bezeichnung des Kriegs als «territorialen Konflikt» schreibt das «Wall Street Journal»:

«Ron DeSantis entwirft eine Präsidentschaftskampagne, die auf seinem offensichtlichen Regierungserfolg (als Gouverneur) in Florida (..) basiert. Bei Fox News erklärte er, dass die Lieferung von weitreichenden Raketen und Kampfflugzeugen an die Ukrainer «vom Tisch» sein sollte, und verwies auf die Gefahr eines Atomkriegs mit Russland. Und er rief zum «Frieden» auf, ohne jedoch zu erklären, wie vermieden werden soll, dass es für die Ukrainer ein grausamer Frieden wird, wenn der Westen seine Unterstützung zurückzieht, während Wladimir Putin vorrückt. (...)

DeSantis hat Recht, wenn er sagt, dass Biden keine «definierten Ziele» in der Ukraine hat (...) Und was ist, wenn Russland die gesamte Ukraine oder den größten Teil schluckt? Putin wird sich dann näher an der polnischen Grenze niederlassen und als bösartige Kraft in Europa noch stärker werden. Die USA werden tiefer in die Probleme des Kontinents hineingezogen und können sich nicht mehr auf die Bedrohung durch China konzentrieren, das in jedem Fall zu dem Schluss kommen wird, dass die USA schwächer sind. Ist das die Welt, die Präsident DeSantis am 20. Januar 2025 erben möchte?»


«Dagens Nyheter»: Erdogan hat bei Nato-Antrag nicht das letzte Wort

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Donnerstag die Anzeichen für getrennte Nato-Beitritte von Finnland und Schweden, die noch von der Türkei und Ungarn ratifiziert werden müssen:

«Wenn die Türkei Finnland grünes Licht gibt, werden unsere Länder beim Antragsprozess getrennt - wahrscheinlich kann unser Nachbarland dann auch zuerst in die Nato. Das, was nicht passieren durfte, geschieht in diesem Fall. Schweden und Finnland gehören zusammen. Die Sicherheit unserer Länder ist so eng miteinander verwoben - wir haben sogar eine gemeinsame Verteidigungsplanung. Alles wird auf den Kopf gestellt. Und dennoch ändert sich in der Praxis sehr wenig. Schweden und Finnland werden Mitglieder der Nato werden. Und in beiden Fällen wird dies wahrscheinlich in naher Zukunft passieren.

Dass unsere Länder zusammengehören, ist keine aus der Luft gegriffene Behauptung, an der Recep Tayyip Erdogan etwas ändern kann, sondern eine geografische und sicherheitspolitische Tatsache. Erdogans - und übrigens auch Viktor Orbans - Verbiegungen sind ein Skandal. Durch ihre Blockade begünstigen sie auch Wladimir Putins Idee einer Sicherheitsordnung, in der kleine Länder keine eigenen Entscheidungen treffen dürfen. Das kann die Nato auf Dauer nicht tolerieren. Erdogan und Orban werden einlenken müssen.»


«NRC»: U-Boot-Abkommen wird zu Gegenmaßnahmen führen

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «NRC» kommentiert am Donnerstag den Pakt zwischen den USA, Großbritannien und Australien zum Aufbau einer nuklearbetriebenen U-Bootflotte:

«Das kolossale Projekt, das sich geografisch über alle Weltmeere erstreckt, ist eine Antwort auf Chinas wachsende Macht im Indopazifik und die Zukunft, die Peking für Taiwan voraussieht. (...) Angesichts der umfassenden geopolitischen Neuordnung, die weltweit im Gange ist, ist der Pakt aus Sicht der USA ein logischer Schritt. Er bietet Washington die Möglichkeit, eine dauerhafte Position in einer Region aufrechtzuerhalten, die möglicherweise turbulente Jahre vor sich hat.

Ob das Abkommen die Stabilität im Pazifikraum erhöhen wird, ist allerdings fraglich. Es wird unweigerlich zu Gegenmaßnahmen von Ländern mit anderen Interessen führen. Dies scheint einen Wettlauf in Gang zu setzen, der alle Merkmale eines neuen Kalten Krieges aufweist. Vor dem Hintergrund der instabilen Weltlage ist zu hoffen, dass ein neues Gleichgewicht gefunden wird, bevor es zu echten Konfrontationen kommt.»


«The Times»: Haushaltsplan der britischen Regierung ist vernünftig

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Donnerstag den Haushaltsplan des britischen Finanzministers Jeremy Hunt:

«Die von Jeremy Hunt vorgestellten Maßnahmen sind vernünftige Lösungen für konkrete Probleme. Aber der Finanzminister und sein Chef befinden sich in der wenig beneidenswerten Lage, schrittweise Lösungen zu propagieren, während die Uhr unaufhaltsam in Richtung der nächsten Wahlen tickt. Es stimmt, dass sich das makroökonomische Bild langsam aufhellt. Die Aufsichtsbehörde Office for Budget Responsibility prognostiziert, dass Großbritannien in diesem Jahr eine Rezession vermeiden und dass die Inflation bis Dezember von zweistelligen Werten auf 2,9 Prozent sinken wird.

Dennoch wird das Wachstum in diesem Jahr gegen Null tendieren, während das verfügbare Einkommen voraussichtlich sinken wird, was zum schlimmsten anhaltenden Rückgang des Lebensstandards seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1956 führen wird. (...)

Im Einklang mit ihrem vorsichtigen, technokratischen Ansatz halten Premierminister Rishi Sunak und Hunt weiter an ihrem Plan fest. Es ist ihnen hoch anzurechnen, dass sie nach unruhigen Jahren wieder Stabilität hergestellt haben. Aber wenn sie eine Chance haben wollen, diesen Plan zu Ende zu führen, müssen sie auch dafür sorgen, dass wieder Optimismus herrscht.»


«El Mundo»: EZB muss Banken stärken und Inflation bekämpfen

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Donnerstag die Turbulenzen im Bankensektor:

«Das finanzielle Erdbeben ausgelöst durch den Absturz der Silicon Valley Bank erschüttert Europa vor einer Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB), bei der eine weitere Zinserhöhung erwartet wurde, um die Inflation zu zügeln. Die Erschütterungen begannen am frühen Mittwochmorgen an der Zürcher Börse, wo die Aktien der Credit Suisse um bis zu 30 Prozent einbrachen. Die EZB steht deshalb unter Druck, bei der Erhöhung der Zinsen einen Gang herunterzuschalten. Das aber wäre ein Fehler. Die europäische Regulierungsbehörde darf im Kampf gegen die Inflation jetzt nicht nachlassen.

Zugleich muss sie aber ein nachdrückliches Zeichen der Unterstützung für die europäischen Banken aussenden. Dabei geht es darum, das Vertrauen in die Märkte und bei den Bankkunden wiederherzustellen, weil die Erkältung von Kalifornien anderenfalls wie 2008 eine weltweite Lungenentzündung auslösen könnte. Zur Credit Suisse lässt sich nur sagen, dass sie ihre schlechten Praktiken schon längst hätte beenden sollen. Die Solidität der Position der EZB sollte dazu beitragen, diesen Fall zu isolieren, um zu verhindern, dass er den Rest des europäischen Bankensektors infiziert und der Willkür von Spekulanten ausliefert.»


«NZZ»: In turbulenten Zeiten braucht die Credit Suisse Hilfe

ZÜRICH: Die Schweizer Nationalbank hat der angeschlagenen Bank Credit Suisse (CS) Unterstützung zugesagt. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Donnerstag:

«War der staatliche Beistand unvermeidlich? Gemessen an Maßzahlen für Eigenkapital und auch Liquidität eigentlich nicht, denn die CS ist da immer noch solide aufgestellt. Doch ihr geht es so wie einst dem deutschen Fußballer Jürgen Wegmann: «Zuerst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu.» Unabhängig davon, was in der Finanzwelt gerade geschieht, es wird am Markt gegen die CS verwendet. Von einer Bankenrettung wie seinerzeit bei der UBS kann man zwar noch nicht sprechen, denn Banken in turbulenten Zeiten Liquidität zur Verfügung zu stellen, gehört zu den Kernaufgaben einer Notenbank. Die verbale Unterstützung aus Bern zeigt aber: Die Credit Suisse hat das Heft des Handelns nicht mehr allein in der Hand.»


«De Standaard»: Zinspolitik der Zentralbanken ist ein Balanceakt

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» kommentiert am Donnerstag die Verunsicherung im Bankwesen:

«Die Zentralbanken sehen sich gezwungen, die Leitzinsen zu erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen. Aber sie riskieren damit, eine Rezession auszulösen. Bei diesem Balanceakt fällt hier und da plötzlich eine Bank um und überall stellt sich die Frage: Wem kann ich noch vertrauen?

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor der Quadratur des Kreises: Wenn sie die Zinssätze wie geplant anhebt, riskiert sie, die Turbulenzen an den Aktienmärkten zu verstärken. Entscheidet sie sich aber für eine geringere oder gar keine Anhebung, könnte die Stimmung in Panik umschlagen. Denn das könnte als Zeichen dafür gewertet werden, dass die EZB mit noch mehr und noch größeren Problemen rechnet.

Die unmittelbare Bedrohung, die von den USA ausging, schien nicht weiter besorgniserregend zu sein, und die Märkte beruhigten sich. Doch die Spekulanten wählten gestern ein anderes Ziel: die Crédit Suisse. Was könnte solider sein als eine Schweizer Bank? Bis vor kurzem lautete die Antwort auf diese Frage: nichts. Diese Gewissheit gilt nun nicht mehr. Die Schweiz ist weder Teil der EU noch der Eurozone. Aber die Vorstellung, dass Europa gegen finanzielle Schocks anderswo immun ist, war gestern nicht viel wert.»

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