Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zu Waffenverbot/Stuttgarter

Stuttgart ist eine der sichersten Großstädte, obwohl die Polizei eine besorgniserregende Beobachtung macht: die Zunahme der Gewalttaten, bei denen Messer benutzt wurden.

Das jetzige Verbot ist auf Probe eingeführt. Es ist zeitlich beschränkt auf zwei Jahre, danach soll ausgewertet werden, was es gebracht - oder eben auch nicht erreicht hat. Ein sehr wichtiger Punkt. Denn allein des Überwachens wegen darf solch eine Regelung nicht aufrechterhalten werden. Sie ist nur dann gerechtfertigt, wenn potenzielle Gefahren dauerhaft gebannt werden.


«Handelsblatt» zu Faeser/Kandidatur/Landtagswahl Hessen

Es ist ein gewagtes Manöver.

Nicht etwa, weil Faeser mit ihrer Doppelrolle als Innenministerin und Spitzenkandidatin überfordert wäre und das Amt darunter zu leiden hätte, wie nun vielfach moniert wird. (...) Das Problem ist ein anderes: Die Frage lautet, ob die Wähler Faeser trotz ihrer langen Zeit im hessischen Landtag nicht doch eine halbherzige Kandidatur unterstellen. Faesers Siegchancen im eigentlich traditionellen Swing State Hessen wären zweifelsohne höher, wenn sie sich ganz und gar ihrer Heimat verschrieben hätte - ohne Rückfahrticket nach Berlin.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Putins große Lüge

Der Name Stalingrad lässt Deutschen und Russen auch nach 80 Jahren noch den Atem stocken.

(...) In Deutschland ist der Name eine Chiffre für den Wahnsinn eines verbrecherischen und daher zum Scheitern verdammten Angriffskrieges, der nie wieder von deutschem Boden ausgehen dürfe. (...) Der Alleinherrscher im Kreml führt diesen Feldzug unter der Fahne des Kampfes gegen Hitlerdeutschland, vor der sich alle Russen verbeugen. Putin jedoch tritt sie in den Schmutz seiner großen Lüge, in der Ukraine müsse «der Nazismus in einem modernen Antlitz» beseitigt werden, der eine Gefahr für Russland darstelle. (...) Die Gefahren, die Putin in der Ukraine und in seiner ganzen Nachbarschaft ausmerzen will, heißen Demokratie, Gewaltenteilung, Menschenrechte. Das sind nicht Bedrohungen für das russische Volk, sondern für Putins Diktatur.


«Corriere della Sera»: Europa scheint bei Hilfsgeldern gespalten

ROM: Zur Hilfsgelder-Politik Brüssels schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Donnerstag:

«Wenn Entwicklung im Einklang mit Staatshilfen und Schutzzöllen stehen würde, wäre Süditalien Bayern und Fiat hätte (den Top-Manager) Marchionne nie gebraucht. Europa scheint zwischen denen gespalten zu sein, die die Normen für staatliche Hilfen lockern wollen, die es Mitgliedsstaaten bis zur Pandemie erschwerten, Subventionen zu verteilen, und denen, die es sich wünschen, dass Brüssel neue Unterstützung mit gemeinsamen Finanzinstrumenten liefert. (...)

Niemand bezweifelt jedoch, dass diese europäische Antwort richtig und notwendig ist. Die Biden-Regierung hat beschlossen, 369 Milliarden Dollar für eine Reihe von Initiativen mit dem Titel «Inflation Reduction Act» auszugeben: in Wirklichkeit eine Minestrone (dicke Suppe) an Subventionen. (...) Die Ziele unterscheiden sich nicht sehr von denen, die die EU bereits mit verschiedenen Instrumenten verfolgt, angefangen beim Green Deal. Die Ambition ist, die grüne Wende voranzutreiben. Die Mittel zerstreuen sich in tausend Rinnsale an Anreizen, die nicht so einfach zu erläutern sind.»


«Latvijas Avize»: Europa ohne USA kaum kriegsfähig

RIGA: Zu den Waffenlieferungen an die Ukraine schreibt die national-konservative lettische Tageszeitung «Latvijas Avize» am Donnerstag:

«Die verkorkste Art und Weise, wie der Westen die Ukraine militärisch unterstützt, zeigt nicht nur einige Illusionen hinsichtlich Russland auf. Sie verdeutlicht auch den erschreckend schwachen Zustand, in dem sich die Armeen vieler Nato-Mitgliedstaaten befinden. Der Krieg hat aufgezeigt, dass der europäische Teil der Nato für einen echten, intensiven Krieg nicht wirklich vorbereitet ist. Weil sich Europa offenbar zu lange auf die Amerikaner verlassen hat.»


«Le Figaro»: Europa muss schnell auf US-Förderprogramm reagieren

PARIS: Zu Europa und dem US-Förderprogramm Inflation Reduction Act schreibt die konservative französische Tageszeitung «Le Figaro» am Donnerstag:

«Angelockt von den Dollar von (US-Präsident) Joe Biden haben mehrere europäische Projekte wie etwa zu Wasserstoffbatterien plötzlich den Atlantik überquert. Hinter diesen Ortswechseln stecken der beschleunigte Niedergang unserer Industrie, die Zerstörung von Arbeitsplätzen und der Kontrollverlust über Zukunftstechnologien.

Weil Europa eben Europa ist, gibt es noch keinen Gegenschlag zu dieser beispiellosen Offensive. Wir kennen die Erklärungen schon: In einer Gemeinschaft von 27 Länder mit teils unterschiedlichen Interessen, geformt im Dogma des reinen Wettbewerbs, werden die Tore für Staatshilfen nicht von einem Tag auf den anderen geöffnet. (...)

Die Hindernisse sollten aber schnell überwunden werden. In einer Welt, in der sich die großen Blöcke unter unseren Augen neu formieren, hat Europa keine Wahl, als sich die gleichen Waffen wie die Amerikaner und die Chinesen zu geben. Der Erhalt der europäischen Industrie und wirtschaftlichen Souveränität verlangt eine schnelle und starke Antwort. Auch wenn man sich dafür über einige große Prinzipien hinwegsetzen muss.»


«Verdens Gang»: Der Brexit trifft selbst das Tierreich

OSLO: Die norwegische Boulevardzeitung «Verdens Gang» (Oslo) kommentiert am Donnerstag die Folgen des Brexits für die britische Wirtschaft und auch für Zuchtprogramme für gefährdete Tiere:

«Drei Jahre nach dem Brexit schrillen die Alarmglocken auf dem Inselreich. Die meisten Volkswirtschaften, die während der Pandemie einen Rückgang erlitten, haben es weitgehend geschafft, das Verlorene wieder hereinzuholen. Während die übrigen G7-Staaten im Wesentlichen das Niveau von vor Covid wiederhergestellt haben, sind die Briten zurückgeblieben. Die exotischste Konsequenz des Brexits ist jedoch, wie der Bruch mit Brüssel dramatische Folgen für bedrohte Tierarten wie vermehrungsbereite Nashörner haben könnte. Als Großbritannien eine Veterinärzusammenarbeit mit der EU hatte, wurden jährlich fast 1400 Tiere zwischen britischen Zoos und Aquarien und anderen in Europa transportiert. Jetzt dauert es bis zu 17 Monate, bis alle Genehmigungen für den Transport eines Tieres von oder nach Großbritannien vorliegen. Der Brexit trifft selbst das Tierreich.»


«La Vanguardia»: Unzureichende Reaktion der EU

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Donnerstag die Empfehlungen der EU-Kommission zum Schutz des Industriestandortes Europa vor Subventionen in den USA oder China:

«Die EU ist bereit, Unternehmen aus Mitgliedsländern staatliche Beihilfen für Investitionen zu genehmigen, die die Nachhaltigkeit fördern, so wie es die USA und China tun. Das ist die Antwort der EU-Kommission, um gleiche Wettbewerbsbedingungen mit diesen Ländern herzustellen. Doch anders als der Biden-Plan, der Direkthilfen für US-Unternehmen in Höhe von 370 Milliarden Dollar für grüne Investitionen vorsieht, plant die EU kein neues Ausgabenprogramm. Es stünde nur jedem Land frei, seinen jeweiligen Unternehmen mit öffentlichen Geldern zu helfen und ihnen größere steuerliche Anreize für Investitionen in nachhaltige Technologien zu bieten.

Dies ist bei Mitgliedsstaaten auf ein geteiltes Echo gestoßen. Deshalb arbeitet die Kommission an der Idee, auch noch verfügbare Gelder aus früheren Programmen wiederzuverwenden. Aber in Wirtschaftskreisen wird kritisiert, dass das keine ausreichende Reaktion auf die bestehenden Bedrohungen sei. Die führenden Politiker der EU werden auf ihrem Gipfel nächste Woche in Brüssel eine Entscheidung treffen müssen.»


«Die Presse»: Russische Abgeordnete sollten nach Wien dürfen

WIEN: Die österreichische Zeitung «Die Presse» meint zur möglichen Teilnahme russischer Abgeordneter an einem OSZE-Treffen in Wien:

«Just am 24. Februar, dem Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine, richtet die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) an ihrem Sitz in Wien eine Parlamentarier-Konferenz aus. In die Hofburg geladen sind auch Delegierte aus Russland, die unter einem EU-Bann stehen und mit Einreiseverbot belegt sind. Es sind Propagandisten des Putin-Regimes, die zynisch angedroht haben, die Ukraine in das 18. Jahrhundert zurückzubomben und von einer "Denazifizierung" des Landes schwadronieren.

Sie bringen Österreich in ein Dilemma: Soll das Außenministerium ihnen Visa erteilen oder - wie zuletzt Polen - verweigern? Als Gastland der OSZE und aufgrund des Amtssitzabkommens bleibt Österreich kaum Spielraum: Will Wien die ohnehin minimale Chance für einen Dialog mit Russland im Rahmen der an den Rand gedrängten OSZE nutzen, muss sie die Apparatschiks der Putin-Partei trotz aller Kritik aus Kiew und Osteuropa einreisen lassen. Auch auf die Gefahr hin, dass sie die Plattform für ihre verzerrte Weltsicht missbrauchen. In der UNO erhielten schließlich selbst Despoten vom Schlag eines Muammar al-Gaddafi eine Bühne für ihre Brandreden.»


«Financial Times»: Starke Rüstungsindustrie schreckt Aggressoren ab

LONDON: Die Londoner «Financial Times» plädiert am Donnerstag für eine Verstärkung der Rüstungsproduktion im Westen:

«Die USA und ihre europäischen Verbündeten haben der Ukraine in lobenswerter Weise mit Waffen und Munition geholfen, sich zu verteidigen. Vom Westen gelieferte tragbare Panzerabwehrwaffen, präzisionsgelenkte Raketen und Artillerie nach Nato-Standard haben sich als entscheidend erwiesen, um die russischen Invasionstruppen abzuwehren. Die unersättliche Nachfrage Kiews führt jedoch dazu, dass sich die Vorräte in alarmierendem Tempo leeren und die Kapazitäten zum Auffüllen der Vorräte übersteigen. (...)

Regierungen werden sich sträuben, bereits profitable Rüstungsunternehmen, deren Leistung oft zu wünschen übrig lässt, noch mehr zu verhätscheln. Aber die Kapazitäten der Rüstungsindustrie sind eine wesentliche Komponente der Sicherheit, die die internationale Ordnung und das globale Handelssystem stützt. Die Aufrechterhaltung dieser Kapazitäten ist auch ein Mittel zur Abschreckung von Aggressionen. Es ist eine Botschaft an Moskau - und an Peking -, dass die Verbündeten der Ukraine diese Sache mit langem Atem angehen.»


«Wall Street Journal»: USA sollten Ukraine schnell Kampfjets liefern

NEW YORK: Zur Frage, ob die USA der Ukraine Kampfjets zu ihrer Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg liefern sollten, schreibt das «Wall Street Journal» am Donnerstag:

«Präsident (Joe) Biden sagt, die USA werden keine F-16-Kampfflugzeuge an die Ukraine liefern. Aber jeder, der den Krieg im vergangenen Jahr verfolgt hat, weiß, was das bedeutet: Fragen Sie später noch einmal nach.(...)

(Der russische Präsident Wladimir) Putin mobilisiert Russland für einen längeren Krieg, weil er glaubt, dass er die ukrainische Entschlossenheit und die westliche Unterstützung überdauern kann. Daher ist es wichtig, dass die Ukraine schneller mehr Hilfe erhält, damit ihr Militär Russland noch in diesem Jahr aus den meisten oder allen ukrainischen Gebieten vertreiben kann. (...)

Die US-Unterstützung für die Ukraine ist keine Übung für den Aufbau einer Nation oder ein willkürliches Eingreifen. US-Amerikaner kämpfen und sterben nicht. Hilfe für Kiew steht in der Tradition der Reagan-Doktrin, anderen zu helfen, für ihre eigene Freiheit zu kämpfen und zu sterben. Das Weiße Haus kann mehr tun, um der Ukraine schneller zu helfen - jetzt mit Langstreckenraketen und so schnell wie möglich mit Jets.»


«NZZ»: Behörden in Memphis haben angemessen reagiert

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag die Trauerfeier in Memphis für den bei einem brutalen Polizeieinsatz getöteten Afroamerikaner Tyre Nichols:

«Nichols' Tod und die kaum erträglichen Videoaufnahmen, die mehrere auf den unbewaffneten und längst wehrlosen Mann einprügelnde Polizisten zeigen, haben zwar landesweit Proteste ausgelöst. Aber anders als nach dem Fall George Floyd vor bald drei Jahren blieben diese bisher friedlich, obwohl das Ausmaß der Brutalität und die Nichtigkeit ihres Anlasses vergleichbar sind.

Ein Grund mag sein, dass die Beamten selbst alle Afroamerikaner sind. Der jeweils schnell und oft zu Recht erhobene Vorwurf des Rassismus ist so weniger naheliegend. Ein anderer ist, dass die Behörden in Memphis angemessen reagierten. Fünf beteiligte Polizisten wurden entlassen, die Polizeichefin verurteilte deren Vorgehen unmissverständlich, und die regelmäßig übertrieben aggressiv auftretende Einheit Scorpion wurde aufgelöst. Auch die Justiz handelte rasch und klagte die Beamten unter anderem wegen Totschlags an. In der Vergangenheit wurden solche Vorkommnisse oft vertuscht oder verharmlost, was die Wut der Bevölkerung anfeuerte. Die andere Herangehensweise in Memphis ist eine Lehre daraus.»

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