Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zu den gestiegenen Pflegekosten

Wenn Pflegekräfte gut bezahlt werden sollen - und das ist zwingend, weil gute Pflege mit den Pflegekräften steht und fällt -, kommt auf die Bewohner ein höherer Eigenanteil zu.

Den können viele aber nicht aus ihrer Rente aufbringen. Die Lücke zwischen der Eigenbeteiligung und dem verfügbaren Einkommen ist also das eigentliche Problem, für das die Ampel rasch eine Lösung finden muss.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Kindergrundsicherung

Wer Anträge klären, Hotlines benutzen, Nachfragen stellen will, der weiß, dass Warteschleifen durchaus Monate in Anspruch nehmen können.

Viele Familien verzichten deshalb oder geben auf, obwohl sie das Geld dringend brauchen. Daran etwas ändern zu wollen ist ein Motiv der Kindergrundsicherung, das nur zu begrüßen ist. (...) Die Ampelkoalition belässt es aber nicht dabei. Noch jede Sozialleistung, die sie (und die Große Koalition) auf den Weg gebracht hat, ist weit über das Ziel hinausgeschossen. In diesem Fall brüstet sich die Koalition damit, dass das Kindergeld und der neue Zusatzbetrag um einen zweistelligen Milliardenbetrag ausgeweitet werden. (...) Berlin macht es aber so wie die Länder, in denen die Kitagebühren abgeschafft wurden: Sozialpolitik als Geldautomat, der den Mut für Schwerpunkte ersetzt.


«Berliner Morgenpost» zu Leopard-Lieferung an die Ukraine

Olaf Scholz will sein Okay für die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine geben - aber nur, wenn auch die USA ihren Kampfpanzer Abrams zur Verfügung stellen.

Die USA verschieben zwar nach und nach rote Linien für die Waffenlieferungen, aber sie wägen Risiken sehr sorgfältig ab. Auch Kampfpanzer für die Ukraine waren beiderseits des Atlantiks lange tabu - aus Sorge, allzu weit in den Krieg hineingezogen zu werden. Diese Befürchtung ist kleiner geworden, ganz verschwunden ist sie nicht, weshalb die Nato-Staaten auf enge Abstimmung pochen. Die Ukraine braucht dringend moderne Kampfpanzer, am besten den Leopard. Der Westen blickt mit wachsendem Unverständnis auf Deutschland. Der Kanzler, der bei Waffenlieferungen keinen deutschen Alleingang wollte, könnte bald ziemlich allein dastehen in Europa.


«Handelsblatt» zur Übernahme der ITA durch die Lufthansa

Also muss die Lufthansa-Spitze schnell damit beginnen, ITA so umzubauen, dass der Neuerwerb sich selbst finanzieren kann.

Lufthansa muss sich das bestehende Streckennetz und die Flottenplanung anschauen. Schmerzhafte Einschnitte sind zu erwarten und könnten bei den italienischen Gewerkschaften für Aufruhr sorgen. Die Arbeitnehmervertretungen mögen sich Lufthansa als neuen Eigner der ITA gewünscht haben. Doch das heißt noch lange nicht, dass sie auf ewige Zeit zahm bleiben werden. Soll ITA eine erfolgreiche Akquisition werden, muss die Lufthansa-Führung in Italien mehr Härte zeigen, als sie das bei den früheren Zukäufen getan hat. Das heißt auch: Im Zweifel muss der Konzern dazu bereit sein, sich aus Italien wieder zurückzuziehen, wenn in Rom mal wieder alles anders kommt als gedacht.


«Münchner Merkur» zu Pistorius/Kampfpanzer

Für Deutschland beginne eine «Epoche im Gegenwind», sagte Bundespräsident Steinmeier bei der Ernennung von Boris Pistorius zum Bundesverteidigungsminister.

Das war eine höfliche Umschreibung der von Putin herbeigebombten neuen, gefährlichen Realität. Der von den Partnern vor der Geberkonferenz in Ramstein aufgebaute Druck ist riesig: Putin bereitet gerade die nächste Offensive vor. Es ist unvorstellbar, dass die Ukraine sich gegen die Todeswalze nicht verteidigen kann, weil Deutschland die nötigen Kampfpanzer nicht liefern will. Der Kanzler hat den Deutschen versprochen, ihr Land nicht in den Krieg hineinziehen zu lassen. Doch er muss aufpassen, dass Putin das nicht als Einladung zu einer weiteren Erpressung missversteht. Wenn der Kanzler sein zweites Versprechen erfüllen will, dass Russland nämlich nicht gewinnen darf, und wenn er seinen neuen Wehrminister im Kreis der Nato nicht von Beginn an auf Lambrecht-Format stutzen will, muss er heute einen guten Deal präsentieren.


«Sme»: Kriegszeit erlaubt Verheimlichung vor dem Volk

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» schreibt am Donnerstag zu internationalen Medienberichten (zum Beispiel in «The Guardian» und «Welt»), wonach Bulgarien der Ukraine heimlich militärische Hilfe gewährt habe:

«Jede Nachricht über eine Hilfe für die vom russischen Faschismus bedrohte Ukraine ist im Grunde gut. Informationen darüber, dass bulgarische Politiker ihre Entscheidungen verbergen mussten, sind allerdings ein wenig bitter. Wenig verwunderlich und gar nicht zu kritisieren ist, dass sie ihre Hilfe vor Moskau verheimlichten, von dem sie weiterhin Energielieferungen beziehen. (...)

Schwerwiegender ist jedoch, dass die bulgarischen Politiker aus politischen Gründen hinter dem Rücken ihrer eigenen Bürger handelten. Das ist nicht gerade die beste Visitenkarte für die Demokratie, aber trotzdem sollten wir nicht allzu großer Skepsis verfallen. Gerade in Kriegszeiten ist es manchmal zu rechtfertigen, wenn Regierungen nicht zu sehr auf die Öffentlichkeit Rücksicht nehmen.»


«Dagens Nyheter»: Nein, Tichanowskaja ist kein Monster

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Donnerstag den in Belarus begonnenen Prozess gegen die ins Exil geflohene Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja:

«Er ist also eingeleitet worden, der Gerichtsprozess gegen die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Natürlich handelt es sich um keinen Gerichtsprozess, sondern um einen von Diktatur Alexander Lukaschenko inszenierten Schauprozess. Die Anklagepunkte klingen gewiss imponierend: Hochverrat, Verschwörung, Putschversuch und Bildung einer «terroristischen Organisation». Das Regime will es so klingen lassen, als wäre die frühere Sprachlehrerin Tichanowskaja ein echtes Monster. Aber ihr sogenanntes Verbrechen besteht in Wirklichkeit darin, in ihrem Land für Demokratie und Menschenrechte einzustehen.

Gleichzeitig haben die Diktatoren Putin und Lukaschenko dasselbe Interesse daran, die Demokratie in der Ukraine zu zerschlagen, damit sie nicht als Leitstern für andere dienen kann. Am wichtigsten bei all dem ist, dass Ukrainer, Belarussen und Russen einen gemeinsamen Wunsch und ein gemeinsames Recht auf Freiheit haben. Und dass sich die Ziele der Tyrannen und der Bürger nicht miteinander vereinbaren lassen.»


«Le Parisien»: Rentenstreit auch Test für französische Gesellschaft

PARIS: Zu dem angekündigten Großstreik gegen die geplante Rentenreform in Frankreich schreibt die französische Tageszeitung «Le Parisien» am Donnerstag:

«Ist der Kampf, der an diesem Donnerstag beginnt, ein Test für (Frankreichs Präsidenten) Emmanuel Macron, entscheidend für das Ende seines Mandats und auch bedeutend für die Spur, die er hinterlassen wird? Ja, das ist sicher. Und ist der Kampf auch ein Test für die Gewerkschaftszentren, die mit einer Repräsentationskrise und der Herausforderung der Mobilisierung zu kämpfen haben? Ja, das ist sicher. Ist jede dieser Parteien absolut entschlossen, alle Kräfte in die Auseinandersetzung zu stecken? Auch hier ist die Antwort Ja. (...)

Ein Test für Macron, ein Test für die Gewerkschaften, aber auch ein Test für die französische Gesellschaft ... Stellen wir uns vor, auch wenn nichts sagt, dass es so kommen wird, dass der Konflikt, der an diesem Donnerstag beginnt, hart und vor allem lang wird. Was wird in zwei, drei oder vier Wochen die Tonalität der Umfragen an den Bahnhöfen oder vor den Tankstellen (...) sein?»


«Wall Street Journal»: US-Panzer Abrams wäre in Ukraine sinnvoll

NEW YORK: Zur Frage der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern aus Beständen europäischer Länder an die Ukraine und der kolportierten Haltung der USA, keine Abrams-Modelle zu stellen, schreibt das «Wall Street Journal»:

«Der Leopard ist ein ausgezeichneter Kampfpanzer, der in den europäischen Armeen im Einsatz ist (...) Militäranalysten gehen davon aus, dass die Ukrainer mindestens 100 benötigen würden, um auf dem Schlachtfeld etwas bewirken zu können. Die Priorität sollte darin bestehen, die Panzer schnell und in großem Umfang bereitzustellen. Die US-Marines haben kürzlich ihre Panzerbataillone im Rahmen eines Strategiewechsels ausgemustert, und diese Abrams könnten in der Ukraine sinnvoll eingesetzt werden.

Doch die Biden-Regierung lässt durchsickern, dass die Hilfe, die sie diese Woche ankündigen will, keine Panzer beinhalten wird. Die USA werden der Armee auch kein taktisches Raketensystem anbieten, das es den Ukrainern ermöglichen würde, Ziele in der Ferne zu treffen (...).

Diese Zurückhaltung ist ein Bild rätselhafter Zaghaftigkeit. Die Befürchtung des Weißen Hauses ist offensichtlich, dass der Krieg eskalieren wird, wenn Putin weiter an Boden verliert. Der Russe ist zu allem fähig, aber es gibt keinen moralischen oder strategischen Grund dafür, der Ukraine nur genug Waffen zu geben, um monatelang ohne Chance auf einen Sieg zu bluten.»


«The Times»: Macron tut das Richtige für sein Land

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Donnerstag die von der französischen Regierung angestrebte Reform des Rentensystems:

«Während in Großbritannien das Rentenalter bald von 66 auf 67 Jahre angehoben wird, können die Franzosen bereits mit 62 Jahren ihre staatliche Rente beziehen. Vor diesem Hintergrund wirkt der Versuch von Präsident Macron, das Rentenalter auf 64 Jahre anzuheben, ausgesprochen bescheiden. (...) Der gesunde Menschenverstand gebietet, dass das Rentenalter mit zunehmender Lebenserwartung schrittweise angehoben werden muss, um die öffentlichen Finanzen im Gleichgewicht halten zu können. In der Tat ist Frankreichs angeblich sich selbst finanzierendes Rentensystem in Schwierigkeiten geraten, so dass der Staat einspringen muss, um die Zahlungen aufrechtzuerhalten. (...) Macron könnte die Rentenreform per Dekret durchsetzen, was ihn bei vielen, die ihn als Technokraten und Freund der Großstadteliten betrachten, noch mehr zur Hassfigur machen würde. Doch wenn er diese unpopuläre Medizin verabreicht, kann er sicher sein, dass er das Richtige für sein Land tut.»


«NRC»: Die Welt schaut auf Ramstein

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «NRC» kommentiert am Donnerstag die Erwartungen westlicher Verbündeter an Deutschland:

«Kaum ist die Tinte auf seiner Ernennungsurkunde getrocknet, da trifft der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius am Freitag auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein zu einem Gipfelgespräch mit seinen internationalen Amtskollegen zusammen. Auf Einladung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin werden Vertreter aus 50 Ländern über die weitere militärische Unterstützung der Ukraine beraten. Es wird erwartet, dass die USA sowie Deutschland, Finnland und Polen nach dem Vorbild Großbritanniens Kampfpanzer an Kiew liefern werden.

Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wäre dies nach langwierigen Abwägungen ein weiterer großer Schritt. (...) Die internationale Öffentlichkeit wird am Freitag auf Ramstein schauen. Anscheinend ist Berlin sich bislang noch zu wenig bewusst, dass die Augen Europas schon seit langem auf Deutschland gerichtet sind - auf die wirtschaftliche Großmacht, den Standort einer großen Rüstungsindustrie, die Brücke von West nach Ost, und ein erneuertes Deutschland nach der bedeutungsvollen Zeitenwende.»


«NZZ»: Die russische Energiewaffe hat ihren Schrecken verloren

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag Russlands Versuch, den Westen durch den Stopp von Gaslieferungen unter Druck zu setzen:

«Jahrzehntelang galt die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Russland, dem Energielieferanten, und Europa, dem Käufer, als Königsweg. Im vergangenen Jahr brach dieses Arrangement angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine zusammen. Moskau benutzt Energielieferungen seitdem als Waffe. Es hat im Sommer den Erdgasfluss nach Europa so gut wie gestoppt. Und die EU ihrerseits hat ein Embargo gegen russisches Erdöl verhängt.

In Europa bahnte sich daraufhin eine Energiekrise an, die Preise für Erdöl, besonders für Erdgas und in der Folge auch für Strom schossen in die Höhe. Die Einnahmen Moskaus sprudelten gar üppiger als in den Vorjahren. Das Blatt scheint sich aber zu wenden: Derzeit sind die Energiepreise auf ein Niveau gefallen, das sie vor der Invasion der Ukraine hatten. Die europäische Wirtschaft hält sich besser als zuvor befürchtet. Die Anzeichen mehren sich, dass Russland heftige wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmen muss. Die russische Energiewaffe hat ihren Schrecken verloren.»


«Standard»: EU braucht Leitlinien für Zeit nach Krieg

WIEN: Die österreichische Zeitung «Der Standard» prangert Deutschland wegen mangelnder Führungsstärke beim Umgang mit der Ukraine an:

«Einmal mehr wird schmerzlich klar, wie sehr auch die zögerliche Haltung Deutschlands und das Fehlen einer Führungsachse nach dem Ausfall des deutsch-französischen Duos eine gemeinsame europäische Vorgehensweise behindern. Auch die Querschläge Ungarns und die schwelenden Konflikte zwischen Ost- und Westeuropäern belasten die Gemeinschaft. Das Resultat ist die Verkürzung der Diskussionen auf militärische Logik.

Es gibt offenbar keine konkreten gemeinsamen Vorstellungen in Europa dazu, welche strategischen Ziele man mit der - indirekten - Involvierung in den Krieg verfolgt. (...) Sich auf perspektivische Leitlinien für die Zeit nach dem Krieg zu einigen könnte aktuell Entscheidungen beschleunigen und der Ukraine leidvolle Monate, vielleicht sogar Jahre ersparen.»

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