Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu: Berlins Messe muss sich neu aufstellen

Berlins Messe muss sich neu aufstellen Am Ende wurde es immer einsamer um Messechef Martin Ecknig.

Das Aus ist folgerichtig und notwendig. Zu viele Vorwürfe, zu viel Filz, zu viel Intransparenz. Das Vertrauen zwischen ihm, dem Aufsichtsrat und Vertretern des Landes war zerstört. Am schwerwiegendsten aber ist, dass es Ecknig ohne Vitamin B wohl gar nicht auf den Posten als Messe-CEO geschafft hätte. Für die Messe selbst bietet das Aus von Ecknig die Chance für einen Neuanfang. Das Messegeschäft hat sein Potenzial in diesem Jahr wieder bewiesen. Zu Veranstaltungen wie der IFA oder der InnoTrans strömten Hunderttausende. Darauf aber darf man sich nicht ausruhen. Agieren statt reagieren - das wird auch das Land Berlin von einem neuen Messe-CEO erwarten.


«Stuttgarter Zeitung» zum Handelspakt mit Kanada

Der Bundestag hat dem Freihandelsabkommen der EU mit Kanada zugestimmt - und das war seit Jahren überfällig.

Wenn Deutschland und Europa noch nicht einmal mit Kanada Abkommen schließen können, mit wem sonst wollen die hiesigen Staaten dann eigentlich Handel treiben und Einfluss auf weltweite Standards nehmen? Nach dem Krieg in der Ukraine zeigt sich erschreckend deutlich, wie entscheidend enge Wirtschaftsbeziehungen mit demokratischen Staaten sind. Das gilt für Handel, aber auch Direktinvestitionen. Russland fällt als Partner aus, und zu China braucht es dringend Alternativen. Eine Export- und Industrienation wie Deutschland profitiert nicht nur überproportional davon, sie ist geradezu davon abhängig.


«Münchner Merkur» zu Habeck/Letzte Generation

Das Treiben der «letzten Generation» bringt den Hormonhaushalt der Grünen durcheinander: Während es aus dem Realo-Ländle Baden-Württemberg schon früh Ermahnungen an die Adresse der zumeist jungen Revoluzzer hagelte, konnten in Berlin manche ihre romantischen Gefühle für die Klima-Aktivisten kaum verbergen.

Doch auch dort wirkte die Blockade des Berliner Flughafens durch festgeklebte Aktivisten wie eine kalte Dusche. Robert Habeck spricht nun ein Machtwort: Für ihn sind die Weltuntergangspropheten eine radikalisierte Minderheit. Mehr Distanzierung geht kaum. In der Partei werden die Chefs nervös: Während die friedlichen «Fridaysfor Future»-Schülerproteste den Weg der Grünen zur Lifestyle- und Regierungspartei ebneten, bringt die «letzte Generation» mit ihren von der Bevölkerung abgelehnten Methoden nun die ganze Klimabewegung in Misskredit, und damit auch die Grünen selbst. An den Umfragen ist das bereits ablesbar.


«Magyar Nemzet»: Ungarn verliert keine EU-Gelder

BUDAPEST: Über die Empfehlung der EU-Kommission, für Ungarn vorgesehene EU-Gelder vorerst einzufrieren, schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Donnerstag:

«Nach Betrachtung des etwas komplizierten Mechanismus' steht außer Zweifel, dass Ungarn noch gewisse Verpflichtungen und weitere Bedingungen zu erfüllen hat. Unbestreitbar ist aber: der lautstark geäußerte Wunsch der ultra-globalistischen Linken beziehungsweise jener Organisationen und Personen, die an einer krankhaften Missgunst gegenüber Ungarn leiden, ist nicht aufgegangen. (...) Wenn wir die (von Brüssel geforderten) nicht wirklich gewichtigen und wenig schmerzhaften Veränderungen - etwa im Bereich der Justiz - vornehmen, wird der Weg zu den noch zurückgehaltenen EU-Mitteln frei.»


«Lidove noviny»: Nato-Beitritt der Ukraine nicht realistisch

PRAG: Zur Nato-Beitrittsperspektive der Ukraine schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Donnerstag:

«Es besteht kein Zweifel daran, dass anständige Leute, Organisationen und Regierungen mit der Ukraine sympathisieren. Sie setzen sich für den Schwächeren ein, der vom Stärkeren angegriffen wurde, auch wenn es Vorbehalte gegenüber dem Schwächeren geben mag. Doch gehört die Ukraine in die Nato? Viele würden das sicher bejahen. Die Regel lautet indes, dass die Nato nur Staaten aufnimmt, die keine offenen Konflikte nach innen oder mit Nachbarn haben. Und das kann man über die Ukraine - bei allen Sympathien - nicht sagen. Auch deshalb hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Bukarest betont, dass die Nato die Ukraine so lange wie nötig unterstützt. Doch er würde nie sagen, dass die Ukraine so, wie sie jetzt dasteht, in die Nato aufgenommen wird. Man sollte nicht verbergen, dass dies eine Frage der Selbsterhaltung des Westens ist.»


«Le Figaro»: Chinas Pakt mit Mittelklasse hat Risse

PARIS: Zu den Protesten in China schreibt die konservative französische Tageszeitung «Le Figaro» am Donnerstag:

«So sehr sich die kommunistische Führung Chinas auch bemüht, die Geschichte ihres Landes zu glätten, kennt sie sie doch. Sie weiß, dass im großen China alles außer Kontrolle geraten und ein unkontrollierbares Ausmaß annehmen kann. Dass aus kleinen rebellischen Quellen manchmal große revolutionäre Flüsse entsprungen sind. Deshalb schlägt die Staatsgewalt so hart und schnell auf jeden Bürger ein, der sich bewegt. (...)

Demonstrationen dieser Größenordnung an verschiedenen Orten des Reiches hatte es seit vier Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Und es gibt eine unerträgliche Blasphemie - die Slogans greifen das Staatsoberhaupt selbst an. Die Arbeiter schreien ihren Überdruss heraus, aber auch die Mittelschicht. Im kapitalistisch-kommunistischen China hat die Partei mit der Mittelschicht den politischen Pakt geschlossen. Wir sichern ihren Wohlstand; im Gegenzug schweigt sie. Heute wird der Pakt rissig.»


«Tages-Anzeiger»: Orban hat sein Spiel auf die Spitze getrieben

ZÜRICH: Zur Empfehlung der EU-Kommission, für Ungarn vorgesehene EU-Gelder einzufrieren, heißt es am Donnerstag im Schweizer «Tages-Anzeiger»:

«Am Ende dürfte wohl selbst Viktor Orban vom harten Kurs überrascht sein. Zu lange konnte der autoritäre Politiker die europäischen Partner an der Nase herumführen. Weshalb jetzt der Sinneswandel in Brüssel? Ungarns Premier hat sein Spiel auf die Spitze getrieben. Selbst die einst verbündeten Visegrad-Staaten Polen, Slowakei und Tschechien hat er verärgert. Inzwischen kann Viktor Orban selbst auf Polen nicht mehr sicher zählen. Zwar muss auch die rechtsnationale Regierung in Warschau wegen Rechtsstaatsdefiziten auf Mittel aus dem Corona-Fonds warten. Unabhängig davon kommt in Polen aber Orbans Schmusekurs gegenüber Wladimir Putin immer schlechter an. So blockiert Ungarn derzeit im Alleingang 18 Milliarden Euro Haushaltshilfe der EU für die Ukraine, geplant für das kommende Jahr.

In der Nato verzögert Viktor Orban zudem die Ratifizierung von Finnlands und Schwedens Beitritt zum westlichen Bündnis. Ungarn legt sich innerhalb der EU auch bei der Einführung der globalen Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne quer, die einstimmig beschlossen werden muss. Die Erpressungsaktionen wenden sich jetzt gegen den selbstbewussten Regierungschef in Budapest. Brüssel und die europäischen Partner sehen sich inzwischen am längeren Hebel.»


«De Standaard»: Von der Leyen weckt falsche Hoffnungen

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» kommentiert am Donnerstag die Vorschläge der EU-Kommissionspräsidentin, russische Vermögen zur Entschädigung der Ukraine zu verwenden und ein Tribunal für russische Kriegsverbrechen einzurichten:

«Kaum hatte Ursula von der Leyen ihre frohe Botschaft ausgesprochen, dämpften Quellen innerhalb der EU-Kommission die Erwartungen. Plötzlich hieß es, dass «beide Themen besonders komplex sind». Die Erklärungen von Experten brachten Ernüchterung.

Russische Kriegsverbrecher juristisch zur Verantwortung zu ziehen, wäre derzeit nur über den Internationalen Strafgerichtshof möglich, doch dafür ist die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats erforderlich - das ist keine realistische Option, da Russland Mitglied des Sicherheitsrats ist. Und die Einrichtung eines Sondertribunals setzt einen ebenfalls kaum zu erreichenden Konsens bei den UN voraus.

Auch eine Verwendung der sanktionierten russischen Milliarden für den Wiederaufbau der Ukraine ist rechtlich sehr kompliziert. Wer einem russischen Oligarchen das Geld abnehmen will, muss beweisen, dass der Mann oder die Frau direkt an einer Straftat beteiligt war. Mit ihrer Ankündigung kreierte von der Leyen wohl einen Moment persönlicher Publicity, aber noch mehr einen der falschen Hoffnung für die Ukrainer.»


«The Independent»: Russische Kriegsverbrecher müssen belangt werden

LONDON: Die britische Zeitung «The Independent» beschäftigt sich am Donnerstag mit der Frage, ob russische Kriegsverbrechen in der Ukraine jemals geahndet werden:

«Man mag es für unwahrscheinlich halten, dass Wladimir Putin oder einer seiner Generäle und Beamten jemals vor ein Tribunal gestellt wird - aber das wäre falsch. Auch (der damalige jugoslawische Präsident) Slobodan Milosevic und (der einstige bosnisch-serbische Anführer) Radovan Karadzic hatten nicht damit gerechnet, dass sie eines Tages vor Gericht stehen würden. Ebenso wenig wie die Schlächter der Roten Khmer, die Völkermörder in Ruanda oder bis 1945 auch die japanischen und nationalsozialistischen Herrscher.

Eines Tages - und vielleicht früher als viele annehmen - wird Russland seine neo-zaristischen Ambitionen aufgeben und sich wieder in die Gemeinschaft der zivilisierten Nationen einreihen müssen. Wenn es dies tut, wird es seine Kriegsverbrecher ausliefern müssen, um sich der Justiz zu stellen, so wie es zuvor mit Serbien, Ruanda, Kambodscha und Deutschland geschehen ist. Ihre Verbrechen werden sie einholen.»


«Sydney Morning Herald»: Überwiegen die Gewinne die Kosten?

SYDNEY: Zu den Protesten in China gegen die Null-Covid-Politik schreibt die australische Zeitung «Sydney Morning Herald» am Donnerstag:

«Das Ausmaß der öffentlichen Wut und der Proteste, die wir in der vergangenen Woche in mindestens 18 chinesischen Städten ausbrechen sahen, gab es seit 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens selten. Frustration und Erschöpfung nach fast drei Jahren Covid-Lockdowns haben bei vielen gewöhnlichen chinesischen Bürgern der Mittelklasse das Fass zum Überlaufen gebracht. Das Gefühl der Verzweiflung, das davon ausgeht, eingesperrt zu sein und nicht in der Lage zu sein, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist deutlich spürbar. (...)

Bei der Einschätzung, was als nächstes passiert, müssen wir berücksichtigen, wie groß das Verlangen einzelner chinesischer Bürger ist, ihren Protest aufrechtzuerhalten. Die Fragen, die viele stellen werden, sind: Überwiegen die potenziellen Gewinne die Kosten? Und wie hoch sind diese Kosten? Chinas Überwachungsstaat ist in seiner Reichweite unübertroffen. Daher könnten die persönlichen Kosten für die Durchführung solcher Proteste zu hoch sein, um sie zu tragen.»


«Die Presse»: Orbán will ungestört an der Macht bleiben

WIEN: Nach der Empfehlung der EU-Kommission, für Ungarn vorgesehene EU-Gelder einzufrieren, schreibt die österreichische Zeitung «Die Presse»:

«Ungarns Führung unter Orbán hat ihr Land in das unsolidarischste der gesamten EU verwandelt. Eines, das sich einladen lässt und das seinen Gastgeber dabei noch beschimpft. Eines, das mit dem aktuell größten Feind seiner Freunde, dem kriegerischen Aggressor, gemeinsame Sache macht. Eines, das Hilfen für ein angegriffenes Land erschwert und blockiert.

Schon ächzt das Gebälk in der letzten Brücke. Es wäre der politische GAU für die Europäische Union, wenn nach Großbritannien das nächste Land wegbricht. Es wäre aber auch eine Katastrophe für Ungarn - wirtschaftlich wie letztlich auch sicherheitspolitisch. Orbán steuert genau dorthin. Es geht ihm mit seiner Kritik an Brüssel und den EU-Partnern nicht darum, die EU zu verbessern. Das wäre ja zu verstehen. Es geht ihm nur darum, Stimmung und Verwirrung zu erzeugen, damit er weiterhin ungestört an der Macht bleiben kann.»

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